Kanton: | AG |
Fallnummer: | AG ZBE.2023.9 |
Instanz: | Obergericht Zivilgericht, 3. Kammer |
Abteilung: | - |
Datum: | 05.08.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Die Berufungsklägerin A._____ hat beim Obergericht des Kantons Aargau Berufung gegen die Entscheidung des Gerichtspräsidiums Aarau eingereicht, die den Antrag auf Ergänzung und Berichtigung des öffentlichen Inventars abgewiesen hat. Die Berufungsklägerin forderte die Aufnahme weiterer Aktiven und Passiven in das Inventar, darunter Hausrat, Liegenschaften, Wertschriftendepots und Schenkungen. Das Obergericht entschied, dass die Berufungsklägerin kein Rechtsschutzinteresse an der Berichtigung des Inventars hat und wies die Berufung daher ab. Die Berufungsbeklagte B._____ stellte eine Anschlussberufung, die jedoch ebenfalls abgewiesen wurde. Die Gerichtskosten von CHF 2'500 wurden grösstenteils der Berufungsklägerin auferlegt, die zudem die Hälfte der Parteikosten der Berufungsbeklagten tragen muss. Der Streitwert wurde auf CHF 566'194 festgesetzt. Die Berufungsklägerin muss CHF 875 an Gerichtskosten zahlen und CHF 4'958 an die Berufungsbeklagte für die Parteikosten. Die Entscheidung kann innerhalb von 30 Tagen beim Schweizerischen Bundesgericht angefochten werden. |
Schlagwörter: | Inventar; Berufung; Berufungsklägerin; Entscheid; Apos; Recht; Erben; Inventars; Erblasser; Erbschaft; Gericht; Berufungsbeklagte; Verfahren; Erblassers; Ergänzung; Kanton; Schuld; Akten; Obergericht; Forderung; Bundesgericht; Gläubiger; Kantons; Liegenschaft; Berichtigung; Vorinstanz; Rechtsmittel; ätzlich |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ; Art. 112 BGG ; Art. 156 ZPO ; Art. 248 ZPO ; Art. 296 ZPO ; Art. 314 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 42 BGG ; Art. 518 ZGB ; Art. 53 ZPO ; Art. 55 ZPO ; Art. 560 ZGB ; Art. 580 ZGB ; Art. 581 ZGB ; Art. 582 ZGB ; Art. 583 ZGB ; Art. 584 ZGB ; Art. 587 ZGB ; Art. 588 ZGB ; Art. 589 ZGB ; Art. 59 ZPO ; Art. 590 ZGB ; Art. 603 ZGB ; Art. 90 BGG ; Art. 95 BGG ; |
Referenz BGE: | 110 II 228; 139 III 225; 144 II 313; 144 III 313; |
Kommentar: | Sutter-Somm, Hasenböhler, Leuenberger, , 1900 |
ZBE.2023.9 (SE.2022.898) Art. 48
Entscheid vom 5. August 2024
Besetzung
Oberrichterin Massari, Präsidentin Oberrichter Holliger Oberrichterin Merkofer Gerichtsschreiber Tognella
Berufungsklägerin
A._____, [...] vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Siegrist, [...]
Berufungsbeklagte
B._____, [...] vertreten durch Rechtsanwältin Birgit Biedermann, [...]
Gegenstand
Öffentliches Inventar / Entscheid des Bezirksgerichts Aarau vom 21. November 2023
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Das Obergericht entnimmt den Akten: 1. 1.1. Mit Eingabe vom 27. Oktober 2022 beantragte die Berufungsklägerin beim Bezirksgericht Aarau die Anordnung eines öffentlichen Inventars über den Nachlass von C._____ (im Folgenden Erblasser), von Q._____, geboren am tt.mm.jjjj und verstorben am tt.mm.jjjj, zuletzt wohnhaft gewesen in R._____. 1.2. Mit Verfügung vom 7. November 2022 des Gerichtspräsidiums Aarau erfolgte die Aufforderung an die Gläubiger und Schuldner des Erblassers mit Einschluss der Bürgschaftsgläubiger, ihre Forderungen und Schulden bis zum 9. Dezember 2022 beim Inventuramt D._____ anzumelden mit dem Hinweis, dass ansonsten die in Art. 590 ZGB erwähnten Folgen einträten. Der Rechnungsruf wurde am 9. November 2022 im Amtsblatt des Kantons Aargau publiziert. 1.3. In der Folge erstellte das Inventuramt D._____ das öffentliche Inventar und reichte dieses dem Gerichtspräsidium Aarau am 29. August 2023 ein. 1.4. Mit Verfügung vom 27. September 2023 des Gerichtspräsidiums wurde die Auflage des öffentlichen Inventars bis am 29. Oktober 2023 angeordnet und darauf hingewiesen, dass während der Auflagefrist begründete und belegte Ergänzungen und Berichtigungen des Inventars beantragt werden könnten. Die Inventarauflage wurde am 29. September 2023 im Amtsblatt des Kantons Aargau publiziert. 1.5. Mit Eingabe vom 25. Oktober 2023 liess die Berufungsklägerin folgende Anträge stellen: " Das bis am 29. Oktober 2023 öffentlich aufgelegte Inventar sei wie folgt zu ergänzen und zu berichtigen: 1. Es seien der Hausrat und die Einrichtungen folgender Liegenschaften zum Verkehrswert ins öffentliche Inventar aufzunehmen: 1.1. In Stockwerkeigentum aaa (5 ½Zimmerwohnung Nr. 5 im 2. OG); 1.2. In Stockwerkeigentum bbb (Disponibelraum Nr. 2 im UG);
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1.3. Im Einfamilienhaus in S._____ (Spanien) [...]. 2. Es seien die Verkehrswerte folgender Liegenschaften ermitteln zu lassen und ins Inventar aufzunehmen: 2.1. Stockwerkeigentum aaa (5 ½Zimmerwohnung Nr. 5 im 2. OG); 2.2. Stockwerkeigentum bbb (Disponibelraum Nr. 2 im UG); 2.3. Miteigentum ccc (1/19 Miteigentum); 2.4. Miteigentum ddd (1/19 Miteigentum); 2.5. Liegenschaft eee; 2.6. Liegenschaft fff; 2.7. Liegenschaft ggg; 2.8. Liegenschaft hhh; 2.9. Liegenschaft iii; 2.10. Einfamilienhaus in S._____ (Spanien) [...]. 3. Es seien sämtliche Wertschriftendepots beider Ehegatten in der Schweiz ([...] usw.) und in Spanien ([...] usw.) beizuziehen und zum Nominalwert (Wert Todestag) ins öffentliche Inventar aufzunehmen. 4. Es seien die Grundpfandschulden auf dem Einfamilienhaus in S._____ (Spanien) [...], zu erheben und ins öffentliche Inventar aufzunehmen. 5. Es seien sämtliche Schenkungen des Erblassers an seine Ehefrau und deren Nachkommen E._____ und F._____ zu erheben und ins öffentliche Inventar aufzunehmen. 6. Es seien die beiden Automobile zum Eurotax-Wert ins öffentliche Inventar aufzunehmen.
