Zusammenfassung des Urteils UH160229: Obergericht des Kantons Zürich
Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich führte ein Strafverfahren gegen die Beschwerdegegner A. und B. wegen Drogendelikten. Das Bezirksgericht Zürich trat auf die Anklage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht ein. Die Staatsanwaltschaft erhob daraufhin Beschwerde gegen diese Entscheidung. Die Vorinstanz und die Beschwerdegegner wurden zur Stellungnahme aufgefordert. Letztendlich wurde das Beschwerdeverfahren vereinigt und abgeschrieben, die Beschwerden wurden abgewiesen. Die Zuständigkeit der Vorinstanz wurde verneint, da die deliktischen Handlungen der Beschwerdegegner nicht in den zuständigen Bezirk fielen. Keine Kosten wurden erhoben und keine Entschädigungen zugesprochen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UH160229 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 31.10.2016 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Örtliche Zuständigkeit |
Schlagwörter : | Beschwerdegegner; Bezirk; Staatsanwaltschaft; Kanton; Zuständigkeit; Kantons; Vorinstanz; Verfolgung; Dietikon; Verfolgungshandlung; Gericht; /Ordner; Verfahren; Anklage; Person; Bezirksgericht; Gerichtsstand; Verfahren; Mittäter; Bundesgericht; Kantonspolizei; Recht; Beschluss; Akten; Ortes |
Rechtsnorm: | Art. 33 StPO ;Art. 34 StPO ;Art. 38 StPO ; |
Referenz BGE: | 128 IV 216; |
Kommentar: | Donatsch, Hans, Schweizer, Fingerhuth, Hansjakob, Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Art. 31 OR, 2014 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UH160229-O/U/KIE
damit vereinigt Geschäfts-Nr.: UH160230-O
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, und lic. iur. W. Meyer, Ersatzoberrichter lic. iur. Th. Vesely und Gerichtsschreiberin lic. iur.
Hsu-Gürber
Beschluss vom 31. Oktober 2016
in Sachen
Beschwerdeführerin
gegen
Beschwerdegegner
1 amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X1. 2 amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt X2.
betreffend Örtliche Zuständigkeit
Erwägungen:
Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich (nachfolgend: Staatsanwalt-
schaft) führte ein Strafverfahren gegen A.
und B.
(nachfolgend: Beschwerdegegner 1 und 2) wegen qualifizierter Drogendelikte (vgl. Urk. 9 bzw. Urk. 14/7). Am 27. Juni 2016 erhob die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht Zürich (nachfolgend: Vorinstanz) Anklage gegen die Beschwerdegegner 1 und 2 (Urk. 9/Ordner 18/act. 20 bzw. Urk. 14/7/Ordner 22/act. 21), wobei bei der Vorinstanz zwei separate Verfahren angelegt wurden (Beschwerdegegner 1: DG160192-L; Beschwerdegegner 2: DG160194-L). Mit Beschlüssen vom 18. Juli 2016 trat die Vorinstanz in beiden Verfahren auf die Anklage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht ein (Urk. 4 bzw. Urk. 14/4).
Gegen die beiden Nichteintretensentscheide der Vorinstanz erhob die Staatsanwaltschaft mit Eingaben vom 29. Juli 2016 jeweils separat Beschwerde und stellte folgenden Antrag (Urk. 2 S. 1 bzw. Urk. 14/2 S. 1):
Der Beschluss des Bezirksgerichts Zürich, 9. Abteilung, vom 18. Juli 2016 sei aufzuheben und das Bezirksgericht Zürich anzuweisen, auf die Anklage einzutreten.
Bei der hiesigen Kammer wurden zwei separate Geschäfte angelegt (Beschwerdegegner 1: UH160229-O; Beschwerdegegner 2: UH160230-O) und es wurde der Vorinstanz sowie den Beschwerdegegnern 1 und 2 Frist zur (freigestellten) Stellungnahme angesetzt (Urk. 5 bzw. Urk. 14/5). Die Vorinstanz nahm mit Eingabe vom 18. August 2016 zu beiden Verfahren Stellung und beantragte die Abweisung der Beschwerden, eventualiter die Überweisung der Fälle an das zuständige Bezirksgericht Dietikon (Urk. 10 S. 2 bzw. Urk. 14/8 S. 2). Der Beschwerdegegner 1 verzichtete auf Stellungnahme (Urk. 7), der Beschwerdegegner 2 liess sich innert der ihm angesetzten Frist nicht vernehmen (vgl. Urk. 14/5). Die Staatsanwaltschaft reichte keine weiteren Stellungnahmen zu den Akten (vgl. Urk. 12 f. bzw. Urk. 14/10 f.). Die Verfahren erweisen sich damit als spruchreif.
