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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2012 29)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2012 29: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat in einem Fall bezüglich Schulrecht und Ausbildungsbeiträgen entschieden, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eltern bei der Bemessung von Ausbildungsbeiträgen berücksichtigt werden kann. Es wurde festgestellt, dass die Regelungen des Stipendiengesetzes im Kanton Aargau dem Grundsatz der Subsidiarität folgen. Der Beschwerdeführer argumentierte, dass wohlhabende Gesuchsteller bei Zweitausbildungen benachteiligt würden, jedoch wurde dies vom Gericht nicht bestätigt. Es wurde auch klargestellt, dass die Gewährung von Stipendien nicht direkt aus der Bundes- oder Kantonsverfassung abgeleitet werden kann. Die Bemessung der Ausbildungsbeiträge berücksichtigt die finanzielle Situation der Eltern und folgt dem Prinzip der Subsidiarität. Das Gericht entschied, dass die Handhabung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Eltern bei der Bemessung der Stipendien gerechtfertigt ist und keine Verletzung der Rechtsgleichheit darstellt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2012 29

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2012 29
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2012 29 vom 09.12.2011 (AG)
Datum:09.12.2011
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:AGVE - Archiv 2012 Schulrecht und Ausbildungsbeiträge 199 VII. Schulrecht und Ausbildungsbeiträge 29 Bemessung von Ausbildungsbeiträgen...
Schlagwörter: Ausbildung; Eltern; Ausbildungs; Stipendien; Ausbildungsbeiträge; Verhältnis; StipG; Verhältnisse; Bemessung; Gesuchsteller; Kanton; Zweitausbildung; Verhältnissen; Unterhalt; Stipendienrecht; Botschaft; Gesuchstellern; Leistung; Recht; Einkünfte; Zweitausbildungen; Unterhaltspflicht; StipV; Bundes; Schulrecht
Rechtsnorm: Art. 19 BV ;Art. 276 ZGB ;Art. 277 ZGB ;Art. 293 ZGB ;Art. 302 ZGB ;Art. 470 ZGB ;Art. 62 BV ;Art. 8 BV ;
Referenz BGE:134 I 23;
Kommentar:
Cyril Hegnauer, Berner Die Gemeinschaft der Eltern und Kinder, Art. 277 ZGB ZG, 1997

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2012 29

2012 Schulrecht und Ausbildungsbeiträge 199

VII. Schulrecht und Ausbildungsbeiträge



29 Bemessung von Ausbildungsbeiträgen bei Zweitausbildungen - Der Gesetzgeber hat die Berücksichtigung der finanziellen Leistungs- fähigkeit der Eltern zur Bemessung von Ausbildungsbeiträgen bei Zweitausbildungen nach § 15 Abs. 3 StipG unabhängig von der zivil- rechtlichen Unterhaltspflicht geregelt. - Die Anrechnung eines Einkünfteüberschusses im Elternbudget von pauschal 35 % im Budget des Gesuchstellers, wie sie § 24 Abs. 2 StipV vorsieht, bewirkt keine rechtsungleiche Behandlung von besser gestellten und aus bescheidenen Verhältnissen stammenden Gesuch- stellern.
Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 9. Dezember 2011 in Sa- chen A. gegen Regierungsrat des Kantons Aargau (WBE.2011.235).