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7. Es seien der Bargeldbestand, das Gold, die Edelmetalle usw. ins Inventar aufzunehmen. 8. Das öffentliche Inventar sei erst nach Vornahme der vorstehenden Ergänzungen und Berichtigungen abzuschliessen. 9. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen."
2. Am 21. November 2023 erging folgender Entscheid des Gerichtspräsidiums Aarau: " 1. Der Antrag der Gesuchstellerin 1 auf Ergänzung und Berichtigung des öffentlichen Inventars wird abgewiesen. 2. Die Entscheidgebühr von Fr. 500.00 werden der Gesuchstellerin 1 auferlegt."
3. 3.1. Gegen diesen ihr am 22. November 2023 zugestellten Entscheid erhob die Berufungsklägerin am 1. Dezember 2023 beim Obergericht des Kantons Aargau Berufung mit folgenden Anträgen: " 1. Es sei der Entscheid des Gerichtspräsidenten (Ziffern 1 + 2) vom 21. November 2023 (SE.2022.898) aufzuheben. 2. Es sei das öffentliche Inventar zu ergänzen und bereinigen bzw. deren Ergänzung und Bereinigung zu veranlassen, insbesondere nach erfolgter Klärung von Vorempfängen/Schenkungen sowie Aktiv- und Passivpositionen, namentlich: 2.1. Es seien der Hausrat und die Einrichtungen folgender Liegenschaften zum Verkehrswert ins öffentliche Inventar aufzunehmen: 2.1.1. In Stockwerkeigentum aaa (5 ½Zimmerwohnung Nr. 5 im 2. OG); 2.1.2. In Stockwerkeigentum bbb (Disponibelraum Nr. 2 im UG); 2.1.3. Im Einfamilienhaus in S._____ (Spanien) [...].
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2.2. Es seien sämtliche Schenkungen des Erblassers an seine Ehefrau und deren Nachkommen E._____ und F._____ zu erheben und ins öffentliche Inventar aufzunehmen. 2.3. Es seien die beiden Automobile zum Eurotax-Wert ins öffentliche Inventar aufzunehmen. 2.4. Es seien der Bargeldbestand, das Gold, die Edelmetalle usw. ins Inventar aufzunehmen. 3. Das öffentliche Inventar sei erst nach Vornahme der vorstehenden Ergänzungen und Berichtigungen abzuschliessen. 4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen."
3.2. Die Berufung wurde mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 3. Januar 2024 der gesetzlichen Erbin B._____ (nachfolgend: Berufungsbeklagte), Ehefrau von C._____ sel., zur freigestellten Stellungnahme zugestellt. Mit Eingabe vom 15. Januar 2024 beantragte diese die Abweisung der Berufung, "soweit über die in Ziff. 2.6. nachfolgend erwähnte Vermögensposition d.h. [Schuld von Fr. 143'160.00 von ihr und dem Erblasser gegenüber ihrem Bruder G._____] hinausgehend". 3.3. Mit "Replik" vom 24. Januar 2024 stellte die Berufungsklägerin folgende Anträge: " 1. Es wird an den Rechtsbegehren in der Berufung festgehalten. 2. Es seien die in der Stellungnahme aufgelisteten Schenkungen (Ziffer B/5.1 + 5.2) ins öffentliche Inventar aufzunehmen. 3. Bezüglich der Liegenschaften und dem sich darin befindlichen Hausrat sei gemäss Richtlinien für Nachlassinventare 2001 vorzugehen. 4. Unter der Rubrik Fahrzeuge sei ein Betrag von CHF 44'000.00 ins öffentliche Inventar aufzunehmen. 5. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen."
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3.4. In der "Duplik" vom 19. Februar 2024 hielt die Berufungsbeklagte an ihrem in der Stellungnahme vom 15. Januar 2024 gestellten Antrag fest.
Das Obergericht zieht in Erwägung: 1. Angefochten ist ein im Rahmen der Errichtung eines öffentlichen Inventars gemäss Art. 581 ff. ZGB ergangener Entscheid. Das Verfahren der Inventaraufnahme gemäss Art. 581 ff. ZGB gehört in den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Urteil des Bundesgerichts 5P.195/2000 vom 27. Juni 2000 E. 2). Die ZPO regelt zwar gemäss Art. 1 lit. b auch das Verfahren für gerichtliche Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, gemäss Entscheid des Bundesgerichts (BGE 139 III 225) allerdings nur dort, wo das Bundesrecht selbst eine gerichtliche Behörde vorschreibt. In den übrigen Bereichen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen die Kantone in der Bezeichnung der zuständigen Behörde frei sind, wenden diese weiterhin kantonales Verfahrensrecht an, wobei sie eine eigene Regelung aufstellen auf eine bestimmte Verfahrensordnung verweisen können. Auch wenn es sich im letzteren Fall bei der Rechtsordnung, auf die verwiesen wird, um Bundesrecht handelt, gelangt dieses als kantonales Recht zur Anwendung. Beim Verfahren der Inventaraufnahme im Sinne von Art. 581 ff. ZGB sind die Kantone frei in der Bezeichnung der zuständigen Behörde (Art. 580 Abs. 2 ZGB in Verbindung mit Art. 54 Abs. 1 SchlT ZGB). Der Kanton Aargau hat diese Zuständigkeit dem Gerichtspräsidenten übertragen (§ 66 Abs. 3 EG ZGB). Nach § 66 Abs. 4 EG ZGB sind die Bestimmungen des summarischen Verfahrens nach Art. 248 ff. ZPO als kantonales Recht (vgl. vorstehenden Absatz) anwendbar (vgl. schon AGVE 2013 S. 381 ff.). 2. Der angefochtene Entscheid betrifft die Beurteilung eines Antrags um Berichtigung bzw. Ergänzung eines öffentlichen Inventars und damit den Abschluss eines solchen Inventars. Mit der Abweisung der von der Berufungsklägerin gestellten Ergänzungs- und Bereinigungsanträge hat der Gerichtspräsident (implizit) das vom Inventuramt D._____ erstellte öffentliche Inventar genehmigt. In der Genehmigung des Inventars liegt aber der Abschluss des Verfahrens betreffend öffentliches Inventar, sodass darin der Endentscheid im Sinne von Art. 308 Abs. 1 lit. a ZPO und Art. 90 BGG zu erblicken ist. Dies widerspricht dem Urteil des Bundesgerichts 5A_791/2017 vom 17. Juli 2018 (= BGE 144 III 313 dort nicht publizierte E. 1.1) und dem diesem Urteil zeitlich nachfolgenden Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich LF180091-O/U vom 7. Mai 2019 (E. II/2), wonach die Ansetzung der Deliberationsfrist nach Art. 587 Abs. 1 ZGB als