Mit Beschluss vom heutigen Datum wurde das Beschwerdeverfahren Geschäfts-Nr. UH160230-O mit dem vorliegenden Beschwerdeverfahren vereinigt und als dadurch erledigt abgeschrieben. Die Akten des Verfahrens UH160230-O wurden als Urk. 14 zu den Akten des vorliegenden Verfahrens genommen.
1. Die Vorinstanz begründete ihren Nichteintretensentscheid vom 18. Juli 2016 im Wesentlichen wie folgt: Es seien vorliegend zwei Mittäter zu behandeln, weshalb gemäss Art. 33 Abs. 2 StPO für die Beurteilung sämtlicher Taten die Behör- den des Ortes zuständig seien, an dem zuerst Verfolgungshandlungen (forum praeventionis) vorgenommen worden seien. Zur gleichen Lösung käme man auch, wenn nur ein Täter angeklagt wäre, da gemäss Art. 34 Abs. 1 StPO das forum praeventionis auch dann zur Anwendung komme, sofern ein Täter mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt habe und dafür die gleiche Strafandrohung gelte. Als erste Verfolgungshandlung könne der Polizeirapport vom
22. Februar 2013 erachtet werden, in welchem der Beschwerdegegner 2 als im Drogenhandel tätige Person bezeichnet werde und deshalb die Bewilligung der Überwachung mittels GPS des von diesem benutzten Personenwagens beantragt worden sei. Da die überwachte Person in diesem Zeitpunkt Wohnsitz im Bezirk Dietikon und auch das zu überwachende Fahrzeug auf die am selben Ort wohnhafte Exfrau eingelöst gewesen sei, habe die erste Verfolgungshandlung bei den als Mittäter angeklagten beiden Personen eindeutig im Bezirk Dietikon stattgefunden. Zum selben Schluss käme man, wenn man die erste Verfolgungshandlung gegen den Beschwerdegegner 1 heranziehen würde. Auch diese habe mit der beantragten Audioüberwachung seines Wohnortes in C. , Bezirk Dietikon, stattgefunden. Auch die Hausdurchsuchung und Festnahme der beiden habe in
C.
stattgefunden. Der Sitz der Staatsanwaltschaft wie auch des Oberge-
richts in der Stadt Zürich begründeten natürlich keinen Gerichtsstand (Urk. 4
S. 2 ff. bzw. Urk. 14/4 S. 2 ff.).
Die Staatsanwaltschaft machte in ihrer Beschwerde im Wesentlichen geltend, das Bundesgericht komme in einem kürzlich publizierten Urteil (Bger
6B_1208/2015 vom 14. März 2016) zum Schluss, dass ein Gericht örtlich zustän- dig sei, wenn aus dem Sachverhalt ein örtlicher Anknüpfungspunkt abgeleitet werden könne. Diese interkantonal geltende Regelung habe auch für die innerkantonalen Zuständigkeiten zu gelten. Vorliegend seien unbestrittenermassen Tathandlungen im Bezirk Zürich erfolgt, weshalb das Bezirksgericht Zürich für die Beurteilung der Anklagen gegen die Beschwerdegegner 1 und 2 zuständig sei. Auch wenn der Argumentation der Vorinstanz gefolgt werde, ergebe sich ihre örtliche Zuständigkeit. Vorliegend sei somit auf die ersten Anzeigen gegen den Unbekannten B'. bzw. den Unbekannten A'. der Kantonspolizei Zürich, Kriminalpolizei, ansässig im Bezirk Zürich, bzw. das staatsanwaltschaftliche Gesuch um Genehmigung eines Zufallsfundes mit entsprechender Überwachungsmassnahme an das Zwangsmassnahmengericht Zürich durch den Unterzeichnenden (ebenfalls ansässig im Bezirk Zürich) abzustellen. Diese Handlungen definierten das forum praeventionis und seien im Bezirk Zürich erfolgt (Urk. 2 S. 3 bzw. Urk. 14/2 S. 3).
