B. Obligationenrecht
3 Art. 739 Abs. 1, 745 Abs. 1, 746 und 823 OR; §§ 66, 223 Abs. 4 lit. b und
234 StG; Art. 54 Abs. 2, 161 Abs. 4 lit. b und 171 DBG.
Betreibungsfähigkeit einer Handelsgesellschaft in Liquidation. Die Liqui-
dation einer Handelsgesellschaft ist erst mit der Tilgung auch der Steuer-
schulden wirklich beendet und die Gesellschaft darf deshalb erst mit Zu-
stimmung des kantonalen Steueramts im Handelsregister gelöscht wer-
den. Die Gesellschaft bleibt solange rechts- und betreibungsfähig und
kann somit für noch offene Steuerschulden betrieben werden.
Aus dem Entscheid des Obergerichts, 4. Zivilkammer, vom 19. Januar 2004
in Sachen K. A. gegen L. T. GmbH in Liquidation.
2. Die Vorinstanz trat auf die Rechtsöffnungsklage nicht ein mit
der Begründung, die Beklagte habe nach durchgeführter Liquidation
aufgehört, als juristische Person zu existieren, und sei deshalb bei
Anhebung der Betreibung nicht mehr rechts- und damit auch nicht
mehr betreibungsfähig gewesen. Der Kläger vertritt demgegenüber
die Auffassung, die Beklagte sei so lange betreibungsfähig, als sie im
Handelsregister eingetragen sei.
3. Lehre und Rechtsprechung sind bezüglich der Frage, wann
eine Kapitalgesellschaft wie die Aktiengesellschaft GmbH als
juristische Person zu existieren aufhöre, geteilt. Während gewisse
Autoren (und das Bundesgericht für die kaufmännische Kollektivge-
sellschaft) die Auffassung vertreten, eine Gesellschaft höre nach
durchgeführter Liquidation zu bestehen auf (so etwa Meier-
Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, Bern 2004,
N 444 zu § 16; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches
Aktienrecht, Bern 1996, N 6 zu § 54; Bürgi/Nordmann-Zimmer-
mann, Zürcher Kommentar, Zürich 1979, N 7 zu Art. 746 OR; BGE
81 II 361), vertreten andere und das Bundesgericht für die Aktienge-
sellschaft die Meinung, die Gesellschaft nehme ihr Ende erst mit der
Löschung der Firma im Handelsregister nach durchgeführter Liqui-
dation (Funk, Kommentar des Obligationenrechts, Aarau 1951, N 2
zu Art. 746 OR; von Greyerz, Schweizerisches Privatrecht VIII/2,
Basel/Frankfurt am Main 1982, S. 285; Stäubli, Basler Kommentar,
Basel/Genf/München 2002, N 6 zu Art. 746 OR; Bauer-Balmel-
li/Robinson, Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Ba-
sel/Genf/München 2000, N 21 zu Art. 54 DBG; Acocella, Kommen-
tar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Ba-
sel/Genf/München 1998, N 4 zu Art. 40 SchKG; Amonn/Walther,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. A., Bern
2003, N 3 zu § 41; BGE 117 III 41, 73 III 62, 64 II 151, 42 III 40).
Für die erste Auffassung spricht der Gesetzeswortlaut - gemäss
Art. 739 Abs. 1 OR behält die Gesellschaft in Liquidation die juristi-
sche Persönlichkeit und führt ihre bisherige Firma mit dem Zusatz
"in Liquidation", bis die Auseinandersetzung auch mit den Aktionä-
ren durchgeführt ist, und gemäss Art. 746 OR ist das Erlöschen der
Firma nach Beendigung der Liquidation von den Liquidatoren beim
Handelsregisteramt anzumelden -, für die zweite die Rechtssicherheit
- die juristische Person entsteht und vergeht für jedermann offenbar
mit dem Eintrag bzw. der Löschung des Eintrags im Handelsregister
- und der Umstand, dass Aktiengesellschaft und GmbH ihre juristi-
sche Persönlichkeit auch erst mit dem Eintrag im Handelsregister
erlangen. So führte das Bundesgericht bereits in BGE 42 III 40 aus,
da das Gesetz für den Erwerb der Rechtspersönlichkeit die Eintra-
gung im Handelsregister fordere, müsse angenommen werden, dass
auch ihr Fortbestand an diese Voraussetzung geknüpft sei und die
Streichung der Gesellschaft infolge beendigter Liquidation mit ihrem
Untergang als Rechtssubjekt gleichbedeutend sei. Die Frage braucht
indessen im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da sie
sich richtig besehen gar nicht stellt. Die entscheidende Fragestellung
lautet hier vielmehr, wann die Liquidation der Gesellschaft wirklich
beendet ist.