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Endentscheid i.S.v. Art. 308 Abs. 1 lit. a ZPO bzw. Art. 90 BGG qualifiziert wurde, nur scheinbar. Denn das blosse Ansetzen einer Frist als solches hat nur prozessleitenden Charakter (so auch der Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 31. Januar 2018 PF180002-O/U E. 2.1). In den beiden Entscheiden hatten vorgängig der Fristansetzung offenbar keine Genehmigungen im formellen Sinn (Entscheide durch die zuständige Behörde) stattgefunden, sodass die Genehmigung des öffentlichen Inventars für die Erben (implizit) erst durch die Ansetzung der Deliberationsfrist erkennbar wurde (in dem im erwähnten Zürcher Entscheid LF180091-O/U behandelten Fall hatte zwar das Notariat zwei von einem Erben erhobene Beanstandungen mit Verfügung abgewiesen, doch handelte es sich beim Notariat nicht um die Behörde, die nach Art. 580 Abs. 2 ZGB für die Durchführung des Inventarverfahrens zuständig ist [hier Gerichtspräsident gemäss § 66 Abs. 3 EG ZGB], sondern wie im Kanton Aargau der Gemeinderat [§ 68 EG ZGB] um die Stelle, die im Auftrag dieser zuständigen Behörde das Inventar zusammenstellt). Da erbrechtliche Angelegenheiten grundsätzlich als solche vermögensrechtlicher Art erscheinen (Urteil des Bundesgerichts 5A_441/2020 vom 28. April 2020 E. 1.1), ist der ein öffentliches Inventar betreffende Endentscheid bei einem Streitwert von mindestens Fr. 10'000.00 mit Berufung anfechtbar, sonst mit Beschwerde (Art. 308 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 sowie Art. 319 lit. a ZPO). Dieser Streitwert ist vorliegend ohne Weiteres erreicht (vgl. E. 5). 3. 3.1. 3.1.1. Die Vorinstanz hat mit angefochtenem Entscheid die von der Berufungsklägerin während der Auflegungsfrist des öffentlichen Inventars mit Eingabe vom 25. Oktober 2023 gestellten Anträge um Ergänzung und Berichtigung des Inventars abgewiesen. Zur Begründung hielt sie im Wesentlichen dafür, mit besagter Eingabe habe die Berufungsklägerin um diverse Korrekturen, Ergänzungen und Schätzungen von Inventareinträgen ersucht. Da die Eingabe nach Ablauf der Auskündungsfrist am 9. Dezember 2022, aber vor Ablauf der Auflagefrist am 29. Oktober 2023 erfolgt sei, könnten korrekt (insbesondere fristgerecht) angemeldete, aber unrichtig übernommene sowie von Amtes wegen aufzunehmende Inventareinträge auf Antrag hin korrigiert, ergänzt und geschätzt werden. Vorab sei hinsichtlich
jedes einzelnen Antrags der Berufungsklägerin festzuhalten, dass weder behauptet noch dargelegt worden sei, die jeweils beantragte Korrektur, Ergänzung Schätzung sei rechtzeitig, d.h. vor Ablauf der Auskündungsfrist angemeldet worden. Folglich sei lediglich zu prüfen, ob diese von Amtes wegen aufzunehmen seien. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Pflicht zur Aufnahme von Amtes wegen und insbesondere der Begriff "Papiere des Erblassers" eng zu fassen seien und nur bei derer klaren
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Verletzung die Aufnahme verlangt werden könne. Die inventarisierende Behörde sei nicht verpflichtet, untergeordnete Akten und Datenträger des Erblassers zu durchsuchen (angefochtener Entscheid E. 9.1). In der Folge verneinte die Vorinstanz hinsichtlich der von der Berufungsklägerin verlangten Ergänzungen und Berichtigungen (Ermittlung des aktuellen Verkehrswerts des Hausrats der Wohnung in R._____ und des Einfamilienhauses auf S._____; Aufnahme von zwei Automobilen zum Eurotaxwert; Ermittlung des Verkehrswerts diverser Liegenschaften; Aufnahme aller Wertschriftendepots des Erblassers und seiner Ehefrau [Berufungsbeklagte]; Aufnahme von Bargeld, Gold und Edelmetall, die in die Steuererklärung 2022 noch mit Fr. 23'484.00 enthalten gewesen seien; Aufnahme der auf sämtlichen Liegenschaften in der Schweiz und Spanien liegenden Grundpfandschulden; mutmassliche Schenkungen des Erblassers an die Berufungsbeklagte und weitere Personen) eine Verletzung der Aufnahmepflicht von Amtes wegen (angefochtener Entscheid E. 9.2-9.8). 3.1.2. Mit Berufung (S. 5 ff.) macht die Berufungsklägerin geltend, das von der Vorinstanz beim Gemeinderat R._____ erstellte und alsdann aufgelegte öffentliche Inventar basiere einzig auf den Angaben der vom Erblasser als Willensvollstreckerin eingesetzten Ehefrau (Berufungsbeklagte). Seine beiden Nachkommen (die Berufungsklägerin und ihr Bruder) seien nicht in die Inventuraufnahme eingebunden worden. Es liege eine unrichtige Rechtsanwendung und eine ungenügende Feststellung des Sachverhalts vor, wenn die beträchtlichen Investitionen in den Hausrat in R._____ im Umfang von Fr. 366'000.00 nicht ins Inventar aufgenommen worden seien; diesbezüglich hätten weitere Abklärungen getroffen werden müssen. Eine genügende Begründung dafür, den in S._____ gelegenen, angeblich sehr erlesenen Hausrat nur pro memoria zu erfassen, fehle; dazu seien keine auskunfts- und mitwirkungspflichtigen Personen befragt worden. Aus dem öffentlichen Inventar ergebe sich lediglich, dass zwei Automobile (Peugeot 2008 und Tesla X) vorhanden seien; entgegen der Vorinstanz betrage deren Wert gemäss Inventar nicht je Fr. 10'655.00 sondern gesamthaft Fr. 10'655.00; es werde bezweifelt, dass dies der Verkehrswert (Eurotaxwert) der Fahrzeuge sei; gemäss Deklaration der Berufungsbeklagten gebe es keine Fahrzeuge, die nicht
in der Steuererklärung deklariert seien; die Steuererklärung 2022 (Berufungsbeilage 14) enthalte [aber] keine Fahrzeuge; selbst das Auto in Spanien (Fiat 500X) sei nicht deklariert worden; die Automobile hätten keinen Vermögenssteuerwert in der Steuererklärung 2022; es sei unklar, welche Abklärungen diesbezüglich gemacht worden seien. Obwohl in der Steuererklärung 2022 unter dem Titel Bargeldbestand, Gold und Edelmetalle Fr. 31'429.00 aufgeführt worden seien, habe die Berufungsbeklagte im Inventarverfahren angegeben, es gebe keine solchen; auch diesbezüglich hätten weitere Abklärungen getätigt werden müssen. Bezüglich der Schenkungen sei nur die von der Berufungsbeklagten deklarierte Schenkung an die Berufungsklägerin erfasst worden; obwohl zu
