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7 Art. 253 StGB, Art. 260 ff. ZGB
Die Anerkennung der Vaterschaft gemäss Art. 260 ZGB beweist nur, dass
ein Kind anerkannt worden ist, nicht aber die biologische Vaterschaft
selbst. Das Zivilrecht lässt es zu, dass der nicht genetische Vater ein Kind
anerkennt. Die Anerkennung trotz fehlender biologischer Vaterschaft
kann deshalb nicht unter Strafe gestellt sein.
Aus dem Entscheid des Obergerichts, Beschwerdekammer in Strafsachen,
vom 13. September 2012 i.S. E. M. und P. G. gegen Staatsanwaltschaft Brugg-
Zurzach (SBK.2012.211).
2.
2.1.
Zur Aufklärung eines Verbrechens eines Vergehens kann
von einer beschuldigten Person von anderen Personen eine
Probe genommen und ein DNA-Profil erstellt werden, soweit es
notwendig ist, um von ihnen stammendes biologisches Material von
jenem der beschuldigten Person zu unterscheiden (Art. 255 Abs. 1
lit. a und b StPO).
Die Staatsanwaltschaft ist zuständig zur Anordnung einer DNA-
Probe (FRICKER/MAEDER, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Strafprozessordnung, 2011, N. 22 zu Art. 255 StPO mit Verweis auf
Art. 198 StPO). Als Zwangsmassnahmen müssen DNA-Anordnun-
gen und -Analysen die allgemeinen Voraussetzungen nach Art. 197
Abs. 1 StPO erfüllen. Das heisst sie müssen a) gesetzlich vorgesehen
sein, b) es muss ein hinreichender Tatverdacht vorliegen, c) die damit
angestrebten Ziele dürfen nicht durch mildere Massnahmen erreicht
werden können und d) die Bedeutung der Straftat muss die Zwangs-
massnahme rechtfertigen (vgl. FRICKER/MAEDER, a.a.O., N. 1 und
4 ff. zu Art. 255 StPO).
[...]
2.3.
2.3.1.
Wie aus den Ausführungen der Staatsanwaltschaft hervorgeht,
beabsichtigt sie, die DNA-Profile als Beweismittel zur Abklärung
des den Beschwerdeführern vorgeworfenen Verbrechens des Er-
schleichens einer falschen Beurkundung gemäss Art. 253 StGB zu
verwenden. Wie sich aus dem Folgenden ergibt, kann nun aber von
vornherein von keinem entsprechenden Tatverdacht gemäss Art. 253
StGB für die Anordnung der Abnahme von DNA-Proben ausgegan-
gen werden.
2.3.2.
Gemäss Art. 253 Abs. 1 StGB wird wegen Erschleichung einer
falschen Beurkundung bestraft, wer durch Täuschung bewirkt, dass
ein Beamter eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich
erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche
Unterschrift eine unrichtige Abschrift beglaubigt. Art. 253
Abs. 1 StGB regelt einen Spezialfall der mittelbaren Falschbeurkun-
dung. Die Tathandlung besteht im Bewirken einer inhaltlich unwah-
ren Beurkundung durch Täuschung, wobei die Täuschung den Vor-
satz der Urkundsperson ausschliessen muss (Urteil des Bundesge-
richts 6S.258/2006 vom 3. November 2006 E. 4.1).
Was eine rechtlich erhebliche Tatsache nach Art. 253 StGB ist,
bestimmt sich somit nach Art. 251 StGB (MARKUS BOOG, in: Basler
Kommentar, Strafrecht II, 2. Aufl. 2007, N. 5 zu Art. 253 StGB).
Eine Urkunde kann nur für den in ihr bezeugten Sachverhalt, niemals
für dessen tatsächliche rechtliche Voraussetzungen Beweis er-
bringen, auf welche bloss mittelbar aus den beurkundeten Tatsachen
geschlossen werden kann. Diese sind nicht konkludent mitbeurkun-
det. So beweist die Anerkennung der Vaterschaft (Art. 252 Abs. 2
und 260 ZGB) nur die Anerkennung, nicht aber die Vaterschaft selbst
(BOOG, a.a.O., N. 45 zu Art. 251 StGB).
