[...] | Appellationsgericht als Verwaltungsgericht Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht |
AUS.2024.44
URTEIL
vom 19. August 2024
Beteiligte
Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,
Spiegelgasse 12, Postfach, 4001 Basel
gegen
A____, geb. [...], von Nigeria,
zurzeit im Gefängnis Bässlergut, Freiburgerstrasse 48, 4057 Basel
vertreten durch [...], Advokat,
[...]
Gegenstand
Verfügung des Migrationsamtes vom 15. August 2024
betreffend Verlängerung Ausschaffungshaft (Art. 76 Abs. 3 AIG)
Sachverhalt
Der nigerianische Staatsangehörige A____, der in der Schweiz über keine Aufenthaltsrechts verfügt, befindet sich seit dem 20. Mai 2024 in Ausschaffungshaft. Die bisherigen Haftanordnungen wurde je mit Urteil der Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht (nachfolgend Einzelrichterin) vom 24. Mai, 12. Juni und 8. Juli 2024 bestätigt, allerdings jeweils nur für wenige Wochen (VGE AUS.2024.26, AUS.2024.28, AUS.2024.36). Dies weil A____ psychisch schwer krank ist, weshalb er noch bis vor kurzem intensiver medizinischer Betreuung bedurfte und sich spezifische Fragen betreffend seine Hafterstehungsfähigkeit sowie die Möglichkeit und Absehbarkeit des Vollzugs seiner Rückführung in sein Heimatland gestellt haben. Für weitere Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die genannten vorgängigen Hafturteile verwiesen.
Mit Verfügung vom 15. August 2024 hat das Migrationsamt die Verlängerung der Ausschaffungshaft für die Dauer von zwei Monaten bis zum 19. Oktober 2024 angeordnet. An der Gerichtsverhandlung ist A____ zu Sache befragt worden und ist sein Rechtsvertreter zum Vortrag gelangt. Der Rechtsvertreter beantragt die umgehende Entlassung von A____ aus der Haft, allenfalls unter Auflagen wie bspw. einer wöchentlichen Meldepflicht, der Pflicht, am Abend vor dem Abflug bei den Behörden vorstellig zu werden sowie der Pflicht, die Medikamente weiter einzunehmen. Ein Vertreter des Migrationsamts hat an der Verhandlung ebenfalls teilgenommen. Er beantragt die Bestätigung der Haftverlängerung. Für sämtliche Depositionen wird auf das Protokoll verwiesen. Der Haftentscheid ist A____ am heutigen Tag, dem 19. August 2024, mündlich eröffnet worden.
Erwägungen
1.
Die aktuelle Haftanordnung gilt bis und mit 19. August 2024. Die heutige gerichtliche Überprüfung der mit Verfügung des Migrationsamts vom 15. August 2024 verlängerten Haftanordnung erfolgt damit rechtzeitig.
2.
Für das Vorliegen eines Wegweisungstitels sowie des Haftgrundes der Untertauchensgefahr (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff 3 und 4 Ausländer-und Integrationsgesetz [AIG, SR 142.20]) kann grundsätzlich auf die diesbezüglichen Erwägungen im ersten Hafturteil vom 24. Mai 2024 verwiesen werden (AUS.2024.26 E. 2 und 3). Zusammenfassend ist zu wiederholen, dass A____ (der sich seit unbekannter Zeit als Obdachloser in Basel, insbesondere auf dem Areal des Bahnhof SBB aufgehalten hatte und dort wiederholt aggressiv in Erscheinung getreten war, s. dazu Strafbefehle vom 13. Februar und 27. Mai 2024 ) mit Verfügung des Migrationsamts vom 5. März 2024 aus der Schweiz weggewiesen wurde und sich in der Folge zeigte, dass er nicht gewillt und aufgrund seiner psychischen Krankheit wohl auch gar nicht in der Lage ist, sich an behördliche Anordnungen zu halten und seine Papiere und Ausreise selbständig zu organisieren. Richtig ist sodann die Feststellung des Migrationsamts, dass bei einer Freilassung zum aktuellen Zeitpunkt die Gefahr besteht, dass A____ im Falle seiner Freilassung nach Deutschland ausreisen und untertauchen könnte, nachdem es ihm offenbar schwer fällt zu akzeptieren, dass die Schweizer Behörden Deutschland betreffend eine Rückübernahme angefragt haben, eine solche aber von den Deutschen Behörden abgelehnt wurde. Äusserst fraglich ist sodann, ob A____ in Freiheit seine Medikation weiter einnehmen würde, da keine Krankheitseinsicht besteht (A____ hat an der Verhandlung mehrfach betont, dass er nicht krank sei und die Medikamente nicht brauchen würde). Die Einnahme der Medikamente ist bei einer Freilassung nicht überprüfbar (unabhängig davon, ob eine weitere Einnahme zur Bedingung gemacht wird nicht). Bei einer Absetzung der Medikation besteht aber die offensichtliche Gefahr, dass A____ wieder in den gesundheitlichen Zustand zurückfällt, in welchem er sich bei seiner Inhaftnahme befand. In diesem Zustand ist er aber mit grosser Wahrscheinlichkeit gar nicht absprachefähig und würden ihm die nigerianischen Behörden auch keine Laisser-Passez mehr ausstellen, schliesslich war deren Bedingung dazu, die Stabilisierung seines Krankheitszustands. Eine Freilassung ist damit nicht möglich, da die Rückführung mangels Kooperation mit den Behörden mit grosser Wahrscheinlichkeit scheitern würde.