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vermuten sei, dass der Erblasser beim Verkauf seiner Beteiligung an der H._____ AG auch die Berufungsbeklagte und weitere Personen beschenkt habe; die Vorinstanz habe vermutet, weitere Schenkungen wären ins Inventar aufgenommen worden, wenn sie der Inventurbehörde bekannt gewesen wären; diesbezügliche Abklärungen seien indes nicht ersichtlich. Im vorliegenden Fall habe der Erblasser seine Ehefrau (Berufungsbeklagte) mittels einer allgemeinen Gütergemeinschaft und einem Erbvertrag zulasten seiner Nachkommen aus erster Ehe maximal begünstigt und ausserdem als Willensvollstreckerin (Interessenkollision) eingesetzt. Trotzdem sei nur auf ihre Aussagen und Angaben abgestellt worden. Obwohl dem öffentlichen Inventar kein materieller Bestand bezüglich der Aktiven und Passiven des Nachlasses zukomme, komme dem Inventar in der vorliegenden Fallkonstellation doch erhebliche Bedeutung zu. Völlig an der Sache vorbei gehe die Feststellung der Vorinstanz, es habe eine Liste zum Ehevertrag gefehlt und andere Unterlagen seien nicht vorgelegt worden: Der Vertreter der über ein Informationsmanko verfügenden Berufungsklägerin habe zweimal beim Bezirksgericht Aarau vorgesprochen. Das erste Mal sei niemand da gewesen, der die Akten zum Inventar habe vorlegen können; beim zweiten Mal habe sich erwiesen, dass praktisch keine Unterlagen, nicht einmal die Steuerakten, zum Inventar vorgelegen hätten. Wie solle da eine Erbin die korrekte Ergänzung des Inventars geltend machen können (Waffengleichheit)? Aus diesem Grund würden ohne Verzug neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht, über die weder die Vorinstanz noch die Berufungsklägerin verfügt hätten. Bei den Akten des Gerichtspräsidiums fehlten die Steuerakten und die unterjährige Steuererklärung (§ 4 Abs. 2 VO über das Nachlassinventar), sodass in diese nicht habe Einsicht genommen werden können. Das Akteneinsichtsrecht setze voraus, dass überhaupt Akten vorhanden seien, die eingesehen werden könnten. Dies begründe eine Aktenerstellungs- und Aktenführungspflicht. Dazu komme die ungenügende Begründung der Vorinstanz. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs sei formeller Natur. 3.2. 3.2.1. Für die Schulden des Erblassers haften die Erben persönlich (Art. 560 Abs. 2 ZGB) und solidarisch (Art. 603 Abs. 1 ZGB). Um die mit dem Erbschaftsanfall verbundene Gefahr der unbeschränkten
Schuldenhaftung zuverlässig abschätzen zu können und gegebenenfalls zu begrenzen, gibt das Gesetz jedem Erben die Möglichkeit, ein öffentliches Inventar zu verlangen (Art. 580 ff. ZGB) und erst nach dessen Durchführung zu entscheiden, ob er (i) die Erbschaft ausschlagen, (ii) vorbehaltlos annehmen, (iii) unter öffentlichem Inventar annehmen (iv) amtlich liquidieren lassen will (Art. 588 ZGB). Grundlage für die sachgemässe Wahl der Erben ist das Inventar, das die genaue und sichere Kenntnis des Erbschaftsstandes zu vermitteln bezweckt (BGE 110 II 228 E. 2). Es besteht in der Anlegung eines Verzeichnisses der Vermögenswerte und Schulden der Erbschaft,
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wobei alle Inventarstücke mit einer Schätzung zu versehen sind (Art. 581 Abs. 1 ZGB). Mit der Aufnahme des Inventars erfolgt ein Rechnungsruf auf dem Wege angemessener öffentlicher Auskündung mit der Aufforderung an die Gläubiger und Schuldner des Erblassers, binnen einer bestimmten, mindestens einmonatigen Frist ihre Forderungen und Schulden anzumelden (Art. 582 Abs. 1 und 3 ZGB). Alle bis zum Schluss dieser Auskündungsfrist angemeldeten und die aufgrund der öffentlichen Bücher, der Papiere des Erblassers nach den Auskünften der Erben Dritter ermittelten Aktiven und Passiven sind im Inventar zu verzeichnen, ohne dass eine Prüfung stattfindet, ob diese rechtlich verbindlich existieren (NONN/GEHRER CORDEY, in: Abt/Weibel, Praxiskommentar Erbrecht, 5. Aufl., 2023, N. 2 zu Art. 581 ZGB). Nach Ablauf der Auskündungsfrist wird das Inventar geschlossen und den Beteiligten während wenigstens eines Monats zur Einsicht aufgelegt (Art. 584 Abs. 1 ZGB). Mit der Auflegung erhalten die Erben die Möglichkeit, einen Überblick über die Vermögensverhältnisse des Erblassers zu gewinnen (LEU/BRUGGER, Basler Kommentar zum ZGB, Band II, 7. Aufl., 2023, N. 3 zu Art. 584 ZGB). Während der Auflegungsfrist besteht insbesondere die Möglichkeit, beim hiefür zuständigen Gerichtspräsidium Ergänzungen und Berichtigungen des Inventar-Verzeichnisses zu verlangen (LEU/BRUGGER, a.a.O., N. 8 zu Art. 584 ZGB; PFYL, Die Wirkungen des öffentlichen Inventars [Art. 587-590 ZGB], 1996., S. 11 mit dem Hinweis, dass die in Art. 584 Abs. 1 ZGB vorgesehene Einsichtnahme ohne Möglichkeit, die Korrektur der Einträge zu verlangen, keinerlei Sinn ergäbe). Nach Abschluss des Inventars wird jeder Erbe aufgefordert, sich binnen (einer erstreckbaren) Monatsfrist (Deliberationsfrist) über den Erwerb der Erbschaft zu erklären (Art. 587 ZGB). Innert der angesetzten Frist kann der Erbe unter den eingangs dieses Absatzes erwähnten vier Möglichkeiten (i)(iv) auswählen (vgl. Art. 588 Abs. 1 ZGB; vgl. aber LEU/BRUGGER, a.a.O., N. 1 zu Art. 588 ZGB, wonach einem Erben diese Wahlmöglichkeit nicht mehr offensteht, wenn er seinen Entscheid unabhängig vom öffentlichen Inventar bereits durch Ausschlagung, vorbehaltlose Annahme Einmischung getroffen hat). 3.2.2. Die Wirkung einer Annahme einer Erbschaft unter öffentlichem Inventar besteht darin,
