Zusammenfassung des Urteils UH180187: Obergericht des Kantons Zürich
Der Beschwerdeführer wurde angeklagt, weil er betrunken Fahrrad gefahren ist und dabei gestürzt ist. Die Staatsanwaltschaft ordnete eine Blutuntersuchung an, um den Alkoholgehalt im Blut zu bestimmen. Der Beschwerdeführer hat gegen diese Anordnung Beschwerde eingelegt, da er nur ein motorloses Fahrrad fuhr und nicht ein Motorfahrzeug. Letztendlich entschied das Obergericht des Kantons Zürich, dass die Anordnungen der Staatsanwaltschaft rechtens waren und wies die Beschwerde ab.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UH180187 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 09.08.2018 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Untersuchungsbefehl und Auftrag für ein Gutachten Sachverständiger für eine Blutprobe |
Schlagwörter : | Staatsanwaltschaft; Alkohol; Fahrzeug; Blutprobe; Strasse; Atemluft; Atemalkoholprobe; Verfügung; Strassen; Fahrrad; Anordnung; Blutalkoholkonzentration; Liter; Motorfahrzeug; Zustand; Recht; Bundesgericht; Strassenverkehr; Werte; Erwägung; Blutentnahme; Erwägungen; Messung; Messgerät; Übertretung; Beweis |
Rechtsnorm: | Art. 1 SVG ;Art. 10 BV ;Art. 251 StPO ;Art. 31 SVG ;Art. 428 StPO ;Art. 55 SVG ; |
Referenz BGE: | 124 I 80; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UH180187-O/U/HON
Verfügung vom 9. August 2018
in Sachen
Beschwerdeführer
gegen
Beschwerdegegnerin
betreffend Untersuchungsbefehl und Auftrag für ein Gutachten Sachverständiger für eine Blutprobe
Erwägungen:
Der Beschwerdeführer lenkte am 20. April 2018, um 23.57 Uhr, sein Fahrrad von der B. in C. an seinen Wohnort, wobei er auf der D. - Strasse in C. stürzte. Ein Atemlufttest ergab einen Wert von 0.84 mg Alkohol pro Liter Atemluft (21.4.2018, 0:17 Uhr) und ein zweiter einen solchen von
0.86 mg Alkohol pro Liter Atemluft (21.4.2018, 0:22 Uhr; Urk. 8/1).
Der Beschwerdeführer wurde sodann durch die Sanität zwecks Behandlung ins Spital E. gebracht und es wurde im Einverständnis mit dem Beschwerdeführer und in Rücksprache mit der zuständigen Staatsanwältin eine BlutEntnahme angeordet (Urk. 8/6 S. 2)
Mit Verfügung vom 2. Mai 2018 bestätigte und begründete die Staatsanwaltschaft schriftlich die mündliche Anordnung einer Blutuntersuchung zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration und damit verbunden einer Blutentnahme durch den Arzt. Sie beauftragte die Leitung des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich, die Blutprobe auszuwerten, die Blutalkoholkonzentration zu bestimmen und in einem Kurzgutachten entsprechende Fragen zu beantworten (Urk. 4 S. 3).
Am 7. Mai 2018 erhob der Beschwerdeführer dagegen fristgerecht Beschwerde. Er beantragt, es sei auf die Blutauswertung zu verzichten (Urk. 2).
Die Staatsanwaltschaft nahm am 30. Mai 2018 Stellung (Urk. 7) und reichte ihre Akten ein (Urk. 8). Sie stellt keine Anträge, hält in ihren Erwägungen indes an ihrer Verfügung fest (Urk. 7).
Der Beschwerdeführer nahm hierzu am 20. Juni 2018 erneut Stellung. Er hält an seiner Beschwerde fest (Urk. 11). Die Staatsanwaltschaft verzichtete am 4. Juli 2018 auf weitere Vernehmlassung (Urk. 14).
Das Verfahren erweist sich als spruchreif. Auf die Vorbringen der Parteien ist, soweit zur Entscheidfindung notwendig, in den nachfolgenden Erwägungen einzugehen.