3.
Zum weiteren Verlauf seit der Inhaftnahme ist zusammenfassend auszuführen, dass A____ intramural die Nahrungsaufnahme verweigerte und sich sein Gesundheitszustand zunehmend verschlechterte. Ausserdem zeigte er (wohl) aufgrund seiner psychischen Erkrankung ein sehr aggressives Verhalten und musste deswegen wiederholt isoliert werden. Schlussendlich wurde er in die Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) verlegt, wo er vom 19. Juni bis zum 30. Juli 2024 auf der (geschlossenen) forensisch-psychiatrischen Abteilung hospitalisiert war. Innerhalb dieser Zeit stabilisierte sich sein Gesundheitszustand in physischer und psychischer Hinsicht, wodurch es ihm am 8. Juli 2024 erstmals möglich war, an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen und persönlich befragt zu werden. Der Beginn der Medikation und Ernährung in der Klinik erfolgte allerdings nicht freiwillig, sondern unter Anordnung der Zwangsmedikation und Zwangsernährung durch das Migrationsamt. Seit dem 30. Juli 2024 befindet sich A____ wieder im Gefängnis Bässlergut. Sein Zustand hat sich seither nicht destabilisiert und er nimmt seine Medikation nun freiwillig ein. Er ist damit unter den regulären Bedingungen der Administrativhaft hafterstehungsfähig.
4.
4.1 Der Vollzug der Wegweisung muss, damit die Anordnung von Haft rechtmässig ist, tatsächlich möglich und rechtlich zulässig sein. Nach Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK, SR 0.101) und Art. 10 Abs. 3 Bundesverfassung (BV, SR 101) darf niemand der Folter unmenschlicher erniedrigender Strafe Behandlung unterworfen werden (BGE 141 I 141 E. 6.3.1, 140 I 246 E. 2.4.1, 139 II 65 E. 6.4), wofür konkrete und auf den Einzelfall bezogene Anhaltspunkte von einem gewissen Gewicht geltend gemacht werden müssen ("real risk"). Vollzugshindernisse rechtlicher Art sowie konkrete Anzeichen für eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Einzelfall können von jedem aus- weggewiesenen Ausländer gegenüber jeder wegweisenden Behörde (BGE 137 II 305 E. 3.2) und damit auch im Rahmen der ausländerrechtlichen gerichtlichen Haftüberprüfung vorgebracht werden. Angesichts der kurzen Frist, innert welcher die richterliche Behörde über das Gesuch zu entscheiden hat, setzt eine Überprüfung der Zumutbarkeit, Zulässigkeit und Realisierbarkeit der Aus- Wegweisung indessen konkrete und auf den Einzelfall bezogene Vorbringen des der inhaftierten ausländischen Person voraus (BGer 2C_312/2018 vom 11. Mai 2018 E. 4.2.1 mit Hinweisen; grundlegend Urteile des EGMR J.K. et al. gegen Schweden vom 23. August 2016 [Nr. 59166/12], § 51; Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008 [Nr. 37201/06], § 129 ff.). Nach neuerer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) gilt Folgendes: «Eine natürlich eingetretene Krankheit ein Leiden kann der Abschiebung entgegenstehen, wenn durch die Abschiebung eine Verschlechterung des Gesundheitszustands zu erwarten ist. Konkret wird vorausgesetzt, dass eine reale Gefahr einer schweren, raschen und irreversiblen Gesundheitsverschlechterung drohe, die mit intensivem Leiden mit einer signifikanten Verkürzung der Lebensdauer verbunden wäre. Bei der Betrachtung des Einzelfalls ist neben den generellen Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat und tatsächliche Zugänglichkeit für die betreffende Person einschließlich der Finanzierungsmöglichkeiten auch zu berücksichtigen, ob ein familiäres und soziales Netzwerk existiert, als dass diese für die gesundheitliche Situation von Bedeutung sein kann. Mit diesen differenzierteren Maßgaben hat der Gerichthof die Hürden im Vergleich zur bisherigen Rechtsprechung ersichtlich gesenkt, als dass er bis dato verlangt hatte, dass eine Person sehenden Auges in den Tod abgeschoben wird» (Lehnert, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer Hrsg., EMRK Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Auflage 2023, Art. 3 N 77).