Die Vorinstanz führte in ihrer Stellungnahme aus, das Bundesgericht habe in dem von der Staatsanwaltschaft angeführten Entscheid nicht eine neue Gerichtsstandsbestimmung begründet. Das erste aktenkundige Gesuch um Genehmigung eines Zufallsfundes vom 19. Februar 2013 sei nicht an das Zwangsmassnahmengericht Zürich, sondern an das Zwangsmassnahmengericht am Obergericht des Kantons Zürich gegangen. In dem diesem Gesuch zugrundeliegenden Rapport werde ein Treffen mit Übergabe eines Heroinmusters beim Bahnhof D. [recte: D. ] in Schlieren, Bezirk Dietikon, erwähnt. Eine Tathandlung im Bezirk Zürich werde nicht rapportiert. Der (zufällige) Sitz der Staatsanwaltschaft wie auch des Obergerichts, welche beide für den ganzen Kanton Zürich zuständig seien, begründe natürlich keine örtliche Zuständigkeit am Bezirksgericht Zürich. Dies würde auch für die Anzeige bei der zufällig im Bezirk Zürich ansässigen Kriminalpolizei gelten. Diese angebliche Anzeige finde sich aber gar nicht bei den Akten. Der erste Anzeigerapport in den Akten datiere vom 12. Dezember 2013 und beziehe sich auf die Verhaftung des Beschwerdegegners 1 in C. , Bezirk Dietikon (Urk. 10 bzw. Urk. 14/8).
Den Beschwerdegegnern 1 und 2 werden in der Anklage diverse qualifizierte Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen. Als Tatorte werden in der Anklageschrift betreffend den Beschwerdegegner 1 Schlieren (Bezirk Dietikon), Würenlos/AG, C. (Bezirk Dietikon), Zürich, Winterthur, Lindau (Bezirk Pfäffikon), Dietikon, Spreitenbach/AG, Wädenswil (Bezirk Horgen), Richterswil (Bezirk Horgen), Samstagern (Bezirk Horgen) und Kloten (Bezirk Bülach) genannt. Betreffend den Beschwerdegegner 2 nennt die Anklageschrift Nidau/BE, Schlieren (Bezirk Dietikon), Dietikon, Richterswil/Wädenswil (Bezirk Horgen), Winterthur, Zürich, Laupen/BE, Flamatt/FR, Schönbühl/BE, Urdorf (Bezirk Dietikon), Männedorf (Bezirk Meilen), Rotkreuz/ZG, Cham/ZG, Risch/ZG, Lachen/SZ und Rapperswil/SG als Tatorte. Der Beschwerdegegner 2 soll bei mehreren Vorgängen mit dem Beschwerdegegner 1 zusammen gehandelt haben. Bei zwei Vorgängen werden den Beschwerdegegnern 1 und 2 Mittäterschaft vorgeworfen. Mit den übrigen in der Anklageschrift genannten Drogenabnehmern Drogenlieferanten wird keine Mittäterschaft eingeklagt (vgl. Urk. 9/Ordner 18/ act. 20 S. 2 ff. bzw. Urk. 14/7/Ordner 22/act. 21 S. 2 ff.). Folglich werden den Beschwerdegegnern 1 und 2 mehrere, an verschiedenen Orten begangene, mit der gleichen Strafe bedrohte Straftaten vorgeworfen, wobei sie diese Straftaten teilweise in Mittäterschaft begangen haben sollen.