Aus den Erwägungen
4.2.
4.2.1.
Das Stipendiengesetz trat am 1. August 2007 in Kraft. Nach
§ 15 Abs. 1 lit. a StipG sind die massgeblichen Kosten und Leistun-
gen bei der Bemessung der Ausbildungsbeiträge unter anderem die
anerkannten Ausbildungs- und Lebenshaltungskosten. Die finanzielle
Leistungsfähigkeit der Eltern wird nur teilweise berücksichtigt, wenn
die gesuchstellende Person eine zur Berufsausübung befähigte Aus-
bildung abgeschlossen hat und entweder älter als 25 Jahre ist oder
vor Beginn der neuen Ausbildung während mindestens drei Jahren
finanziell unabhängig war (§ 15 Abs. 3 StipG). Der Regierungsrat
regelt die Einzelheiten der Bemessung und legt die Ansätze fest. Er
kann pauschale Ansätze festlegen und weitere Ausnahmen vom
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Grundsatz der kostengünstigeren Variante vorsehen (§ 15 Abs. 4
StipG).
4.2.2.
Das aargauische Stipendienrecht ist - wie das Stipendienrecht
anderer Kantone - vom Grundsatz der Subsidiarität beherrscht (vgl.
§ 1 StipG). Stipendien stellen unterhaltsergänzende Spezialleistungen
dar, d.h. sie ergänzen den in quantitativer Hinsicht mangelnden fa-
miliären Unterhalt, ohne an dessen Stelle zu treten (vgl. Markus
Müller, Das Stipendienrecht des Kantons St. Gallen mit Berücksich-
tigung der Stipendiengesetzgebung des Bundes, St. Gallen 1987,
S. 16 ff.). Zum Subsidiaritätsprinzip wird in der Botschaft des Regie-
rungsrats insbesondere festgehalten, dass der Staat unter bestimmten
Voraussetzungen Ausbildungsbeiträge leistet. Die Ausbildungsfinan-
zierung bleibe in erster Linie Aufgabe der auszubildenden Person,
ihrer Eltern und anderer Drittpersonen, soweit diesen aufgrund ihrer
wirtschaftlichen Verhältnisse und persönlichen Umstände die Tra-
gung der Ausbildungskosten zugemutet werden kann. Es sei nicht
Aufgabe des Staates, dort Ausbildungsbeiträge zu leisten, wo genü-
gend private Mittel zur Verfügung stünden (Botschaft des Regie-
rungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 30. Novem-
ber 2005 [Botschaft], 05.322, S. 15 f.).
4.3.
Der in Art. 8 Abs. 1 BV und § 10 Abs. 1 KV verankerte Gleich-
heitssatz verlangt, dass Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit
gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich
behandelt wird. Es dürfen keine Unterscheidungen getroffen werden,
für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen,
über die zu entscheiden ist, nicht gefunden werden kann. Die Rechts-
gleichheit ist verletzt, wenn zwei gleiche tatsächliche Situationen
ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt werden (BGE 131 I
91, Erw. 3.4; AGVE 2010, S. 153; 1999, S. 210; VGE III/40 vom
17. Juni 2009 [WBE.2008.85], S. 15; VGE III/28 vom 19. Juni 2008
[WBE.2007.136], S. 13, je mit Hinweisen).
Das Gleichbehandlungsgebot in der Rechtssetzung ist verletzt,
wenn ein Erlass hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache
rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in
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den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, wenn er
Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse auf-
drängen. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein ver-
nünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist,
kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden, je
nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen. Dem
Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkür-
verbots ein weiter Spielraum der Gestaltung (BGE 134 I 23,
Erw. 9.1; 132 I 157, Erw. 4.1; Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix
Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich/St. Gallen
2010, Rz. 497; Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli/Markus Müller,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Bern 2009, § 23 N 5 ff.; vgl.
auch Rainer J. Schweizer, in: St. Galler Kommentar zur BV, 2. Aufl.,
2008, Art. 8 N 39 ff.).
4.4.
Einen direkten Anspruch auf Ausrichtung von Stipendien kann
der Beschwerdeführer weder aus der Bundesverfassung noch aus der
Kantonsverfassung ableiten. Art. 19 BV (Anspruch auf unentgeltli-
chen Grundschulunterricht), Art. 41 Abs. 1 lit. f BV (Sozialziele) und
Art. 62 ff. BV (Schulwesen) verleihen dem Beschwerdeführer keinen
Anspruch auf Ausrichtung von Ausbildungsbeiträgen. Auch §§ 28 ff.
KV (Erziehung und Bildung) enthalten diesbezüglich keine An-
sprüche. Nach § 34 Abs. 4 KV kann der Kanton Ausbildungsbeiträge
gewähren.
4.5.
4.5.1.
Der Beschwerdeführer begründet die Verletzung der Rechts-
gleichheit im konkreten Fall im Wesentlichen damit, dass nach der
geltenden Regelung Gesuchsteller wohlhabenderer Eltern, welche
eine Zweitausbildung absolvieren und von diesen aufgrund der elter-
lichen Unterstützungspflicht keine Unterstützung mehr erzwingen
könnten, bei Zweitausbildungen gegenüber aus ärmeren Verhältnis-
sen stammenden Gesuchstellern stipendienrechtlich benachteiligt
würden.


