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15 Steuersatzbestimmung bei beschränkter Steuerpflicht aufgrund im Kanton gelegener Grundstücke (§ 19 Abs. 1 und 2 StG) Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 3. Juli 2017,
i.S. KStA gegen T.I. (WBE.2017.220) Aus den Erwägungen 2.
Die Vorinstanz hat § 19 Abs. 2 StG in einem zweiten Schritt je-
doch die Anwendung versagt, soweit diese zu einem höheren satzbe-
stimmenden als steuerbaren Einkommen führt. Unter Berufung auf
die Lehre ist die Vorinstanz zur Auffassung gelangt, die Anwendung
der Bestimmung führe zu einem Methodendualismus, welcher einer-
seits sowohl das Diskriminierungsverbot in den von der Schweiz
abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) als auch das
Rechtsgleichheitsgebot von Art. 8 BV verletze. Dies habe zur Folge,
dass die Bemessungsgrundlage bei beschränkt Steuerpflichtigen stets
nach der objektmässigen Methode zu bestimmen sei. Beschränkt
Steuerpflichtige seien immer (nur) zu dem Steuersatz zu besteuern,
der sich aus den in der Schweiz steuerbaren Faktoren ergebe.
2.1.
Das Bundesgericht hat in seiner neueren Rechtsprechung mehr-
fach festgehalten, das StHG behandle in Art. 3 StHG die Steuer-
pflicht aufgrund persönlicher Zugehörigkeit, enthalte jedoch keine
Regel mit Bezug auf das Ausmass der Steuerpflicht. Insbesondere
regle das Gesetz nicht die Frage, ob im Ausland erlittene Verluste
von der Bemessungsgrundlage abzugsfähig seien. Dieses Schweigen
des Gesetzes könne für sich allein genommen nicht so verstanden
werden, dass den Kantonen damit ein autonomer Regelungsbereich
mit Bezug auf eine Thematik offen stehe, für welche von Verfas-
sungs wegen ausdrücklich die Harmonisierung vorgesehen sei. Das
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Bundesgericht hat jedoch in den angeführten Entscheiden die Frage
offen gelassen, ob den Kantonen insoweit ein Autonomiebereich
offen steht (vgl. BGE 140 II 141 E. 8 S. 155 f.; ebenso BGE 140 II
157 E. 5.1 S. 159 sowie Urteil 2C_1201 + 1202/2013 vom 15. Januar
2015 E. 10).
Diese Überlegung muss auch mit Bezug auf die fehlende Rege-
lung im StHG betreffend das Ausmass der Steuerpflicht aufgrund
wirtschaftlicher Zugehörigkeit - hier des Umstands, dass die Be-
schwerdegegnerin eine Liegenschaft im Kanton Aargau besitzt und
Einkünfte daraus erzielt - gelten. Das bedeutet, dass nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht klar ist, ob der Kanton
Aargau überhaupt eine inhaltlich von Art. 7 Abs. 2 DBG abwei-
chende Regelung hinsichtlich des Umfangs der beschränkten Steuer-
pflicht treffen könnte. Mit § 19 Abs. 2 StG hat der kantonale Gesetz-
geber wie dargelegt die gleiche Lösung wie im Bundesrecht gewählt.
Sollte - wie vom Bundesgericht immerhin angedeutet - insoweit für
die Kantone kein autonomer Regelungsbereich bestehen, so wäre
§ 19 Abs. 2 StG bereits aufgrund des Massgeblichkeitsgebots von
Art. 190 BV anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob die Be-
stimmung gegen die Bundesverfassung verstösst (so denn auch aus-
drücklich das Bundesgericht in BGE 140 II 141 E. 8 am Ende; vgl.
auch Urteil 2C_ 1201 + 1202/2013 vom 15. Januar 2015 E. 7).
2.2.
