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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2008 101)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2008 101: Verwaltungsgericht

Eine Person hat eine Rechtsverweigerungsbeschwerde gegen den Gemeinderat eingereicht, da dieser nicht klar auf eine Frage geantwortet hat. Das Departement Bau, Verkehr und Umwelt entschied zugunsten des Gemeinderats. Es wird erklärt, dass für Rechtsverweigerungsbeschwerden ein bestimmtes Verhalten der Beschwerdeführenden erforderlich ist. Im vorliegenden Fall wird festgestellt, dass der Gemeinderat keine Rechtsverweigerung begangen hat. Das Rechtsschutzinteresse am Durchführen eines nachträglichen Baubewilligungsverfahrens fehlt, wenn nur immissionsrechtliche Rügen vorliegen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2008 101

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2008 101
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsbehörden
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2008 101 vom 09.06.2008 (AG)
Datum:09.06.2008
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:AGVE 2008 101 S.478 2008 Verwaltungsbehörden 478 [...] 101 Rechtsverweigerung; nachträgliches Baubewilligungsverfahren Die...
Schlagwörter: Recht; Rechtsverweige; Rechtsverweigerung; Rechtsverweigerungs; Rechtsverweigerungsbe; Verfü; Behörde; Entschei; Rechtsverweigerungsbeschwerde; Entscheid; Verfügung; Person; Gemeinderat; Umwelt; Bundes; Verwal; Erlass; Antrag; Rechtsprechung; Rechtsschutz; Rechtsschutzinteresse; Praxis; Verfahren; Beschwerdefüh
Rechtsnorm: Art. 48 VwVG ;Art. 8 VwVG ;Art. 9 VwVG ;
Referenz BGE:107 Ib 164; 119 Ib 327; 124 V 133; 130 II 521;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2008 101

2008 Verwaltungsbehörden 478
[...]

101 Rechtsverweigerung; nachträgliches Baubewilligungsverfahren - Die Rechtsverweigerungsbeschwerde setzt auch bei Laien voraus, dass sie vorerst beim Gemeinderat einen Antrag gestellt haben, was dieser beschliessen soll, und diesen Antrag begründet haben, es sei denn, ein solches Vorgehen käme einem Verfahrensleerlauf gleich (Erw. 4g). - Das Rechtsschutzinteresse am Durchführen eines nachträglichen Baubewilliungsverfahrens fehlt, wenn ausschliesslich immissions- rechtliche Rügen geltend gemacht werden (Erw. 6c).
Entscheid des Departements Bau, Verkehr und Umwelt vom 9. Juni 2008 i.S. M. gegen den Gemeinderat W.

Aus den Erwägungen
4. a) Eine Rechtsverweigerung liegt vor, wenn es eine Behörde ausdrücklich ablehnt stillschweigend unterlässt, eine Entschei dung zu treffen, obwohl sie dazu verpflichtet ist (vgl. BGE 124 V 133; BGE 107 Ib 164). b) Im vorliegenden Fall fragte die Beschwerdeführerin den Ge meinderat «höflichst» an, für welche Art von Nutzung die fragliche Parzelle rechtlich zugelassen ist und verblieb «in Erwartung Ihrer Antwort» (Schreiben vom 11. November 2003). Nachdem der Ge meinderat auf Nachfrage hin zunächst um etwas Geduld für weitere Abklärungen ersucht hatte, antwortete er am 5. April 2004, die Par zelle sei im Zusammenhang mit dem Baugesuchsverfahren für den Bau der Mehrzweckhalle im Jahr 1987 als Spielwiese ordnungsge-
