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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils UH160290: Obergericht des Kantons Zürich

Der Beschwerdeführer A. wurde wegen Verbrechen und Übertretungen des Betäubungsmittelgesetzes verurteilt. Das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich beantragte eine stationäre Massnahme anstelle der ambulanten Behandlung. Das Bezirksgericht Winterthur wies den Antrag ab und ordnete ein Ergänzungsgutachten an. A. legte Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich ein. Das Gericht entschied, dass die Beschwerde unbegründet ist und wies sie ab.

Urteilsdetails des Kantongerichts UH160290

Kanton:ZH
Fallnummer:UH160290
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UH160290 vom 06.12.2016 (ZH)
Datum:06.12.2016
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_104/2017
Leitsatz/Stichwort:Nichteintretens- und Sistierungsantrag / Einholung ergänzendes Gutachten
Schlagwörter : Massnahme; Verfahren; Gericht; Beschwer; Entscheid; Gericht; Behandlung; Vollzug; Verfahrens; Bezirksgericht; Winterthur; Anordnung; Recht; Aufhebung; Verfügung; Vollzugs; Beschluss; Staatsanwaltschaft; Ergänzungsgutachten; Täter; Sistierung; Sistierungsantrag; Gutachten; Freiheitsstrafe; Antrag; Urteil; Nichteintretens
Rechtsnorm:Art. 135 StPO ;Art. 364 StPO ;Art. 382 StPO ;Art. 385 StPO ;Art. 390 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 59 StPO ;Art. 60 StGB ;Art. 63 StGB ;Art. 63a StGB ;Art. 63b StGB ;Art. 92 BGG ;
Referenz BGE:140 IV 202;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts UH160290

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UH160290-O/U/BEE

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, Oberrichterin lic. iur.

F. Schorta und Ersatzoberrichter Dr. iur. T. Graf sowie Gerichtsschreiberin Dr. iur. C. Schoder

Beschluss vom 6. Dezember 2016

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

  1. Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich,
  2. Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,

Beschwerdegegnerinnen

betreffend Nichteintretensund Sistierungsantrag / Einholung ergänzendes Gutachten

Beschwerde gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Winterthur vom 5. September 2016, DA160005-K

Erwägungen:

I.
  1. A.

    wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Winterthur vom 17. April 2013

    eines Verbrechens im Sinne des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG; SR 812.121) sowie der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes schuldig gesprochen und mit einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten (abzüglich 135 Tage Untersuchungshaft) sowie einer Busse von CHF 900.-bestraft. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde zugunsten einer ambulanten Behandlung im Sinn von Art. 63 StGB aufgeschoben.

  2. Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl führt gegen A. seit dem 25. Februar 2016 eine neue Strafuntersuchung wegen mehrfacher Sachbeschädigung, mutmasslich begangen im Zeitraum vom 1. November 2015 bis

    1. Februar 2016 (vgl. Urk. 9/23).

    2. Mit Verfügung vom 11. April 2016 (Urk. 9/1) hob das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich (JUV) die mit Urteil des Bezirksgerichts Winterthur vom

      17. April 2013 angeordnete ambulante Massnahme auf und beantragte bei ebendiesem Gericht die Anordnung einer stationären Massnahme im Sinn von Art. 60 StGB unter nochmaligem Aufschub des Vollzugs der Freiheitsstrafe.

      Die Staatsanwaltschaft Winterthur-Unterland beantragte am 2./8. Juni 2016, ein Ergänzungsgutachten zur Frage einzuholen, ob eine stationäre Mass-

      nahme die Rückfallgefahr von A.

      vermindern könnte und ob eine solche Massnahme zu empfehlen sei (Urk. 9/8 resp. Urk. 9/9).