dass die Schulden des Erblassers, die im Inventar verzeichnet sind, und die Vermögenswerte auf den Erben übergehen (Art. 589 ZGB). Auch die Annahme unter öffentlichem Inventar führt also zu einem Erwerb der Erbschaft nach dem Grundsatz der Universalsukzession (Art. 560 ZGB) mit der Wirkung auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbgangs. Dies gilt uneingeschränkt für die Nachlassaktiven, auch für die nicht im Inventar aufgeführten (NONN/GEHRER CORDEY, a.a.O., N. 1 zu Art. 589 ZGB). Für die Passiven haftet der unter öffentlichem Inventar annehmende Erbe grundsätzlich demgegenüber nur insoweit, als diese im Inventar aufgeführt sind (Art. 589 Abs. 1 und 3 ZGB). Der Inventarisierungseintrag ermöglicht es dem Gläubiger, den Erben im entsprechenden Umfang in gleicher Weise
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zu belangen wie Erben, die vorbehaltlos angenommen haben. Nicht fristgerecht angemeldete Forderungen werden nicht inventarisiert, mit der Folge, dass den Gläubigern des Erblassers die Erben weder persönlich noch mit der Erbschaft haftbar sind (Art. 590 Abs. 1 ZGB). Vorbehalten ist immerhin eine Bereicherungshaftung des unter öffentlichem Inventar annehmenden Erben für Schulden des Erblassers, die der Gläubiger ohne eigene Schuld nicht zur Anmeldung brachte (Art. 590 Abs. 2 ZGB). Das Institut des öffentlichen Inventars erfüllt nach dem Gesagten eine bloss beschränkte Aufgabe: Es dient "einzig" der Information der Erben über die Aktiven und Passiven der Erbschaft und gibt Ersteren in Form des Instituts der Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar die Möglichkeit, die Schuldenhaftung zu beschränken. Es hat keinen konstitutiven Charakter. Der Streit um den (materiellen) Bestand und Inhalt der Aktiven und Passiven der Erbschaft wird nicht im Rahmen der Inventaraufnahme, sondern eines späteren Zivilprozesses geführt (BGE 144 III 313 E. 2.4; anders bzw. präzisierender das Obergericht des Kantons Zürich, wonach das öffentliche Inventar insoweit eine konstitutive Funktion habe, als es den Erben ermögliche, durch Annahme unter öffentlichem Inventar die Haftung für Erbschaftsschulden zu beschränken [Urteil LF180091-O/U vom 7. Mai 2019 E. IV.1 und IV.2]). 3.3. 3.3.1. Mit Bezug auf die Frage, ob die mit der Berufung eingereichten Beilagen zulässige Noven sind, ist der Berufungsklägerin entgegenzuhalten, dass für die Bejahung von deren Zulässigkeit nicht ausreicht, dass die Berufungsklägerin vor Vorinstanz noch nicht über diese verfügte. Vielmehr hätte sie behaupten und belegen müssen, dass es ihr auch unter Aufwendung der zumutbaren Sorgfalt nicht möglich war, diese bereits im erstinstanzlichen Verfahren zu beschaffen und damit über diese zu verfügen (Art. 317 Abs. 1 ZPO sowie Entscheid des Bundesgerichts 5A_266/2015 vom 24. Juni 2015 E. 3.2.2). Die Berufungsklägerin ist schon entsprechende Behauptungen schuldig geblieben. 3.3.2. 3.3.2.1. Was den von der Berufungsklägerin behaupteten Verstoss der Vorinstanz gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör anbelangt, weil die Begründung des vorinstanzlichen Entscheids ungenügend sei, ist dem entgegenzuhalten, dass der Anspruch auf eine Begründung
eines Entscheids in erster Linie dahin geht, dass eine Behörde den von ihr erlassenen Entscheid (überhaupt) begründet, sodass die durch den Entscheid belastete Partei die Möglichkeit erlangt, den Entscheid in voller Kenntnis der Entscheidgründe an die Rechtsmittelinstanz weiterzuziehen; dabei trifft die Behörde keine Pflicht, sich mit allen (unter Umständen auch abwegigen)
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Parteistandpunkten auseinanderzusetzen; vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (anstelle vieler SUTTER-SOMM/CHEVALIER, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO-Kommentar], 3. Aufl., 2016, N. 14 zu Art. 53 ZPO mit Hinweis). Die Vorinstanz hat ihren von der Berufungsklägerin angefochtenen Entscheid ausführlich begründet und die Berufungsklägerin konnte ihn denn auch (sachgerecht) anfechten. Damit ist eine Verletzung der Begründungspflicht zu verneinen. 3.3.2.2. Zur von der Berufungsklägerin behaupteten bzw. suggerierten Verletzung des Anspruchs auf Akteneinsicht ist vorab festzuhalten, dass einer Verfahrenspartei vorbehältlich entgegenstehender schutzwürdiger Interessen der Gegenpartei (vgl. Art. 156 ZPO) die im jeweiligen Verfahrenszeitpunkt vorhandenen Akten zur Einsicht überlassen werden müssen. Daraus kann keine "Aktenerstellungspflicht" (so die Berufungsklägerin) abgeleitet werden in dem Sinne, dass ein Gericht die für eine korrekte Anwendung des materiellen Rechts erforderlichen Akten erstelle. Das Zivilprozessrecht ist vielmehr grundsätzlich von der Verhandlungsmaxime beherrscht; danach ist es Sache der Parteien, dem Gericht die Tatsachen, auf die sie ihre Begehren stützen, darzulegen und die Beweismittel anzugeben (Art. 55 Abs. 1 ZPO). Und selbst im Bereich der von der eingeschränkten uneingeschränkten Untersuchungsmaxime beherrschten Verfahren (Art. 255 lit. b ZPO für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit) trifft die Parteien eine Mitwirkungspflicht bzw. ist das Gericht auf die Mitwirkung der Parteien angewiesen, weil sie den Prozessstoff am besten kennen und dem Gericht kein Ermittlungsapparat zur Verfügung steht (SCHWEIGHAUSER, in: ZPOKommentar, a.a.O., N. 10 zu Art. 296 ZPO). Für den vorliegenden Fall moniert die Berufungsklägerin, mit dem öffentlichen Inventar seien die Steuerakten und die unterjährige Steuererklärung nicht aufgelegt worden. Auch wenn so das Recht auf Akteneinsicht verletzt worden sein sollte, fehlt es an Darlegungen der Berufungsklägerin darüber, welche Konsequenz diese Rüge mit Blick auf den Ausgang des Verfahrens haben soll. Da es aber an einem Rechtsschutzinteresse für die gestellten Begehren fehlt (dazu E. 3.3.4.), ist die Gehörsverletzung von vornherein
nicht geeignet, den von der Berufungsklägerin gewünschten Entscheid zu bewirken (Urteil des Bundesgerichts 5A_593/2020 vom 17. Februar 2021 E. 7.2). 3.3.3. Unklar ist, was die Berufungsklägerin mit dem Hinweis bezweckt, die Berufungsbeklagte sei als vom Erblasser maximal begünstigte Erbin von diesem auch als Willensvollstreckerin eingesetzt worden. Zwar kann eine
