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Urteil Appellationsgericht (BS - AUS.2024.1)

Zusammenfassung des Urteils AUS.2024.1: Appellationsgericht

Ein algerischer Staatsangehöriger, A____, reiste in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch. Nachdem er das Land verlassen sollte, tauchte er mehrmals unter und wurde schliesslich in Haft genommen. Das Gericht ordnete eine Ausschaffungshaft für drei Monate an, da eine Rückführung nach Algerien möglich war, aber ein neues Dokument beantragt werden musste. Die Haft wurde als rechtmässig und angemessen befunden und dauerte vom 1. Januar bis zum 31. März 2024. Es wurden keine Kosten erhoben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AUS.2024.1

Kanton:BS
Fallnummer:AUS.2024.1
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung: Verwaltungsgericht Einzelrichter in für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht
Appellationsgericht Entscheid AUS.2024.1 vom 04.01.2024 (BS)
Datum:04.01.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Ausländer; Migration; Ausschaffung; Ausschaffungshaft; Basel; Asylzentrum; Behörde; Aufenthalts; Einzelrichter; Ausländerrecht; Migrationsamt; Heimat; Rückführung; Zwangsmassnahmen; Schweiz; Behörden; Kanton; Einzelrichterin; Vollzug; Untertauchen; Recht; Basel-Stadt; Verfügung; Angabe; Aufenthaltsort; Asylverfahren; Verhandlung; Untertauchensgefahr; Kantons
Rechtsnorm: Art. 73 AIG ;Art. 75 AIG ;Art. 76 AIG ;Art. 78 AIG ;Art. 79 AIG ;Art. 80 AIG ;
Referenz BGE:125 II 369; 127 II 168; 128 II 241; 130 II 56; 140 II 409;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AUS.2024.1



Geschäftsnummer: AUS.2024.1 (AG.2024.15)
Instanz: Appellationsgericht
Entscheiddatum: 04.01.2024 
Erstpublikationsdatum: 22.03.2024
Aktualisierungsdatum: 22.03.2024
Titel: Ausschaffungshaft
 
 

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im
Ausländerrecht

 

AUS.2024.1

 

URTEIL

 

vom 4. Januar 2024

 

 

 

Beteiligte

 

Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,

Spiegelgasse 12, Postfach, 4001 Basel

 

gegen

 

A____, geb. [...], von Algerien,

zurzeit im Gefängnis Bässlergut, Freiburgerstrasse 48, 4057 Basel   

 

 

Gegenstand

 

Verfügung vom 3. Januar 2024

 

betreffend Ausschaffungshaft


Sachverhalt

 

Der algerische Staatsangehörige A____ reiste gemäss der zu überprüfenden Haftanordnungsverfügung am 3. November 2023 in die Schweiz ein und stellte gleichentags ein Asylgesuch. Am 9. November 2023 sei seitens des Staatssekretariats für Migration (SEM) die Einleitung der Rückkehrunterstützung veranlasst sowie die Koordination der freiwilligen Ausreise und die Beschaffung eines Laissez-Passer (LP) bei den algerischen Behörden eingeleitet worden. Schliesslich sei für den 29. November 2023 ein Rückflug in die Heimat gebucht werden. Der Rückflug habe allerdings nicht stattfinden können, da A____ am 28. November 2023 das ihm zugewiesene Asylzentrum ohne Angabe eines anderen Aufenthaltsorts verlassen und für die Behörden für den Rückflug folglich nicht mehr greifbar gewesen sei. Das LP verlor ein Monat nach Ausstellung am 15. Dezember 2023 seine Gültigkeit. Am 30. November 2023 sei A____ wieder in dem ihm zugewiesenen Asylzentrum aufgetaucht, um am 11. Dezember 2023 erneut ohne Angabe eines Aufenthaltsorts diesen zugewiesenen Aufenthaltsort zu verlassen. Daraufhin wurde er im Zentralen Einreise- und Migrationsinformationssystem (ZEMIS) mit einer unkontrollierten Abreise verzeichnet und wurde das Asylverfahren am 12. Dezember 2023 abgeschrieben. Gleichentags wurde er für die Dauer von 2 Jahren aus dem Kanton Luzern weggewiesen, da er wegen (mutmasslichen) Taschendiebstahls und Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG, SR 812.121) aufgefallen sein soll.

