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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:BES.2018.135 (AG.2019.261)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid BES.2018.135 (AG.2019.261) vom 18.02.2019 (BS)
Datum:18.02.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Kostenübernahme
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 382 StPO ; Art. 393 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 428 StPO ; Art. 433 StPO ; Art. 434 StPO ; Art. 48 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Einzelgericht



BES.2018.135


ENTSCHEID


vom 18. Februar 2019



Mitwirkende


lic. iur. Gabriella Matefi

und Gerichtsschreiber MLaw Thomas Inoue




Beteiligte


A____ Beschwerdeführerin

[...]

vertreten durch [...], Advokat,

[...]

gegen


Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Beschwerdegegnerin

Binningerstrasse 21, 4001 Basel



Gegenstand


Beschwerde gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft

vom 2. Juli 2018


betreffend Kostenübernahme


Sachverhalt


Der Vater von A____ (Beschwerdeführerin), B____, wurde am 17. Mai 2017 ins Universitätsspital Basel eingeliefert, nachdem er am 16. Mai 2017 von der vom Sohn alarmierten Polizei bei sich zu Hause am Boden liegend aufgefunden worden war. Am 21. Mai 2017 stürzte B____ im Spital erneut und verstarb am gleichen Tag.


Eine vom Spital empfohlene Obduktion wurde von den Angehörigen des Verstorbenen abgelehnt. Die Bestattung fand am 25. Mai 2017 in einem Mahagoni-Sarg statt. Am 26. Mai 2017 meldete sich die Beschwerdeführerin zusammen mit ihrer Schwester bei der Polizei wegen von ihnen wahrgenommenen Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Tod ihres Vaters. Die Polizei tätigte in der Folge diverse Untersuchungen und Befragungen im Umfeld des Verstorbenen, am 29. Mai 2017 erteilte die Staatsanwaltschaft einen Auftrag zur Exhumierung und rechtsmedizinischen Untersuchung des Verstorbenen. Nach erfolgter Untersuchung wurde der Verstorbene in einem neuen Sarg aus massivem Pappelholz erneut bestattet.


Mit Eingabe vom 28. Juni 2018 gelangte die Beschwerdeführerin an die Staatsanwaltschaft und beantragte die Zustellung des vollständigen medizinischen Abschlussgutachtens sowie die Bezahlung der Kosten des neuen Sargs in Höhe von CHF 1950.- (zzgl. MWST). Mit Verfügung vom 2. Juli 2018 gewährte die Staatsanwaltschaft der Beschwerdeführerin Akteneinsicht im von ihr geforderten Umfang, wies das Begehren um Kostenübernahme dagegen ab.


Die vorliegende Beschwerde vom 16. Juli 2018 richtet sich gegen die Abweisung des Kostenübernahmebegehrens. Die Staatsanwaltschaft sei unter o/e-Kostenfolge zu verpflichten, der Beschwerdeführerin die Kosten für den zweiten Sarg gemäss Rechnung Nr.[...] vom [...] in der Höhe von CHF 2106.- zu erstatten. Die Staatsanwaltschaft beantragt mit Vernehmlassung vom 23. August2018 ein kostenpflichtiges Nichteintreten, eventualiter die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hat mit Eingabe vom 20. September 2018 repliziert. Die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind, aus den nachfolgenden Erwägungen.



Erwägungen


1.

1.1 Gegen Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft kann innert zehn Tagen Beschwerde erhoben werden (Art.322 Abs.2 und 393 Abs.1 lit.a der Strafprozessordnung [StPO; SR 312.0]). Zu deren Beurteilung ist das Appellationsgericht grundsätzlich als Einzelgericht zuständig (§§ 88 Abs. 1 und 93 Abs. 1 Ziff. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG154.100]). Die Kognition des Beschwerdegerichts ist frei und nicht auf Willkür beschränkt (Art. 393 Abs. 2 StPO). Gegen die Verfügung vom 2. Juli 2018 hat die Beschwerdeführerin am 16. Juli 2018 innert Frist Beschwerde erhoben.


