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Urteil Spezialverwaltungsgericht (AG)

Kopfdaten
Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2005 91
Instanz:Spezialverwaltungsgericht
Abteilung:-
Spezialverwaltungsgericht  Entscheid AGVE 2005 91 vom 24.01.1991 (AG)
Datum:24.01.1991
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:III. Erschliessungsabgaben91 Nachträglicher Beitragsplan nach § 37 Abs. 2 BauGtungen (Erw. 6.4.6.).uneinheitlichen Versickerungsmöglichkeiten auf parzellengenaueVersickerungsversuche verzichtet werden. Das im Einzugsbereichder Meteorwasserleitung liegende Gebiet ist gesamthaft in denPerimeter aufzunehmen...
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 689 ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid
2005 Erschliessungsabgaben 413

III. Erschliessungsabgaben



91 Nachträglicher Beitragsplan nach § 37 Abs. 2 BauG
- Erhebung von Beiträgen für die Erstellung von Sauberwasserlei-
tungen (Erw. 6.4.6.).
- Im Rahmen des Beitragsplanverfahrens kann in einem Gebiet mit
uneinheitlichen Versickerungsmöglichkeiten auf parzellengenaue
Versickerungsversuche verzichtet werden. Das im Einzugsbereich
der Meteorwasserleitung liegende Gebiet ist gesamthaft in den
Perimeter aufzunehmen (Erw. 6.4.7.).
- Bejahung eines wirtschaftlichen Sondervorteils durch eine Sauber-
wasserleitung auch bei überbauten Grundstücksparzellen infolge der
neu gewonnenen Gestaltungsmöglichkeiten wie Um- und Neubau
(Erw. 6.4.8. ff.).

Aus einem Entscheid der Schätzungskommission nach Baugesetz vom
6. September 2005 in Sachen O. gegen Einwohnergemeinde B.



6.4.4. Zwei Fragen stellen sich im vorliegenden Zusam-
menhang. Zum einen ist abzuklären, ob ein überbautes oder un-
überbautes Grundstück in den Beitragsperimeter für eine Meteor-
wasserleitung einbezogen werden darf, wenn die Versickerungsmög-
lichkeit im Einzugsbereich der Sauberwasserleitung uneinheitlich ist.
Zum anderen stellt sich die Frage, ob für überbaute Grundstücke
überhaupt eine Beitragspflicht bejaht werden kann oder ob nicht die
Besitzstandsgarantie eine solche ausschliesst.
(...)
6.4.6. Vorweg ist abzuklären, ob für die Erhebung von Bei-
trägen an Sauberwasserleitungen überhaupt eine gesetzliche Grund-
lage besteht. Die bundesrechtliche Prioritätenordnung [Anmerkung:
2005 Schätzungskommission nach Baugesetz 414

Art. 7 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer
{Gewässerschutzgesetz, GSchG; SR 814.20} vom 24. Januar 1991]
nennt zwar die Versickerungs- und Ableitungspflicht, enthält jedoch
keine näheren Ausführungen zur Finanzierung. Diese ist dem
kantonalen und insbesondere dem kommunalen Recht zu entnehmen.
Allgemein statuiert § 2 des kommunalen Reglements über die Finan-
zierung von Erschliessungsanlagen (ER) die Pflicht zur Zahlung von
Erschliessungsbeiträgen an öffentliche Erschliessungsanlagen (...)
und § 27 ER konkretisiert unter dem Titel "Abwasser" die Bemes-
sung der Beiträge an die Anlagen der Abwasserbeseitigung (...). Es
ist offensichtlich, dass eine öffentliche Sauberwasserleitung auch zu
den Erschliessungsanlagen zu zählen ist. Zudem ist der Begriff "Ab-
wasser" weit zu verstehen und umfasst sowohl das verschmutzte wie
auch das unverschmutzte Abwasser. Massgebend ist die Begriffsbe-
stimmung in Art. 4 lit. e GSchG, wonach unter Abwasser das durch
häuslichen, industriellen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder
sonstigen Gebrauch veränderte Wasser, ferner das in der Kanalisation
stetig damit abfliessende Wasser sowie das von bebauten oder befes-
tigten Flächen abfliessende Niederschlagswasser verstanden wird
(...). Daraus folgt, dass die Vorschriften im ER nicht nur Beiträge an
Schmutzwasserleitungen normieren, sondern gleichermassen auch
eine gesetzliche Grundlage für Beiträge an Sauberwasserleitungen
darstellen.
6.4.7. Betreffend die Perimetergrenzziehung für eine Me-
teorwasserleitung sind die gleichen Grundsätze wie bei Strassen und
anderen leitungsgebundenen Anlagen anwendbar (...). Massgebend
ist der wirtschaftliche Sondervorteil, der den in den Perimeter
einbezogenen Grundeigentümern entsteht. Im zu beurteilenden
Baugebiet G. sind die Gemeinde B. und die kantonale Behörde
(Art. 7 Abs. 1 und 2 GSchG) bzw. die Abteilung für Umwelt des
Baudepartements offensichtlich zum Schluss gelangt, dass eine
umfassende Versickerung aufgrund der örtlichen Verhältnisse nicht
geeignet ist, weshalb das Meteorwasser in ein Gewässer einzuleiten
ist. Die entsprechende Entwässerung ist auch im GEP vom Juni 2002
so festgehalten worden. Die systematische, GEP-konforme Erschlies-
sung umfasst somit im betreffenden Gebiet nicht nur die Erstellung
2005 Erschliessungsabgaben 415

