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Urteil Verwaltungsgericht (AG)

Kopfdaten
Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2017 39
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2017 39 vom 05.07.2017 (AG)
Datum:05.07.2017
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:AGVE - Archiv 2017 Personalrecht 211 IX. Personalrecht 39 Arbeitszeugnis; Mahnung; Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs...
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 28a ZGB ; Art. 29 BV ; Art. 44 OR ; Art. 49 OR ; Art. 97 OR ;
Referenz BGE:130 III 699;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
2017 Personalrecht 211

IX. Personalrecht
39 Arbeitszeugnis; Mahnung; Voraussetzungen eines Schadenersatz- anspruchs infolge Persönlichkeitsverletzung im Anstellungsverhältnis; Bemessung der Genugtuung (§ 19 Abs. 1 GAL; § 11 Abs. 1 lit. c GAL; § 23 Abs. 1 GAL; § 4 Abs. 3 Satz 1 GAL i.V.m. Art. 28a Abs. 3 ZGB und Art. 97/49 OR) - Ein Arbeitszeugnis darf sich auch zu relevanten Tatsachen äussern, die sich nicht aus einem (unvollständigen) Personaldossier ergeben (Erw. 2.1). - Ein Zwischenzeugnis entfaltet eine gewisse Bindungswirkung für das Schlusszeugnis, indem der Arbeitgeber für Tatsachen, die zu einer schlechteren Beurteilung des Arbeitnehmers im Schlusszeugnis füh- ren, sowie für zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen beweis- pflichtig ist. In der Formulierung des Schlusszeugnisses ist der Arbeitgeber allerdings frei (Erw. 2.2). - Der Gehörsanspruch verpflichtet den Arbeitgeber nicht dazu, dem Arbeitnehmer schon vor der Mahnung anzukündigen, welche Punkte er zu rügen gedenkt (Erw. 3.3.1). - Eine teilweise ungerechtfertigte Mahnung des Arbeitnehmers ist un- ter den gegebenen Umständen (kein langwieriger Arbeitskonflikt; keine anhaltenden Fürsorge- bzw. Persönlichkeitsverletzungen) keine adäquat kausale Ursache für die Kündigung des Anstellungs- verhältnisses und einen daraus resultierenden Verdienstausfall; der Arbeitgeber ist dafür nicht ersatzpflichtig (Erw. 4.2). - Bemessung der Genugtuung im Falle von Persönlichkeitsverletzun- gen, die keinen irreversiblen psychischen Gesundheitsschaden des Arbeitnehmers verursachen und an denen der Arbeitgeber nur ein geringes Verschulden trägt (Erw. 4.3) Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 5. Juli 2017,
i.S. A. gegen Einwohnergemeinde B. (WKL.2016.15)
2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 212