2.3.3.
Vorliegend erklärte der Beschwerdeführer 2 am 20. April 2011
vor dem Zivilstandsamt die Anerkennung des Kindes M. Entgegen
der Auffassung der Staatsanwaltschaft erklärte er damit nicht, dass es
sich bei M. um seinen leiblichen Sohn handle. Mit der blossen Aner-
kennung im Sinne von Art. 252 Abs. 2 und Art. 260 ZGB liegen ge-
mäss den obigen Ausführungen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass
der Beschwerdeführer 2 eine inhaltlich unwahre Beurkundung er-
wirkt bzw. dass die Beschwerdeführerin 1 ihn dazu angestiftet hätte.
Die Anerkennung beweist nicht, dass der Beschwerdeführer 2 auch
tatsächlich der Vater ist, sondern nur die Tatsache, dass ein Kind
anerkannt wurde.
Dies ergibt sich auch aus der zivilrechtlichen Rechtslage: Zur
Anerkennung berechtigt ist gemäss Wortlaut von Art. 260 Abs. 1
ZGB "der Vater". Aus dieser Formulierung darf aber nicht geschlos-
sen werden, nur der genetische Vater könne das Kind anerkennen.
Das Zivilstandsamt darf denn auch keinen Nachweis der genetischen
Vaterschaft verlangen. Die bewusst falsche Anerkennung ist deshalb
möglich und wirksam, was sich bereits aus Art. 260b Abs. 1 ZGB
ergibt, der in Bezug auf die Anfechtung einer Anerkennung festhält,
dass der Kläger zu beweisen habe, dass der Anerkennende nicht der
Vater des Kindes ist. Erst im Falle der Anfechtung der Vermutung
spielt die biologische Vaterschaft eine Rolle. Richtigerweise bejaht
ein Teil der Lehre deshalb die Zulässigkeit der Anerkennung im Wis-
sen um die fehlende genetische Vaterschaft, während ein anderer Teil
der Lehre dem Zivilstandsamt das Recht zugesteht, die Anerkennung
abzuweisen, wenn sie offensichtlich falsch ist. Die Anerkennung sei
dann rechtsmissbräuchlich, und es wird darauf hingewiesen, dass sie
einen Straftatbestand darstelle (Übersicht bei THOMAS GEISER, Kind
und Recht - von der sozialen zur genetischen Vaterschaft?, in:
FamPra.ch 1/2009 S. 41 ff., 47). Letztere Lehrmeinung kann zumin-
dest hinsichtlich der strafrechtlichen Folgen nicht zutreffen. Das
Zivilrecht lässt es zu, dass der nicht genetische Vater ein Kind aner-
kennt. Wird ein Kind während der Ehe geboren, so gilt der Ehemann
sogar von Gesetzes wegen als Vater, auch wenn er nachweislich nicht
der genetische Vater ist. Das Gesetz misst der rechtlichen Vaterschaft
ein höheres Gewicht als der biologischen Vaterschaft bei. Erfolgt
keine Anfechtung der Anerkennung der Vaterschafts-Vermu-
tung, so bleibt es bei der Vaterschaft, was - Extremfälle vorbehalten
- durchaus auch dem Kindeswohl entspricht. Wenn es nun aber für
die zivilrechtliche Anerkennung Vermutung nicht auf die gene-
tische Vaterschaft ankommt, so kann eine Anerkennung ohne biolo-
gische Vaterschaft auch nicht unter Strafe gestellt sein.
Damit ist kein Tatverdacht gegeben und die Voraussetzungen
für die Abnahme von DNA-Proben sind nicht erfüllt, so dass diese
nicht rechtmässig wären. Die Verfügung der Staatsanwaltschaft
Brugg-Zurzach vom 7. August 2012 ist somit ersatzlos aufzuheben.