Ist eine Straftat von mehreren Mittäterinnen Mittätern verübt worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 33 Abs. 2 StPO). Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO). Begehen mehrere Beschuldigte zusammen an verschiedenen Orten mehrere Delikte, so sind Art. 33 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 1 StPO so miteinander zu kombinieren, dass in der Regel alle Mitwirkenden an dem Orte verfolgt werden, wo von einem Mittäter die mit der
schwersten Strafe bedrohte Tat verübt worden ist. Bei gleich schweren Strafdrohungen bestimmt sich der Gerichtsstand für alle Beteiligten nach dem Ort, wo zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (vgl. hierzu u. a. den Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2015.36 vom 16. Oktober 2015 E. 2.1 mit weiteren Hinweisen). Hat ein Mittäter ausser den in Mittäterschaft verübten Verfehlungen an anderen Orten noch weitere Delikte verübt, die mit gleicher Strafe bedroht sind wie die in Mittäterschaft verübten, so bestimmt sich der Gerichtsstand für alle Beteiligten nach dem Ort, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde, und dies selbst dann, wenn nur die allein verübten Taten Gegenstand der ersten Untersuchungshandlungen bildeten (vgl. hierzu u. a. den Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2012.16 vom 15. Juni 2012 E. 3.1 mit weiteren Hinweisen). Diese Regelung gilt sowohl im interkantonalen als auch im innerkantonalen Verhältnis (Fingerhuth/Lieber, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2014, Art. 31 N 1).
Als Verfolgungshandlungen gelten Vorkehren der Polizei der Staatsanwaltschaft, die durch die Vornahme von Erhebungen in anderer Weise zu erkennen gibt, dass sie eine bekannte unbekannte Täterschaft verdächtigt. Die Entgegennahme einer Anzeige Einberufung einer interkantonalen polizeilichen Koordinationssitzung stellt eine solche Verfolgungshandlung dar. Ebenfalls ist die Eröffnung eines Dossiers i.S. des forum praeventionis gerichtsstandsbegründend (Bartetzko, in Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2014, Art. 31 N 12). Eine Zuständigkeit ist nicht erst dann gegeben, wenn erste seien es polizeiliche staatsanwaltschaftliche - Verfolgungshandlungen gegen bekannte unbekannte Täterschaft eingeleitet vorgenommen worden sind; es genügt schon, dass eine nicht von vornherein als haltlos zu betrachtende Strafanzeige eingereicht, ein Strafantrag gestellt ein Polizeirapport erstellt wurde. Die zeitlich erste Untersuchungshandlung muss sich anhand der Akten nachweisen lassen (Fingerhuth/Lieber, a.a.O., Art. 31 N 28).
Die Staatsanwaltschaft begründet die örtliche Zuständigkeit der Vorinstanz zunächst mit einem Urteil des Bundesgerichts vom 14. März 2016 (Bger 6B_1208/2015). Bei diesem Urteil ging es darum, dass eine Staatsanwaltschaft ihre Zuständigkeit im Sinne von Art. 38 Abs. 1 StPO implizit anerkannt hatte, wobei auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten eine Abtretung des Verfahrens an die gemäss den gesetzlichen Bestimmungen tatsächlich zuständige Staatsanwaltschaft wenig sinnvoll gewesen wäre (Bger 6B_1208/2015 vom
14. März 2016 E. 3.1). In diesem Zusammenhang wies das Bundesgericht darauf hin, dass ein abweichender Gerichtsstand nicht allein durch implizite Anerkennung bzw. aus prozessökonomischen Überlegungen begründet werden könne, sondern dass nach Lehre und Rechtsprechung zudem das Bestehen eines örtlichen Anknüpfungspunktes erforderlich sei (Bger 6B_1208/2015 vom 14. März 2016 E. 3.2). Im vorliegenden Fall geht es jedoch weder um die implizite Anerkennung eines Gerichtsstandes noch die Vereinbarung eines anderen als des gesetzlich vorgesehenen Gerichtsstandes. Aus dem erwähnten Urteil des Bundesgerichts kann nicht geschlossen werden, die vorliegend für den ganzen Kanton zuständige Staatsanwaltschaft (vgl. dazu nachfolgen Ziff. III./2.4.3) könne Anklage in jedem Bezirk erheben, zu welchem ein aus dem Sachverhalt ableitbarer örtlicher Anknüpfungspunkt besteht. Vielmehr bestimmt sich die innerkantonale örtliche Zuständigkeit auch im vorliegenden Fall nach den Art. 31 ff. StPO.