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Interessenkollision dem Willensvollstrecker die gehörige Erfüllung seiner Pflichten verunmöglichen und so Grund für eine Absetzung vom Amt setzen. Indes bedeutet die Tatsache, dass der Erblasser einen Erben zum Willensvollstrecker bestimmt hat, für sich allein genommen noch nicht die Unmöglichkeit zur gehörigen Pflichterfüllung; eine solche Unmöglichkeit muss sich aus anderen Umständen ergeben (vgl. LEU, Basler Kommentar zum ZGB, Band II, a.a.O., N. 104 zu Art. 518 ZGB mit Hinweisen). Die Berufungsklägerin hat im vorliegenden Verfahren keine solche Umstände vorgebracht, sodass nicht weiter auf das Vorliegen einer (konkreten) Interessenkollision einzugehen ist. 3.3.4. 3.3.4.1. Die Rechtsnatur und die in E. 3.2.2 beschriebenen Rechtswirkungen des im summarischen Verfahren zu erstellenden öffentlichen Inventars (Art. 580 ff. ZGB) haben spezifische Auswirkungen auf das Erfordernis des Rechtsschutzinteresses, das von ZÜRCHER (in: ZPO-Kommentar, a.a.O., N. 12 zu Art. 59 ZPO) als "wohl grundlegendste Prozessvoraussetzung" bezeichnet wird. Die Gerichtsbarkeit soll nicht zur Klärung von Fragen zur Verfügung gestellt werden, die für die Parteien insoweit ohne Relevanz sind, dass durch ihre Klärung ihre rechtliche Position nicht verändert wird. Aus dieser Überlegung heraus steht etwa einer Partei kein Rechtsmittel zur Verfügung, wenn sie keine Änderung des Entscheiddispositivs, sondern lediglich die Änderung der dem Entscheid gegebenen Begründung verlangt. Wird lediglich zu diesem Zweck ein Rechtsmittel erhoben, wird auf dieses mangels Beschwer (als spezifische Ausformung des Rechtsschutzinteresses im Rechtsmittelverfahren) nicht eingetreten (vgl. REETZ, in: ZPO-Kommentar, a.a.O., N. 33 der Vorbemerkungen zu Art. 308-318 ZPO). Wie bereits erwähnt, soll ein öffentliches Inventar einen möglichst genauen Überblick über die Erbmasse (Aktien und Passiven) geben (vgl. E. 3.2.2). Daraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass jede während der Auflagefrist gemäss Art. 584 Abs. 1 ZGB verlangte Berichtigung bzw. Ergänzung vorgenommen werden muss. Vielmehr ist mit Blick auf die Voraussetzung des Rechtsschutzinteresses zwischen dem Erben, der die Erstellung des öffentlichen Inventars verlangt hat, und den Gläubigern des Erblassers zu differenzieren: 3.3.4.1.1. Ein Rechtsschutzinteresse zur Ergreifung eines
Rechtsmittels gegen einen die Ergänzung Korrektur ablehnenden Entscheid ist selbstredend dem Gläubiger des Erblassers zuzubilligen, weil er bei einer Nichtinventarisierung seiner Forderung (trotz fristgerechter Anmeldung) im Falle der Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar durch den Erben diesem gegenüber seines Anspruchs verlustig geht (Art. 590 ZGB; PFYL, a.a.O., S. 11 f., Fn. 21; LEU/BRUGGER, a.a.O., N. 8 zu Art. 584 ZGB;
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TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, 1964, N. 5 zu Art. 584 ZGB). Zu betonen ist hier, dass eine vom Gläubiger des Erblassers verlangte nachträgliche Aufnahme seiner Forderung in das öffentliche Inventar bzw. dessen nachträgliche Berichtigung nur dann vorgenommen werden kann, wenn er die Forderung innert der Auskündungsfrist angemeldet hat bzw. die angemeldete Forderung nicht im eingegebenen, sondern einem zu tiefen Betrag in das Inventar aufgenommen worden ist (PFYL, a.a.O., S. 12 f.; TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 5 zu Art. 584 ZGB; dazu dass eine vom Gläubiger angemeldete Forderung nicht noch im Sinne von Art. 581 Abs. 1 in fine ZGB zu schätzen ist, LEU/BRUGGER, a.a.O., N. 13 zu Art. 581 ZGB). 3.3.4.1.2. Anders verhält es sich bezüglich des Rechtsschutzinteresses aufseiten des Erben. Schon darüber, ob die Erben ihrerseits bereits im summarischen Inventarverfahren rügen können sogar, auf die Gefahr hin, sonst mit dem Einwand ausgeschlossen zu sein, rügen müssen, es sei ein Passivum formal nicht korrekt ins Inventar aufgenommen werden, besteht in der Rechtsprechung keine Einigkeit. Das Obergericht des Kantons Zürich weist im Beschluss vom 6. Mai 2019 (VB190002) darauf hin, dass vier Konstellationen denkbar sind: (a) Die Erben können sich gegen die formell fehlerhafte Inventarisierung einer Forderung, d.h. deren Inventarisierung trotz verspäteter Anmeldung und trotz fehlender Voraussetzungen von Art. 583 ZGB, überhaupt nicht wehren; (b) die Erben können sich gegen eine zu Unrecht erfolgte Inventarisierung erst im Rahmen eines ordentlichen Zivilprozesses wehren; (c) eine Inventarisierung kann im summarischen Verfahren mit eingeschränkter Willkürkognition, aber alsdann auch in einem späteren Zivilprozess, dann mit voller Kognition, auf ihre formelle Rechtsmässigkeit überprüft werden; (d) die Frage der formellen Rechtmässigkeit einer Inventarisierung (eines Passivums) muss abschliessend im summarischen Verfahren erfolgen. Das Obergericht des Kantons Zürich gelangt dabei zum Schluss, die Auffassung (d) überzeuge aus Gründen der Symmetrie, weil so die Inventarisierung der Erbschaftspassiva in beide Richtungen verbindlich würde. Demgegenüber hat das Bundesgericht in BGE 144 III 313 (E. 3.2) dafürgehalten, dass auch die Frage, ob eine Forderung rechtzeitig angemeldet die Präklusionswirkung von Art. 590
ZGB eingetreten sei, nicht schon bei der Aufnahme des Inventars, sondern in einem nachfolgenden Zivilprozess zu entscheiden sei; hieran ändere nichts, dass Erbschaftsgläubiger berechtigt seien, gegen die Nichtaufnahme ihrer Forderung in das Inventar vorzugehen. Die vom Obergericht des Kantons Zürich im besagten Beschluss vertretene Auffassung überzeugt nicht. Symmetriegründe erscheinen als Argument unpassend, weil sich die Ausgangssituation für Gläubiger und Erben hinsichtlich der Erbschaftspassiva unterschiedlich gestaltet. Der Gläubiger