      A.

      beantragte, auf den Antrag des JUV nicht einzutreten, eventualiter

      das Verfahren bis zum Abschluss des neuen laufenden Strafverfahrens zu sistieren, subeventualiter von der Anordnung einer stationären Massnahme abzusehen und die Freiheitsstrafe unter Anrechnung der Untersuchungshaft

      und unter angemessener Anrechnung der durch die bisherige ambulante Massnahme entstandenen Freiheitsbeschränkungen zu vollziehen, alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse (Urk. 9/20).

    3. Mit Beschluss vom 5. September 2016 (Urk. 3) entschied das Bezirksgericht

      Winterthur, den Nichteintretens- und Sistierungsantrag von A. weisen und ein Ergänzungsgutachten einzuholen.

      abzu-

    4. Mit Eingabe vom 19. September 2016 (Urk. 2) erhob A.

      bei der

      III. Strafkammer des Obergerichts Zürich Beschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Bezirksgerichts sei aufzuheben, auf den Antrag des JUV (Prüfung der Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 60 StGB) sei nicht einzutreten, eventualiter sei das vorinstanzliche Verfahren bis zum Abschluss des laufenden Strafverfahrens zu sistieren und es sei von der Einholung eines ergänzenden Gutachtens abzusehen, alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen sowohl im vorinstanzlichen als auch im Beschwerdeverfahren zulasten der Staatskasse.

    5. Die Vorinstanz verzichtete am 6. Oktober 2010 auf Stellungnahme zur Beschwerde (Urk. 8). Die Staatsanwaltschaft Winterthur und das JUV liessen sich nicht vernehmen.

    6. Zufolge Ferienabwesenheit einer Richterin ergeht dieser Beschluss teilweise nicht in der den Parteien angekündigten Besetzung.

II.

1.

    1. Die strafprozessuale Beschwerde ist unter anderem zulässig gegen die Verfügungen und Beschlüsse sowie die Verfahrenshandlungen der erstinstanzlichen Gerichte, mit Ausnahme der verfahrensleitenden Entscheide (Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO). Nach der Rechtsprechung gilt der Ausschluss der strafprozessualen Beschwerde aber dann nicht, wenn der verfahrensleitende

      Entscheid geeignet erscheint, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zu bewirken. Der Begriff des nicht wieder gutzumachenden Nachteils entspricht demjenigen nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (BGE 140 IV 202 = Pra

      103 [2014] Nr. 105, E. 2; PATRICK GUIDON, in: Basler Kommentar zur

      Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, Art. 393 N. 13). Ist mit anderen Worten die Beschwerde nach BGG ans Bundesgericht möglich, ist zuvor auch die Beschwerde an die Beschwerdeinstanz gegeben (ANDREAS KELLER, in: Zürcher Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung,

      2. Aufl. 2014, Art. 393 N. 27). Die strafprozessuale Beschwerde muss demnach auch gegen selbständig eröffnete Entscheide der erstinstanzlichen Gerichte über die Zuständigkeit zulässig sein (vgl. Art. 92 Abs. 1 BGG; gegen selbständig eröffnete Ausstandsbegehren im Sinn von Art. 92 Abs. 1 BGG steht ein spezieller Beschwerdeweg nach Art. 59 StPO zur Verfügung).

      Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen bezirksgerichtlichen Beschluss im Rahmen eines Nachverfahrens. Er betrifft die Abweisung eines wegen behaupteter Unzuständigkeit der Vollzugsbehörde gestellten Nichteintretensresp. Sistierungsantrags (Dispositiv-Ziffer 1) und die Anordnung der Einholung eines Ergänzungsgutachtens (Dispositiv-Ziffer. 2), d.h. einer Zwangsmassnahme, die zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil führen kann (vgl. explizit G UIDON, a.a.O., Art. 393 N. 13 in fine). Das Anfechtungsobjekt ist somit beschwerdefähig.