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4.5.2.
Der Beschwerdeführer übersieht bei seiner Argumentation, dass
die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eltern bei Zweitausbildungen
im Sinne von § 15 Abs. 3 StipG nicht den Anspruch auf Ausrichtung
von Stipendien als solchen betrifft, sondern nur bei deren Bemessung
Berücksichtigung findet. Dem Beschwerdeführer ist mit Verfügung
des Departements Bildung, Kultur und Sport (BKS) ein Stipendium
von Fr. 5'400.00 gewährt worden. Die Abteilung Bildungsberatung,
Sport und Jugend hat entsprechend den Vorgaben von §§ 20 ff. StipV
ein Elternbudget für beide Elternteile erstellt. Hierbei wurde beim
Vater ein Einkünfteüberschuss von Fr. 42'973.00 ermittelt und davon
35 % als anrechenbarer Vaterbeitrag im Budget des Beschwerdefüh-
rers berücksichtigt.
Die Anrechnung ist entsprechend den Vorgaben von § 25 Abs. 2
StipV erfolgt. Nach der gesetzlichen Bestimmung von § 15 Abs. 3
StipG ist die Leistungsfähigkeit der Eltern im Falle des Beschwerde-
führers teilweise zu berücksichtigen. Insofern enthält § 15 Abs. 3
StipG eine spezielle Ausgestaltung des Subsidiaritätsprinzips, wo-
nach bei Zweitausbildungen von Personen, welche ein bestimmtes
Alter haben über eine gewisse eigene finanzielle Unabhängig-
keit verfügen, die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eltern bei der
Bemessung nur teilweise zu berücksichtigen ist. In diesen Fällen
werden Gesuchstellern pauschal 35 % des elterlichen Einkommens-
überschusses im Budget angerechnet (§ 15 Abs. 4 StipG i.V.m. § 24
Abs. 2 Satz 2 StipV). Nach dem in § 24 Abs. 2 Satz 1 StipV enthal-
tenen generellen Subsidiaritätsprinzip sind die elterlichen Vermö-
gens- und Einkommensverhältnisse dagegen vollständig zu berück-
sichtigen und sind Beitragsgesuche abzulehnen, wenn die Eltern über
ausreichende Einkunftsüberschüsse verfügen. In der Botschaft des
Regierungsrats wird ausdrücklich festgehalten, § 15 Abs. 3 StipG
trage der "oft verlangten Elternunabhängigkeit der Ausbildungsfi-
nanzierung" Rechnung (Botschaft, S. 34).
4.5.3.
Wenn Gesetz- und Verordnungsgeber die von den Eltern zu-
mutbare Unterstützung bei Zweitausbildungen pauschal und losge-
löst von der tatsächlichen Realisierbarkeit auf 35 % des Einkünfte-
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überschusses festgelegt haben, kann darin keine Verletzung des Ge-
bots der Rechtsgleichheit erblickt werden. Es ist dem Beschwerde-
führer zwar zuzustimmen, dass diese Anrechnung bei aus besseren
Verhältnissen stammenden Gesuchstellern zu geringeren Ausbil-
dungsbeiträgen gar zum Entfallen dieser führen kann. Eine
exakte Gleichbehandlung ist oft aus praktischen Gründen nicht
möglich. Der Gesetzgeber darf und muss daher bis zu einem gewis-
sen Grad schematisieren und pauschalieren. Schematische typi-
sierende Regelungen verletzen die Rechtsgleichheit nicht, sofern sie
sich aus praktischen Gründen rechtfertigen (vgl. Häfelin/Müller/Uhl-
mann, a.a.O., Rz. 497; Tschannen/Zimmerli/ Müller, a.a.O., § 23
N 9). Zum andern ist nicht einzusehen, dass in Fällen wie dem
vorliegenden, wo der Vater über ein gewisses Vermögen sowie über
ein höheres Einkommen verfügt (eine Liegenschaft mit einem
Steuerwert von Fr. 548'100, wobei Schulden von Fr. 380.000 be-
stehen, und Jahreseinkünfte von Fr. 85'452), diese Umstände bei der
Bemessung der Höhe der Ausbildungsbeiträge keine Berücksichti-
gung finden können. Bereits unter altem Stipendienrecht war je nach
Höhe der Anwartschaft auf einen Teil des elterlichen Vermögens im
Erbfall den Gesuchstellern zuzumuten, ihre Ausbildung durch die
Aufnahme privater Darlehen (z.B. Darlehen der Eltern, Ausbild-
ungskredit einer Bank usw.) selber zu finanzieren (AGVE 1992,
S. 558 f.). Diese Überlegungen gelten bei der Bemessung der
Ausbildungsbeiträge unter der Geltung des neuen Stipendienrechts
als Folge des Subsidiaritätsgrundsatzes weiterhin. Wenn der Be-
schwerdeführer vorbringt, gegenwärtig keinen Kontakt mehr zu sei-
nem Vater zu haben, muss sich dieser Umstand daher nicht zwingend
auf die Bemessung der Höhe der Ausbildungsbeiträge auswirken.
Ebenfalls nicht relevant sein muss diesbezüglich, dass der Beschwer-
deführer aufgrund der Unterhaltspflicht nach Art. 276 f. ZGB keine
Unterstützung vom Vater mehr erhältlich machen kann und die
Leistung eines freiwilligen Beitrages als unzumutbar erachtet. Aus
besseren Verhältnissen stammenden Gesuchstellern ist es erfahrungs-
gemäss eher möglich, für die Kosten einer Zweitausbildung bei-
spielsweise durch die Aufnahme eines privaten Darlehens teilweise
aufzukommen. Das Bundesgericht hat bereits in einem nicht publi-
2012 Verwaltungsgericht 204