Auch wenn dem Kanton ein autonomer Regelungsbereich mit
Bezug auf das Ausmass der beschränkten Steuerpflicht zukommt, ist
entgegen der Auffassung der Vorinstanz, jedenfalls soweit es um die
hier infrage stehende Anwendung von § 19 Abs. 2 StG auf eine qua
Eigentum an einem im Kanton Aargau gelegenen Grundstück (§ 17
Abs. 1 lit. b StG) beschränkt steuerpflichtige Ausländerin geht, nicht
erkennbar, inwiefern § 19 Abs. 2 StG gegen das Diskriminierungs-
verbot und/oder das Gleichbehandlungsgebot von Art. 8 BV verstos-
sen sollte.
2.2.1.
Das Diskriminierungsverbot ist in Art. 25 des Abkommens
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundes-
republik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf
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dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom
11. August 1971 (DBA CH-D) geregelt. Dabei verbietet zunächst
Art. 25 Abs. 1 DBA D-CH die Diskriminierung der Staatsangehöri-
gen eines Vertragsstaates; Abs. 2 enthält das Betriebsstättediskrimi-
nierungsverbot; Abs. 3 und 4 beschlagen schliesslich das Verbot der
Diskriminierung mit Blick auf gewisse Zahlungen an nichtansässige
Personen sowie die Diskriminierung aufgrund fremder Beherr-
schung. Für die hier zu beurteilende Situation einer Rentnerin mit
Wohnsitz in Deutschland und Grundeigentum in der Schweiz kann
sich höchstens die Frage stellen, ob § 19 Abs. 2 StG das Diskriminie-
rungsverbot hinsichtlich der Staatsangehörigkeit verletzt. Der Be-
schwerdeführer weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf
hin, dass eine Verletzung des Diskriminierungsverbots insoweit
schon deshalb ausser Betracht fällt, weil weder Art. 7 Abs. 2 DBG
noch § 19 Abs. 2 StG an die Staatsangehörigkeit anknüpfen. Die
Vorinstanz beanstandet den mit der Anwendung von § 19 Abs. 2 StG
verbundenen Methodendualismus, indem Auslandsverluste nicht ein-
mal satzbestimmend berücksichtigt werden, während positives Aus-
landseinkommen stets satzerhöhend wirkt. Dieser Methodendualis-
mus trifft die davon berührten Steuerpflichtigen unabhängig von
ihrer Staatsangehörigkeit: Auch ein Schweizer Staatsbürger mit
Wohnsitz im Ausland und nur beschränkter Steuerpflicht in der
Schweiz ist in gleicher Weise davon betroffen wie die Beschwerde-
gegnerin mit Wohnsitz in Deutschland; bei hinsichtlich der Ansässig-
keit gleichen Verhältnissen resultiert somit aus der Anwendung von
§ 19 Abs. 2 StG keine Diskriminierung (vgl. zum Erfordernis der
gleichen Verhältnisse STEFAN OESTERHELT, in: MARTIN ZWEIFEL/MICHAEL BEUSCH/RENÉ MATTEOTTI [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Internationales Steuerrecht, Basel
2015, Art. 24 N 17 f.; ebenso für das DBA USA-D Urteil des deut-
schen Bundesfinanzhofs vom 30. März 2011, in: KURT LOCHER/WALTER MEIER/RUDOLF VON SIEBENTHAL/ANDREAS KOLB [Hrsg.], Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland [Loseblatt] Art. 25.1 Nr. 31 E. 2a; so auch ausdrücklich HEIKO KUBAILE, in: HANS FLICK/FRANZ WASSERMEYER/MICHAEL KEMPERMANN [Hrsg.], Doppelbesteuerungsabkommen Deutsch-
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land-Schweiz, Köln, Loseblatt ab 1981, Art. 25 N 19 [Lfg. 38 Juni
2013]) und liegt somit keine Verletzung des Diskriminierungsverbots
vor. Dass die Dinge mit Blick auf eine inländische Betriebsstätte
eines ausländischen Unternehmens und das Betriebsstättediskrimi-
nierungsverbot von Art. 25 Abs. 2 DBA CH-D allenfalls anders lie-
gen, ändert nichts (vgl. dazu Stefan OESTERHELT/SUSANNE SCHREIBER in: MARTIN ZWEIFEL/MICHAEL BEUSCH [Hrsg.], Kom- mentar zum Schweizerischen Steuerrecht, DBG, 3. Auflage, Zürich
2017, Art. 7 N 14 mit Hinweisen).