Aus den Erwägungen II.
2.1.
(...)
An der Verhandlung vor Verwaltungsgericht kritisierte die
Rechtsvertreterin des Klägers, ein Arbeitszeugnis dürfe sich nur zu
solchen Tatsachen äussern, die im Personaldossier des Arbeitnehmers
abgebildet seien. Werde auf Partei- und Zeugenaussagen abgestellt,
für die es im Personaldossier keine Anhaltspunkte gebe, sei dies aus
Gründen der Wahrung des rechtlichen Gehörs und des Datenschutzes
problematisch. Dem ist entgegenzuhalten, dass ein lückenhaftes Per-
sonaldossier nicht zu einem unwahren und/oder unvollständigen Ar-
beitszeugnis führen darf, und dass für den Zeugnisprozess keine Be-
weismittelbeschränkung vorgesehen ist. Berichtet eine befragte Per-
son nur vom Hörensagen, ist darauf bei der Beweiswürdigung gebüh-
rend Rücksicht zu nehmen; ebenso darauf, dass der Kläger zu vagen
Vorwürfen unbestimmter Quelle nicht angemessen Stellung nehmen
kann. Inwiefern die Verwendung von Partei- und Zeugenaussagen
zum Beweis von Tatsachen, über die sich ein Arbeitszeugnis ausspre-
chen darf und muss, gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen
verstossen könnte, ist nicht ersichtlich.
2.2.
(...)
Für Tatsachen, die sich vor der Ausstellung dieses Zwischen-
zeugnisses zugetragen haben und die zu einem schlechteren Schluss-
zeugnis führen, ist daher die Arbeitgeberin beweispflichtig (ROLAND
MÜLLER/PHILIPP THALMANN, Streitpunkt Arbeitszeugnis, 2. Aufla-
ge, Basel 2016, S. 16). Nach der Ausstellung eines guten Zwischen-
zeugnisses darf die Qualifikation im Schlusszeugnis nur dann
schlechter ausfallen, wenn in der Zwischenzeit einschneidende
Änderungen eingetreten sind, die eine erheblich unterschiedliche Be-
urteilung rechtfertigen (STEPHAN FISCHER, Arbeitszeugnis - Beurtei-
lung und Durchsetzung, Zürich/St. Gallen 2016, S. 58; ULLIN
STREIFF/ADRIAN VON KAENEL/ROGER RUDOLPH, Arbeitsvertrag,
7. Auflage, Zürich/ Basel/Genf 2012, Art. 330a N 5a). Somit trifft die
2017 Personalrecht 213

Beklagte die Beweislast für ihre Behauptung, dass das Zwischen-
zeugnis nicht den Tatsachen entsprochen habe, dass sich C. lediglich
eine positive Auswirkung davon erhofft habe und dass es zwischen
diesem und dem Kläger zu verschiedenen Meinungsverschiedenhei-
ten betreffend die Anwendung von Lehrmitteln sowie die Einhaltung
von Dienstwegen und Vorgaben bei der Beschaffung von Mobiliar
gekommen sei. Diesbezüglich gilt es vorauszuschicken, dass der an
der Verhandlung vor Verwaltungsgericht als Zeuge einvernommene
C. nach wie vor hinter dem Wortlaut des von ihm formulierten Zwi-
schenzeugnisses steht, das seiner Ansicht nach nicht nur die guten
Leistungen des Klägers angemessen würdigt, sondern auch kritische
Punkte mit Bezug auf das Verhalten des Klägers gegenüber der
Schulleitung und seine Einstellung gegenüber der Integrativen Schu-
lung beinhalte. Auf den Wahrheitsgehalt einzelner Zeugnisaussagen
wird weiter unten zurückzukommen sein.
Weil aber dem Arbeitgeber trotz zahlreicher Rahmenbedingun-
gen bei der Schöpfung des Wortlauts in den Schranken des Verkehrs-
üblichen ein breites Ermessen zusteht und der Arbeitnehmer keinen
Anspruch auf die Verwendung bestimmter Formulierungen hat
(STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., Art. 330a N 3b mit diver-
sen Hinweisen), ist dem eingeklagten Zeugnisanspruch grundsätzlich
der von der Beklagten vorgeschlagene Zeugnistext zu Grunde zu le-
gen und dieser mit den allenfalls notwendigen Korrekturen/Ergän-
zungen zu versehen. Die Formulierungen des Zwischenzeugnisses
müssen im Schlusszeugnis nicht übernommen werden (Urteil des
Bundesgerichts vom 5. September 2003 [4C.129/2003], Erw. 6.1).
Dies gilt hier umso mehr, als sich das Zwischenzeugnis vom Juni
2015 der Natur der Sache nach nicht zur Leistung und zum Verhalten
des Klägers in der letzten Phase der Anstellungsdauer (erstes Semes-
ter des Schuljahrs 2015/16) äussert und das Schlusszeugnis ein faires
Abbild der gesamten Anstellungsdauer zu geben hat (STREIFF/VON
KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., Art. 330a N 3a). Der Einwand des Klä-
gers, im Schuljahr 2015/16 habe er wegen seiner Krankschreibung
und seiner Freistellung kaum mehr ordentlich unterrichten können,
ist insofern nicht stichhaltig, als sich in dieser Schlussphase, die no-
minell immerhin einen Drittel der gesamten Anstellungsdauer aus-
2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 214