einer Schmutz-, sondern auch einer Sauberwasserleitung. Dabei gilt
auch hier als Erfahrungssatz die Vermutung, dass die erstmalige, ge-
setzeskonforme (§ 32 Abs. 1 lit. b BauG) Erschliessung den be-
treffenden Parzellen einen wesentlichen wirtschaftlichen Sonder-
vorteil vermittelt. Und weiter ist auch im Zusammenhang mit Sau-
berwasserleitungen zu berücksichtigen, dass, soweit das gesamte in
den Beitragsperimeter einbezogene Gebiet als ungenügend erschlos-
sen bezeichnet werden muss, dies für sämtliche Grundstücke zutrifft.
Es geht nicht an, dass beispielsweise ein höher am Hang gelege-
nes Grundstück einer Beitragspflicht entzogen wird mit dem Argu-
ment, dass das auf dieser Fläche anfallende Meteorwasser problem-
los versickere, während die tiefer gelegenen Flächen wegen des be-
reits gesättigten Untergrunds keine Versickerungsmöglichkeit mehr
haben. Ähnlich wie beim Strassenbau oder anderen leitungsgebunde-
nen Werken ist eine einheitliche Betrachtungsweise erforderlich und
es können nicht nur die Bedürfnisse einer isolierten Parzelle
ausschlaggebend sein. Ist gar keine sickerfähige Schicht vorhanden,
so ist der Einbezug eines ganzen Gebietes evident. Aber auch bei un-
einheitlichen Versickerungsmöglichkeiten wie im vorliegend zu
beurteilenden Fall ist der Einschluss aller Grundstücke im
Einzugsbereich der Meteorwasserleitung sachgerecht. Denn letztlich
ist das Regen- oder Schneeschmelzwasser aller Parzellen - unabhän-
gig davon, ob höher oder tiefer gelegen - dafür verantwortlich, dass
sich für den Fall der ausschliesslichen Versickerung auf gewissen
Grundstücken Feuchtigkeitsherde und Überschwemmungen bilden
würden. Um grössere Schäden wie die Gefährdung von Nachbar-
grundstücken, Überschwemmungen usw. zu verhindern, ist das
unverschmutzte Abwasser mit Überleitungsmassnahmen zunächst
vom privaten Grundstück in die Meteorwasserkanalisation und da-
nach in ein Oberflächengewässer einzuleiten. Diese Praxis deckt sich
mit den privatrechtlichen Grundsätzen. Gemäss Art. 689 Abs. 1 des
Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210) vom
10. Dezember 1907 ist jeder Grundeigentümer zwar verpflichtet, das
von dem oberhalb liegenden Grundstück natürlicherweise abflies-
sende, nicht verschmutzte Wasser abzunehmen. Diese Duldungs-
pflicht besteht jedoch nur insoweit, als die künstliche Veränderung
2005 Schätzungskommission nach Baugesetz 416

