I. Strafprozessrecht
1 Art. 76 Abs. 1 StPO
Parteivorträge im Rahmen der erstinstanzlichen Hauptverhandlung sind
Verfahrenshandlungen und als solche gemäss dem allgemeinen Grund-
satz von Art. 76 Abs. 1 StPO zu protokollieren, sofern sie nicht in schrift-
licher Form zu den Akten gegeben werden.
Aus dem Entscheid der 1. Strafkammer des Obergerichts vom 15. August
2013 i.S. Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach gegen W.W. (SST.2013.23).
1.5.
1.5.1.
Nach Abschluss des Beweisverfahrens stellen und begründen
die Parteien ihre Anträge (Art. 346 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die Aussa-
gen der Parteien, die mündlichen Entscheide der Behörden sowie alle
anderen Verfahrenshandlungen, die nicht schriftlich durchgeführt
werden, werden protokolliert (Art. 76 Abs. 1 StPO). Die Verfahrens-
protokolle halten alle wesentlichen Verfahrenshandlungen fest und
geben namentlich Auskunft über die Anträge der Parteien (Art. 77
Abs. 1 lit. c StPO).
1.5.2.
Parteivorträge im Rahmen der erstinstanzlichen Hauptverhand-
lung sind Verfahrenshandlungen und als solche gemäss dem allge-
meinen Grundsatz von Art. 76 Abs. 1 StPO zu protokollieren, sofern
sie nicht in schriftlicher Form zu den Akten gegeben werden. In letz-
terem Fall sind sodann allfällige Ergänzungen Abweichungen
zwischen der schriftlichen Fassung des Vortrags und dem mündlich
Vorgetragenen ebenfalls schriftlich festzuhalten. Dies alles ist Aus-
fluss der in Art. 76 Abs. 1 StPO festgehaltenen Dokumentations-
pflicht, welche ihre Grundlage im verfassungsrechtlichen Anspruch
auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) findet
(DONATSCH/SCHWARZENEGGER/WOHLERS, Strafprozess-
recht, 2010, S. 46; RIKLIN, Schweizerische Strafprozessordnung,
Kommentar, 2010, Vorbemerkungen zu Art. 76-79 StPO N. 3;
HAURI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessord-
nung, 2010, N. 4 f. zu Art. 346 StPO). Nur durch eine durchgängig
schriftliche Protokollierung ist gewährleistet, dass sich das Gericht
bei der Entscheidfindung ein umfassendes Bild über die Argumente
und Auffassungen der Parteien machen, darüber Rechenschaft able-
gen und diese umfassend berücksichtigen kann (Gedächtnisfunktion
des Protokolls; Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozess-
rechts, BBl 2006 1155). Dies gilt vor allem auch im Hinblick auf die
spätere Begründung des Urteils im Falle eines Weiterzugs an die
Rechtsmittelinstanz. Bleibt es beim rein mündlichen Parteivortrag, so
besteht die Gefahr, dass in der Begründung des Urteils (und allenfalls
bereits in der Urteilsberatung) die Vorbringen der bloss mündlich
plädierenden Partei nicht weniger Berücksichtigung finden als
jene der, zusätzlich zum mündlichen Vortrag, schriftliche Notizen ab-
gebenden Partei.
Eine fehlende Protokollierung der Vorbringen der Parteien hat
auch Auswirkungen im Hinblick auf ein allfälliges Rechtsmittel-
verfahren, bliebe es doch der Rechtsmittelinstanz damit verwehrt zu
überprüfen, was bereits vor Vorinstanz vorgetragen wurde, was da-
von Eingang in das erstinstanzliche Urteil gefunden hat, ob sich die
Vorinstanz mit den wesentlichen Argumenten der Parteien auseinan-
dergesetzt hat und welche Argumente im Rechtsmittelverfahren neu
eingebracht werden. Der Verzicht auf die Protokollierung rein münd-
lich vorgetragener Vorbringen stellt entsprechend eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs dar. Eine umfassende Überprüfung des erstin-
stanzlichen Entscheids im Rechtsmittelverfahren wird dadurch ver-
unmöglicht. Entsprechend wird in der Lehre die Protokollierung der
Parteivorträge weit überwiegend als Selbstverständlichkeit erachtet
(SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar,
2009, N. 1 zu Art. 76 StPO sowie N. 1 zu Art. 346 StPO; HAU-
SER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht,
6. Auflage 2005, § 44 N. 23, S. 196; HAURI, a.a.O., N. 4 ff. zu
Art. 346 StPO; FINGERHUTH, in: Kommentar zur Schweizerischen
Strafprozessordnung (StPO), 2010, N. 1 zu Art. 346 StPO; RIKLIN,
a.a.O., N. 2 zu Vorbemerkungen zu Art. 76-79 StPO; offenbar a.M.
RUCKSTUHL/DITTMANN/ARNOLD, Strafprozessrecht, 2011,
N. 1028).
1.5.3.
Die Vorbringen der Vorinstanz und der Staatsanwaltschaft sind
nicht stichhaltig. So ist zwar korrekt, dass gemäss Art. 77 Abs. 1 lit. c
StPO bloss die Anträge in das Verfahrensprotokoll aufzunehmen
sind. Doch ist die Aufzählung gemäss Art. 77 Abs. 1 StPO von vorn-
herein nicht abschliessend und hat einzig zum Ziel, Mindestvor-
schriften zum Inhalt eines Verfahrensprotokolls aufzustellen. Ent-
sprechend wäre die Verfahrensleitung gehalten, im Falle einer (nicht
anwaltlich vertretenen) Partei, welche es unterlässt, Anträge zu stel-
len, sie hierzu aufzufordern (JORNOT, in: Commentaire Romand,
Code de procédure pénal suisse, 2011, N. 7 zu Art. 346 StPO). Die
Auffassung, dass durch die exemplarische Aufzählung in Art. 77
Abs. 1 StPO ("namentlich") der allgemeine Grundsatz von Art. 76
Abs. 1 StPO, wonach sämtliche Verfahrenshandlungen, welche nicht
schriftlich erfolgen, zu protokollieren sind, aufgehoben wird, ist
abwegig und entbehrt jeglicher Grundlage. Die Parteivorträge sind
ihrem wesentlichen Inhalt nach zu protokollieren (Art. 76 Abs. 1
i.V.m. Art. 77 Abs. 1 StPO).
2 § 9 Abs. 2bis AnwT
Der Stundenansatz der amtlichen Verteidigung beträgt in der Regel
Fr. 220.00 und kann in einfachen Fällen auf Fr. 180.00 reduziert bzw. in
schwierigen Fällen auf Fr. 250.00 erhöht werden. Eine Berechnung der
Entschädigung, welche innerhalb eines Falles nach Schwierigkeitsgraden
einzelner Handlungen der Verteidigung unterscheidet, ist unzulässig.
Aus dem Entscheid des Vizepräsidenten der Beschwerdekammer in Strafsa-
chen des Obergerichts vom 24. September 2013 i.S. A. K. gegen Staatsanwalt-
schaft Lenzburg-Aarau (SBE.2013.32).