macht, Dinge zugetragen haben, die für die Beurteilung seines Ver-
haltens (gegenüber der neuen Schulleitung und der Schulpflege) rele-
vant sind. Auch sein Einwand, in dieser letzten Phase könne das An-
stellungsverhältnis kaum mehr als regulär bezeichnet werden und sei
deshalb bei der Beurteilung seiner Leistungen und seines Verhaltens
auszuklammern, ist nicht zu hören. Für den neuen Arbeitgeber bzw.
den neuen Vorgesetzten sind gerade auch die Leistungen und das
Verhalten des Arbeitnehmers in der letzten Zeit des Anstellungsver-
hältnisses von besonderer Bedeutung (STREIFF/VON KAENEL/
RUDOLPH, a.a.O., Art. 330a N 3a).
Es gebietet sich aber wenigstens eine sinngemässe Übernahme
derjenigen Bestandteile des Zwischenzeugnisses, die auch in einer
Gesamtbetrachtung des Anstellungsverhältnisses weiterhin richtig
und für die Beurteilung der Qualifikation des Klägers von Bedeutung
sind (vgl. ALEX ENZLER, Der arbeitsrechtliche Zeugnisanspruch,
Diss. Zürich/Basel/Genf 2012, S. 64).
2.3.-3.2. (...)
3.3.
3.3.1.
Die Mahnung mit Ansetzung einer Bewährungszeit gemäss § 11
Abs. 1 lit. c GAL erfüllt grundsätzlich zwei Funktionen: Einerseits
hält der Mahnende dem Betroffenen eine Vertragsverletzung vor und
mahnt ihn zu künftigem vertragsgemässem Verhalten (Rügefunk-
tion), andererseits drückt sie die Androhung einer Sanktion aus
(Warnfunktion). Die Mahnung bildet eine Massnahme zum Schutz
der Angestellten, da eine ordentliche Kündigung wegen Mängeln in
der Leistung oder im Verhalten grundsätzlich nur rechtmässig ist,
wenn zuvor erfolglos gemahnt wurde. Die Mahnung muss als solche
erkennbar sein und der Arbeitnehmer muss daraus ersehen können,
welche Verhaltensweisen nicht mehr toleriert werden und wie er sich
inskünftig zu verhalten hat (Urteil des Bundesgerichts vom 2. März
2009 [1C_245/2008], Erw. 5.3; Urteil des Bundesverwaltungsge-
richts vom 3. Mai 2012 [A-5670/2011], Erw. 8.1; VGE I/79 vom
4. Juni 2014 [WKL.2013.20], Erw. II/4.2.2). Ihre Rügefunktion er-
füllt die Mahnung nur dann, wenn die Arbeitgeberin dem Angestell-
ten die Mängel im Verhalten nicht nur summarisch aufzeigt, sondern
2017 Personalrecht 215