    2. Jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Änderung eines Entscheids hat, kann ein Rechtsmittel ergreifen (Art. 382 Abs. 1 StPO). Ein solches Interesse ergibt sich daraus, dass die betreffende Person durch den angefochtenen Entscheid unmittelbar in ihren Rechten betroffen, d.h. beschwert ist. Zudem muss das Rechtsschutzinteresse aktuell sein (V IKTOR LIEBER, in: Zürcher Kommentar zur StPO, a.a.O., Art. 382 N. 7 und N. 13; NIKLAUS SCHMID, Praxiskommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2013, Art. 382 N. 1). Die Beschwer ergibt sich in der Regel aus dem Dispositiv des angefochtenen Entscheids, nicht aus der Begründung (LIEBER, a.a.O., Art. 382 N. 8).

      Der Beschwerdeführer beanstandet, dass die Vorinstanz seinen Nichteintretensund Sistierungsantrag unter Verletzung von Zuständigkeitsvorschriften abgewiesen habe (Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Entscheids), auf den Antrag des JUV betreffend Anordnung einer stationären Massnahme eingetreten ist und in diesem Zusammenhang ein Ergänzungsgutachten angefordert hat (Dispositiv-Ziffer 2 des angefochtenen Entscheids). Der Beschwerdeführer hat zweifelsohne ein rechtlich geschütztes Interesse, dass die zuständige Behörde über die Aufhebung Änderung der ihn betreffenden Massnahme entscheidet. Zudem greift die Pflicht, sich einer Begutachtung zu unterziehen, in Grundrechtspositionen des Beschwerdeführers ein. Der Beschwerdeführer widersetzt sich der Begutachtung (vgl. Urk. 2

      S. 7). Er ist durch den angefochtenen Beschluss, worin das Bezirksgericht die Gültigkeit der Aufhebung der ambulanten Massnahme durch das JUV bejahte und in der Folge eine Begutachtung anordnete, unmittelbar beschwert. Die Beschwerdelegitimation ist somit gegeben.

    3. Für die strafprozessuale Beschwerde sieht das Gesetz die Schriftform vor (Art. 396 Abs. 1 StPO). Die beschwerdeführende Person hat eine Rechtsmittelschrift einzureichen (Art. 390 Abs. 1 StPO). Die Anforderungen an die Begründung der Beschwerdeschrift ergeben sich aus Art. 385 Abs. 1 StPO. Danach hat die beschwerdeführende Person genau anzugeben, welche Punkte des Entscheids sie anficht (lit. a), welche Gründe einen anderen Entscheid nahe legen (lit. b) und welche Beweismittel sie anruft (lit. c). Nach einem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz muss die Begründung der Beschwerde in ihrer Gesamtheit in der Beschwerdeschrift enthalten sein (BGer, Urteil 1B_183/2012 vom 20.11.12 E. 2; S CHMID, a.a.O., Art. 385

      N. 1a). Verweise auf Akten, beispielsweise auf andere Rechtsschriften, sind

      unzulässig (vgl. OGer ZH, III. SK, Beschluss UE150221 vom 8.4.16

      E. II/2.2). Soweit der Beschwerdeführer auf Ausführungen in anderen Eingaben verweist, ist folglich darauf nicht einzugehen.

    4. Im Übrigen sind die Voraussetzungen des Sachentscheids erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.

2.

    1. Das Bezirksgericht vertrat den Standpunkt, dass die Bestimmung von Art. 63a Abs. 3 StGB, wonach bei erneuter Straffälligkeit des Täters während der ambulanten Massnahme das für die Beurteilung der neuen Straftat zuständige Gericht auch für die Aufhebung der ambulanten Massnahme zuständig ist, die Ausnahme darstelle und dass diese Bestimmung nur zur Anwendung komme, wenn wegen der erneuten Straffälligkeit des verurteilten Täters ein Strafverfahren bereits eingeleitet worden sei. Wenn die Strafuntersuchung noch nicht eröffnet worden sei, komme die Regelzuständigkeit nach Art. 63a Abs. 1 und 2 StGB zum Tragen, wonach die Vollzugsbehörde über Fortdauer und Aufhebung der im (ersten) Strafurteil angeordneten ambulanten Massnahme entscheide. Vor diesem Hintergrund erscheine es aber nicht sachgerecht, die Verfügung des JUV über die Aufhebung der ambulanten Massnahme einzig aufgrund des Umstands, dass im vorliegenden Fall bereits eine Strafuntersuchung eröffnet worden sei, als nichtig zu betrachten. Vielmehr gelte es zu vermeiden, dass das JUV im Falle der Einstellung des neuen Strafverfahrens nochmals über die Einstellung der ambulanten Massnahme zu entscheiden habe (Urk. 3 S. 4).