zierten Urteil vom 20. November 1990 festgehalten, dass Kinder
geschiedener, aber dennoch vermögender Eltern, die diesen gegen-
über keinen durchsetzbaren Unterhaltsanspruch mehr besitzen und
bereits über eine abgeschlossene Ausbildung verfügen, regelmässig
in der besseren Lage seien als Kinder weniger gut situierter Familien,
so dass bei jenen eher zumutbar sei, die Vermögensverhältnisse ihrer
Eltern anzurechnen; dies gelte umso mehr, als in diesen Fällen die
Möglichkeit bestehe, die Ausbildung durch Darlehen der Eltern oder
Dritter zu finanzieren (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom
20. November 1990 [2P.36/1990 und 2P.128/1990]). Diesbezüglich
ist auch darauf hinzuweisen, dass das Stipendiengesetz selbst die
Möglichkeit der Gewährung von Darlehen vorsieht (vgl. § 17 f.
StipG). Die Berücksichtigung des elterlichen Einkommensüber-
schusses rechtfertigt sich ferner aufgrund des erbrechtlichen Pflicht-
teilsschutzes nach Art. 470 Abs. 1 ZGB; die Berücksichtung der
Vermögensverhältnisse der Eltern ist im Hinblick auf die Anwart-
schaft ebenfalls angezeigt. Eine rechtsungleiche Bevorzugung von
aus ärmeren Verhältnissen stammenden Gesuchstellern, wie sie der
Beschwerdeführer geltend macht, kann unter diesen Umständen nicht
angenommen werden. Die Abklärung der finanziellen und erbrechtli-
chen Verhältnisse im Einzelfall ist aufwändig. Aus Gründen der
Praktikabilität kann diesen Umständen durch eine Pauschalierung bei
der Bemessung der Stipendien Rechnung getragen werden.
4.6.
4.6.1.
Hinsichtlich der Frage, ob die Gewährung von Stipendien an die
zivilrechtliche Unterhaltspflicht zu knüpfen sei resp. die Stipendien-
gesetzgebung und Art. 277 Abs. 2 ZGB den gleichen Zumutbarkeits-
begriff verwenden, ist festzuhalten, dass gemäss Art. 62 BV die
Schulhoheit den Kantonen zusteht. Die kantonale Schulhoheit gilt
indessen nicht unbegrenzt. Sie wird durch zahlreiche bundesrechtli-
che Vorschriften abgesteckt, eingeschränkt und umrahmt (vgl.
Bernhard Ehrenzeller/Markus Schott, in: St. Galler Kommentar zur
BV, 2. Aufl., 2008, Art. 62 N 10). Die Ordnung des Stipendienwe-
sens, die Festsetzung der Voraussetzungen und der Höhe von Stipen-
dien sowie das Verfahren verbleiben im Kompetenzbereich der
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Kantone (vgl. BBl 1964 I 1115; Marco Borghi, in: Kommentar zur
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Basel
1996, Art. 27quater [a]BV N 17; Peter Breitschmid, in: Basler Kom-
mentar, Zivilgesetzbuch I, 4. Aufl., 2010, Art. 293 ZGB N 6). Der
Kanton Aargau ist der interkantonalen Vereinbarung zur Harmonisie-
rung von Ausbildungsbeiträgen vom 18. Juni 2009 nicht beigetreten
(abrufbar unter: http://www.edk.ch/dyn/9966.php).
Das Bundeszivilrecht findet im Stipendienrecht lediglich bei ei-
nem allfälligen entsprechenden Verweis als fakultatives, subsidiäres
öffentliches Recht Anwendung (vgl. hierzu: Entscheid des Verwal-
tungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 13. September 2005, in:
St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis [GVP] 2005 Nr. 8,
Erw. 2d). Im Übrigen regeln die elterliche Unterhaltspflicht und das
kantonale Stipendienrecht unterschiedliche Bereiche: Bei der elterli-
chen Unterhaltspflicht nach Art. 277 Abs. 2 ZGB geht es um die nach
den Verhältnissen im Zeitpunkt der Mündigkeit angemessene
Ausbildung, bei den Stipendien dagegen um die im jeweiligen Alter
des Gesuchstellers angemessene staatliche Unterstützung einer Erst-
oder Zweitausbildung (vgl. Cyril Hegnauer, in: Berner Kommentar,
Die Gemeinschaft der Eltern und Kinder, Die Unterhaltspflicht der
Eltern, 1997, Art. 277 ZGB N 48).
4.6.2.
In der Botschaft des Regierungsrats wird festgehalten, § 15
Abs. 3 StipG trage der "oft verlangten Elternunabhängigkeit der
Ausbildungsfinanzierung" Rechnung. Die Beschränkung auf das
vollendete 25. Altersjahr und die Voraussetzung des Abschlusses
einer ersten zur Berufsausübung befähigenden Ausbildung (Berufs-
lehre, Hochschulabschluss etc.) würden sowohl dem Subsidiari-
tätsprinzip als auch der zivilrechtlichen Pflicht der Eltern Rechnung
tragen, dem Kind eine seinen Fähigkeiten und Neigungen entspre-
chende allgemeine und berufliche Ausbildung zu ermöglichen
(Art. 302 Abs. 2 ZGB; Botschaft, S. 34). Es wird ausdrücklich ausge-
führt, dass bei den nächsten Angehörigen der gesuchstellenden Per-
son auf die Zumutbarkeit der Leistungserbringung und nicht auf die
zivilrechtliche Verpflichtung dazu abgestellt werden soll, wenn die
Eltern über bedeutende finanzielle Mittel verfügen würden. Aller-
2012 Verwaltungsgericht 206