detailliert mitteilt und die Mängel durch Verweis auf bestimmte Vor-
kommnisse belegen kann (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 3. Mai 2012 [A-5670/2011], Erw. 8.1; HARRY NÖTZLI, Die
Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Bundespersonalrecht: unter
besonderer Berücksichtigung der Arbeitsverhältnisse bei der Bundes-
verwaltung, dem Bundesgericht und dem ETH-Bereich, Bern 2005,
Rz. 197).
Soweit die Mahnung nicht über die gesetzlichen und vertragli-
chen Vorgaben hinausgeht und neue Pflichten begründet, sondern le-
diglich daran erinnert bzw. diese näher ausführt, stellt sie keine (selb-
ständig anfechtbare) Massnahme dar. Kommt es in der Folge zu einer
Kündigung, so kann sich der Betroffene gegen die entsprechende
Verfügung / Gestaltungserklärung zur Wehr setzen und in einem all-
fälligen Beschwerde- oder Klageverfahren (auch) geltend machen,
die Kündigung sei mitunter deshalb unrechtmässig, weil bereits die
Mahnung nicht gerechtfertigt gewesen sei (VGE I/82 vom 22. April
2015 [WKL.2015.4], Erw. I/6.3.2 f. mit Hinweisen auf die Recht-
sprechung des Bundesgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts).
Insofern gelten für eine Mahnung nicht die gleichen (rechtsstaatli-
chen) Verfahrensgarantien wie für die Kündigung des Anstellungs-
verhältnisses, die zwar bei vertraglicher Grundlage "nur" eine ver-
tragliche (Gestaltungs-)Erklärung (anstelle einer Verfügung im
Rechtssinne) darstellt, aber durch die unmittelbare Beendigung des
Anstellungsverhältnisses den weit schwerwiegenderen Eingriff in
existenzielle Interessen des betroffenen Vertragspartners beinhaltet
(vgl. dazu VGE I/213 vom 10. November 2016 [WKL.2015.19],
Erw. II/2.2). Entsprechend kommt der verfassungsmässige Anspruch
auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 1 BV und § 22 Abs. 1 KV) res-
pektive das daraus fliessende Recht auf vorgängige Anhörung im
Kontext einer Mahnung nicht oder höchstens beschränkt zum Tra-
gen. Vom Arbeitgeber kann namentlich nicht verlangt werden, dass
er dem Arbeitnehmer schon im Vorfeld der Mahnung bekanntgibt,
welche Mängel er zu rügen gedenkt.
2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 216

3.3.2.-3.7. (...)
4.
4.1.
Verletzt der Arbeitgeber seine Fürsorgepflichten respektive die
Persönlichkeitsrechte seiner Angestellten, haben die Lehrpersonen in
Anwendung von § 23 Abs. 1 GAL Anspruch auf Schadenersatz. Weil
die Minimalansprüche zum Schutz der Lehrpersonen denjenigen des
Schweizerischen Obligationenrechts entsprechen und in jedem Fall
einzuhalten sind (§ 4 Abs. 3 Satz 1 GAL), stehen den Lehrpersonen
neben dem vertraglichen Schadenersatzanspruch (bei Persönlich-
keitsverletzungen) - analog zu privatrechtlich Angestellten - alle
Rechtsbehelfe des Art. 28a ZGB, einschliesslich des in Art. 28a
Abs. 3 ZGB vorbehaltenen Anspruchs auf Genugtuung zu. Wie im
Anwendungsbereich von Art. 97 OR muss zwischen der Vertragsver-
letzung (Persönlichkeitsverletzung) und dem von der Lehrperson gel-
tend gemachten Schaden ein natürlicher und adäquater Kausalzusam-
menhang bestehen. Von natürlicher Kausalität spricht man, wenn
eine Ursache "conditio sine qua non" eines Erfolges ist. Das fragli-
che Verhalten darf nicht weggedacht werden können, ohne dass auch
der eingetretene Erfolg entfiele. Das Kriterium der adäquaten Kausa-
lität ist erfüllt, wenn die schädigende Handlung nach dem gewöhnli-
chen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet
ist, den entstandenen Schaden herbeizuführen (statt vieler:
WOLFGANG WIEGAND, Basler Kommentar Obligationenrecht I,
Art. 1-529 OR, 6. Auflage, Basel 2015, Art. 97 N 41). Die Voraus-
setzungen des Genugtuungsanspruchs richten sich nach Art. 49 OR
(BGE 130 III 699, Erw. 5.1 = Pra 94/2005, S. 581). Das Vorliegen
einer Persönlichkeitsverletzung begründet demnach noch keinen Ge-
nugtuungsanspruch. Art. 49 OR setzt zusätzlich eine gewisse objekti-
ve Schwere der Persönlichkeitsverletzung und beim betroffenen Ar-
beitnehmer eine ausreichend starke moralische Unbill voraus, die es
als legitim erscheinen lässt, an den Richter zu gelangen, um ein
Schmerzensgeld zu erhalten (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH,
a.a.O., Art. 328 N 19). Der Umfang der Genugtuung hängt in erster
Linie von der Schwere des physischen und psychischen Leidens als
Folge der vom Geschädigten erlittenen Beeinträchtigung ab und von
2017 Personalrecht 217

