Zusammenfassung des Urteils BES.2015.142 (AG.2016.1): Appellationsgericht
Am 18. September 2015 fand in Basel eine unbewilligte Demonstration statt, bei der es zu Sachbeschädigungen und Gewalt gegenüber der Polizei kam. Die Staatsanwaltschaft eröffnete ein Strafverfahren gegen A____ wegen verschiedener Delikte und erliess einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl, der auch sein Mobiltelefon betraf. A____ erhob Beschwerde gegen diesen Befehl und beantragte die Aufhebung der Durchsuchung sowie die Rückerstattung seines Mobiltelefons. Das Appellationsgericht entschied, dass das Rechtsschutzinteresse an der Rückgabe des Mobiltelefons weggefallen war, da es bereits durchsucht worden war. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass er nicht ausreichend über sein Recht auf Siegelung informiert worden sei, was vom Gericht bestätigt wurde. Die Beschwerde wurde daher teilweise gutgeheissen, und die Sache wurde an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Bearbeitung zurückverwiesen.
Kanton: | BS |
Fallnummer: | BES.2015.142 (AG.2016.1) |
Instanz: | Appellationsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 22.12.2015 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl |
Schlagwörter: | Beschlagnahme; Recht; Staatsanwaltschaft; Beschwer; Siegelung; Mobiltelefon; Beschlagnahmebefehl; Durchsuchung; Aussage; Inhaber; Appellationsgericht; Basel; Verfahren; Mobiltelefons; Schweiz; Einzelgericht; Verfügung; Durchsuchungs; Aufzeichnungen; Prozessordnung; Schweizerischen; Formular; Beschwerdeverfahren; Bundesgericht; Basel-Stadt; Marie-Louise |
Rechtsnorm: | Art. 248 StPO ;Art. 382 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 42 BGG ;Art. 48 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Donatsch, Hans, Schweizer, Hansjakob, Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Art. 382 OR, 2014 |
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Einzelgericht |
BES.2015.142
ENTSCHEID
vom 22. Dezember 2015
Mitwirkende
Dr. Marie-Louise Stamm
und Gerichtsschreiberin lic. iur. Saskia Schärer
Beteiligte
A____, geb. [...] Beschwerdeführer
[...] Beschuldigter
gegen
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Beschwerdegegnerin
Binningerstrasse 21, 4051 Basel
Gegenstand
Beschwerde gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft
vom 19. September 2015
betreffend Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl
Sachverhalt
Am 18. September 2015 fand in Basel eine unbewilligte Demonstration statt, in deren Rahmen es zu Sachbeschädigungen und Gewaltausübung gegenüber der Polizei kam. Im Zusammenhang mit dieser Demonstration hat die Staatsanwaltschaft gegen A____ ein Strafverfahren eröffnet wegen Störung des öffentlichen Verkehrs, Sachbeschädigung, Gewalt gegen Beamte, Tätlichkeit und Landfriedensbruch. Mit Verfügung vom 19. September 2015 hat sie einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl erlassen, welcher insbesondere auch das Mobiltelefon von A____ betraf. Hiergegen hat A____ Beschwerde erhoben mit dem Antrag auf Aufhebung der angeordneten Durchsuchung von Aufzeichnungen, Versiegelung des Mobiltelefons sowie Rückerstattung von diesem innert 20 Tagen. Gleichzeitig hat er für die Dauer des Beschwerdeverfahrens die aufschiebende Wirkung beantragt. Nachdem die Staatsanwaltschaft auf Anfrage der instruierenden Appellationsgerichtspräsidentin vom 8. Oktober 2015 mitgeteilt hat, dass das Mobiltelefon in der Zwischenzeit bereits durchsucht worden und die Beschlagnahme aufgehoben worden sei, wurde der Beschwerde insofern aufschiebende Wirkung zuerkannt, als eine allfällige Auswertung der Daten des Mobiltelefons bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens zu unterbleiben habe. Die Staatsanwaltschaft hat innert Frist keine Stellungnahme eingereicht.
Erwägungen
1.
1.1 Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft unterliegen nach Art 393 Abs. 1 lit. a der Strafprozessordnung (StPO, SR312.0) der Beschwerde. Zu deren Beurteilung ist das Appellationsgericht als Einzelgericht zuständig (§17 lit.a des Gesetzes über die Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung [EG StPO, SG257.100], §73a Abs.1 lit.a des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG154.100]). Die Kognition des Beschwerdegerichts ist frei und nicht auf Willkür beschränkt (Art. 393 Abs. 2 StPO).
1.2 Die Beschwerde ist entsprechend den Erfordernissen von Art.396 Abs. 1 StPO frist- und formgerecht eingereicht und begründet worden. Der Beschwerdeführer ist als Adressat der Zwangsmassnahme grundsätzlich zur Beschwerdeerhebung legitimiert (Art. 382 Abs. 1 StPO).