des Wasserablaufs - und eine künstliche Veränderung stellt eine Ver-
sickerungsanlage offenkundig dar - keine unzumutbaren Formen an-
nimmt bzw. den unterliegenden Grundeigentümer im Sinne von
Art. 689 Abs. 2 ZGB schädigt (Baurechtsentscheide Kanton Zürich
[BEZ] 2003, Nr. 40, S. 28). Die Vermeidung von Schäden sowie all-
fälligen Schadenersatz- und Unterlassungsansprüchen Geschädigter
gegenüber höherliegenden Parzellen vermittelt grundsätzlich allen
Eigentümern im Einzugsbereich der Sauberwasserleitung einen Vor-
teil (ähnlich bereits in: Praxis des Verwaltungsgerichts von Graubün-
den [PVG] 1979, S. 149).
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass im Rahmen des Beitrags-
verfahrens in einem Gebiet mit uneinheitlichen Versickerungsmög-
lichkeiten auf parzellengenaue Versickerungsversuche verzichtet
werden kann. Das im Einzugsbereich der Meteorwasserleitung lie-
gende Gebiet ist gesamthaft in den Perimeter aufzunehmen. (...)
6.4.8. Werden die im Einzugsgebiet der Meteorwasserlei-
tung liegenden Grundstücke in den Beitragsplan einbezogen, so
bleibt die Frage zu beantworten, ob überbaute Parzellen aufgrund der
Besitzstandsgarantie von der Beitragspflicht auszunehmen sind.
6.4.8.1. Die Bestimmung in Art. 7 Abs. 2 GSchG lässt offen,
ob die kantonale Behörde die Versickerungs- oder Einleitungspflicht
auch für bestehende Bauten anordnen kann. Im Gegensatz zur An-
schlusspflicht für das verschmutzte Abwasser (Art. 11 Abs. 1
GSchG) fehlt bezüglich einer Sauberwasserleitung eine ausdrückli-
che bundesrechtliche Pflicht zum Anschluss. In der Botschaft zur
Revision des Gewässerschutzgesetzes vom 29. April 1987 (Bundes-
blatt 1987 II, S. 1111) weist der Bundesrat darauf hin, "dass es hier -
vor allem aus Kostengründen - nicht darum geht, bestehende
Situationen zu sanieren. Artikel 7 Absatz 2 kommt somit lediglich
bei neuen Anlagen zur Anwendung." Ebenso wenig kann dem Wort-
laut von § 118 BauG etwas Einschlägiges entnommen werden. (...)
6.4.8.2. Dem geltenden Recht ist in der Tat keine gesetzliche
Grundlage für eine Sauberwasserleitungs-Anschlusspflicht bestehen-
der Gebäude zu entnehmen. Auch § 12 Abs. 2 AR wiederholt ledig-
lich die durch höherrangiges Recht normierte Anschlusspflicht für
"verschmutzte" Abwässer. Die Anpassung bestehender, durch die Be-
2005 Erschliessungsabgaben 417

sitzstandsgarantie geschützter altrechtlicher Bauten an neue
Vorschriften oder gar ihre Beseitigung können nur im Rahmen aus-
drücklicher Rechtsnormen gefordert werden (so Erich Zimmerlin,
Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985,
§ 224 aBauG N 4e). Solche Normen sind im vorliegenden Fall nicht
anwendbar, weshalb die Besitzstandsgarantie nach § 68 BauG grund-
sätzlich zu beachten ist.
6.4.8.3. Die Besitzstandsgarantie bzw. die mangelnde Sanie-
rungspflicht für bestehende Bauten hat zur Folge, dass das
Meteorwasser auf der überbauten Parzelle der Beschwerdeführer
weiterhin der Schmutzwasserleitung zugeführt werden darf. Anläss-
lich der Augenscheinsverhandlung wurde bestätigt, dass das Sauber-
wasser nach wie vor in die Schmutzwasserleitung geführt wird (...).
Im Unterschied zum verschmutzten Abwasser fehlt die Anschluss-
pflicht, so dass der latente Mangel (...), d.h. die nicht gesetzeskon-
forme Ableitung des Meteorwassers auf der überbauten Parzelle,
nicht beseitigt wird.
Dennoch ist das Vorliegen eines wirtschaftlichen Sondervorteils
zu bejahen. Denn in Analogie zur Situation beim Strassenbau und bei
anderen leitungsgebundenen Erschliessungsanlagen bewirkt die ein-
wandfreie Erschliessung nur, aber immerhin, dass Um- und Neubau-
ten möglich werden. So wie dort die Möglichkeit, eine Baute
abzureissen und durch einen Neubau zu ersetzen, nicht einfach aus-
ser Acht gelassen werden kann und daher auch eine überbaute Par-
zelle in den Beitragsperimeter einzuschliessen ist (...), muss dies
auch bei der Errichtung einer Meteorwasserleitung gelten. Dieser
Grundgedanke deckt sich auch mit der in den Materialien erkennba-
ren Auffassung des Gesetzgebers, wonach bestehende Liegenschaf-
ten im Rahmen eines Um- oder Neubaus zum Anschluss an die Me-
teorwasserleitung gezwungen werden können (...).
6.4.8.4. Wegen der neu gewonnenen Gestaltungsmöglich-
keiten (Um- und Neubau) ist auch bei bestehenden Bauten das Vor-
liegen eines wirtschaftlichen Sondervorteils zu bejahen. Es sind da-
her alle Grundstücksparzellen - sowohl die unüberbauten wie auch
die überbauten - im Einzugsbereich der Sauberwasserleitung in den
Beitragsperimeter einzubeziehen.
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