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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:AUS.2017.50 (AG.2017.441)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid AUS.2017.50 (AG.2017.441) vom 10.07.2017 (BS)
Datum:10.07.2017
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Anordnung der Ausschaffungshaft
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 219 StPO ; Art. 224 StPO ;
Referenz BGE:128 II 241;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im
Ausländerrecht


AUS.2017.50


URTEIL


vom 10. Juli 2017




Beteiligte


Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,

Spiegelgasse 12, 4001 Basel


gegen


A____, geb. [...], von Algerien,

zurzeit in Haft im Gefängnis Bässlergut,

Freiburgerstrasse48, 4057Basel


Gegenstand


Verfügung des Migrationsamtes vom 7. Juli 2017


betreffend Anordnung der Ausschaffungshaft


Sachverhalt


A____ stammt nach eigenen Angaben aus Algerien. Er wurde am 5. Juli2017 in Basel durch eine Spezialfahndungseinheit der Polizei beobachtet, als er sich, zusammen mit seinem Begleiter [...], hinsichtlich der Begehung von Einschleichdiebstählen auffällig verhielt. In der Folge wurde er verhaftet und befand sich bis zum 7. Juli 2017, 14.50 Uhr, in einer vorläufigen Festnahme gemäss Art.217der Strafprozessordnung. Danach wurde er dem Migrationsamt übergeben. Dieses befragte A____ noch gleichentags und wies ihn im Anschluss an die Befragung aus der Schweiz weg unter Anordnung einer zweimonatigen Ausschaffungshaft. Am 10. Juli 2017 hat die Verhandlung der Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht (Einzelrichterin) stattgefunden. Dabei ist A____ befragt worden, wofür auf das Protokoll verwiesen wird.



Erwägungen


1.

Gemäss Art. 80 Abs. 2 des Ausländergesetzes (AuG, SR 142.20) sind die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft spätestens nach 96 Stunden durch eine richterliche Behörde aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu überprüfen. Wird ein Ausländer wegen des Verdachts der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens durch die Polizei verhaftet, so ist seine Festhaltung im Rahmen der Maximaldauer von 24 Stunden (Art. 219 Abs. 4 StPO) strafprozessual begründet. In diesem Fall ist die vorläufige Festnahme deshalb weder bei der Berechnung der Frist zur Haftüberprüfung gemäss Art. 80 Abs. 2 AuG noch bei der Berechnung der erstmalig anzuordnenden Haftdauer zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall ist Beurteilte am 5. Juli 2017 um 14.55 Uhr verhaftet worden. Zwar hat er sich offiziell bis zum 7. Juli 2017, 14.50 Uhr, im Rahmen einer vorläufigen Festnahme zur Abklärung der strafrechtlichen Vorwürfe in Haft befunden. Allerdings ist damit die maximal mögliche Frist gemäss Art. 219 Abs. 4 StPO um 24 Stunden überschritten worden. Der Beurteilte hätte spätestens am 6. Juli 2017 um 14.55 Uhr entweder aus der vorläufigen Festnahme entlassen werden müssen oder aber der Staatsanwaltschaft zugeführt werden müssen, damit diese das Verfahren auf Anordnung von Untersuchungshaft einleitet (vgl.dazu Art. 224 StPO). Da keine solche Zuführung an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist, ist die weiterhin bestehende Haft bereits ab dem 6. Juli 2017, 14.55 Uhr, rein ausländerrechtlich begründet gewesen. Ab diesem Zeitpunkt hat die Frist gemäss Art. 80 Abs. 2 AuG zu laufen begonnen. Die heutige Verhandlung hat um 14.15 Uhr und damit gerade noch rechtzeitig innert der Frist von 96 Stunden stattgefunden. Zuständig zur Überprüfung der Haft ist eine Einzelrichterin am Appellationsgericht als Verwaltungsgericht (vgl. § 2 des Gesetzes über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht [SG 122.300]).


2.