2.2.2.
Abgesehen vom Diskriminierungsverbot wird in der Literatur
die Frage diskutiert, ob der Methodendualismus - bei insgesamt
negativen Steuerfaktoren infolge eines Auslandsverlusts Abstellen
nur auf die Progression auf dem schweizerischen Steuerobjekt, bei
insgesamt positiven Steuerfaktoren Besteuerung mit Gesamtprogres-
sion - nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung von Art. 8 BV
verstosse. Peter Locher führt in diesem Zusammenhang aus, dass
dann, wenn die nicht überprüfbaren Auslandsunterlagen genügten,
um eine höhere Progression zu rechtfertigen, Analoges auch im
umgekehrten Fall gelten sollte (PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, I. Teil., Therwil 2001, Art. 7 N 11). Da vorliegend jedoch nicht
negative sondern positive Steuerfaktoren im Ausland zu beurteilen
sind, erübrigt sich eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser The-
matik.
2.2.3.
Selbst wenn angenommen wird, § 19 Abs. 2 StG verstosse in
bestimmten Fallkonstellationen gegen das Gleichbehandlungsgebot
von Art. 8 BV, rechtfertigt dies nicht, die Norm auch dann, wenn sie
wie hier zu sachgerechten Ergebnissen führt, nicht zur Anwendung
zu bringen.
2.2.3.1.
Zum einen ist schon zweifelhaft, ob die Argumentation, wonach
ausländische Faktoren schwer zu ermitteln und deshalb ganz ausser
Acht zu lassen seien, generell zutrifft. Hinsichtlich in- wie ausländi-
scher Liegenschaften erscheint es durchaus als möglich, die zentralen
Parameter für den Liegenschaftenertrag (Mieteinnahmen, Unterhalts-
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aufwendungen, Schuldzinsen auf Hypotheken) bei Inland- wie bei
Auslandsachverhalten zu ermitteln. Auch die Ermittlung von Renten-
einkünften, wie sie bei der Beschwerdegegnerin vorliegen, begegnet
keinen grundsätzlichen Schwierigkeiten; zumindest ähnlich dürfte
sich die Sachlage bei ausländischen Einkünften aus unselbstständiger
Erwerbstätigkeit darstellen (auch wenn naturgemäss nicht die Mög-
lichkeit der Einforderung eines Lohnausweises offensteht). All diese
Einkünfte bzw. damit zusammenhängende Aufwendungen lassen
sich in aller Regel anhand einfacher, aussagekräftiger Dokumente be-
legen. Soweit der beschränkt Steuerpflichtige bei der Ermittlung der
Bemessungsgrundlagen nicht mitwirkt, steht im Übrigen - wie ge-
rade die hier zu beurteilende Angelegenheit zeigt - ebenso wie bei
den unbeschränkt Steuerpflichtigen das Instrument der
Ermessensveranlagung offen. Allfällige praktische Schwierigkeiten
bei der Ermittlung der genannten Einkunftsarten sind jedenfalls
kaum mit den möglichen Problemen der Überprüfung des Gesamter-
gebnisses eines vorwiegend im Ausland tätigen Unternehmens mit
schweizerischer Betriebsstätte vergleichbar. Insoweit überzeugt es
durchaus, wenn Peter Locher nur für Geschäftsbetriebe und Betriebs-
stätten auf die Berücksichtigung des ausländischen Ergebnisses ver-
zichten will, ausländische Faktoren aber bei beschränkter Steuer-
pflicht wegen inländischem Immobilienbesitz durchgängig heranzie-
hen will (vgl. LOCHER, a.a.O., I. Teil, Art. 7 N 13; dieser Aspekt wird übersehen von MADELEINE SIMONEK, Wirkungen einer nachrangi- gen Ansässigkeit auf die Steuerpflicht in der Schweiz, in: JÜRG-BEAT ACKERMANN/FELIX BOMMER [Hrsg.], Liber Amicorum für Dr. Martin Vonplon, Zürich 2009, S. 303).