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mäss bewilligt worden. Der Gemeinderat erteilte somit eine konkrete Auskunft auf eine konkrete Frage und beantwortete die Frage damit. Die Beschwerdeführerin erhob daraufhin Rechtsverweigerungsbe schwerde. c) Bei Rechtsverweigerungsbeschwerden (wie auch bei Rechts verzögerungsbeschwerden) besteht die Besonderheit, dass keine Ver fügung als Anfechtungsobjekt vorliegt und keine gesetzliche Frist zur Einreichung eingehalten werden muss. Es fragt sich deshalb, ob besondere andere Sachentscheidsvoraussetzungen gegeben sein müs sen, um auf eine Beschwerde eintreten zu können, bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllt sein müssen, ohne deren Vorliegen eine Beschwerde von vorneherein abzuweisen ist. Publizierte Entscheide zur Rechtsverweigerung im engeren Sinn sind - insbesondere zum aargauischen Recht - selten. Meistens handelt es sich um klare Gutheissungen haben die Beschwerde führenden vergeblich um eine anfechtbare Verfügung innert Frist er sucht, so dass sich die entscheidenden Behörden nicht im Einzelnen zu den Voraussetzungen einer Rechtsverweigerungsbeschwerde äus sern mussten. d) Häufiger wird in der Praxis zum Mittel der Rechtsverzöge-
rungsbeschwerde gegriffen. Die Rechtsverzögerung ist eine abge- schwächte Form der Rechtsverweigerung; die Behörde gibt dabei zu erkennen, dass sie sich mit der Sache befassen will, verzögert aber die Entscheidung ohne zureichenden Grund. Ob ein Grund zu reichend ist, beurteilt sich gemäss Rechtsprechung nach der Bedeu tung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer, nach dem Um fang des Falls sowie nach dem Verhalten des Beschwerdeführers während der Dauer des Verfahrens. Eine Rechtsverzögerung wird gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dann nur zurückhaltend angenommen, wenn der Beschwerdeführer seinerseits keine beson deren Anstrengungen unternommen hat, damit das Verfahren beför derlich zu Ende geführt werden kann (vgl. BGE 119 Ib 327). Das BVU verlangt in seiner Praxis in der Regel, dass der Beschwerdefüh rer die mit der Streitsache befasste Instanz um beförderliche Erledi gung ersucht hat (Entscheid des BVU vom 22. November 2002 i.S. W. AG. S. 5).
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e) Auch bei Rechtsverweigerungsbeschwerden ist von den Be schwerdeführenden ein bestimmtes vorgängiges Verhalten vorauszu setzen. Es versteht sich bei Bausachen von selbst, dass eine betrof fene Person nicht ohne jegliche Vorwarnung eine Rechtsverweige rungsbeschwerde gegen den Gemeinderat als Baupolizeibehörde ein reichen kann. Dies verbietet schon die Pflicht zu einem Verhalten nach Treu und Glauben (vgl. § 2 Satz 1 der Verfassung des Kantons Aargau vom 25. Juni 1980 [KV] und § 3 Abs. 2 VRPG). Der Ge meinderat muss vorgängig wissen, ob etwas und was eine Person von ihm verlangt. Andernfalls ist er nicht verpflichtet, eine Entscheidung zu treffen und es liegt keine «Entscheidverweigerung» vor. f) Die Rechtsverweigerungsbeschwerde ist im aargauischen Verwaltungsverfahrensrecht grundsätzlich analog zu jener im Bun desrecht ausgestaltet und leitet sich als Rechtsmittel im Wesentlichen auch aus den Rechtsgrundsätzen des Bundesverfassungsrechts ab. Für die Auslegung können daher auch die Rechtsprechung und Lehre zur Regelung im Bund beigezogen werden. Der Bund regelt die Rechtsverweigerungsbeschwerde im Ver waltungsverfahren in Art. 46a des Bundesgesetzes über das Verwal tungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (VwVG). Voraussetzung für eine Rechtsverweigerungsbeschwerde nach VwVG ist, dass die Rechtssuchenden zuvor ein Begehren auf Erlass einer Verfügung