 

Am 1. Januar 2024 wurde A____ von der Polizei in Bern vorläufig festgenommen, nachdem gemäss Polizeirapport vom 1. Januar 2024 in den frühen Morgenstunden der Neujahrsnacht mit einer Machete herumfuchtelnd vor einem Berner Kulturzentrum aufgefallen war. Der Migrationsdienst des Kantons Bern verfügte sodann die kurzfristige Festhaltung gemäss Art. 73 Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG, SR 142.20) und veranlasste die Zuführung an den zuständigen Kanton Basel-Stadt am 3. Januar 2024. Das Migrationsamt verfügte nach Durchführung einer Befragung am 3. Januar 2024 die Wegweisung von A____ und setzte ihn mit Verfügung desselben Tages für drei Monate in Ausschaffungshaft.

 

Die Vorakten wurden beigezogen. Die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen (nachfolgend: Einzelrichterin) hat weitere Informationen seitens des Migrationsamts und des SEM einverlangt, soweit der in der Haftverfügung beschriebene Sachverhalt aus den Akten nicht nachvollzogen werden konnte.

 

An der heutigen Gerichtsverhandlung ist A____ zu seiner Person und zur Sache befragt worden. Für sämtliche Depositionen wird auf das Protokoll verwiesen.


 

Erwägungen

 

1.

Gemäss Art. 80 Abs. 2 AIG sind die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft spätestens nach 96 Stunden durch eine richterliche Behörde aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu überprüfen. Diese Frist ist mit der heutigen Verhandlung und Haftüberprüfung eingehalten.

 

2.

Die Ausschaffungshaft setzt einen erstinstanzlichen Weg- Ausweisungsent-scheid eine erstinstanzliche Landesverweisung nach Artikel 66a 66abis Strafgesetzbuch (StGB, SR 311.0) Artikel 49a 49abis Militärstrafgesetzbuch (MStG, SR 321.0) voraus, dessen Vollzug mit der entsprechenden Festhaltung sichergestellt werden soll. Die Verfügung muss (noch) nicht in Rechtskraft erwachsen sein (BGE 140 II 409 E. 2.3.4; Zünd, in Spescha et al. [Hrsg.], Kommentar Migrationsrecht, 5. Auflage 2019, Art. 76 AIG N 1; Art. 76 AIG N 2; Busslinger/Segessenmann, Ausschaffung im Dublin-Verfahren, in: Rechtsschutz bei Schengen Dublin, Breitenmoser/Gless/Lagodny [Hrsg.], Zürich/St. Gallen 2013, S. 207, 214). A____ ist mit Verfügung des Migrationsamts vom 3. Januar 2024 aus der Schweiz weggewiesen worden, nachdem er der geplanten freiwilligen Rückreise in die Heimat im November 2023 nicht nachgekommen ist.

 

3.

