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Urteil Obergericht Zivilgericht, 2. Kammer (AG - AG ZOR.2024.18)

Zusammenfassung des Urteils AG ZOR.2024.18: Obergericht Zivilgericht, 2. Kammer

Der Kläger war als Verkaufsberater bei der Beklagten tätig und kündigte sein Arbeitsverhältnis schriftlich. Die Beklagte kündigte daraufhin fristlos. Der Kläger forderte Lohnzahlungen und eine Anpassung seines Arbeitszeugnisses. Das Bezirksgericht entschied teilweise zugunsten des Klägers. Die Beklagte legte Berufung ein, argumentierte, dass die fristlose Kündigung gerechtfertigt sei aufgrund von sexueller Belästigungsvorwürfen. Das Obergericht entschied jedoch, dass die fristlose Kündigung ungerechtfertigt war und wies die Berufung ab. Die Gerichtskosten wurden der Beklagten auferlegt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AG ZOR.2024.18

Kanton:AG
Fallnummer:AG ZOR.2024.18
Instanz:Obergericht Zivilgericht, 2. Kammer
Abteilung:-
Obergericht Zivilgericht, 2. Kammer Entscheid AG ZOR.2024.18 vom 09.09.2024 (AG)
Datum:09.09.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Richt; Apos; Kündigung; Berufung; Beklagten; Arbeitsverhältnis; Recht; Urteil; Klage; Belästigung; Entscheid; Verwarnung; Verfahren; Arbeitnehmer; Bundesgericht; Klägers; Telefon; Arbeitgeber; Arbeitsplatz; Streitwert; Klageantwort; Vorinstanz; Facebook; Arbeitszeugnis; Arbeitsverhältnisses; Emoji; Bundesgerichts
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ;Art. 111 ZPO ;Art. 112 BGG ;Art. 116 ZPO ;Art. 328 OR ;Art. 337 OR ;Art. 4 GlG ;Art. 42 BGG ;Art. 90 BGG ;Art. 95 BGG ;Art. 95 ZPO ;
Referenz BGE:130 III 28; 142 III 579;
Kommentar:
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Entscheid des Verwaltungsgerichts AG ZOR.2024.18

AG ZOR.2024.18

ZOR.2024.18 (OZ.2023.1)

Urteil vom 9. September 2024 Besetzung

Oberrichter Six, Präsident Oberrichterin Vasvary Oberrichter Giese Gerichtsschreiberin i.V. Bekaj

Kläger

A._____, [...] vertreten durch Advokat Georg Gremmelspacher, [...]

Beklagte

B._____ AG, [...] vertreten durch Rechtsanwalt Anton Bühlmann, [...]

Gegenstand

Forderung aus Arbeitsrecht

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Das Obergericht entnimmt den Akten: 1. 1.1. Der Kläger war ab 1. Juni 2019 bei der Beklagten als technischer Verkaufsberater im Aussendienst bzw. ab Mai 2022 zudem vorübergehend im Innendienst tätig. Am 12. Mai 2022 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten schriftlich und ordentlich per 31. August 2022. Am 17. Mai 2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos. 1.2. Mit Klage vom 9. Januar 2023 beantragte der Kläger: 1. Es sei die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger brutto CHF 36'028.65 sowie netto CHF 32'579.85, je zzgl. Zins zu 5% seit 19. Mai 2022, zu bezahlen. 2. Es sei die Beklagte zu verpflichten, das Arbeitszeugnis vom 17. Mai 2022 entsprechend Beilage 14 anzupassen. 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge (inkl. MWST und Auslagen) zulasten der Beklagten.