bei der zuständigen Behörde gestellt haben und ein Anspruch auf Erlass einer solchen Verfügung besteht (Urteil des Bundesverwaltungsge richts A-2723/2007 vom 30. Januar 2008, E. 3 mit Hinweis auf ALFRED KÖLZ / ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfahren und Ver waltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 255; ANDRÉ MOSER / PETER UEBERSAX, Prozessieren vor eidgenössi schen Rekurskommissionen, Basel und Frankfurt a.M. 1998, Rz. 5.1 ff.). Ein solcher Anspruch besteht dann, wenn einerseits eine Be hörde nach dem anzuwendenden Recht verpflichtet ist, in Verfü gungsform zu handeln, und wenn andererseits die gesuchstellende Person nach Art. 6 i.V.m. Art. 48 Abs. 1 VwVG Parteistellung bean spruchen kann (KÖLZ/HÄNER, a.a.O., S. 78, S. 255). Fehlt es einer Person, welche ausdrücklich den Erlass einer Verfügung verlangt hat, an der Parteieigenschaft, hat die Behörde eine anfechtbare Nichtein-
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tretensverfügung zu erlassen (vgl. zum Ganzen BGE 130 II 521 E. 2.5 mit Hinweisen; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-2723/2007 vom 30. Januar 2008, E. 3). Wenn eine Behörde der Ansicht ist, dass sie für den Erlass einer Verfügung nicht zuständig sei, darf sie ebenfalls nicht untätig bleiben. Zunächst hat sie in einem solchen Fall zu prüfen, ob die Sache an die zuständige Behörde überwiesen werden kann (Art. 8 Abs. 2 VwVG). Wenn die gesuch stellende Person ausdrücklich den Erlass einer Verfügung verlangt hat, hat die Behörde einen Nichteintretensentscheid zu fällen und ihre Unzuständigkeit festzustellen (Art. 9 Abs. 2 VwVG; MOSER/ UEBERSAX, a.a.O., Rz. 5.4). Im Bereich des Umweltrechts, vorab in Fällen betreffend Lärm sanierungspflicht, wurde in den letzten Jahren in der schweizerischen Lehre das Konzept einer «Vollzugsklage» im Umweltrecht ent wickelt (vgl. HANS RUDOLF TRÜEB, Rechtsschutz gegen Luftverun reinigung und Lärm - Das Beschwerdeverfahren bei Errichtung und Sanierung ortsfester Anlagen im Geltungsbereich des Umwelt schutzgesetzes, Zürich 1990, S. 205 ff.). In der Folge übernahm die Rechtsprechung dieses Konzept und liess die Rechtsverweigerungs beschwerde zur Durchsetzung von Sanierungspflichten zu (vgl. zum Ganzen THOMAS GÄCHTER, Durchsetzung von Sanierungspflichten mittels Rechtsverweigerungsbeschwerde, in: Umweltrecht in der Praxis [URP] 2005, S. 775 ff.; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-2723/2007 vom 30. Januar 2008, E. 3). Mit der Rechtsverweige rungsbeschwerde kann kein Entscheid in der Sache selbst erlangt werden, sondern nur die Weisung an die (untätige) Vorinstanz, eine Verfügung zu erlassen. Der «Vollzugsklage» kommt damit nur eine Anstossfunktion zu (HANS RUDOLF TRÜEB, a.a.o., S. 226 f.). In der Praxis setzt die Rechtsverweigerungsbeschwerde einen Antrag an die zuständige Behörde voraus, wenn eine Behörde untätig bleibt und keine Verfügung erlässt (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VB.2004.00354 vom 6. April 2005, publiziert im Internet www.vgrzh.ch; vgl. auch Entscheid des Bundesgerichts A.81/2005 vom 13. Mai 2005). g) Dass eine Behörde eine Entscheidungspflicht gegenüber ei ner betroffenen Person trifft, setzt in Fällen wie dem vorliegenden