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muss auf die Gefahr hin, sonst für den Fall der Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar, seiner Forderung verlustig zu gehen (Art. 590 Abs. 1 ZGB), im summarischen Verfahren handeln. Demgegenüber ist nicht einzusehen, wieso der Erbe bloss aus Symmetriegründen gezwungen sein soll, seine Einwendungen gegen eine angeblich formell unrechtmässige Aufnahme einer Erbschaftsschuld im Inventar einerseits im summarischen und die materiellen Einwendungen anderseits im ordentlichen Verfahren vorzubringen. Ob dagegen die Variante (b) (so offenbar das Bundesgericht in BGE 144 III 313 E. 3.2) die Variante (c) vorzuziehen ist, ist vorliegend nicht zu entscheiden, weil die von der Berufungsklägerin erhobenen Einwendungen ausschliesslich auf Erbschaftsaktiva bzw. deren Wert bezogen sind. Was die hier interessierende (angeblich fehlerhafte) Aufnahme von Aktiven bzw. deren (angeblich fehlerhafte) Bewertungen anbelangt, ist von vornherein zweifelhaft, ob Erben im summarischen Inventarverfahren geltend machen können, es seien Erbschaftsaktiven zu Unrecht ins Inventar aufgenommen bzw. nicht aufgenommen worden und/oder Aktiven seien im Inventar zu tief bzw. zu hoch bewertet. Auf jeden Fall erwähnen weder das Bundesgericht (in BGE 144 III 313 E. 2.4 [worauf die Berufungsklägerin explizit Bezug nimmt, Berufung S. 10], aber auch E. 3.2) noch das Obergericht des Kantons Zürich (in seinen Parallelfällen LF180091-O/U und VB190002), dass die Weigerung der Inventurbehörde, ein Aktivum ins Inventar aufzunehmen ein Aktivum anders zu bewerten, vom antragstellenden Erben mit einem Rechtsmittel angefochten werden kann. Ein entsprechendes Rechtsschutzinteresse ist leichthin auch nicht ersichtlich. Denn: Alle Aktiven einer Erbschaft (ob den Erben bekannt nicht) gehen im Sinne von Art. 560 Abs. 1 ZGB auch dann auf die Erben über, wenn diese die Erbschaft unter öffentlichem Inventar annehmen. Ist ein Erbe der Auffassung, es seien Aktiven zu Unrecht nicht ins Inventar aufgenommen worden bzw. diese seien zu tief zu hoch bewertet, ist nicht ersichtlich, inwiefern ein Interesse daran bestehen kann, deswegen das öffentliche Inventar auf dem Rechtsmittelweg anzufechten, weil der Streit um den materiellen Bestand und Inhalt der Aktiven (und Passiven) der Erbschaft erst im späteren Zivilprozess ausgetragen werden
kann (BGE 144 III 313 E. 2.4). Bei dieser Sachlage ist es dem betroffenen Erben doch ohne Weiteres möglich, aufgrund des Inventars und seines zusätzlichen Wissens (das auch falsch sein kann) seinen Entscheid im Sinne von Art. 588 ZGB auch ohne entsprechende Korrektur des Inventars zu treffen, womit der Zweck der Inventarerstellung erreicht ist. Eine Ausnahme ist wohl zuzulassen für den Fall, dass die in Art. 581 Abs. 1 in fine ZGB vorgeschriebene Schätzung eines mehrerer Inventarstücke ausgeblieben ist und ein Erbe dies rügt und dabei glaubhaft darlegt, dass die entsprechende Schätzung (auch wenn sie für einen späteren Zivilprozess nicht bindend ist) ausschlaggebend dafür ist, von welcher der
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nach Art. 588 ZGB offenstehenden Optionen Gebrauch gemacht wird. Dagegen ist für den Fall, dass eine Schätzung vorliegt, grundsätzlich kein schützenswertes Interesse eines Erben ersichtlich, dass in einem Rechtsmittelverfahren ein höherer Wert festgestellt werde, nachdem dieser sowieso keine Verbindlichkeit für einen späteren Zivilprozess zu erlangen vermöchte (LEU/BRUGGER, a.a.O., N. 13 zu Art. 581 ZGB). 3.3.4.2. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen ist ein Rechtsschutzinteresse der Berufungsklägerin an der Berichtigung des von ihr als Berufungsbeilage 4 unvollständig (vgl. das bei den Akten liegende Original) eingereichten öffentlichen Inventars ohne Weiteres zu verneinen. Gemäss dem errichteten öffentlichen Inventar belief sich das "Gesamtgut netto" vom Erblasser und der Berufungsbeklagten auf nicht weniger als Fr. 9'546'410.00, wobei eine einzige Schuld (eine Grundpfandschuld über Fr. 670'000.00 = 2 x Fr. 335'000.00) als Passivum ins Inventar aufgenommen worden ist. An diesem Nettogesamtgut ist zur einen Hälfte die Berufungsbeklagte (güterrechtlich) und zur anderen Hälfte die Erben des Erblassers, darunter die Berufungsklägerin und die Berufungsbeklagte (erbrechtlich), zur gesamten Hand berechtigt. Unter diesen Umständen ist im vorliegenden Fall eine Überschuldung der Erbschaft klar und deutlich ausgeschlossen. Eine solche wird von der Berufungsklägerin denn auch nicht behauptet. Damit ist kein Interesse der Berufungsklägerin ersichtlich und von dieser auch nicht dargetan, wieso sie mit Blick auf den von ihr zu treffenden Entscheid nach Art. 588 ZGB eines korrigierten öffentlichen Inventars bedarf, in das zusätzliche Aktiven (Hausrat, Fahrzeuge, Bargeldbestand, Gold und Edelmetalle sowie [ausgleichungspflichtige] Schenkungen) besser/richtig bzw. überhaupt beziffert aufzunehmen wären, zumal die Berufungsklägerin selber auf das Urteil 5A_791/2017 des Bundesgerichts (= BGE 144 II 313) E. 2.4 hinweist. 3.4. Nach dem Gesagten ist auf die Berufung mangels Rechtsschutzinteresses der Berufungsklägerin nicht einzutreten. 4. Die Berufungsbeklagte hat in ihrer Stellungnahme vom 15. Januar 2024 den Antrag gestellt, die Berufung sei abzuweisen, "soweit über die in Ziff. 2.6 nachfolgend erwähnte Vermögensposition hinausgehend". In besagter Ziffer 2.6 wird ausgeführt, dass, soweit die Ergänzung
des öffentlichen Inventars ganz teilweise gutgeheissen würde, zusätzlich eine Schuld von ihr und dem Erblasser von Fr. 143'160.00 gegenüber ihrem Bruder G._____, aufzunehmen wäre; es handle sich um Gelder, die sie von diesem erhalten hätten und die an diesen zurückzubezahlen seien.