1.2 Die Staatsanwaltschaft macht in ihrer Stellungnahme geltend, dass es zumindest zweifelhaft scheine, ob die Beschwerdeführerin mit Beschwerde legitimiert sei, die Kostenverlegung nachträglich zu bestreiten. Es sei ihr ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, sich bereits bei der Wahl des Sarges und den Abmachungen mit dem privaten Bestatter, spätestens jedoch bei der Rechnungsstellung, zu melden. Diese unterlassene Meldung und der Umstand, dass sie die Rechnung wohl auch bezahlt habe bewiesen, dass sie mit der Kostenverlegung einverstanden gewesen sei. Ein Zurückkommen mehr als ein Jahr später verstosse gegen Treu und Glauben (Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, act. 4, Ziff. 1).


Legitimationsvoraussetzung zur Beschwerde ist gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheids. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet eine Verfügung der Staatsanwaltschaft, mit der ein Gesuch um Kostenübernahme abgelehnt wurde. Als Adressatin dieses Beschlagnahmebefehls ist die Beschwerdeführerin ohne weiteres unmittelbar in ihren Interessen berührt und hat entsprechend ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung der Verfügung. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt (Replik, act. 7, Ziff. 3 letzter Absatz), sind die von der Staatsanwaltschaft aufgeworfenen Einwände materiell-rechtlicher und nicht formeller Natur. Die Beschwerdeführerin ist somit zur Beschwerdeerhebung legitimiert, weshalb auf die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde einzutreten ist.


2.

2.1 Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde geltend, dass die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt nicht richtig festgestellt habe. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft sei der ursprüngliche Sarg durch die Exhumierung derart stark beschädigt worden, dass er nicht mehr habe repariert werden können. Deshalb habe ein neuer Sarg bestellt werden müssen (Beschwerde, act. 2, Ziff. 15 ff.). Des Weiteren sei es nicht korrekt, dass eine Vereinbarung der Kostentragung zwischen der Staatsanwaltschaft und der Beschwerdeführerin getroffen worden sei (act.2, Ziff. 18).


Die Staatsanwaltschaft entgegnet, dass sich die Beschwerdeführerin bereits bei der Wahl des Sarges und den Abmachungen mit dem privaten Bestatter, spätestens jedoch bei der Rechnungsstellung bei der Staatsanwaltschaft hätte melden müssen. Diese Unterlassung sowie die Bezahlung der Rechnung durch die Beschwerdeführerin beweise, dass sie mit der Auferlegung der Kosten einverstanden gewesen sei (act.4, Ziff.1). Zudem sei die Staatsanwaltschaft für die Beschädigung des Sarges nicht verantwortlich (act. 4, Ziff. 2). Wäre indes der Sarg aufgrund zu starker Schäden nicht mehr tauglich gewesen und keine private Regelung getroffen worden, hätte die Staatsanwaltschaft eine Beerdigung in einem Staatssarg zu Lasten des Staates veranlasst. Durch den Erwerb eines privaten Sarges auf eigene Kosten hätten - so die Staatsanwaltschaft weiter - die Angehörigen des Verstorbenen auf diese staatliche Variante verzichtet (act. 4, Ziff. 3).


2.2 An einem Strafverfahren nicht beteiligte Dritte haben gemäss Art. 434 Abs.1StPO Anspruch auf angemessenen Ersatz ihres nicht auf andere Weise gedeckten Schadens sowie auf Genugtuung, wenn sie durch Verfahrenshandlungen oder bei der Unterstützung von Strafbehörden Schaden erlitten haben. Sie müssen die Entschädigungsforderungen bei der Strafbehörde beantragen, beziffern und belegen (Art. 434 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 433 Abs. 2 StPO). Es handelt sich dabei um eine Kausalhaftung, bei der Schäden ersetzt werden, welche unmittelbar durch ein Strafverfahren verursacht wurden, wobei ein enger Konnex zwischen Strafverfahren und Schaden gefordert wird (Schmid/Jositsch, in: Schweizerische Strafprozessordnung Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich 2018, Art. 434 N 4; Wehrenberg/Frank, in: Basler Kommentar, 2. Auflage 2014, Art. 434 StPO N 5 ).