der Möglichkeit, die entstandene Unbill mit einem Geldbetrag spür-
bar zu lindern. Irgendeine leichte Beeinträchtigung des beruflichen,
wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Ansehens vermag eine Ge-
nugtuung nicht zu rechtfertigen (BGE 130 III 699, Erw. 5.1 = Pra
94/2005, S. 581).
4.2.
4.2.1.
Dem Kläger ist es anscheinend nicht gelungen, nach der Been-
digung des Anstellungsverhältnisses mit der Beklagten per 5. Februar
2016 eine Anstellung mit gleich hohem Beschäftigungsgrad zu fin-
den, woraus er einen Verdienstausfall von Fr. 9'375.00 (recte:
Fr. 9'376.00; 5 Monate à Fr. 1'875.20) berechnet. Diesen führt er da-
rauf zurück, dass ihn die Schulpflege/Schulleitung mit der unrecht-
mässigen Mahnung vom 7./8. September 2015 quasi dazu genötigt
habe, das Arbeitsverhältnis von sich aus zu kündigen. Die Kündi-
gung sei ihm als einzige Möglichkeit verblieben, aus der unhaltbaren
Situation bei der Beklagten herauszukommen und nicht noch mehr
krank zu werden. Es habe keine weniger einschneidenden Massnah-
men gegeben, insbesondere nicht die von der Schlichtungskommis-
sion angeführten. Die Vertreter der Beklagten hätten ihm das Ge-
spräch und eine Schlichtungsverhandlung verweigert.
4.2.2.
Es ist durchaus möglich, dass der Kläger trotz des angespannten
Verhältnisses mit der Schulleiterin das Anstellungsverhältnis ohne
die Mahnung vom 7./8. September 2015 nicht von sich aus gekündigt
hätte. Die Kündigung wiederum war die Ursache dafür, dass der Klä-
ger ab 1. März 2016 nur noch mit einem reduzierten Pensum vom
74 % tätig sein konnte. Damit ist der natürliche Kausalzusammen-
hang zwischen der Mahnung und dem eingeklagten Verdienstausfall
erstellt. Hingegen fehlt es aus den folgenden Überlegungen an einem
adäquaten Kausalzusammenhang: Die Schulpflege musste nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung
nicht damit rechnen, dass ihre Mahnung, welche in der Hauptstoss-
richtung (Verletzung der Loyalitäts- und Treuepflicht) berechtigt war,
und ihre Weigerung, auf die Mahnung zurückzukommen, den Kläger
gleich zu einer Kündigung des Anstellungsverhältnisses veranlassen
2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 218