Die Staatsanwaltschaft ordnete zusammengefasst mit der Begründung eine Blutuntersuchung an, der Atemlufttest habe einen Wert von 0.84 mg Alkohol pro Liter Atemluft (1. Messung) bzw. von 0.86 mg Alkohol pro Liter Atemluft (2. Messung) ergeben. Somit bestehe der dringende Verdacht, dass der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG (Strassenverkehrsgesetz vom 10. Dezember 1958, SR 741.01) ein Motorfahrzeug in fahrunfähigem Zustand geführt habe. Eine Blutprobe stelle das zum Zweck der Beweisführung geeignete Beweismittel dar, mit dem die tatsächliche Blutalkoholkonzentration zur Zeit der Blutentnahme festgestellt werden könne (Urk. 4). In ihrer Vernehmlassung ergänzte die Staatsanwaltschaft, sie habe sich auf Art. 12 Abs. 1 lit. a SKV (Strassenverkehrskontrollverordnung vom 28. März 2007, SR 741.01) gestützt, wonach eine Blutprobe anzuordnen sei, wenn das Resultat einer Atemalkoholprobe mit einem Testgerät über den Werten liege, die anerkannt werden könnten, und keine Atemalkoholprobe mit einem Messgerät durchgeführt werden könne. Da der mit einem Testgerät gemessene Wert von der betroffenen Person nur anerkannt werden könne, sofern er zwischen 0.25 mg/l und 0,54 mg/l liege (Art. 11 SKV), habe der Beschwerdeführer den bei ihm gemessenen Wert von 0.8 mg/l nicht anerkennen können. Eine Alkoholprobe mit einem Messgerät habe sodann nicht erfolgen können, da der Beschwerdeführer durch die Sanität umgehend zwecks Behandlung ins Spital E. gebracht worden sei (Urk. 7).
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei lediglich mit einem motorlosen Fahrrad [und nicht mit einem Motorfahrzeug] unterwegs gewesen. Somit sei die von der Staatsanwaltschaft erwähnte Bestimmung (Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG) nicht anwendbar. Für Fahrradfahrer gelte Art. 91 Abs. 1 lit. c SVG. Lenker von Motorfahrzeugen seien nicht gleich zu behandeln wie Lenker von motorlosen Fahrzeugen. Wer ein motorloses Fahrzeug lenke, begehe eine Übertretung und eine Blutentnahme bzw. deren teure Auswertung sei in diesem Zusammenhang unverhält-
nismässig. Es fehle die Rechtsgrundlage für eine teure Blutauswertung, weshalb darauf zu verzichten sei (Urk. 2 und 11).
Die Blutprobe stellt eine Untersuchung des körperlichen Zustands (Art. 251 StPO) dar und ist eine strafprozessuale Zwangsmassnahme (Art. 196 ff. StPO), welche in die persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) insbesondere in das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit eingreift. Gemäss Bundesgericht liegt indes grundsätzlich nur einen geringfügigen Eingriff in die persönliche Freiheit vor, sofern im konkreten Einzelfall keine aussergewöhnlichen gesundheitlichen Risiken bestehen (BGE 124 I 80 E. 2d)). Die Rechtsgrundlagen für die Anordnung einer Blutprobe im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr sind im SVG und in der SKV enthalten (Art. 55 Abs. 3, Abs. 3 bis und Abs. 4 SVG; Art. 12, Art. 12a und Art. 12b SKV.).
Wer ein motorloses Fahrzeug in fahrunfähigem Zustand führt, macht sich einer Übertretung strafbar (Art. 91 Abs. 2 lit. c i. V. m. Art. 31 Abs. 2 SVG). Fahrunfähigkeit wegen Alkoholeinwirkung (Angetrunkenheit) gilt als erwiesen, wenn der Fahrzeugführer die Fahrzeugführerin eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 0.5 Gewichtspromille (gleichgestellt ist eine Alkoholmenge im Körper, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt) eine Atemalkoholkonzentration von mindestens 0.25 mg Alkohol pro Liter Atemluft aufweist (Art. 1 lit. a-c der Verordnung der Bundesversammlung über Alkoholgrenzwerte im Strassenverkehr vom 15. Juni 2012, SR 741.13, i. V. m. Art. 2 Abs. 1 der Verkehrsregelverordnung
(VRV) vom 13. November 1962, SR 741.11).
Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer können ohne Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Atemalkoholprobe unterzogen werden (Art. 55 Abs. 1 SVG). Eine solche kann die Polizei mit einem Atemalkoholtestgerät (Testgerät) einem Atemalkoholmessgerät (Messgerät) durchführen (Art. 10 Abs. 5 i. V. m. Art. 10a, Art. 11 und Art. 11a SKV).
Beweissicher ist die Atemalkoholprobe mit einem Messgerät (Art. 10a Abs. 1 lit. b i. V. m. Art. 11a SKV). So gemessene Werte erbringen den vollen Beweis für die Fahrunfähigkeit (Art. 55 Abs. 6 lit. a SVG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 lit. b der Verordnung der Bundesversammlung über Alkoholgrenzwerte im Strassenverkehr).
Für die Durchführung der Atemalkoholprobe mit einem Testgerät sind zwei Messungen erforderlich (Art. 11 Abs. 2 SKV). Massgebend ist der tiefere Wert der beiden Messungen. Dieser kann von der betroffenen Person, welche ein motorloses Fahrzeug ein Motorfahrrad geführt hat, unterschriftlich anerkannt werden, wenn er einer Atemalkoholkonzentration von 0.25 mehr, aber weniger als 0.55 mg/l entspricht (Art. 10a Abs. 2 i. V. m. Art. 11 Abs. 3 lit. c SKV).