2.3

2.3.1 Der verstorbene B____ wurde ursprünglich in einem Mahagoni-Sarg im Wert von CHF 3400.- bestattet. Der vom Kriminalkommissariat mit der Beobachtung der Exhumierung beauftragte Mitarbeiter hielt in seinem Bericht fest, dass er mit dem Bestattungsunternehmen telefonisch vereinbart habe, den Sarg wieder herzurichten und den Leichnam darin wieder zu beerdigen (Bericht über die Exhumierung des B____ vom 30. Mai 2017, act. 6). Der zuständige Kriminalkommissär hielt in der Aktennotiz vom 31. Mai 2017 fest, dass gemäss dem Bericht über die Exhumierung vom 30. Mai 2017 die Beschädigungen am Sarg bereits bei der Beerdigung und nicht bei der Exhumierung entstanden seien. Er habe sodann den Entscheid bezüglich der Wiederherstellung des Sargs der Beschwerdeführerin im Rahmen eines Telefongesprächs mitgeteilt, worauf diese ihn am Folgetag nach Rücksprache mit der Familie habe wissen lassen, dass sie sich mit dem Bestattungsunternehmen auf einen neuen Sarg geeinigt habe. Noch am selben Tag sei die Kostenverteilung mit dem Bestattungsunternehmen telefonisch besprochen worden (Beschwerdebeilage 12, act. 3, Aktennotiz Kosten Exhumierung / Neuer Sarg vom 31. Mai 2017).


Die Beschwerdeführerin beruft sich betreffend die Bestellung des neuen Sarges auf eine E-Mail-Korrespondenz mit der Friedhofgärtnerei sowie darin angehängten Fotografien, wonach es klar sei, dass der Sarg mit einem Schaufelbagger seitlich hochgehievt und dabei so stark beschädigt worden sei, dass dieser irreparabel sei und ersetzt werden müsse (Beschwerdebeilage 6, act. 3, E-Mail von [...] vom 14.Juli 2018). Auf diese Korrespondenz geht die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme nicht ein. Diese belegt jedoch, dass der ursprüngliche Sarg so stark beschädigt war, dass eine Wiederherstellung nicht, oder zumindest nicht zu geringeren Kosten als die Herstellung eines neuen, typähnlichen Sarges, möglich war. Es ist somit erstellt, dass der ursprüngliche Sarg aufgrund der Schäden für die zweite Bestattung nicht mehr brauchbar war.


In Bezug auf die Kostentragung des Ersatzsarges stimmt die Staatsanwaltschaft einer Kostenübernahme im Umfang des Preises für einen Staatssarg aus Tannenholz zu (act. 4, Ziff.3). Sie anerkennt damit - zumindest im Grundsatz - die Wiederherstellungspflicht, weshalb auf die Frage, unter welchen Umständen die Schäden entstanden sind, nicht weiter einzugehen ist. Mit ihren weiteren Ausführungen verkennt die Staatsanwaltschaft indessen, dass die Untersuchungsbehörde grundsätzlich für die Wiederherstellung des Zustandes, wie er ohne Strafuntersuchung bestand, zuständig ist (vgl. Wehrenberg/Frank, a.a.O., Art. 434 StPO N 10). Der Verstorbene wurde in der Erde bestattet, das heisst er musste auch bei der zweiten Bestattung von der Leichenhalle zum Grab überführt werden, weshalb es für die Angehörigen eine Rolle spielen darf, wie der Sarg, in welchem er liegt, aussieht und ausgestattet ist. Entgegen den Ausführungen der Staatsanwaltschaft haben die Angehörigen demnach nicht nur Anspruch auf eine Bestattung in einem Staatssarg, sondern grundsätzlich in einem solchen, der hinsichtlich Material, Ausfertigung und Wert dem ursprünglichen Sarg entspricht.