1.3. Mit Klageantwort vom 17. Februar 2023 beantragte die Beklagte die Abweisung der Klage unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Klägers. 1.4. Mit Replik vom 31. Mai 2023 und mit Duplik vom 6. Juli 2023 hielten die Parteien je an ihren Rechtsbegehren fest. 1.5. Anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung vom 12. Oktober 2023 wurden die Parteien (A._____ sowie C._____ und D._____ für die Beklagte) sowie die Zeuginnen E._____ und F._____ befragt. 1.6. Mit Urteil vom 12. Oktober 2023 erkannte das Bezirksgericht Kulm, Arbeitsgericht:

1. In teilweiser Gutheissung der Klage wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger brutto Fr. 31'801.25 (Monatslöhne Mai [Restzahlung], Juni, Juli und August 2022 sowie Anteil 13. Monatslohn), netto Fr. 1'792.35 (BVG-Arbeitgeberanteil für die Monate Juni, Juli und

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August 2022) sowie netto Fr. 4'275.00 (Pönalentschädigung von ½ Monatslohn) jeweils nebst Zins zu 5 % seit 19. Mai 2022 zu bezahlen. 2. Die Beklagte wird verpflichtet, das Arbeitszeugnis des Klägers vom 17. Mai 2022 auf den 31. August 2022 zu datieren sowie den zweitletzten Satz wie folgt anzupassen: "[...] Das Arbeitsverhältnis endete am 31. August 2022. [...]" 3. Die Gerichtskosten, bestehend aus der Entscheidgebühr (inkl. Kosten des Schlichtungsverfahrens) von Fr. 6'170.00 und den Kosten der Beweisführung von Fr. 22.75, insgesamt Fr. 6'192.75, werden dem Kläger zu 2/5, d.h. mit Fr. 2'477.10, und der Beklagten zu 3/5, d.h. mit Fr. 3'715.65, auferlegt. Die Gerichtskosten werden mit dem Vorschuss des Klägers von Fr. 5'570.00 bzw. Fr. 300.00 verrechnet, so dass die Beklagte dem Kläger Fr. 3'392.90 direkt zu ersetzen und der Gerichtskasse Kulm Fr. 322.75 nachzuzahlen hat. 4. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger 1/5 der gerichtlich genehmigten Parteientschädigung von Fr. 14'661.80 (inkl. Auslagen und MWSt), d.h. Fr. 2'932.35, zu ersetzen.

2. 2.1. Die Beklagte erhob am 13. März 2024 Berufung gegen den begründeten Entscheid und beantragte dessen Aufhebung sowie die Abweisung der Klage, eventualiter die Rückweisung zur Neubeurteilung an die Vorinstanz, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Klägers. 2.2. Mit Berufungsantwort vom 7. Mai 2024 beantragte der Kläger die Abweisung der Berufung unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten.

Das Obergericht zieht in Erwägung: 1. 1.1. Die Vorinstanz hat das Vorliegen einer besonders schweren Verfehlung, die eine fristlose Kündigung des bereits ordentlich gekündigten Arbeitsverhältnisses ohne vorhergehende Verwarnung rechtfertigen würde, verneint. Sie hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Schadenersatz für entgangenen Lohn, BVG-Arbeitgeberanteile und eine Pönalentschädigung jeweils zuzüglich Zins zu bezahlen. Die Beklagte wurde zudem verpflichtet, das Arbeitszeugnis auf den Tag anzupassen, auf den das Arbeitsverhältnis ordentlich kündbar gewesen wäre.