würde. Von der Unausweichlichkeit dieser Massnahme kann ohnehin
nicht ausgegangen werden. Zweifelsohne kann eine Mahnung das
psychische Wohlbefinden des Betroffenen beeinträchtigen, vor allem
wenn sie in weiten Teilen nicht gerechtfertigt ist. Eine sofortige Kün-
digung des Anstellungsverhältnisses allein wegen einer Mahnung er-
scheint aber bei objektiver Betrachtung als eher ungewöhnlicher
Schritt, den eine Mehrheit von Arbeitnehmern in einer vergleichba-
ren Situation nicht vollziehen würde. Vielmehr hätte es nahe gelegen,
den Verhaltensanweisungen punkto Loyalitäts- und Treuepflicht best-
möglich nachzuleben, Auseinandersetzungen mit der Schulleitung
und der Schulpflege tunlichst zu meiden, die Weisungen der Schul-
leitung zu beachten und sich in der Zwischenzeit (in aller Ruhe) nach
einer anderen, gleichwertigen Stelle umzuschauen. Dass der Kläger
das Anstellungsverhältnis ohne ein neues gleichwertiges Stellenange-
bot kündigen und darauf nur noch eine Teilzeitstelle finden würde,
war für die Schulpflege in der gegebenen Situation nicht vorherseh-
bar. Der Kläger hat sein entsprechendes Handeln und die Konsequen-
zen daraus selber zu verantworten. Dabei muss man sich vor Augen
halten, dass der Kläger nicht etwa in einem langwierigen Arbeitskon-
flikt mit anhaltenden Eingriffen in seine Persönlichkeitsrechte und
fortwährender Vernachlässigung der Fürsorgepflicht durch den Ar-
beitgeber feststeckte. Er arbeite im Kündigungszeitpunkt gerade ein-
mal rund zweieinhalb Monate unter der Schulleitung von D. und trug
durch sein uneinsichtiges und auflehnendes Verhalten im Zusammen-
hang mit der Vorbereitung und Organisation des Schullagers im Au-
gust 2016 erhebliche Mitschuld am entstandenen Arbeitskonflikt.
Der Kläger kann ferner nichts daraus ableiten, dass sich die Ver-
treter der Beklagten (Schulpflegepräsidentin) ebenfalls mit dem Ge-
danken an eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses trugen. Mit-
tels ordentlicher Kündigung hätte die Beklagte das Anstellungsver-
hältnis frühestens auf Ende des Schuljahrs 2015/16 (1. Juli 2016) und
auch nur dann auf diesen Termin hin beenden können, wenn sich die
dem Kläger nachgewiesenen Verhaltensmängel in der bis 26. Februar
2016 limitierten Bewährungszeit fortgesetzt hätten (vgl. § 10 Abs. 3
lit. b und Abs. 4 GAL). Eine fristlose Auflösung gemäss § 12 GAL
wäre nur bei einem gravierenden Fehlverhalten des Klägers in Frage
2017 Personalrecht 219

gekommen. Dass es so oder so (im Sinne einer überholenden Kausa-
lität) dazu gekommen wäre, steht nicht fest, auch wenn solche Dis-
kussionen stattgefunden haben. Die alleinige Ursache für den einge-
klagten Schaden hat der Kläger mit seiner Kündigung des Anstel-
lungsverhältnisses gesetzt. Alles Weitere ist rein hypothetisch und
spekulativ.
Die übrigen Fürsorgepflicht- und Persönlichkeitsverletzungen
(...) haben sich nach der Kündigung des Anstellungsverhältnisses
durch den Kläger am 27. Oktober 2015 zugetragen und fallen als (na-
türliche) Ursache für den eingeklagten Verdienstausfall schon des-
halb ausser Betracht.
(...)
4.3.
Dem Gericht kommt bei der Bemessung der Genugtuungsleis-
tung ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Bei der Bemessung der
Basisgenugtuung (erste Phase) ist vor allem (objektiv) auf die Art
und Schwere der Verletzung, die Intensität und die Dauer der Aus-
wirkungen auf die Persönlichkeit des Betroffenen sowie auf den
Grad des Verschuldens des Schädigers abzustellen. Bei Vorliegen
von Reduktions- und Herabsetzungsgründen ist die Basisgenugtuung
in analoger Anwendung von Art. 43 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 1 OR zu
kürzen (zweite Phase), dies insbesondere bei bloss geringem Ver-
schulden des Schädigers, bei (adäquat-kausalem) Mitverschulden des
Geschädigten oder mit Blick auf dessen Vorzustand (MARTIN A.
KESSLER, Basler Kommentar Obligationenrecht I, a.a.O., Art. 47
N 20a und b).
Bezüglich der vom Kläger erlittenen seelischen Unbill fällt ins
Gewicht, dass der Kläger nicht während eines längeren Zeitraums
stetigen und systematischen Attacken auf seine psychische Integrität
ausgesetzt war. Mit einem Monat dauerte die während des Anstel-
lungsverhältnisses mit der Beklagten eingetretene Arbeitsunfähigkeit
aus psychischen Gründen auch nicht besonders lange. An der Ver-
handlung vor Verwaltungsgericht machte der Kläger zwar neu einen
psychischen Langzeitfolgeschaden geltend. Seinen Angaben zufolge
kann er heute aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Lehrer
tätig sein, was alles eine Nachwirkung davon sei, wie er von den Ver-
2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 220