1.3 Wie die Staatsanwaltschaft auf Anfrage hin mitgeteilt hat, ist die Beschlagnahme des Mobiltelefons nach dessen Durchsuchung wieder aufgehoben worden. Damit ist das Rechtsschutzinteresse an der beantragten Rückgabe innert 20 Tagen nachträglich weggefallen. Da die Beschwer im Zeitpunkt des Rechtsmittelentscheides aktuell vorliegen muss, ist die vorliegende Beschwerde in diesem Umfang als gegenstandslos abzuschreiben (Lieber, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber) [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Auflage, Zürich 2014, Art.382N13; AGEBES.2013.129 vom 2. Juni 2014, BES.2013.140 vom 28. März 2014). Nur am Rande ist deshalb im Hinblick auf den Kostenentscheid festzustellen, dass die Begründung der Beschlagnahme mangelhaft erscheint. Zwar hat das Appellationsgericht diesbezüglich in einem früheren Entscheid festgehalten, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn auf dem Befehl im Zweifel sämtliche Gründe, welche durch das Gesetz für eine Beschlagnahme vorgesehen sind, aufgeführt werden, dies allerdings nur, sofern nicht bereits zu Beginn klar ist, dass ausschliesslich einer dieser Gründe vorliegt (AGE BES.2013.50 vom 6. August 2013). Vorliegend ist offensichtlich, dass die beschlagnahmten Gegenstände weder der Kostensicherung dienen können noch einem Geschädigten zurückgegeben werden müssten. Es wäre dem die Beschlagnahme ausführenden Beamten zuzumuten gewesen, bei der im Formular als Standard verwendeten Begründung die nicht zutreffenden Gründe zu streichen.
2.
In der Sache selbst macht der Beschwerdeführer geltend, er sei zwar bei der ersten Einvernahme auf sein Recht, die Aussage und Mitwirkung zu verweigern, hingewiesen worden. Er sei jedoch nicht auf die Möglichkeit der Siegelung gemäss Art.248StPO aufmerksam gemacht worden. Aufgrund seines Aussageverweigerungsrechts als beschuldigte Person dürfe er die Siegelung geltend machen. Ihm als Laie hätte mitgeteilt werden müssen, dass die Siegelung eine Form dieses Aussageverweigerungsrechts sei. Er habe somit in Unkenntnis über dieses Recht den Beschlagnahmebefehl unterzeichnet, womit das aus der Beschlagnahme herrührende Beweismaterial nicht verwertbar sei.
Gemäss Art. 248 Abs. 1 StPO sind Aufzeichnungen und Gegenstände, die nach Angaben der Inhaberin des Inhabers wegen eines Aussage- Zeugnisverweigerungsrechts aus anderen Gründen nicht durchsucht beschlagnahmt werden dürfen, zu versiegeln. Der Inhaber ist auf sein Recht, die Siegelung zu beantragen, aufmerksam zu machen, wobei er ausreichend, verständlich und rechtzeitig informiert werden muss. Wenn dies mittels Formular geschieht, wird mindestens die Wiedergabe sämtlicher Gesetzesbestimmungen verlangt (vgl. dazu Thormann/Brechbühl, in: Basler Kommentar StPO, 2. Auflage 2014, Art. 248 N 8). Dem Beschwerdeführer ist der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl anlässlich der Befragung vom 19. September 2015 vorgelegt worden. Darin wird einerseits aufgeführt, welche Gegenstände beschlagnahmt und welche durchsucht werden sollen. Des Weiteren wird auf anwendbare gesetzliche Bestimmungen verwiesen. Wörtlich wird unter anderem ausgeführt: Aufzeichnungen und Gegenstände, die nach Angaben der Inhaberin des Inhabers wegen eines Aussage- Zeugnisverweigerungsrechts aus anderen Gründen nicht durchsucht beschlagnahmt werden dürfen, sind zu versiegeln und dürfen von den Strafbehörden weder eingesehen noch verwendet werden (Art. 248 Abs. 1 StPO). Dieser Hinweis erscheint weder ausreichend noch genügend verständlich. So wird nicht auf die sich aus Art.264StPO ergebenden Einschränkungen der Beschlagnahme, die zu einem Recht auf Siegelung führen, hingewiesen. Einem Laien wird durch die gewählte Formulierung auch nicht bewusst, dass er bei Vorliegen der Voraussetzungen die Siegelung verlangen kann und auch unverzüglich verlangen muss. Mit dem Formular hat somit keine genügende Information stattgefunden. Auch anlässlich seiner Einvernahme ist der Beschwerdeführer nicht über die sich durch die Beschlagnahme des Mobiltelefons ergebende Problematik aufgeklärt und über sein Recht, die Siegelung zu verlangen, informiert worden. Er ist lediglich zu Beginn nach seiner Handynummer und der PIN gefragt worden. Zum Schluss ist ihm der Beschlagnahmebefehl vorgelegt und ist er gefragt worden, ob er unterschriftlich davon Kenntnis nehme. Dies reicht als Information nicht aus. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet und ist gutzuheissen. Bei diesem Ergebnis wird die Staatsanwaltschaft den Beschwerdeführer über seine Rechte zu informieren haben und ein allfälliges Gesuch um Siegelung der bereits erhobenen, sich in den Akten befindlichen Daten prüfen müssen (vgl. Thormann/Brechbühl, a.a.O., N 10: nicht jede Behauptung der Unzulässigkeit genügt, sie ist vielmehr glaubhaft zu machen).
3.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind keine ordentlichen Kosten zu erheben. Eine Parteientschädigung kann dem Beschwerdeführer hingegen praxisgemäss nicht zugesprochen werden, da er sich nicht durch einen Anwalt hat vertreten lassen.
Demgemäss erkennt das Einzelgericht:
://: Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf eingetreten wird. Die Sache wird an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen zur weiteren Erledigung im Sinne der Erwägungen.
Für das Beschwerdeverfahren werden Kosten weder erhoben noch zugesprochen.
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin
Dr. Marie-Louise Stamm lic. iur. Saskia Schärer
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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