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1.2. Im Berufungsverfahren ist ­ wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren ­ umstritten, ob die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung vom 17. Mai 2022 aus wichtigem Grund und somit rechtmässig erfolgt ist. 1.3. Als beweisbelastete Partei macht die Beklagte mit Berufung geltend, die von ihr ausgesprochene fristlose Kündigung gegen den Kläger sei rechtmässig erfolgt. Als Arbeitgeberin sei sie gesetzlich verpflichtet dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer am Arbeitsplatz nicht sexuell belästigt würden (Berufung N. 7). Im vorinstanzlichen Verfahren liess die Beklagte folgende Gründe für die fristlose Kündigung ins Recht legen: Der damals 53-jährige Kläger habe an die damals etwas mehr als 20 Jahre alte Arbeitskollegin E._____ via Facebook eine Nachricht gesendet, die nur als sexuelle Belästigung verstanden werden könne (Berufung N 8; Klageantwort S. 3 f.). Damit sei ein sexueller Bezug suggeriert worden und die Mitteilung sei als belästigendes Verhalten sexueller Natur zu verstehen (Berufung N. 8). Ebenso sei die während des Telefongesprächs zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Arbeitskollegin F._____ durch den Kläger gemachte Äusserung, er habe E._____ gewollt, aber nicht nur am Telefon und E._____ sei für ihn nicht erreichbar, eine sexuelle Anspielung mit belästigendem Charakter (Berufung N. 16; Klageantwort S. 4). Angesichts der Schwere der sexuellen Belästigung durch den Kläger könne die Beurteilung der Vorfälle nur zum Schluss führen, dass die fristlose Kündigung zu Recht ausgesprochen worden sei (Berufung N. 24). 2. 2.1. Es ist unbestritten geblieben, dass der Kläger am 16. Februar 2022 eine Nachricht via Facebook an seine damalige Arbeitskollegin E._____ mit folgendem Inhalt geschickt hat: Aber Du bist wirklich eine wunderschöne Frau [küssendes Emoji] Leider für mich unerreichbar [Affen-Emoji, das sich mit beiden Händen die Augen zuhält]

Anders als im vorinstanzlichen Verfahren, ist im Berufungsverfahren auch nicht mehr bestritten, dass der Kläger F._____ am Telefon gesagt habe, er wolle E._____, aber nicht nur am Telefon... E._____ sei für ihn jedoch nicht erreichbar (vorinstanzliches Urteil E. 5.3.3, Berufung N. 16, Berufungsantwort N. 28). Unbestritten ist auch, dass es zwischen dem Kläger und E._____ am 16. Mai 2022 zu einer verbalen Auseinandersetzung am Arbeitsplatz gekommen ist, worauf die Beklagte gleichentags F._____ und E._____ zum Vorfall befragt hat. Dem Kläger

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gab die Beklagte am Folgetag im Rahmen eines Gesprächs die Möglichkeit, sich zur Auseinandersetzung vom 16. Mai 2022 zu äussern. Gleichentags stellte sie ihm die fristlose Kündigung aus. 2.2. Nach Art. 337 Abs. 1 OR kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen. Als wichtiger Grund gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (Art. 337 Abs. 2 OR). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist, und anderseits auch tatsächlich dazu geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein. Zu berücksichtigen ist sodann auch die verbleibende Zeit bis zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BGE 142 III 579 E. 4.2). Je kürzer diese Dauer ist, umso gewichtiger muss der angeführte Grund sein, um zur fristlosen Entlassung zu berechtigen (Urteil des Bundesgerichts 4A_177/2023 vom 12. Juni 2023 E. 3.1.3). Sexuelle Belästigungen einer Arbeitnehmerin durch einen Arbeitnehmer am Arbeitsplatz wiederholte sexistische Bemerkungen eines Arbeitnehmers am Arbeitsplatz (auch in Abwesenheit der betroffenen Arbeitnehmerin) gegenüber Arbeitskollegen am Arbeitsplatz können ein wichtiger Kündigungsgrund i.S.v. Art. 337 OR sein (vgl. Urteile des Bundesgerichts 4A_238/2007 vom 1. Oktober 2007 E. 4.2 f.; 4A_251/2009 vom 29. Juni 2009 E. 2.1 f. [in casu verneint]; 4A_124/2017 vom 31. Januar 2018 E. 4.1 f. [in casu verneint]). 2.3. 2.3.1. In Anbetracht und Würdigung der Umstände, welche gemäss der Beklagten zur fristlosen Kündigung des Klägers geführt haben, liegen mit der Vorinstanz keine wichtigen Gründe vor, die eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne vorgängige konkrete Verwarnung anderweitigen Massnahmen rechtfertigen würden. 2.3.2. Der Beklagten ist zwar beizupflichten, dass sie als Arbeitgeberin gestützt auf Art. 328 OR und Art. 4 GlG gesetzlich verpflichtet ist, die Mitarbeiter vor sexueller Belästigung zu schützen und sexuelle Belästigung am