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voraus, dass diese Person die Behörde auf eine Rechtswidrigkeit einen Missstand aufmerksam gemacht hat; denn dies verlangt bereits die Aufsichtsbeschwerde gemäss § 59a VPRG, die als Rechtsbehelf keinen Anspruch auf einen förmlichen Entscheid (sondern lediglich auf Beantwortung) begründet. Umso mehr muss dies beim Rechts mittel der Rechtsverweigerungsbeschwerde gelten. Ferner gibt es keinen Grund, nicht auch für die Rechtsverweigerungsbeschwerde nach aargauischem Recht wie im Bundesrecht zusätzlich zu verlan gen, dass die beschwerdeführende Person der Behörde vorgängig mitgeteilt hat, inwieweit ihre Rechte verletzt sind, und eine Verfü gung verlangt hat. Ohne Gesuch um Erlass einer Verfügung besteht grundsätzlich keine Entscheidpflicht. Ausnahmsweise kann auf ein Gesuch unter Umständen verzichtet werden, wenn von vorneherein feststeht, dass es aussichtslos ist; denn das käme einem Verfahrens leerlauf gleich. Jedenfalls aber erfordert die Rechtsverweigerungsbe schwerde gemäss § 40 Abs. 4 VPRG auch bei juristisch nicht ausge bildeten Personen zumindest, dass sie vorgängig einen Antrag, was der Gemeinderat beschliessen soll, gestellt und ihn begründet haben, analog wie die Rechtsverweigerungsbeschwerde selbst einen Antrag und eine Begründung erfordert. Im vorliegenden Fall wäre zumindest notwendig gewesen, dass die Beschwerdeführerin gegenüber dem Gemeinderat klar zum Aus druck bringt, welche Nutzung ihrer Ansicht nach stattfindet, dass sie diese Nutzung mangels Baubewilligung für unzulässig hält und dass sie die Rechtslage förmlich (nicht bloss mit einer Auskunft) geklärt haben möchte. ... h) Zusammenfassend ergibt sich, dass der Gemeinderat gegen über der Beschwerdeführerin keine Rechtsverweigerung begangen hat. ... 6. a) Die Beschwerdeführerin verlangt in der Beschwerde, dass für die Sport- und Spielnutzung auf Parzelle 360 ein nachträgliches Baugesuchsverfahren durchgeführt wird. ... c) Erlässt ein Gemeinderat gegenüber gesuchstellenden Nach barn eine Verfügung, worin er es ablehnt, ein nachträgliches Baube willigungsverfahren durchzuführen, richtet sich die Legitimation der beschwerdeführenden Nachbarn nach § 38 Abs. 1 VRPG. Demnach
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ist im ordentlichen Beschwerdeverfahren zur Beschwerdeführung nur berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung den ange fochtenen Rechtsmittelentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges eigenes Interesse an deren dessen Aufhebung hat. Am erforder lichen Rechtsschutzinteresse fehlt es beispielsweise dann, wenn ein Beschwerdeführer das mit der Beschwerde verfolgte Ziel auf andere, einfachere Art erreichen kann (vgl. MICHAEL MERKER, a.a.o., § 38 N 129 f. mit Hinweisen). Werden ausschliesslich immissionsrechtli che Rügen erhoben, fehlt es gemäss der neueren verwaltungsgericht lichen Rechtsprechung Beschwerdeführenden am erforderlichen Rechtsschutzinteresse, die Durchführung eines nachträglichen Bau bewilligungsverfahrens zu verlangen, weil sie solche Rügen auch in einem Immissionsschutzverfahren erheben können (VGE III/47 vom 28. August 2007, S. 7). Analoges muss auch für eine entsprechende Rechtsverweige rungsbeschwerde gemäss § 40 Abs. 4 VRPG gelten, denn bei ihr wird lediglich auf das Vorliegen eines Anfechtungsobjekts verzichtet (oder dann von der Fiktion ausgegangen, dass das unrechtmässige «Nichtverfügen» auch eine Verfügung ist), nicht aber auf das Erfor dernis des Rechtsschutzinteresses.
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