      Ebenso wenig erscheine es sachgerecht, von der sachlichen Unzuständigkeit des Bezirksgerichts Winterthur im Nachverfahren auszugehen. Der Ausgang des neuen Strafverfahrens sei noch nicht bekannt. Komme es zu einem Freispruch einer Verfahrenseinstellung, könnte das zuständige Strafgericht im neuen Strafverfahren weder über die Frage einer stationären Massnahme noch über den Vollzug der aufgeschobenen Freiheitsstrafe entscheiden. Das Gesetz enthalte keine Bestimmung darüber, wie in einem solchen Fall vorzugehen sei. Zur Behebung der Gesetzeslücke sei auf Art. 329 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 StPO zurückzugreifen. Es sei demnach zu prüfen, ob sich durch die Fortführung des vorliegenden Nachverfahrens Widersprüche zu Entscheiden im neuen Strafverfahren ergeben könnten bzw. ob das Nachverfahren zu sistieren sei, weil ein Verfahrenshindernis vorliege (Urk. 3 S. 4-5).

      Gemäss Auskunft der Staatsanwaltschaft sei frühestens Mitte 2017 mit einer Anklageerhebung zu rechnen. Die Staatsanwaltschaft habe noch kein Gutachten zur Frage der Anordnung einer Massnahme in Auftrag gegeben, sondern wolle sich mit dem Gericht in Verbindung setzen, wenn die Strafuntersuchung weiter fortgeschritten sei. Der Fortsetzung des Nachverfahrens stehe demnach nichts entgegen. Im Gegenteil diene es der Beschleunigung des Nachverfahrens und des neuen Strafverfahrens, wenn bereits im jetzigen Zeitpunkt ein Gutachten eingeholt werde. In Anwendung von Art. 364 Abs. 4 StPO sei demnach ein Ergänzungsgutachten in Auftrag zu geben und abzuklären, ob eine stationäre Massnahme das Rückfallrisiko des Beschwerdeführers verringere und eine solche Massnahme zu empfehlen sei (Urk. 3 S. 5).

    2. Der Beschwerdeführer machte geltend, durch die Abweisung seines Nichteintretensund seines Sistierungsantrags sei Art. 63a StGB verletzt worden. Diese Bestimmung besage unmissverständlich, dass die erfolglose ambulante Behandlung durch das für die Beurteilung der neuen Tat zuständige Gericht aufgehoben werde. Es stehe somit fest, dass das JUV im Zeitpunkt des 11. April 2016 gar nicht zuständig gewesen sei, über eine allfällige Aufhebung der Massnahme zu entscheiden und einen Antrag an die Vorinstanz betreffend Prüfung einer Massnahme nach Art. 60 StGB zu stellen. Die betreffenden Verfügungen seien nichtig (Urk. 2 S. 3-4). Die Bestimmung von Art. 63a StGB bezwecke, doppelspurige Verfahren und widersprüchliche Entscheide zu vermeiden. Wenn das Nachverfahren weitergeführt, ein Gutachten eingeholt und allenfalls ein Entscheid in der Sache ergehe, bestehe die Gefahr, dass dieser Entscheid in Widerspruch zum Entscheid im Strafverfahren stehe. Genau dies habe der Gesetzgeber mit Art. 63a Abs. 3 StGB vermeiden wollen (Urk. 2 S. 4-5). Das von der Vorinstanz vertretene Argument, dass das in der neuen Strafsache zuständige Gericht im Falle eines Freispruchs einer Einstellung weder über eine stationäre Massnahme noch über den Vollzug der aufgeschobenen Freiheitsstrafe befinden könnte und dass das JUV nochmals über die ambulante Massnahme zu befinden hätte, verfange nicht. Diese vermeintliche Problematik treffe auf jeden