4. Für die Durchführung der Liquidation der GmbH gelten die
Bestimmungen des Aktienrechts (Art. 823 OR). Wie bereits erwähnt,
behält die Gesellschaft, welche in Liquidation tritt, gemäss Art. 739
Abs. 1 OR die juristische Persönlichkeit und führt ihre bisherige
Firma, jedoch mit dem Zusatz "in Liquidation", bis die Auseinander-
setzung auch mit den Aktionären durchgeführt ist. Diese Auseinan-
dersetzung mit den Aktionären findet gemäss Art. 745 Abs. 1 OR erst
nach Tilgung der Schulden der aufgelösten Gesellschaft statt. Zu den
Schulden der Gesellschaft zählen selbstredend auch ihre Steuer-
schulden (Richner/Frei/Kaufmann, Handkommentar zum DBG, Zü-
rich 2003, N 2 zu Art. 171; Fessler, Kommentar zum schweizeri-
schen Steuerrecht, Basel/Genf/München 2000, N 2 zu Art. 171
DBG). Die Steuerpflicht der Gesellschaft endet mit dem Abschluss
der Liquidation (§ 66 StG, Art. 54 Abs. 2 DBG) und wird mit der
Anmeldung zur Löschung der Gesellschaft im Handelsregister fällig
(§ 223 Abs. 4 lit. b StG; Art. 161 Abs. 4 lit. b DBG). Diese darf nur
mit Einwilligung des kantonalen Steueramts vorgenommen werden
(§ 234 StG; Art. 171 DBG). Es wird deshalb vorerst bloss das Fak-
tum der Anmeldung und das Fehlen der Zustimmung im Schweizeri-
schen Handelsamtsblatt veröffentlicht (Böckli, Schweizer Aktien-
recht, Zürich 1996, N 1961b). Mit anderen Worten ist die Liquidation
der Gesellschaft erst mit der Tilgung auch der Steuerschulden wirk-
lich beendet und darf deshalb die Gesellschaft erst mit Zustimmung
des kantonalen Steueramts gelöscht werden.
Zu bedenken ist auch, dass die Fälligkeit der Steuerschuld ge-
mäss § 223 Abs. 4 lit. b StG bzw. Art. 161 Abs. 4 lit. b DBG späte-
stens mit der Anmeldung der Löschung der Gesellschaft im Handels-
register eintritt und deshalb zu diesem Zeitpunkt noch ein rechtsfähi-
ges Steuersubjekt existieren muss, andernfalls diese Bestimmungen
keinen Sinn ergäben. Die Gesellschaft muss daher für Steuerschulden
betrieben werden können, solange sie im Handelsregister eingetragen
ist, auch wenn bereits die Beendigung der Liquidation angemeldet
wurde.
5. Nach dem Gesagten ist die Liquidation der Beklagten entge-
gen der Auffassung der Vorinstanz noch nicht vollständig abge-
schlossen, weshalb auch nicht gesagt werden kann, die Beklagte sei
nicht mehr rechts- und betreibungsfähig. Die Betreibung ist demnach
auch nicht nichtig und dem Kläger kann ein Rechtsschutzinteresse an
der Durchführung des Rechtsöffnungsverfahrens nicht abgesprochen
werden. Auf seine Rechtsöffnungsklage ist aus diesen Gründen ein-
zutreten.