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Urteil Verwaltungsbehörden (AG - AGVE 2012 9)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2012 9: Verwaltungsbehörden

Die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm erhob Anklage gegen K.B. wegen des Verdachts auf Vergewaltigung seiner Ehefrau. In der Anklage beantragte die Staatsanwaltschaft überraschenderweise einen Freispruch für K.B. Das Bezirksgericht Zofingen trat jedoch nicht auf die Anklage ein und wies sie zurück, woraufhin die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegte. Es wurde diskutiert, ob die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift einen Freispruch beantragen darf, was bisher noch nicht vom Bundesgericht unter der neuen eidgenössischen StPO behandelt wurde. Es wurde festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Untersuchung zwingend Anklage erheben muss, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Es wurde betont, dass die Staatsanwaltschaft in der Anklage keinen Freispruch beantragen kann, da dies dem Wesen der Anklage widerspricht.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2012 9

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2012 9
Instanz:Verwaltungsbehörden
Abteilung:-
Verwaltungsbehörden  Entscheid AGVE 2012 9 vom 11.04.2012 (AG)
Datum:11.04.2012
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:9 Art. 324 ff. StPOAnklageerhebungDie Staatsanwaltschaft darf mit der Anklageerhebung keinen Freispruchder beschuldigten Person beantragen.
Schlagwörter: Anklage; Staatsanwaltschaft; Person; Freispruch; Untersuchung; Prozessordnung; Schweizerische; Anklageerhebung; Gericht; Prozessrecht; StPO; Antrag; Zweifel; Obergericht; Recht; Entscheid; Befehl; Kantons; Kommentar; Schweizerischen; Anklageschrift; Untersuchungs; Grundsatz; Einstellung; Zofingen; Basler; Rechtsprechung
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ;Art. 16 StPO ;Art. 2 StPO ;Art. 314 StPO ;Art. 318 StPO ;Art. 319 StPO ;Art. 32 BV ;Art. 324 StPO ;Art. 325 StPO ;Art. 337 StPO ;Art. 340 StPO ;Art. 352 StPO ;Art. 4 StPO ;Art. 6 StPO ;Art. 7 StPO ;Art. 9 StPO ;
Referenz BGE:137 IV 219;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2012 9

2012 Obergericht 58

9 Art. 324 ff. StPO
Anklageerhebung
Die Staatsanwaltschaft darf mit der Anklageerhebung keinen Freispruch
der beschuldigten Person beantragen.

Aus dem Entscheid des Obergerichts, Beschwerdekammer in Strafsachen,
vom 11. April 2012 i.S. Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm gegen K.B.
(SBK.2011.253).

Das Bundesgericht ist auf eine gegen diesen Entscheid ergriffene Be-
schwerde nicht eingetreten (Urteil des Bundesgerichts 1B_295/2012 vom
21. November 2012).



Die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm erhob beim Bezirksge-
richt Zofingen Anklage gegen K. B. wegen Verdachts auf Vergewal-
tigung zum Nachteil seiner Ehefrau. In der Anklage beantragte die
Staatsanwaltschaft, K. B. sei vom Vorwurf der Vergewaltigung frei-
zusprechen. Das Bezirksgericht Zofingen ist auf die Anklage nicht
eingetreten und hat sie an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.
Die Staatsanwaltschaft erhebt dagegen Beschwerde.



4.2.
[...]
Es eröffnet sich hier die Frage, ob die Staatsanwaltschaft im
Fall, da sie nach abgeschlossener Untersuchung (vgl. Art. 318 Abs. 1
StPO) beim zuständigen Gericht Anklage erhebt, wenn sie aufgrund
der Untersuchung die Verdachtsgründe als hinreichend erachtet und
keinen Strafbefehl erlassen kann (Art. 324 Abs. 1 StPO), in der An-
klageschrift einen Freispruch der beschuldigten Person beantragen
darf. Hingegen dürfte im Lichte der bisherigen Lehre
2012 Strafprozessrecht 59

(HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht,
6. Aufl. 2005, § 37 N. 4 und § 50 N. 8a; NIKLAUS OBERHOLZER,
Grundzüge des Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2005, N. 1408) und der
früheren Praxis der kantonalaargauischen Gerichtsbehörden unter der
Geltung der Strafprozessordnung des Kantons Aargau (StPO/AG)
sowie angesichts der Rechtslage gemäss der schweizerischen Straf-
prozessordnung in Art. 337 Abs. 2 und Art. 340 Abs. 1 lit. b StPO
und der hiezu verfassten Meinungen in der Literatur (SCHMID,
Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2009, N. 5
zu Art. 337 und N. 4 zu Art. 340 StPO; MARKUS WEBER/SARAH
WILDI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung,
2011, N. 15 zu Art. 337 StPO; MAX HAURI, in: Basler Kommentar,
Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 3 zu Art. 340 StPO;
PETER REUSSER, in: Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen
Strafprozessordnung, 2008, S. 330; THOMAS FINGERHUTH, in: Kom-
mentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2010, N. 6
zu Art. 337 und N. 5 zu Art. 340 StPO; siehe auch Botschaft zur Ver-
einheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005,
S. 1286) in Lehre und Rechtsprechung unumstritten sein, dass wäh-
rend der Hauptverhandlung bzw. gestützt auf das (Beweis-)Ergebnis
der Hauptverhandlung ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf Frei-
sprechung der beschuldigten Person zulässig ist.
4.3.
4.3.1.
4.3.1.1.
Zur Frage, ob die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift einen
Freispruch der beschuldigten Person beantragen darf, hat sich das
Bundesgericht unter der Geltung der neuen eidgenössischen StPO in
seiner Rechtsprechung - soweit ersichtlich - bisher noch nicht
geäussert.
4.3.1.2.
In einem vor Inkrafttreten der eidgenössischen StPO ergange-
nen Entscheid vom 12. Februar 2010 (OGE 51/2009/25 und
51/2009/29 vom 12. Februar 2010) erkannte das Obergericht des
Kantons Schaffhausen im Zusammenhang mit einer Anklageerhe-
bung durch die Staatsanwaltschaft verbunden mit einem Antrag auf
2012 Obergericht 60