Den vorliegenden Akten lässt sich entnehmen, dass die Dienststelle ESBM2 der Kantonspolizei Zürich am 18. März 2013 betreffend UM A'. , welcher später als der Beschwerdegegner 1 identifiziert werden konnte, einen Antrag auf Genehmigung eines Zufallsfundes und einer Observation sowie auf Anordnung einer Telefonkontrolle und einer rückwirkenden Teilnehmer-Identifikation bei der Staatsanwaltschaft stellte (Urk. 9/Ordner 17/act. 13/1/1). Entsprechend ersuchte die Staatsanwaltschaft am 2. April 2013 beim Zwangsmassnahmengericht am Obergericht des Kantons Zürich um die Verwertung eines Zufallsfundes sowie um die Genehmigung von Überwachungen (Urk. 9/Ordner 17/act. 13/1/2). Bereits am 18. Februar 2013 stellte die Dienststelle ES-BM2 der Kantonspolizei Zürich bei der Staatsanwaltschaft betreffend UM B'. , welcher später als der Beschwerdegegner 2 identifiziert werden konnte, einen Antrag auf Genehmigung eines Zufallsfundes und einer Observation sowie auf Anordnung einer Telefonkontrolle und einer rückwirkenden Teilnehmer-Identifikation (Urk. 14/7/Ordner 20/ act. 14/1/1). In der Folge stellte die Staatsanwaltschaft am 19. Februar 2013 ein entsprechendes Gesuch beim Zwangsmassnahmengericht am Obergericht des Kantons Zürich (Urk. 14/7/Ordner 20/act. 14/1/2). Bei den genannten Anträgen der Dienststelle ES-BM2 der Kantonspolizei Zürich dürfte es sich um die von der Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerde erwähnten ersten Anzeigen gegen den Unbekannten B'. bzw. den Unbekannten A'. handeln (vgl. Urk. 2
S. 3 bzw. Urk. 14/2 S. 3). Es ist davon auszugehen, dass der von der Dienststelle
ES-BM2 der Kantonspolizei Zürich im Verfahren gegen den Beschwerdegegner 2 gestellte Antrag vom 18. Februar 2013 die erste Verfolgungshandlung darstellt.
Die vorliegend sowie im Verfahren gegen den Beschwerdegegner 1 als auch im Verfahren gegen den Beschwerdegegner 2 handelnde Dienststelle ES-BM2 gehört zur Ermittlungsabteilung Strukturkriminalität der Kantonspolizei Zürich (vgl. Urk. 14/7/Ordner 20/act. 14/1/1), welche gemäss den übereinstimmenden Ausführungen der Vorinstanz und der Staatsanwaltschaft ihren Sitz in Zürich hat (vgl. Urk. 2 S. 2 bzw. Urk. 14/2 S. 3 und Urk. 10 S. 2 bzw. Urk. 14/8 S. 2). Damit erfolgte die erste Verfolgungshandlung im Bezirk Zürich.
Die Vorinstanz weist nun aber zu Recht darauf hin, dass die Strafverfahren gegen die Beschwerdegegner 1 und 2 im Zeitpunkt der ersten Verfolgungshandlung keinen Bezug zum Bezirk Zürich aufwiesen und die erste Verfolgungshandlung lediglich deshalb im Bezirk Zürich erfolgte, weil die handelnden, für den ganzen Kanton zuständigen Behörden ihren Sitz zufälligerweise im Bezirk Zürich hatten (vgl. Urk. 4 S. 4 f. und Urk. 10 S. 2 bzw. Urk. 14/4 S. 4 f. und Urk. 14/8 S. 2). Erst zu späteren Zeitpunkten wickelten die Beschwerdegegner 1 und 2 ganz vereinzelt Drogengeschäfte im Bezirk Zürich ab (Urk. 9/Ordner 18/act. 20 S. 3 VG 21/22 und VG 23 bzw. Urk. 14/7/Ordner 22/act. 21 S. 3 VG 6 und S. 5 f. VG 27 und VG 25). Es stellt sich daher die Frage, ob für die Bestimmung der innerkantonalen örtlichen Zuständigkeit dennoch auf den Ort abgestellt werden kann, an welchem die erste Verfolgungshandlung vorgenommen wurde.