3.1      Nach den gesetzlichen Vorschriften kann ein Ausländer zur Sicherstellung des

Vollzugs eines eröffneten erstinstanzlichen Weg- Ausweisungsentscheids einer erstinstanzlichen Landesverweisung nach Art. 66a 66abis StGB Art. 49a oder 49abis MStG insbesondere in Haft genommen werden, wenn Gründe nach Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 lit. b, c, g h AIG vorliegen, so etwa, wenn gegen eine Einreisesperre für das Gebiet der Schweiz verstossen wird (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 lit. c AIG). Ausserdem kann er in Haft genommen werden, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass er sich der Ausschaffung entziehen will, insbesondere, weil er besonderen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 AIG), wenn Untertauchensgefahr vorliegt (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 und 4 AIG). Dies ist regelmässig der Fall, wenn der Ausländer bereits einmal untergetaucht ist, behördlichen Auflagen keine Folge leistet, hier straffällig geworden ist, durch erkennbar unglaubwürdige und widersprüchliche Angaben die Vollzugsbemühungen der Behörden zu erschweren versucht sonst klar zu erkennen gibt, dass er auf keinen Fall in sein Heimatland zurückzukehren bereit ist (BGE 128 II 241 E. 2.1 S. 243, 125 II 369 E. 3 b/aa S. 375). Untertauchensgefahr ist auch zu bejahen bei eigentlichen Täuschungsmanövern, um die Identität zu verschleiern bzw. die Papierbeschaffung zu erschweren (z.B. Verwendung gefälschter Papiere, Auftreten unter mehreren Namen). Das Gleiche gilt bei strafrechtlich relevantem Verhalten, ist bei einem straffällig gewordenen Ausländer doch eher als bei einem unbescholtenen davon auszugehen, er werde in Zukunft behördliche Anordnungen missachten (vgl. auch Art. 75 Abs. 1 lit. g und h AIG).

 

Die Beurteilung der Untertauchensgefahr beruht auf einer Prognose. Diese ist in erster Linie vom Haftgericht vorzunehmen und zu begründen, letzteres nicht zuletzt deshalb, da das Haftgericht den Ausländer im Rahmen der obligatorischen mündlichen Verhandlung befragt und von ihm einen persönlichen Eindruck erhält (vgl. Hugi Yar, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: Ausländerrecht, Uebersax et al. [Hrsg.], 2. Auflage 2009, Rz. 10.94; Entscheid des Verwaltungsgerichts ZH VB.2014.00104 E. 4.3).

 

Die Ausschaffungshaft setzt nicht voraus, dass dem betroffenen Ausländer eine Ausreisfrist gesetzt wurde und er bereits Gelegenheit zur selbständigen Ausreise hatte, da er im Falle des Bestehens einer Untertauchensgefahr eine solche Frist zum Untertauchen nutzen könnte (Businger, Ausländerrechtliche Haft, in: Zürcher Studien zum öffentlichen Recht, Zürich/Basel/Genf 2015, S. 98).

 

3.2      Aus den Akten konnte vorerst nicht nachvollzogen werden, weshalb einerseits Rückkehrhilfe und die Rückführung in die Heimat durch das SEM eingeleitet wurden und parallel dazu offenbar weiterhin ein Asylverfahren am Laufen war. Abklärungen der Einzelrichterin haben ergeben, dass A____ selber den Wunsch geäussert habe, in die Heimat zurück zu kehren. Dies stimmt mit seinen Angaben an der Verhandlung überein, dass er in die Schweiz gekommen sei, um sich hier medizinisch behandeln zu lassen und Hilfe zu bekommen, um wieder nach Hause zu gehen. In der Folge hat A____ den organisierten Flug am 29. November 2023 aber nicht angetreten, nachdem er irgendwann nach 21.18 Uhr am 28. November 2023 das Asylzentrum ohne Angabe eines Aufenthaltsortes verliess (s. Ein- und Ausgangsprotokoll des Asylzentrums). Nachdem er am 30. November 2023 wieder im Asylzentrum auftauchte, wurde das Asylverfahren wieder aufgenommen und es wurde ihm ein Termin für die Anhörung für den 12. Dezember 2023 gesetzt. Allerdings verliess A____ das Asylzentrum wiederum ohne Angabe seiner Motivation und seines geplanten Aufenthalts am Abend des 11. Dezember 2023, um erst wieder am 13. Dezember 2023 um 15.54 Uhr zurück zu kehren (s. Ein- und Ausgangsprotokoll des Asylzentrums). Den Termin beim Migrationsamt vom 22. Dezember 2023 nahm er ebenfalls nicht wahr, vielmehr war er ab 20. Dezember 2023 bis zu seiner Festnahme am 1. Januar 2024 in Bern unbekannten Aufenthalts. Dieses Verhalten zeigt auf, dass A____ sich in Freiheit nicht an behördliche Anordnungen hält, kein Interesse an einem Asylverfahren hat und bewusst seine Rückführung in die Heimat vereitelte. Es ist demnach in Ãœbereinstimmung mit den Ausführungen in der Haftverfügung davon auszugehen, dass er in Freiheit für eine zukünftige Rückführung wieder nicht greifbar wäre, sondern zumindest im entscheidenden Zeitpunkt wieder untertauchen würde, um sich illegal in der Schweiz im grenznahen Schengenraum aufzuhalten. Eine mildere Massnahme um die Rückführung nach Algerien sicherzustellen, ist nicht ersichtlich, da das wohl auch strafrechtlich relevante Verhalten von A____ aufzeigt, dass Anordnungen die auf seiner Mitwirkung beruhen, wenig Wirkung entfalten.