Freispruch, dass in Fällen erheblicher beweismässiger rechtli-
cher Zweifel am Vorliegen einer Straftat die Staatsanwaltschaft An-
klage zu erheben habe, um eine richterliche Beurteilung zu ermögli-
chen; in Fällen solcher rechtlicher Zweifel stehe es ihr jedoch frei,
zum vorneherein einen Antrag auf Freispruch des Angeklagten zu
stellen, wenn sie auf eine Verhandlungsteilnahme verzichten wolle
und selber den Tatbestand als nicht erfüllt ansehe. Zur Begründung
erwog das Obergericht im Wesentlichen, die Untersuchungs- und
Anklagebehörden seien nicht dazu berufen, über Recht und Unrecht
zu richten. Sie hätten - da dies dem Strafrichter vorbehalten bleibe -
nicht eine abschliessende Beurteilung des allenfalls strafrechtlich
relevanten Verhaltens eines Angeschuldigten vorzunehmen und auch
nicht zu entscheiden, ob sich ein Angeschuldigter einer ihm zur Last
gelegten Tat strafbar gemacht habe, sondern nur, ob genügend An-
haltspunkte vorhanden seien, die es rechtfertigten, das Verfahren
weiterzuführen. Der Grundsatz "in dubio pro reo" gelte im Stadium
des Abschlusses der Untersuchung bzw. der möglichen Anklageer-
hebung nicht. Bestünden Zweifel, ob das Gericht bei seiner Beurtei-
lung mit Sicherheit zu einem Freispruch gelangen werde, müsse die
Staatsanwaltschaft daher Anklage erheben. Das gelte nicht nur bei
Zweifeln beweismässiger Art, sondern vor allem auch bei Zweifeln
rechtlicher Art, d.h. im Zusammenhang mit der rechtlichen Subsum-
tion des Verhaltens des Angeschuldigten. Obwohl die Staatsanwalt-
schaft in Zweifelsfällen somit Anklage zu erheben habe, müsse es ihr
möglich sein, anschliessend auf Freispruch zu plädieren, habe sie
doch ihre Anträge nach freier Überzeugung zu stellen, wobei sie
freilich die bestehende Lehre und Rechtsprechung zu berücksichti-
gen habe.
4.3.1.3.
In einem ebenfalls vor Inkrafttreten der eidgenössischen StPO
ergangenen Entscheid vom 24. September 2010 (GVP 2010 Nr. 120,
S. 293 f.) erkannte die Anklagekammer des Kantonsgerichts des
Kantons St. Gallen zusammengefasst, bei der Anklageerhebung blei-
be der Grundsatz "in dubio pro reo" grundsätzlich unbeachtlich. Auf-
grund des Legalitätsprinzips sei die Behörde zur Erhebung der An-
klage verpflichtet, sofern nicht ausnahmsweise das Opportunitäts-
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prinzip angewendet werden könne. Im Übrigen stimme das Gesagte
auch mit dem Anklagegrundsatz gemäss Art. 9 der Schweizerischen
Strafprozessordnung überein. Danach könne eine Straftat nur gericht-
lich beurteilt werden, wenn die Staatsanwaltschaft gegen eine be-
stimmte Person wegen eines genau umschriebenen Sachverhalts
beim zuständigen Gericht Anklage erhoben hat. Dies setze gerade
voraus, dass die Staatsanwaltschaft zwingend den Antrag auf Schul-
digsprechung zu stellen habe.
4.4.
4.4.1.
Erachtet die Staatsanwaltschaft die Untersuchung als vollstän-
dig, so erlässt sie einen Strafbefehl kündigt den Parteien mit
bekanntem Wohnsitz schriftlich den bevorstehenden Abschluss an
und teilt ihnen mit, ob sie Anklage erheben das Verfahren ein-
stellen will (Art. 318 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Unter welchen Voraussetzungen ein Strafverfahren eingestellt
werden darf, ergibt sich aus Art. 319 StPO. Gemäss Art. 319 Abs. 1
StPO verfügt die Staatsanwaltschaft - neben anderen hier nicht inter-
essierenden Konstellationen (Art. 319 Abs. 1 lit. c-e und Art. 319
Abs. 2 StPO) - die vollständige teilweise Einstellung des Ver-
fahrens, wenn namentlich kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine An-
klage rechtfertigt (lit. a), kein Straftatbestand erfüllt ist (lit. b).
Die Staatsanwaltschaft erhebt beim zuständigen Gericht An-
klage, wenn sie aufgrund der Untersuchung die Verdachtsgründe als
hinreichend erachtet und keinen Strafbefehl erlassen kann (Art. 324
Abs. 1 StPO).
4.4.2.
Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Formstrenge bzw.
des Erledigungsprinzips (Art. 2 Abs. 2 StPO) fällt nach dem Gesag-
ten in Betracht, dass das Verfahren ausschliesslich im Rahmen der
gesetzlich vorgesehenen Formen abgeschlossen werden kann. Für
den Fall eines einmal eingeleiteten Untersuchungsverfahrens bedeu-
tet dies nach dessen Beendigung (Art. 318 Abs. 1 StPO), dass es -
abgesehen von der Sistierung (Art. 314 StPO) - nur noch durch eine
Einstellungsverfügung (Art. 319 ff. StPO), durch Anklageerhebung
(Art. 324 ff. StPO) durch den Erlass eines Strafbefehls (Art. 352
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ff. StPO) abgeschlossen werden kann, worüber nach der gesetzlichen
Zuständigkeitsordnung allein die Staatsanwaltschaft zu entscheiden
hat (WOLFANG WOHLERS, in: Kommentar zur Schweizerischen
Strafprozessordnung [StPO], 2010, N. 16 zu Art. 2 StPO; SCHMID,
a.a.O., N. 1 und 3 vor Art. 319-327 StPO; PETER STRAUB/THOMAS
WELTERT, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessord-
nung, 2011, N. 12 zu Art. 2 StPO).
4.4.3.
Alsdann gilt bei der Frage, ob ein Strafverfahren über eine (de-
finitive) Verfahrenseinstellung durch die Untersuchungsbehörde erle-
digt werden kann, im schweizerischen Strafprozessrecht der Grund-
satz "in dubio pro duriore". Danach darf eine Einstellung durch die
Staatsanwaltschaft nur bei klarer Straflosigkeit bzw. offensichtlich
fehlenden Prozessvoraussetzungen verfügt werden. In Zweifelsfällen
hat hingegen eine Anklage und gerichtliche Beurteilung zu erfolgen,
sofern der Fall nicht mit Strafbefehl bzw. Strafverfügung erledigt
werden kann (vgl. BGE 137 IV 219 E. 7.1 S. 227 mit Hinweisen;
a.M.: STEFAN HEIMGARTNER/MARCEL A. NIGGLI, in: Basler Kom-
mentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 11 f. zu
Art. 324 StPO). Dieser Rechtsprechung folgte auch die Aargauer
Praxis zur bisherigen kantonalen Strafprozessordnung (vgl. § 136
StPO/AG). Auch nach neuer eidgenössischer StPO gilt der Grundsatz
"im Zweifel für die Anklageerhebung" bzw. "in dubio pro duriore",
der zwar nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist, sich aber indirekt
aus Art. 324 Abs. 1 i.V.m. Art. 319 Abs. 1 StPO ergibt (BGE 137 IV
219 E. 7.2 S. 228 mit Hinweisen). Ist aufgrund der Strafuntersuchung
eher ein Freispruch zu erwarten, eine Verurteilung aber nicht als
unwahrscheinlich auszuschliessen, hat demnach beim Gericht eine
Anklage zu erfolgen (BGE 137 IV 219 E. 7.1 S. 227). Demgegen-
über ist der Grundsatz "in dubio pro reo" (vgl. Art. 32 Abs. 1 BV,
Art. 10 Abs. 3 StPO) auf die Frage der Einstellung Anklageer-
hebung im Untersuchungsstadium gerade nicht anwendbar. Er
kommt (insbesondere als Beweiswürdigungsregel) vielmehr bei der
richterlichen Prüfung sämtlicher massgeblicher Beweisergebnisse
zum Zuge (BGE 137 IV 219 E. 7.3 S. 227 mit Hinweisen).