Fall zu, welcher in den Anwendungsbereich von Art. 63a Abs. 3 StGB gelange (Urk. 2 S. 5). Zudem sei in Betracht zu ziehen, dass das zuständige Gericht im neuen Strafverfahren sich auch für die Fortführung der ambulanten Massnahme aussprechen könne (Urk. 2 S. 6).

Was die Einholung eines Ergänzungsgutachtens betreffe, so sei diese Anordnung aufgrund der fehlenden Behandlungsbereitschaft des Beschwerdeführers als unangemessen einzustufen. Wenn der Nichteintretens-/Sistierungsantrag abgelehnt werde, so sei zumindest darauf zu verzichten (Urk. 2

S. 7). Ein brauchbares Gutachten komme ohnehin nicht ohne die Sachverhaltsabklärungen im laufenden Strafverfahren aus (Urk. 2 S. 5).

3.

    1. Art. 63a StGB regelt die Aufhebung einer ambulanten Massnahme. Die zuständige Behörde prüft mindestens einmal jährlich, ob die ambulante Behandlung fortzusetzen aufzuheben ist. Sie hört vorher den Täter an und holt einen Bericht des Therapeuten ein (Art. 63a Abs. 1 StGB). Die ambulante Behandlung wird durch die zuständige Behörde aufgehoben, wenn sie erfolgreich abgeschlossen wurde, deren Fortführung als aussichtslos erscheint die gesetzliche Höchstdauer für die Behandlung von Alkohol-, Betäubungsmitteloder Arzneimittelabhängigen erreicht ist (Art. 63a Abs. 2 lit. a-c StGB). Begeht der Täter während der ambulanten Behandlung eine Straftat und zeigt er damit, dass mit dieser Behandlung die Gefahr weiterer mit seinem Zustand in Zusammenhang stehender Taten voraussichtlich nicht abgewendet werden kann, so wird die erfolglose ambulante Behandlung durch das für die Beurteilung der neuen Tat zuständige Gericht aufgehoben (Art. 63a Abs. 3 StGB).

    2. Das JUV hob den Vollzug der ambulanten Behandlung des Beschwerdeführers mit Verfügung vom 11. April 2016 gestützt auf Art. 63a Abs. 2 StGB auf (vgl. Urk. 9/1). Es erachtete deren Fortführung als aussichtslos (Urk. 9/1

      S. 5). Den Vollzugsakten des JUV (Urk. 9/1B) ist zu entnehmen, dass Frau B. , IPW, den ihr erteilten Auftrag zur ambulanten Behandlung des Beschwerdeführers am 9. Dezember 2015 mangels Kooperationsbereitschaft zurückgegeben hatte. Sie vertrat die Meinung, eine durch die Vollzugsbehörde in Erwägung gezogene stationäre Behandlung wäre besser geeignet nachhaltige Besserungserfolge zu erzielen (Urk. 9/1B/170). Nach verschiedenen Kontaktversuchen zum Beschwerdeführer und Gewährung des rechtlichen Gehörs und nachdem der Beschwerdeführer am 2. März 2016 festgenommen worden und in die Klinik C.

      eingewiesen worden war, deren

      behandelnde Therapeutin sich dem Bericht von Frau B.

      anschloss

      (Urk. 9/1B/200), erliess das JUV die genannte Verfügung (vgl. Urk. 9/1B/171 ff.).