Das Haftgericht hat zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, um den Wegweisungsvollzug durch eine administrative Festhaltung sicherstellen zu können. Ob Gründe gegen die frühere Anordnung der Wegweisung sprachen, ist indessen - vorbehältlich besonderer Umstände - nicht Prüfungsgegenstand seines Verfahrens (BGE 128 II 193 E. 2.2; 121 II 59 E. 2b und c; Urteil 2C_312/2018 vom 11. Mai 2018 E. 4.2.2 mit Hinweisen). Einwendungen gegen die Wegweisung sind grundsätzlich im dafür vorgesehenen Verfahren vorzutragen, nötigenfalls mit einem Wiedererwägungs- Revisionsgesuch (BGE 125 II 217 E. 2), wobei vorsorglich auch ein prozeduraler Aufenthalt erwirkt werden kann. Eine Überprüfung der Rechtmässigkeit der Wegweisung bzw. der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs im Stadium der Haftprüfung aufgrund von Art. 80 Abs. 6 lit. a AIG setzt voraus, dass in konkreter Weise und auf den Einzelfall bezogen Unzumutbarkeits- Unzulässigkeitsgründe vorliegen, welche einem Wegweisungsvollzug entgegenstehen. In solchen Fällen hat der Haftrichter die Haftgenehmigung zu verweigern, da der Vollzug einer in diesem Sinn nicht (mehr) rechtmässigen Anordnung nicht mit einem ausländerrechtlichen Freiheitsentzug sichergestellt werden darf (Art. 80 Abs. 6 lit. a AIG; vgl. auch BGE 130 II 377 E. 1, 56 E. 2 in fine; Urteil 2C_312/2018 vom 11. Mai 2018 E. 4.2.2 mit zahlreichen Hinweisen).
4.2 Bereits im ersten Haftentscheid vom 24. Mai 2024 (VGE AUS.2024.26) hat die Einzelrichterin auf die krankheitsbedingt möglichen Schwierigkeiten und daraus fliessenden Notwendigkeiten im Fall der Durchführung der Rückführung von A____ nach Nigeria hingewiesen. Sie hat deshalb Folgendes verfügt: «Das Migrationsamt wird ersucht, beim Staatssekretariat für Migration (SEM) einen Bericht einzuholen betreffend die Frage, wie die Ausschaffung von A____ nach Nigeria konkret organisiert werden soll und inwieweit besondere Vorkehrungen betreffend seinen Empfangsraum in Hinsicht auf seine psychische Erkrankung getroffen werden. Es wird um Vorlage eines entsprechenden Berichts bis 7. Juni 2024 ersucht». Mit Schreiben vom 31. Mai 2024 hat das SEM mitgeteilt, dass in Bezug auf die Modalitäten der Rückführung dannzumal abzuklären sein wird, welche Art von Begleitung (polizeilich, medizinisch) notwendig ist. In Bezug auf den Empfangsraum hat es ausgeführt: «Zur Versorgungslage in Nigeria kann generell gesagt werden, dass in grösseren Städten (bspw. Abuja und Lagos) psychiatrische Einrichtungen existieren, die eine Behandlung diverser psychischer Erkrankungen anbieten. Es wäre bei einer Rückkehr gegebenenfalls auch möglich, via unsere Botschaft in Abuja einen Empfang und eine Begleitung in eine geeignete Klinik den Empfang durch die Familie zu organisieren. All dies setzt jedoch, wie eingangs erwähnt, die Einwilligung und die Kooperation von Herrn A____ voraus».