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Arbeitsplatz zu verhindern (Klageantwort, S. 8). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist jedoch nicht jede sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach Art. 337 OR zu qualifizieren. So erachtete das Bundesgericht eine ohne vorgängige Verwarnung fristlos ausgesprochene Kündigung, die gestützt auf mehrfache sexistische Wortäusserungen eines Arbeitnehmers gegenüber Arbeitskolleginnen und -kollegen beruhte, als unrechtmässig (Urteil des Bundesgerichts 4A_124/2017 vom 31. Januar 2018 E. 4.1 f.). Ebenfalls als unverhältnismässig qualifiziert wurde eine fristlose Kündigung ohne vorgängige Verwarnung in einem Fall, in welchem ein Arbeitnehmer Fotos eines erigierten Penis an eine Kollegin per E-Mail versendet hatte. Das Bundesgericht führte dazu aus, dass diese Handlung nicht schwerwiegend genug gewesen sei, um das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu zerstören und eine fristlose Kündigung als rechtmässig erscheinen zu lassen (Urteil des Bundesgerichts 4A_251/2009 vom 29. Juni 2009 E. 2.1 f.). 2.3.3. Aufgrund der dem Beklagten vorgeworfenen Verfehlungen kann nicht davon ausgegangen werden ­ und wird im Übrigen von der Beklagten nicht substanziert dargelegt ­ dass das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Kläger derart gestört war, dass die sofortige und fristlose Entlassung als einziger Ausweg erschien. Die Beklagte erfuhr am 16. Mai 2022 einerseits von der FacebookNachricht des Klägers an E._____, andererseits vom Telefonat zwischen F._____ und dem Kläger und sprach gestützt darauf die fristlose Kündigung aus. Im Lichte der erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung (siehe oben) und in Anbetracht sämtlicher Umstände, erreicht die dem Kläger vorgeworfene Pflichtverletzung (Facebook-Nachricht des Klägers an E._____) sowie der Inhalt des Telefongesprächs zwischen F._____ und dem Kläger [vgl. vorstehend]) nicht die erforderliche Schwere für eine fristlose Kündigung. Es erscheint zweifelhaft, ob es sich bei der an E._____ versendeten Facebook-Nachricht, dass sie eine wirklich wunderschöne Frau, für den Kläger aber unerreichbar sei, zusammen mit dem Kuss-Emoji und dem Affen-Emoji um eine sexuelle Belästigung handelt, geht es doch inhaltlich in erster Linie um ein Kompliment, ohne dass dafür eindeutig sexuell konnotierte Worte

oder Emojis verwendet worden wären. Auch die telefonische Aussage des Klägers gegenüber F._____, dass er E._____ «nicht nur am Telefon» wolle, erlaubt nicht nur eine Interpretation als eindeutig sexuelle Belästigung, zumal nicht klar ist, ob der Kläger davon ausgegangen ist, F._____ werde diese Aussage an E._____ weiterleiten, ob sich F._____ selbst (sexuell) belästigt fühlte. Ob die FacebookNachricht und das Telefonat je für sich zusammen eine sexuelle