2.1 Nach den gesetzlichen Vorschriften kann ein Ausländer zur Sicherstellung des Vollzugs eines erstinstanzlichen Weg- oder Ausweisungsentscheids in Haft genommen werden, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass er sich der Ausschaffung entziehen will, insbesondere weil er der Mitwirkungspflicht nach Art. 90 AuG sowie Art. 8 Abs. 1 lit. a oder Abs. 4 AsylG nicht nachkommt (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 AuG). Untertauchensgefahr liegt regelmässig vor, wenn der Ausländer bereits einmal untergetaucht ist, behördlichen Auflagen keine Folge leistet, hier straffällig geworden ist, durch erkennbar unglaubwürdige und widersprüchliche Angaben die Vollzugsbemühungen der Behörden zu erschweren versucht oder sonst klar zu erkennen gibt, dass er auf keinen Fall in sein Heimatland zurückzukehren bereit ist (BGE 128 II 241 E. 2.1 S. 243; 125 II 369 E. 3 b/aa S. 375). Untertauchensgefahr ist auch zu bejahen bei eigentlichen Täuschungsmanövern, um die Identität zu verschleiern bzw. die Papierbeschaffung zu erschweren (z.B. Verwendung gefälschter Papiere, Auftreten unter mehreren Namen). Das Gleiche gilt bei strafrechtlich relevantem Verhalten, ist bei einem straffällig gewordenen Ausländer doch eher als bei einem unbescholtenen davon auszugehen, er werde in Zukunft behördliche Anordnungen missachten (vgl. auch Art. 75 Abs. 1 lit. g und h AuG).


2.2 Entgegen der angefochtenen Verfügung kann aus der bewussten rechtswidrigen Einreise in die Schweiz noch nicht auf die Gefahr des Untertauchens geschlossen werden, ansonsten jeder hier illegal Anwesende, der durch die Behörden entdeckt wird, automatisch in Ausschaffungshaft versetzt werden könnte. Allerdings ist dem Migrationsamt beizupflichten, dass vorliegend tatsächlich Anhaltspunkte bestehen, die ein Untertauchen des Beurteilten indizieren. So hat er der Polizei eine falsche Identität angegeben. Erst, nachdem er feststellen musste, dass Frankreich einer Rückübernahme nicht zustimmt, weil er dort unbekannt ist, hat er seine Angaben korrigiert. Ob diese zutreffend sind, steht zurzeit noch nicht definitiv fest. Seine Reisepapiere will er vor längerem verloren haben. Die Erklärung des Beurteilten, weshalb er in die Schweiz gekommen sei (er habe schwedisches Geld wechseln wollen), ist überdies völlig unglaubwürdig. In der Schweiz besitzt er keinerlei Anknüpfungspunkte. In der heutigen Verhandlung hat er auf den Vorhalt hin, dass er nach Algerien gehen müsse, falls Frankreich trotz der vielfältigen Bemühungen des Migrationsamtes seiner Rückübernahme nicht zustimme, erklärt, er habe seine ganze Familie in Frankreich, er brauche medizinische Unterstützung. Er könne nicht nach Algerien zurück. Insgesamt kann deshalb nicht zweifelhaft sein, dass der Beurteilte, wäre er in Freiheit, unverzüglich versuchen würde, nach Frankreich zu gelangen. Damit erweist sich die Haft als notwendig und ist zu bestätigen. Da sich A____ nur bis zum Nachmittag des 6.Juli2017 rechtmässig in einer (strafrechtlich bedingten) vorläufigen Festnahme befunden hat (vgl. oben Ziff. 1), läuft die Frist von zwei Monaten am 5. September 2017 aus (nicht, wie in der angefochtenen Verfügung festgehalten, am 6. September 2017). Das vorliegende Verfahren ist kostenlos (§ 4 Abs. 1 des Gesetzes über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht).


Demgemäss erkennt die Einzelrichterin:


://: Die über A____ angeordnete Ausschaffungshaft ist für 2 Monate, das heisst bis zum 5. September 2017, rechtmässig und angemessen.


Es werden keine Kosten erhoben.


Mitteilung an:

- A____

- Migrationsamt

- Staatssekretariat für Migration



VERWALTUNGSGERICHT BASEL-STADT


Die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht

lic. iur. Saskia Schärer



Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Diese ist mit einem Antrag und einer Begründung zu versehen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.


Der inhaftierte Ausländer kann einen Monat nach der Haftüberprüfung ein Haftentlassungsgesuch einreichen beim Verwaltungsgericht Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.



Hinweis


Dieses Urteil wurde dem Ausländer am heutigen Tag mündlich erläutert und schriftlich ausgehändigt.



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