Da A____ sich nicht «nur» in Administrativhaft befindet, sondern über einen längeren Zeitraum auch medizinisch zwangsbehandelt worden ist, hat die Einzelrichterin im Urteil vom 8. Juli 2024 (VGE AUS.2024.36) zudem festgehalten, dass im Falle der notwendigen Verlängerung der Administrativhaft sie dannzumal einer Verlängerung nur wird zustimmen können, wenn konkret erstellt ist, wann und wie die Rückführung von A____ nach Nigeria stattfinden wird.
4.3 Dies ist nun zumindest teilweise der Fall, nachdem die nigerianische Botschaft aufgrund der gesundheitlichen Stabilisierung von A____ die Ausstellung eines Laissez-Passer nach einem Gespräch mit A____ am 7. August 2024 zugesichert hat und die Fluganmeldung in die Wege geleitet worden ist. Vorgesehen ist ein Rückflug in der Kalenderwoche 37 (9. bis 15. September 2024). Dass der Rückflug in der Kalenderwoche 37 stattfinden kann, hat der Vertreter des Migrationsamts an der Verhandlung verbindlich zugesichert. Für den Rückflug ist aufgrund des gesundheitlichen Zustands von A____ eine ärztliche sowie eine polizeiliche Begleitung vorgesehen. Ausserdem hat der Vertreter des Migrationsamts an der Verhandlung Unterlagen der Nichtregierungsorganisation «Nigerian-German Centre» (nachfolgend NGO) dem Gericht und A____ übergeben. Diese Unterlagen habe er vom SEM zur Aushändigung an A____ erhalten. Gemäss den Unterlagen hilft diese Organisation rückkehrenden Personen bei der Reintegration in das Heimatland, insbesondere bei der Jobsuche, gemäss dem Prospekt aber auch bei «referrals to psychosocial support and shelter service». Vorgesehen ist auch, dass A____ Medikamente zur Behandlung seiner psychischen Erkrankung (Fortsetzung der in der UPK etablierten medikamentösen Therapie) für 30 Tage ausgehändigt erhält. A____ hat ausserdem um Ausrichtung einer Rückkehrhilfe ersucht. Der Umfang der möglichen Rückkehrhilfe ist derzeit noch in Abklärung. Gemäss Auskunft des Migrationsamts habe die dafür zuständige Sozialhilfe allerdings signalisiert, es sei wohl nur ein Weggeld von einigen hundert Schweizerfranken möglich, da A____ in der Schweiz straffällig geworden sei. Ein Empfang von A____ durch die Botschaft aber seine Familie ist hingegen offenbar nicht vorgesehen.
A____ selbst hat an der Verhandlung angegeben, er sei nicht mental erkrankt und er brauche keine Medikamente. Er brauche allerdings ca. CHF 2'000.– um vom Ankunftsflughafen zu seiner Familie in das Dorf […] reisen zu können. In Bezug auf die ihm ausgehändigten Informationen zur NGO hat er wiederholt gesagt, eine solche Organisation existiere nicht, er kenne sein Land. Von dieser Gewissheit war er nicht abzubringen. Sein Rechtsanwalt hat zudem nachvollziehbarerweise darauf hingewiesen, dass er gegen die mittels Publikation eröffneten Strafbefehle Einsprache erheben wird, da diese nicht unter Berücksichtigung des Umstands, dass A____ zu damaligen Zeitpunkt wohl gar nicht schuldfähig war, gefällt wurden.