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4.4.4.
Besteht nach den soeben dargelegten Grundsätzen kein Grund
zur Einstellung nach Art. 319 StPO und sind die Voraussetzungen
von Art. 352 StPO ebenfalls nicht erfüllt, erachtet also die Staatsan-
waltschaft die Voraussetzungen für eine Anklageerhebung als gege-
ben, so hat die Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Untersuchung
zwingend Anklage zu erheben (SCHMID, a.a.O., N. 1 zu Art. 324
StPO; NATHAN LANDSHUT, in: Kommentar zur Schweizerischen
Strafprozessordnung [StPO], 2010, N. 5 zu Art. 324 StPO; HEIM-
GARTNER/NIGGLI, a.a.O, N. 3 zu Art. 324 StPO), zumal der Staatsan-
waltschaft gemäss Art. 16 Abs. 1 StPO die Durchsetzung des straf-
prozessualen Legalitätsprinzips (Art. 7 Abs. 1 StPO) obliegt. Zudem
folgt nach dem bisher Gesagten, dass gemäss geltendem Strafpro-
zessrecht eine Straftat nur gerichtlich beurteilt werden kann, wenn
die Staatsanwaltschaft gegen eine bestimmte Person wegen eines
genau umschriebenen Sachverhalts beim zuständigen Gericht An-
klage erhoben hat (Art. 9 Abs. 1 StPO), was geradezu voraussetzt,
dass die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Schuldigsprechung der
beschuldigten Person stellt, wie die Anklagekammer des Kantons
St. Gallen im zitierten Entscheid überzeugend ausführte. Mit dieser
vom Gesetzgeber vorgesehenen Konzeption der Voraussetzungen der
Anklageerhebung und vor dem Hintergrund des staatlichen Strafmo-
nopols (Art. 2 StPO) ist die Annahme, die Staatsanwaltschaft dürfe
zum Zeitpunkt des Abschlusses des Untersuchungsverfahrens bzw. in
der Anklageschrift - und damit vor der Beweisabnahme in der erstin-
stanzlichen Hauptverhandlung - einen Freispruch der beschuldigten
Person beantragen, nur schwer in Einklang zu bringen.
Es kommt hinzu, dass eine solche Auffassung im Widerspruch
zum eigentlichen Wesen der Anklage(-erhebung) stünde: Die Ankla-
geerhebung beinhaltet den Vorwurf der zuständigen Strafverfol-
gungsbehörde an eine bestimmte Person, eine Straftat begangen zu
haben (HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, a.a.O., § 5 N. 19). Die An-
klage ist dasjenige Schriftstück, mit dem die Staatsanwaltschaft ge-
stützt auf die vorausgegangene Strafuntersuchung gegen die be-
schuldigten Personen genau umschriebene Deliktsvorwürfe erhebt
und diese damit zur Beurteilung ans Gericht überweist (LANDSHUT,
2012 Obergericht 64