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Der Sache nach handelt es sich hierbei um eine Anschlussberufung, wird damit doch selbständig die Abänderung des öffentlichen Inventars verlangt. Dass die Berufungsbeklagte dies abhängig vom Ausgang der Berufung macht, ändert an der Qualifikation des Antrags nichts. Ein Rechtsmittel ist allerdings bedingungsfeindlich (vgl. REETZ, a.a.O., N. 49 der Vorbemerkungen zu Art. 308-318 ZPO), weshalb auf die sinngemäss erhobene Anschlussberufung, welche im Summarverfahren bereits grundsätzlich unzulässig ist (Art. 314 Abs. 2 ZPO), nicht einzutreten ist. 5. Die Parteien haben den Streitwert der Berufung nicht beziffert. Anhand der Vorbringen in der Berufung ergibt sich hier ein Streitwert von Fr. 423'034.00 (Fr. 366'000.00 für Hausrat [Berufung S. 7]; Fr. 25'550.00 [= Fr. 44'000.00 Tesla ./. Fr. 18'450.00] für das Fahrzeug Tesla X [Berufung S. 8, öffentliches Inventar S. 8, Berufungsreplik S. 5]; Fr. 23'484.00 für Bargeld/Gold/Edelmetalle [Berufung S. 8 f.]; Fr. 8'000.00 für Schenkungen [Berufungsreplik S. 4 f.]). Derjenige der Anschlussberufung ist auf Fr. 143'160.00 festzusetzen, womit der Gesamtstreitwert ermessensweise mit Fr. 566'194.00 zu beziffern ist. Beim vorliegenden Verfahrensausgang (Nichteintreten auf die Berufung und die Anschlussberufung) sind die Gerichtskosten (Entscheidgebühr) von Fr. 2'500.00 gemäss § 8 VKD zu drei Vierteln mit Fr. 1'875.00 der Berufungsklägerin und zu einem Viertel mit Fr. 625.00 der Berufungsbeklagten aufzuerlegen. Der Anteil der Berufungsklägerin (Fr. 1'875.00) wird mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 1'000.00 verrechnet, sodass sie der Gerichtkasse noch Fr. 875.00 zu bezahlen hat. Die Berufungsklägerin hat der Berufungsbeklagten zudem die Hälfte der im Berufungsverfahren angefallenen Parteikosten zu ersetzen (Art. 106 Abs. 1 ZPO analog). Die Grundentschädigung gemäss AnwT beträgt beim Gesamtstreitwert von Fr. 566'194.00 Fr. 13'193.75 (§ 3 Abs. 1 lit. a AnwT; davon 40 %, § 3 Abs. 2 AnwT). Unter Berücksichtigung eines 20 %-Abzugs für die entfallene Verhandlung gemäss § 6 Abs. 2 AnwT, der zur Hälfte durch einen 10 %-Zuschlag für die "Duplik" vom 19. Februar 2024 kompensiert wird (§ 6 Abs. 3 AnwT), und des Rechtsmittelabzugs von 25 % (§ 8 AnwT), resultiert eine Entschädigung inkl. Auslagenpauschale von 3 % und 8.1 % Mehrwertsteuer von gerundet Fr. 9'916.00
(= Fr. 13'193.75 x 0.9 x 0.75 x 1.03 x 1.081). Hiervon hat die Berufungsklägerin der Berufungsbeklagten ausgangsgemäss die Hälfte, d.h. Fr. 4'958.00, zu ersetzen.
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Das Obergericht erkennt: 1. Auf die Berufung wird nicht eingetreten. 2. Auf die Anschlussberufung wird nicht eingetreten. 3. Die obergerichtliche Entscheidgebühr von Fr. 2'500.00 wird zu drei Vierteln der Berufungsklägerin mit Fr. 1'875.00 und zu einem Viertel der Berufungsbeklagten mit Fr. 625.00 auferlegt. Der Anteil der Berufungsklägerin wird mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 1'000.00 verrechnet, sodass sie noch Fr. 875.00 der Gerichtskasse zu bezahlen hat. 4. Die Berufungsklägerin wird verpflichtet, der Berufungsbeklagten die Hälfte der zweitinstanzlichen Parteikosten in der gerichtlich festgesetzten Höhe von Fr. 9'916.00 (inkl. Auslagen und MWSt), somit Fr. 4'958.00, zu ersetzen. Zustellung an: [...]
Rechtsmittelbelehrung für die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff., Art. 90 ff. BGG) Gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen, kann innert 30 Tagen, von der schriftlichen Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des Entscheides an gerechnet, die Beschwerde an das Schweizerische Bundesgericht erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Streitwert in arbeits- und mietrechtlichen Fällen mindestens Fr. 15'000.00 bzw. in allen übrigen Fällen mindestens Fr. 30'000.00 beträgt, es sei denn, es stelle sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung es handle sich um einen Entscheid des Konkurs- und Nachlassrichters (Art. 44 Abs. 1, Art. 72, Art. 74, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 und Art. 112 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde ist schriftlich in elektronischer Form beim Schweizerischen Bundesgericht einzureichen (Art. 42 BGG). Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschriften bzw. eine anerkannte elektronische Signatur zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht (Art. 95 ff. BGG) verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, ist auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist. Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in den Händen hat; ebenso ist der angefochtene Entscheid beizulegen (Art. 42 BGG). Der Streitwert des kantonalen Verfahrens beträgt mehr als Fr. 30'000.00.
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Aarau, 5. August 2024 Obergericht des Kantons Aargau Zivilgericht, 3. Kammer Die Präsidentin:
Der Gerichtsschreiber:
Massari
Tognella
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