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Belästigung darstellen, kann letztlich aber offen bleiben. Denn auch wenn dies zu bejahen wäre, ist die von der Beklagten getroffene Massnahme der fristlosen Kündigung unverhältnismässig. Insoweit die Beklagte vorbringt, es müssten auch frühere Vorfälle, wie sie von E._____ anlässlich der vorinstanzlichen Zeugenbefragung geschildert worden seien, namentlich, dass der Kläger ihr bereits im Jahr 2019 geschrieben habe, sie habe super ausgesehen und er wäre gerne mit ihr in den Ausgang gegangen, ist sie damit nicht zu hören. Diese im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung bereits mehr als zwei Jahre alte Äusserung, bei der es sich nicht offensichtlich um eine sexuelle Belästigung handelt und hinsichtlich welcher denn auch keine Verwarnung erfolgt ist, haben für die fristlose Kündigung vom 17. Mai 2022 keine Rolle gespielt und wurden von der Beklagten denn auch nicht als Grund dafür genannt. 2.3.4. Der Kläger hatte gegenüber E._____ keine Vorgesetztenfunktion, mit der eine erhöhte Verantwortung und Sorgepflicht einhergegangen wäre (vgl. diesbezüglich BGE 130 III 28 E. 4.1 sowie Urteil des Bundesgerichts 4A_105/2018 vom 10. Oktober 2018 E. 3.1 und 3.2.1, wonach das Verhalten der Kadermitglieder wegen des besonderen Vertrauens und der Verantwortung, die ihre Stellung im Unternehmen mit sich bringt, strenger zu beurteilen ist). Die Beklagte macht dies zwar in ihrer Berufung (S. 12) geltend, führte jedoch in ihrer Klageantwort aus, dass der Kläger lediglich den Leiter des Innendienstes vorübergehend unterstützt habe, selber aber nicht Leiter gewesen sei (Klageantwort S. 3). Dies wurde von C._____ für die Beklagte im Rahmen der erstinstanzlichen Verhandlung bestätigt und die Frage, ob der Kläger Vorgesetzter von E._____ gewesen sei, verneint (VA act. 073). Schliesslich geht aus der unbestrittenen internen Mitteilung der Beklagten vom 2. Mai 2022 (klägerische Beilage 4) hervor, dass die Leitungsfunktion G._____ übertragen wurde und der Kläger ihn vorübergehend unterstützt habe. Hinzu kommt, dass zum Zeitpunkt der Aussprache der fristlosen Kündigung das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten bereits ordentlich auf den 31. August 2022 gekündigt worden war, was nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Anforderungen an eine fristlose Kündigung erhöht (siehe dazu oben). Der Beklagten war

unter diesen Umständen zuzumuten, das Arbeitsverhältnis während der bereits laufenden ordentlichen Kündigungsfrist noch während rund zweieinhalb Monaten bis zum 31. August 2022 weiterzuführen und im Sinne der fristlosen Kündigung als ultima ratio vorgängig eine Verwarnung auszusprechen, dem Kläger Weisungen hinsichtlich des Kontakts zu erteilen ihn freizustellen. Zudem hätte sie dem Kläger auch die Unterstützung des Leiters des Innendienstes entziehen und ihn gleichzeitig nur noch im Aussendienst einsetzen können, wodurch sie den persönlichen

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Kontakt zwischen E._____ und dem Kläger für die restliche Zeit hätte erheblich eindämmen können. Die Beklagte hat unbestritten von einer Verwarnung und anderen (durchaus möglichen) Massnahmen abgesehen (Berufung N. 6). Inwieweit die dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzungen die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zerstört zumindest so tiefgreifend erschüttert haben, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr zuzumuten war, ist nicht ersichtlich. Das Absehen von einer Verwarnung und anderen Massnahmen lässt sich vorliegend nicht mit der Schwere der Vorwürfe begründen. Nach dem Gesagten erweist sich die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung als ungerechtfertigt und ihre Berufung ist in diesem Punkt abzuweisen. 2.4. Die Beklagte hat die dem Kläger von der Vorinstanz zugesprochene Entschädigung (Lohn und Pönale) und die Anpassung des Arbeitszeugnisses (Zeitpunkt, wann das Arbeitsverhältnis geendet hat) nur als Folge der von ihr als rechtmässig erachteten fristlosen Kündigung angefochten; eine substanzierte, von der Frage der fristlosen Kündigung losgelöste eigenständige Begründung zu diesen Punkten findet sich nicht (Berufung N. 26 ff.). Nachdem die Berufung hinsichtlich der Unrechtmässigkeit der fristlosen Kündigung abzuweisen ist, hat es damit sein Bewenden und ist auf die von der Vorinstanz als Folge der unrechtmässigen Kündigung entschiedenen Punkte nicht weiter einzugehen. 3. 3.1. Im Entscheidverfahren aus dem Arbeitsverhältnis werden bis zu einem Streitwert von Fr. 30'000.00 keine Gerichts- und Parteikosten gesprochen (Art. 114 lit. c ZPO, § 25 Abs. 1 EG ZPO i.V.m. Art. 116 Abs. 1 ZPO). Massgebend ist hierfür die ursprünglich eingeklagte Forderung vor erster Instanz, d.h. das Verfahren ist vor der Berufungsinstanz auch dann kostenpflichtig, wenn der ursprünglich über Fr. 30'000.00 liegende Streitwertwert im Berufungsverfahren herabgesetzt wurde (AGVE 2015 Nr. 58 S. 321). Die vor Vorinstanz eingeklagte Forderung hat deutlich mehr als Fr. 30'000.00 betragen (siehe vorinstanzliches Urteil E. 10.2: Streitwert Fr. 77'158.50), weshalb auch die Kostenlosigkeit des Rechtsmittelverfahrens entfällt.