a.a.O., N. 1 zu Art. 324 StPO). Die Anklage enthält den Vorhalt, der
die Hypothese bildet, welche die Staatsanwaltschaft durch die Unter-
suchungsergebnisse für beweisbar und strafbar hält (HEIMGART-
NER/NIGGLI, a.a.O, N. 3 zu Art. 324 StPO). Wenn auch vom Gesetz-
geber in der StPO der Begriff der Anklage als solcher nicht definiert
wird und die StPO eine Anklageerhebung durch die Staatsanwalt-
schaft verbunden mit einem Antrag auf Freispruch der beschuldigten
Person nach dem Gesetzeswortlaut im Zeitpunkt der Anklageer-
hebung nicht explizit auszuschliessen scheint, so legen die Anfor-
derungen der StPO an den Inhalt und die Zustellung einer An-
klageschrift (Art. 325 ff. StPO) - gemäss Art. 325 Abs. 1 StPO sind
in der Anklageschrift u.a. die beschuldigte Person (lit. d), die der
beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von
Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung möglichst kurz,
aber genau zu bezeichnen (lit f.) und die nach Auffassung der Staats-
anwaltschaft erfüllten Straftatbestände unter Angabe der anwendba-
ren Bestimmungen anzuführen (lit. g); die Staatsanwaltschaft über-
mittelt die Anklageschrift sowie einen allfälligen Schlussbericht
unverzüglich der beschuldigten Person (Art. 327 Abs. 1 lit. a StPO) -
doch die Auslegung nahe, dass die Staatsanwaltschaft mit der An-
klage das mutmasslich strafbare Verhalten ans Gericht mit der Be-
hauptung eines Schuldspruchs zu überweisen hat. Dies setzt indes
mit anderen Worten voraus, dass in der Anklageschrift der Antrag auf
Schuldigsprechung (sowie Verurteilung) und nicht auf Freispruch
gestellt wird. Bei diesem Verständnis des Wesens der Anklage ergibt
sich bei einer Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft ver-
bunden mit einem Antrag auf Freispruch der beschuldigten Person in
der Tat ein innerer, unauflösbarer Widerspruch, kann doch die
Staatsanwaltschaft, wenn sie Anklage und damit den Vorwurf eines
strafbaren Verhaltens erhebt, nicht gleichzeitig einen Freispruch - das
Gegenteil eines Schuldspruchs - beantragen. Daran ändert entgegen
der Auffassung in der Beschwerde nichts, dass die Staatsanwaltschaft
allein dem Recht verpflichtet ist (Art. 4 Abs. 1 StPO) und sie belas-
tende und entlastende Umstände mit gleicher Sorgfalt untersucht
(Art. 6 Abs. 2 StPO), sind diese Bestimmungen doch in erster Linie
massgebend für die Untersuchung und damit relevant vor dem Zeit-
2012 Strafprozessrecht 65

punkt des Entscheids der Staatsanwaltschaft darüber, ob das Strafver-
fahren einzustellen Anklage zu erheben sei.


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