2.2.3.2.
Hinzu kommt aber vor allem ein vom Beschwerdeführer aufge-
griffener Punkt: Würden beschränkt Steuerpflichtige generell nur für
ihr in der Schweiz erzieltes Einkommen und Vermögen zu dem ent-
sprechenden Steuersatz besteuert, liefe dies auf eine systematische
Schlechterstellung der in der Schweiz unbeschränkt Steuerpflichtigen
hinaus. Insbesondere in einem anderen Kanton unbeschränkt Steuer-
pflichtige, die qua Liegenschaftenbesitz im Kanton Aargau der be-
schränkten Steuerpflicht unterliegen, wären gegenüber den im Aus-
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land unbeschränkt, jedoch im Kanton Aargau beschränkt Steuer-
pflichtigen massiv benachteiligt. Die Lösung für das von der Vorin-
stanz skizzierte Problem des Methodendualismus bei beschränkter
Steuerpflicht kann daher nicht in der generellen Zugrundelegung -
sowohl für das steuerbare als auch für das satzbestimmende Einkom-
men - nur der inländischen Faktoren liegen. Wenn überhaupt stellt
sich die Frage einer Korrektur der vom Gesetzgeber getroffenen Lö-
sung wegen eines allfälligen Verstosses gegen das
Gleichbehandlungsgebot nicht in Konstellationen wie der hier zu be-
urteilenden, wo im In- und Ausland Einkommen erzielt wird. Zu
einer Korrektur unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten könnte
höchstens die Situation Anlass geben, da im Ausland Verluste
resultieren. Ob in einer solchen Konstellation allein die fehlende
Überprüfbarkeit der Angaben des Steuerpflichtigen über seine
ausländischen Verluste einen ausreichenden Grund für die steuerliche
Erfassung mindestens der Inlandfaktoren sein kann, ist hier indessen
nicht zu entscheiden.
2.3.
Die angestellten Überlegungen gelten, worauf der Beschwerde-
führer zutreffend hinweist auch hinsichtlich positiver bzw. negativer
Vermögensbestandteile, so dass der Anwendung von § 19 Abs. 2 StG
in der hier zu beurteilenden Angelegenheit auch insoweit nichts ent-
gegensteht. Es trifft ausserdem zu, dass - wie der Beschwerdeführer
ebenfalls ausführt - die objektmässige Ausscheidung nicht per se zu
tieferen Steuern führt. So kann z.B. bei objektmässiger Ausscheidung
je nach Lage der Aktiven bei selbstfinanziertem Inland- und fremd-
finanziertem Auslandseigentum eine höhere Steuerlast als bei pro-
portionaler Ausscheidung resultieren. Der Entscheid der Vorinstanz,
der die objektmässige Methode bei beschränkter Steuerpflicht durch-
gehend zur Anwendung bringen will, verletzt damit nicht nur § 18
Abs. 3 StG, welcher nicht nur im Verhältnis zu anderen Kantonen,
sondern auch im Verhältnis zum Ausland die Ausscheidung nach den
Grundsätzen des Bundesrechts über das Verbot der interkantonalen
Doppelbesteuerung und damit auch im Verhältnis zum Ausland die
Verlegung von Schulden und Schuldzinsen nach der proportionalen
Methode gesetzlich vorschreibt. Darüber hinaus kann die von der
2017 Steuern 99
Vorinstanz vertretene Auffassung sogar zu einer rechtsungleichen
Schlechterstellung des beschränkt Steuerpflichtigen gegenüber dem
unbeschränkt Steuerpflichtigen führen. Auch insoweit erweist sich
der Entscheid der Vorinstanz somit als rechtsfehlerhaft.
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