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Die Berufung der Beklagten ist abzuweisen. Ausgangsgemäss sind ihr die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 95 Abs. 1 ZPO). Die obergerichtliche Spruchgebühr ist ­ ausgehend von einem Streitwert von Fr. 46'718.60 (Dispositiv-Ziff. 1 des vorinstanzlichen Urteils; Rechtsbegehren Ziff. 1 der Berufung; zusätzlich ist praxisgemäss ein Monatslohn in der Höhe von Fr. 8'850.00 für die Anpassung des Arbeitszeugnisses zu veranschlagen [Dispositiv-Ziffer 2 vorinstanzliches Urteil]) ­ auf gerundet Fr. 4'090.00 festzusetzen (§ 29 Abs. 1 GebührD i.V.m. § 11 Abs. 1 VKD und § 7 Abs. 1 VKD) und mit dem von der Beklagten geleisteten Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 6'170.00 zu verrechnen (Art. 111 Abs. 1 ZPO). 3.2. Die Beklagte ist zudem zu verpflichten, dem Kläger die Parteikosten für das obergerichtliche Verfahren zu ersetzen. Diese werden, ausgehend von einem Streitwert von 46'718.60 und einer Grundentschädigung von Fr. 8'196.25 (§ 8 Abs. 1 AnwT i.V.m. § 3 Abs. 1 lit. a Ziff. 4 AnwT), einem Abzug von 20 % für die entfallene Verhandlung (§ 8 Abs. 1 AnwT i.V.m. § 6 Abs. 2 AnwT), einem Abzug von 25 % im Rechtsmittelverfahren (§ 8 Abs. 1 AnwT), einer Auslagenpauschale von 3 % (§ 13 Abs. 1 AnwT) sowie der Mehrwertsteuer von 8.1 % auf gerundet Fr. 5'475.00 festgesetzt.

Das Obergericht erkennt: 1. Die Berufung der Beklagten wird abgewiesen. 2. Die obergerichtliche Entscheidgebühr von Fr. 4'090.00 wird der Beklagten auferlegt und mit dem von ihr bezahlten Kostenvorschuss von Fr. 6'170.00 verrechnet. 3. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für das obergerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 5'475.00 zu bezahlen.

Zustellung an: [...]

Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art. 90 ff. BGG) Gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen, kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des Entscheides an gerechnet, die

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Beschwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Streitwert in arbeits- und mietrechtlichen Fällen mindestens Fr. 15'000.00 bzw. in allen übrigen Fällen mindestens Fr. 30'000.00 beträgt, es sei denn, es stelle sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung es handle sich um einen Entscheid des Konkursund Nachlassrichters (Art. 44 Abs. 1, Art. 72, Art. 74, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 und Art. 112 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde ist schriftlich in elektronischer Form beim Schweizerischen Bundesgericht einzureichen (Art. 42 BGG). Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elektronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht (Art. 95 ff. BGG) verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, ist auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Der Streitwert des kantonalen Verfahrens beträgt Fr. 46'718.60.

Aarau, 9. September 2024 Obergericht des Kantons Aargau Zivilgericht, 2. Kammer Der Präsident:

Die Gerichtsschreiberin i.V.:

Six

Bekaj

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