dings sollten die finanziellen Verhältnisse der Eltern nur noch teil-
weise berücksichtigt werden, wenn ihr Kind eine erste Ausbildung
abgeschlossen hat und entweder älter als 25 Jahre alt während
einer bestimmten Dauer finanziell unabhängig gewesen ist (Bot-
schaft, S. 16).
4.6.3.
Nach dem Gesagten stand es Gesetz- und Verordnungsgeber
frei, die Bemessung der Höhe der Ausbildungsbeiträge bei Zweit-
ausbildungen unabhängig vom Bestehen der zivilrechtlichen Unter-
haltspflicht nach Art. 277 Abs. 2 ZGB festzulegen. Staatliche Aus-
bildungsbeiträge sind nach dem Willen des Gesetzgebers subsidiär
gegenüber möglichen und üblichen und nicht gegenüber zivilrecht-
lich geschuldeten Elternbeiträgen. Die zumutbaren Elternbeiträge im
Sinne des Stipendiengesetzes werden rein rechnerisch als Einkünfte-
überschuss aus der Gegenüberstellung von stipendienrechtlich aner-
kannten Einnahmen und Ausgaben im Elternbudget bestimmt. Wenn
vom Einkünfteüberschuss des Elternbudgets einem Gesuchsteller
35 % in seinem Budget als Einkünfte pauschal angerechnet werden
(§ 15 Abs. 3 StipG i.V.m. § 24 Abs. 2 StipV), kann darin keine
rechtsungleiche Behandlung im Verhältnis zu jenen Gesuchstellern
gesehen werden, bei welchen sich kein Einkünfteüberschuss im
Elternbudget ergibt. Eine Verletzung der Rechtsgleichheit nach Art. 8
Abs. 1 BV und § 10 Abs. 1 KV liegt demnach nicht vor.


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