2.3.2 Soweit sich die Staatsanwaltschaft auf eine mündliche Vereinbarung zur Kostentragung mit der Beschwerdeführerin beruft, dokumentiert die Aktennotiz des Kriminalkommissariats vom 31. Mai 2017 nicht rechtsgenüglich, dass die Beschwerdeführerin im Wissen um die Tatsache, dass der Sarg nicht mehr wiederhergestellt werden konnte, einer Kostentragung zugestimmt hat. Ein schriftliches Einverständnis liegt jedenfalls nicht vor. Auch aus dem übrigen Verhalten der Beschwerdeführerin kann nicht auf eine Zustimmung zur Kostentragung geschlossen werden. Vor dem Hintergrund, dass nicht anwaltlich vertretene Dritte im Rahmen der behördlichen Aufklärungs- und Fürsorgepflicht von den Strafbehörden auf ihren Entschädigungsanspruch hingewiesen werden müssen (Wehrenberg/Frank, a.a.O., Art. 434 StPO N9), dies vorliegend nicht geschehen ist und die Beschwerdeführerin sich erst zu einem späteren Zeitpunkt anwaltlich vertreten liess, kann insbesondere auch nicht von einem treuwidrigen Zuwarten mit der Geltendmachung des Entschädigungsanspruches die Rede sein. Aus diesen Gründen kann nicht von einer Vereinbarung ausgegangen werden, welche der grundsätzlichen Kostentragungspflicht durch die Strafbehörde entgegenstehen würde. Immerhin ist festzustellen, dass die Familie des Verstorbenen durch die Einwilligung in einen günstigeren Sarg einer allfälligen Schadenminderungspflicht nachgekommen ist. Denn es ist ebenfalls nicht zu verkennen, dass sie durch das Vorstelligwerden bei der Polizei, entgegen der ursprünglichen Weigerung der Familie, der vom Spital empfohlenen Obduktion zuzustimmen, die Notwendigkeit einer nachträglichen Exhumierung mitverursacht hat.


3.

Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen. Ziffer 3 der angefochtenen Verfügung ist somit aufzuheben und die Staatsanwaltschaft anzuweisen, der Beschwerdeführerin CHF 2106.- (inkl. 8% MWST) auszurichten.


Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 428 Abs.1StPO) und die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin hat Anspruch auf eine angemessene Parteientschädigung. Mangels Einreichung einer Kostennote ist der Aufwand des Vertreters der Beschwerdeführerin zu schätzen. Unter Anbetracht, dass im vorliegenden Verfahren ein doppelter Schriftenwechsel stattgefunden hat, wird die Parteientschädigung auf CHF1500.- zuzüglich 7,7% MWST festgesetzt.



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):


://: In Gutheissung der Beschwerde wird Ziffer 3 der Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 2. Juli 2018 aufgehoben und die Staatsanwaltschaft angewiesen, der Beschwerdeführerin die Kosten für den Sarg gemäss Rechnungsnummer [...] in Höhe von CHF 2106.- (inkl. 8% MWST) auszurichten.


Für das Beschwerdeverfahren werden keine Kosten erhoben.


Der Beschwerdeführerin wird eine Parteientschädigung von CHF 1500.-, inkl. Auslagen zuzüglich 7,7% MWST, zu Lasten der Gerichtskasse ausgerichtet.


Mitteilung an:

- Beschwerdeführerin

- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber

lic. iur. Gabriella Matefi MLaw Thomas Inoue

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.




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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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