Eine Blutprobe ist unter anderem anzuordnen, wenn das Resultat einer Atemalkoholprobe mit einem Testgerät über den Werten liegt, die unterschriftlich anerkannt werden können, und keine Atemalkoholprobe mit einem Messgerät durchgeführt werden kann (Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 SKV).
Anders als es der Beschwerdeführer geltend zu machen scheint (Urk. 2), gelten die erwähnten Bestimmungen, und damit auch die Möglichkeit der Anordnung einer Blutprobe, auch für Radfahrer, weil das Fahrrad ein motorloses Fahrzeug darstellt (Art. 1 Abs. 1 SVG) und Art. 1 Abs. 2 SVG festhält, dass die Verkehrsregeln für Radfahrer auf allen dem öffentlichen Verkehr dienenden Strassen gelten.
Vorliegend liegt der beim Beschwerdeführer mittels Atemluft test gemessene, tiefere Wert mit 0.84 mg/l (deutlich) über dem Wert von weniger als 0.55 mg/l, bei welchem eine Anerkennung gemäss Art. 11 Abs. 3 lit. c SKV möglich ist. Eine beweissichere Atemalkoholprobe (BAP-Probe) mit einem Messgerät auf dem Polizeiposten im Sinne von Art. 11a SKV konnte nicht durchgeführt werden, da der Beschwerdeführer nach seinem Selbstunfall durch die Sanität ins Spital E. gebracht wurde (Urk. 8/6 S. 2). Somit ist es folgerichtig, dass die Staatsanwaltschaft gestützt auf Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 SKV eine Blutuntersuchung anordnete.
Daran ändert es nichts, dass die Staatsanwaltschaft in der angefochtenen Verfügung fälschlicherweise auf Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG verwies und dem Beschwerdeführer damit implizit unterstellte, er habe in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkoholoder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug geführt, was ein Vergehen darstellt, obwohl der Beschwerdeführer unbestritten ein motorloses Fahrzeug (Fahrrad) führte, was bei Fahren in fahrunfähigem Zustand lediglich als Übertretung zu qualifizieren ist. In diesem Zusammenhang ebenfalls unerheblich ist die fehlerhafte Erwägung der Staatsanwaltschaft, der Beschwerdeführer habe sich der Blutentnahme widersetzt, was unbestritten nicht der Fall war (vgl. Urk. 4, Aktennotiz vom 4. Mai 2018).
Entgegen dem Beschwerdeführer (Urk. 11) tragen die Regelungen im SVG sowie der SKV dem Verhältnismässigkeitsprinzip Rechnung. Gemäss Art. 11 Abs. 3 lit. a SKV können Führende motorloser Fahrzeuge und von Motorfahrrä- dern nämlich deutlich höhere Werte anerkennen als Motorfahrzeugführende, bei welchen lediglich Werte von weniger als 0.4 mg/l anerkannt werden können (Art. 11 Abs. 3 lit. a SKV). Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass es sich beim alkoholisierten Führen eines Fahrrads um einen mit Busse bestraften Übertretungstatbestand handelt und die Kosten einer Blutanalyse nicht in einem Missverhältnis zur erwarteten Busse stehen sollen. Dass der Wert, welcher anerkannt werden kann, nicht zu hoch angesetzt wurde, liegt darin begründet, dass sich auch in diesen Fällen Fragen der Zurechnungsfähigkeit und bei mehrmaliger Tatbegehung der Fahreignung stellen können (vgl. Erlassvorschläge (neu) mit Erläuterungen / SKV, https://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/1328/Beila ge01_ SKV_d.pdf, besucht am 8.8.2018).
Im Ergebnis sind die Anordnungen der angefochtenen Verfügung Untersuchungsbefehl und Auftrag für ein Gutachten Sachverständiger für eine Blutprobe vom 2. Mai 2018 somit nicht zu beanstanden.
juristischer Laie davon ausgehen musste, dass diese Fehler sich in den getroffenen Anordnungen zu seinen Ungunsten ausgewirkt haben bzw. die Korrektur dieser Fehler auch zu einer Korrektur der getroffenen Anordnungen führen würde. Aus diesem Grund rechtfertigt es sich, ausnahmsweise von einer Kostenauflage abzusehen. Ein Anspruch auf Entschädigung ist indessen nicht ersichtlich und wurde zu Recht nicht geltend gemacht.
Es wird verfügt:
(Oberrichter lic. iur. Th. Meyer)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.
Schriftliche Mitteilung an:
den Beschwerdeführer (per Gerichtsurkunde)
die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis, ad B-5/2018/10013907, unter gleichzeitiger Rücksendung der beigezogenen Akten [Urk. 8] (gegen Empfangsbestätigung)
Gegen diesen Entscheid kann unter den einschränkenden Voraussetzungen von Art. 93 des Bundesgerichtsgesetzes Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Ersten öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen. Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 9. August 2018
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Präsident:
lic. iur. Th. Meyer
Gerichtsschreiberin:
Dr. A. Murer Mikolásek
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