      Teilweise parallel dazu eröffnete die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl gegen den Beschwerdeführer am 25. Februar 2016 ein Strafverfahren wegen Sachbeschädigungen, mutmasslich begangen im Zeitraum vom 1. November 2015 bis 2. Februar 2016 (vgl. Urk. 2 S. 3; vgl. auch Urk. 9/23). Diese neuerliche Delinquenz es soll sich um mehrfache Sachbeschädigung durch Anbringen von sog. Tags an über 200 Tatorten handeln war indessen für den Entscheid des JUV nicht massgeblich. Wie dargelegt gab die zuständige Therapeutin den Auftrag bereits im Dezember 2015 zurück, mehr als zwei Monate vor Eröffnung des neuen Strafverfahrens. Den Erwägungen des JUV und den Vollzugsakten ist vielmehr zu entnehmen, dass die Massnahme keineswegs gradlinig verlief und geprägt war durch positive Konsumkontrollen, Kontrollentzüge, Klinikeinweisungen, Kontaktabbrüche, einen

      Wegzug nach D.

      mit zwischenzeitlicher Fortführung der Therapie in

      Graubünden und ein Strafverfahren wegen Urkundenfälschung (Rezeptfälschung) und Übertretungen des Betäubungsmittelgesetzes, das zu einem Strafbefehl vom 25. August 2015 führte (vgl. Urk. 9/1B und Urk. 9/1B/143). Die neu angehobene Untersuchung taucht in den Vollzugsakten nicht auf und war damit offensichtlich weder Ursache noch Anlass für den Therapieabbruch.

      Zwar trifft es zu, dass nach dem Wortlaut von Art. 63a Abs. 3 StGB bei erneuter Straffälligkeit des Täters die Zuständigkeit zur Aufhebung einer erfolglosen ambulanten Massnahme an das für die Beurteilung der neuen Straftat zuständige Gericht übergeht, allerdings nur dann, wenn der Täter (gerade) damit zeigt, dass mit dieser Behandlung die Gefahr weiterer mit seinem Zustand in Zusammenhang stehender Taten voraussichtlich nicht abgewendet werden kann. Es handelt sich um einen Sonderfall der Erfolglosigkeit, der einen sog. Symptomcharakter des neuen Delikts voraussetzt (MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar zum Strafrecht I, 3. Aufl. 2013, Art. 63a N. 18 f.).

      Richtig ist auch, dass mit der Zuständigkeitsregelung gemäss Art. 63a Abs. 3 StPO Doppelspurigkeiten (Nachund Strafverfahren) abgeschafft und die Gefahr widersprechender Anordnungen vermieden werden sollten, mit dem Ziel, dass eine einzige Instanz eine zusammenfassende Beurteilung der aktuellen Situation des Täters vornimmt (vgl. Botschaft des Bundesrats vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches [Allgemeine Bestimmungen, Einführung und Anwendung des Gesetzes] und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 II 1979 ff., 2092 f. und 2084 f.). Ist jedoch die Aufhebung der Massnahme unabhängig von der neuerlichen Delinquenz deshalb zu prüfen, weil sie sich aufgrund mangelnder Kooperation des Verurteilten als aussichtslos zu seiner erfolgreichen Behandlung als ungenügend resp. nicht angezeigt erwies, so kann nicht von einer zwingenden Zuständigkeit des mit der neuerlichen Delinquenz befassten (resp. noch nicht befassten) Gerichts ausgegangen werden. Vielmehr handelt es sich dann wie die Vorinstanz zurecht erwogen hat (Urk. 3 S. 4) - um den Regelfall, bei dem die Vollzugsbehörde zur Aufhebung der erfolglosen ambulanten Massnahme zuständig ist und hinsichtlich der sich daraus ergebenden Konsequenzen Antrag beim Gericht stellt.