4.4 Damit ist festzustellen, dass das Rückflugdatum nun feststeht und die Modalitäten des Rückflugs situationsgerecht organisiert sind. Hingegen ist bislang nicht bekannt, welche finanziellen Mittel A____ für die Rückkehr zur Verfügung stehen. Insbesondre aber ist keinerlei sozialer Empfangsraum für ihn organisiert, was allergrösste Bedenken betreffend die Zumutbarkeit seiner Ausschaffung unter dem Aspekt von Art. 3 EMRK verursacht. Wie dargelegt, verfügt A____ über keinerlei Krankheitseinsicht. Es ist damit anzunehmen, dass er in Nigeria die Medikation absetzt und damit in kurzer Zeit wieder in den desolaten Zustand bei seiner Inhaftnahme zurückfällt und aufgrund aggressiven Verhaltens kaum noch ansprechbar ist. Aber auch bei freiwilliger Einnahme von Medikamenten erscheint die medizinische Versorgung für die Dauer von einem Monat äusserst kurz und das Danach äusserst ungewiss. Sodann erscheint unwahrscheinlich, dass A____ sich selbständig organisieren und etwa die Hilfe der NGO beanspruchen kann (an deren Existenz er erst gar nicht glaubt). Vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung erscheint damit äusserst stossend, dass bis dato kein sozialer Empfangsraum organisiert wurde, der A____ in Nigeria beisteht und die notwendigen Schritte mit ihm einleitet. Betreffend die psychiatrische Versorgung verweist die Einzelrichterin auf den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe «Nigeria: Psychiatrische Versorgung» vom 22. Januar 2014, der diesem Urteil beigelegt wird. Gemäss diesem (allerdings bereits 10 Jahre alten) Bericht ist psychiatrische Hilfe in Nigeria nur schwer erreichbar. Ausserdem müssen Personen, die nicht versichert sind, die Kosten selber tragen (S. 2 f.). Wie A____ seine medizinische Versorgung finanzieren soll, ist nebst dem Problem, wie er sie sich selbstständig organisieren soll, im Moment völlig offen. Das Migrationsamt wird deshalb ersucht, beim SEM einen Bericht einzuholen, wie konkret der soziale Empfangsraum von A____ und wie seine notwendige medizinisch Versorgung organisiert wird, um die Ausschaffung im Lichte der zitierten Rechtsprechung zumutbar zu gestalten.
5.
Damit ist erstellt, dass die Ausschaffung von A____ in absehbarer Zeit, namentlich innerhalb eines Monats, tatsächlich möglich ist. Allerdings stellt sich in rechtlicher Hinsicht die Frage, inwiefern seine Ausschaffung in rechtlicher Hinsicht mit Blick auf das menschenrechtliche Non-refoulement Gebot zulässig ist. Aus diesem Grund wird die Haftverlängerung nur bis und mit 29. August 2024 bestätigt und wird dannzumal unter Einbezug des vom SEM zu erstellenden Berichts über die Zumutbarkeit der Ausschaffung und damit auch der Rechtmässigkeit der Haft (sodann sie verlängert wird) zu befinden sein.
6.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. Der unentgeltliche Rechtsbeistand wird gemäss der eingereichten Honorarnote und zuzüglich seinem Aufwand für die Gerichtsverhandlung aus der Gerichtskasse entschädigt (1 Stunde Aufwand 29. Juli und 19. August 2024, 2,5 Stunden Aufwand Verhandlung und 1 Stunde Wegentschädigung). Für die Einzelheiten wird auf das Dispositiv verwiesen.
Demgemäss erkennt der Einzelrichter:
://: Die über A____ angeordnete Ausschaffungshaft ist bis und mit 29. August 2024 rechtmässig und angemessen
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Das Migrationsamt wird ersucht, beim Staatssekretariat für Migration bis spätestens 27. August 2024, 14.00 Uhr, einen Bericht betreffend die konkrete Organisation eines sozialen Empfangsraums und die Sicherstellung ärztlicher Versorgung für A____ im Lichte der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK (s. Erwägung 4 des Urteils) einzuholen.
Dem unentgeltlichen Rechtbeistand, […], Advokat, werden ein Honorar von CHF 900.– und ein Auslagenersatz von CHF 9.–, zuzüglich 8.1 % MWST von CHF 73.60, aus der Gerichtskasse bezahlt.
Mitteilung an:
- A____
- Migrationsamt
- Staatssekretariat für Migration
VERWALTUNGSGERICHT BASEL-STADT
Die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht
lic. iur. Barbara Grange
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Diese ist mit einem Antrag und einer Begründung zu versehen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
Der inhaftierte Ausländer kann einen Monat nach der Haftüberprüfung ein Haftentlassungsgesuch einreichen beim Verwaltungsgericht Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.
Hinweis
Dieses Urteil wurde dem Ausländer am heutigen Tag mündlich erläutert.