 

4.

4.1      Die Vorbereitungs- und die Ausschaffungshaft nach Art. 75 bis 77 AIG sowie die Durchsetzungshaft nach Art. 78 AIG dürfen zusammen in der Regel die maximale Haftdauer von sechs Monaten nicht überschreiten (Art. 79 Abs. 1 AIG). Weiter darf der Vollzug einer allfälligen Weg- Ausweisung nicht aus rechtlichen tatsächlichen Gründen undurchführbar sein (Art. 80 Abs. 6 lit. a AIG; BGE 127 II 168 E. 2c S. 171 f.). Schliesslich muss die zuständige Behörde ohne Verzug über die Aufenthaltsberechtigung des Ausländers entscheiden (Art. 75 Abs. 2 AIG, Beschleunigungsgebot) und die Haft als Ganzes verhältnismässig sein (vgl. BGE 130 II 56 E. 1S. 58 und BGE 125 II 369 E. 3a S. 374 f.).

 

4.2      Eine Rückführung nach Algerien ist rechtlich und tatsächlich möglich, wie die bereits organisierte Rückführung für den 29. November 2023 gezeigt hat. Da allerdings nun erneut ein LP bei den algerischen Behörden beantragt werden muss, rechtfertigt es sich, die Ausschaffungshaft für die Dauer von drei Monaten anzuordnen, da LP erfahrungsgemäss nicht immer innerhalb weniger Tage Wochen bei den algerischen Behörden erhältlich gemacht werden können. Die angeordnete Haft ist damit rechtmässig und angemessen. Sie beginnt allerdings bereits ab dem 1. Januar 2024 zu laufen, da den Akten nicht zu entnehmen ist, dass eine strafrechtliche Festnahme Haft vorgehend zu der ausländerrechtlichen Haft angeordnet wurde. Die kurzzeitige Festhaltung nach Art. 73 AIG ist an die Haftdauer anzurechnen. Dementsprechend endet die Ausschaffungshaft am 31. März 2024.

 

5.

Es werden keine Kosten erhoben (§ 4 Gesetz über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, SG 122.300).

 

 

Demgemäss erkennt die Einzelrichterin:

 

://:        Die über A____ angeordnete Ausschaffungshaft ist vom 1. Januar 2024 bis am 31. März 2024 rechtmässig und angemessen.

 

            Es werden keine Kosten erhoben.

 

            Mitteilung an:

            - A____

            - Migrationsamt

            - Staatssekretariat für Migration

VERWALTUNGSGERICHT BASEL-STADT

 

Die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht

 

 

 

lic. iur. Barbara Grange

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Diese ist mit einem Antrag und einer Begründung zu versehen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

 

Der inhaftierte Ausländer kann einen Monat nach der Haftüberprüfung ein Haftentlassungsgesuch einreichen beim Verwaltungsgericht Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.

 

 

 

Hinweis

 

Dieses Urteil wurde dem Ausländer am heutigen Tag mündlich erläutert und schriftlich ausgehändigt.



 
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