    3. Damit ergibt sich, dass kein Anlass besteht von der sachlichen Unzustän- digkeit des JUV zum Erlass der Verfügung vom 11. April 2016 auszugehen. Die Verfügung blieb unangefochten, und sie erweist sich auch nicht als nichtig. Nach dem Gesagten ist bei dieser Sachlage auch nicht zu beanstanden,

dass das Bezirksgericht Winterthur auf den Antrag des JUV betreffend Anordnung einer stationären Massnahme eintrat. Eine Verletzung von Art. 63a Abs. 3 StGB liegt nicht vor.

4.

    1. Der Beschwerdeführer wendet sich weiter gegen die Abweisung seines Sistierungsantrages sowie gegen die Anordnung der Einholung eines psychiatrischen Ergänzungsgutachtens.

      Wird die ambulante Behandlung wegen Erfolglosigkeit aufgehoben, so ist die aufgeschobene Freiheitsstrafe zu vollziehen (Art. 63b Abs. 2 StGB). Anstelle des Strafvollzugs kann das Gericht eine stationäre therapeutische Massnahme nach den Artikeln 59-61 StGB anordnen, wenn zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer, mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen Vergehen begegnen (Art. 63b Abs. 5 StGB).

    2. Da das Bezirksgericht vorliegend eine stationäre Massnahme in Betracht zieht, ist nicht zu beanstanden, dass es ein psychiatrisches Ergänzungsgutachten zur Abklärung der Erfolgsaussichten einer solchen Massnahme in Auftrag gab. Dass der Beschwerdeführer geltend macht, er sei standhaft massnahmeunwillig (Urk. 2 S. 7), vermag an dieser Feststellung nichts zu ändern, da es nicht per se gegen die Anordnung einer Massnahme spricht, wenn die Motivation für eine Behandlung beim Betroffenen nicht von Anfang an klar vorhanden ist; von der Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme ist nach der Rechtsprechung nicht bereits deshalb abzusehen, weil der Betroffene diese kategorisch ablehnt (BGer, Urteil 6B_463/2016 vom 12.09.16 E. 1.3.3 m.H.).

Ein Grund zur Sistierung des Nachverfahrens liegt nicht vor, zumal es wie das Bezirksgericht zu Recht erwog - der Beschleunigung sowohl des Nachverfahrens als auch des neuen Strafverfahrens dient, wenn bereits jetzt ein Gutachten eingeholt wird.

5. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen. Die Regelung der Kostenauflage sowie der Entschädigung der amtlichen Verteidigung ist dem Endentscheid vorzubehalten (Art. 421 Abs. 1 und Art. 135 Abs. 2 StPO). Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist zuhanden des das Nachverfahren abschliessenden Gerichts in Beachtung der Bemessungskriterien von § 2 Abs. 1 lit. b bis d GebV OG (Bedeutung und Schwierigkeit des Falls sowie Zeitaufwand des Gerichts) und gestützt auf § 17 Abs. 1 GebV OG auf CHF 1'000.-festzusetzen.

Es wird beschlossen:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf CHF 1'000.-festgesetzt.

  3. Die Regelung der Kostenauflage und allfälliger Entschädigungen wird dem Endentscheid vorbehalten.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • den amtlichen Verteidiger des Beschwerdeführers, zweifach, für sich und zuhanden des Beschwerdeführers (per Gerichtsurkunde);

    • das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Bewährungsund Vollzugsdienste, Massnahmen und Bewährung (gegen Empfangsbestätigung);

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland (gegen Empfangsbestätigung);

    • das Bezirksgericht Winterthur/Unterland, ad DA160005 (gegen Empfangsbestätigung);

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel an:

    • das Bezirksgericht Winterthur/Unterland, unter gleichzeitiger Rücksendung der beigezogenen Akten (Urk. 9) (gegen Empfangsbestätigung).

  5. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen. Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 6. Dezember 2016

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Präsident:

lic. iur. Th. Meyer

Gerichtsschreiberin:

Dr. iur. C. Schoder

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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