tretern der Beklagten behandelt worden sei. Als Beleg dafür hat er
das ärztliche Attest des ihn behandelnden Psychiaters vom 9. Juni
2017 ins Recht gelegt. Eine bleibende Arbeitsunfähigkeit (als Lehrer)
wird dem Kläger darin allerdings nicht bescheinigt, sondern eine sol-
che bis Ende Schuljahr 2016/17. Im Weiteren darf der Arbeitskon-
flikt an der Schule B., für den die Schulleitung und die Schulpflege
ohnehin nicht die alleinige Verantwortung tragen, maximal als Teil-
ursache für die psychische Beeinträchtigung des Klägers gewertet
werden, heisst es doch im Attest, der "B. Konflikt stehe am Anfang
einer schwer belastenden Berufsphase, aus welcher A. erheblicher
gesundheitlicher und seelischer Schaden entstanden sei". An den
Schulen E. und F. bekundete der Kläger offenbar erneut Schwierig-
keiten mit der Schulleitung und den Schulpflegen. Um für diese
Schwierigkeiten allein das angeschlagene berufliche Selbstverständ-
nis des Klägers und dafür wiederum allein die den Vertretern der Be-
klagten anzulastenden Vorfälle an der Schule B. verantwortlich ma-
chen zu können, wären vertiefte Abklärungen im jeweiligen Schul-
umfeld erforderlich. Schliesslich ist mit der Beklagten festzuhalten,
dass dem Attest nicht der Beweiswert und die Aussagekraft eines
(neutralen) medizinischen bzw. psychiatrischen Gutachtens zu-
kommt. Somit bleibt letztlich unbewiesen, dass die Vertreter des Be-
klagten dem Kläger einen ernsthaften und irreversiblen Gesundheits-
schaden zugefügt haben.
Die Umstände, welche die Beklagte zur Mahnung, zur Benach-
richtigung der Polizei und zum Schreiben an die Lehrerschaft vom
17. Dezember 2015 bewogen haben, waren vom Kläger teilweise
mitverschuldet. Er hat sich als nicht besonders anpassungsfähiger
und konzilianter Mitarbeiter ausgezeichnet.
Auf der anderen Seite kann das Verschulden der Beklagten
nicht als schwer eingestuft werden. Die gesamten Prozessakten ver-
mitteln den Eindruck, dass der Umgang mit einer eigenwilligen und
anspruchsvoll zu führenden Lehrperson die kommunalen Schulbe-
hörden in den konkreten Situationen ganz einfach überfordert hat.
Deren Vorgehensweise lässt keine bösen Absichten vermuten, was
sich nicht zuletzt daran zeigt, dass sie in dieser Phase mehrfach die
2017 Personalrecht 221

Beratung des BKS in Anspruch nahmen und offenkundig darum be-
müht waren, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Unter diesem Umständen erscheint dem Verwaltungsgericht
auch bei einem Vergleich mit Präjudizien (vgl. STREIFF/VON KAE-
NEL/RUDOLPH, a.a.O., Art. 328 N 16, S. 552 f.) eine Genugtuung von
Fr. 2'500.00 als angemessen.

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