Das Bundestrafgericht kam in einem Fall, in welchem eine Bundesbehörde die erste Verfolgungshandlung vorgenommen hatte, zum Schluss, diese Bundesbehörde kenne keine verschiedenen Gerichtsstände, da die ganze Schweiz für den Bund den einzigen Gerichtsstand bilde. Folglich könne, um den kantonalen Gerichtsstand zu bestimmen, nicht an die Behörden des Ortes angeknüpft werden, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden seien (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.35 vom 15. Januar 2015 E. 2.1.2).
Die Situation im vorliegenden Fall ist mit dieser Konstellation durchaus vergleichbar. Die kriminalpolizeilichen Aufgaben werden im Kanton Zürich in Grundversorgung und Einsatz der Spezialdienste unterteilt (§ 8 Abs. 2 des Polizeiorganisationsgesetzes vom 29. November 2004 [POG; LS 551.1]). Die Spezialdienste der Kantonspolizei bearbeiten komplexe Strafrechtsfälle sowie die von den Bundesbehörden delegierten Verfahren (§ 13 Abs. 2 POG). Gemäss § 13 Abs. 3 POG liegen komplexe Strafrechtsfälle insbesondere dann vor, wenn besondere Fachkenntnisse besondere technische Einrichtungen erforderlich sind, wobei die Verordnung Ausnahmen bei der Bekämpfung der stadtspezifischen Kriminalität regeln soll. Gemäss § 5 Abs. 1 der Verordnung über die kriminalpolizeiliche Aufgabenteilung vom 6. Juli 2005 (LS 551.101) ist die Kantonspolizei im ganzen Kanton für die Bearbeitung der komplexen Strafrechtsfälle und die von den Bundesbehörden delegierten Verfahren zuständig (vgl. zum Ganzen Tschäppeler, Polizeigesetzgebung im Kanton Zürich, LEGES 2/2006, S. 71 ff., S. 72 f.).
Bei der vorliegend handelnden Ermittlungsabteilung Strukturkriminalität der Kantonspolizei handelt es sich um einen Spezialdienst, welcher wie soeben gesehen für das gesamte Kantonsgebiet zuständig ist. Bei der zuständigen Staatsanwaltschaft handelt es sich um eine besondere Staatsanwaltschaft i.S.v. § 93 GOG, deren Zuständigkeit sich ebenfalls auf das gesamte Kantonsgebiet erstreckt (§ 10 der zürcherischen Verordnung vom 27. Oktober 2004 über die Organisation der Oberstaatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaften [LS 213.21]). Sowohl die Ermittlungsabteilung Strukturkriminalität der Kantonspolizei als auch die Staatsanwaltschaft kennen daher innerkantonal keine verschiedenen Gerichtsstände. Entsprechend stellte sich vorliegend die Frage der örtlichen Zuständigkeit erst im Zusammenhang mit der Anklageerhebung bei einem Bezirksgericht. Es erscheint deshalb auch im vorliegenden Fall nicht als sachgerecht, an die Behörden des Ortes anzuknüpfen, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen wurden.
Das Bundesstrafgericht ging im oben erwähnten Entscheid davon aus, der Fall, der keine Zuweisung erlaube, sei dem Fall, wonach der Tatort nicht ermittelt werden könne, gleichzustellen. Entsprechend komme Art. 32 Abs. 1 und Abs. 2 StPO (analog) zur Anwendung, wonach für die Verfolgung und Beurteilung die Behörden des Ortes zuständig seien, an dem die beschuldigte Person ihren Wohnsitz gewöhnlichen Aufenthalt habe; habe die beschuldigte Person weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, so seien die Behör- den des Heimatortes zuständig; fehle auch ein Heimatort, so seien die Behörden des Ortes zuständig, an dem die beschuldigte Person angetroffen worden sei (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.35 vom 15. Januar 2015 E. 2.1.3). Das Bundesgericht ging demgegenüber in einem (älteren) Fall, in welchem das Kriterium des forum praeventionis versagte, davon aus, dass sich die Gerichtsstandsfestsetzung nach dem Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit zu richten habe. Sei in keinem der in Frage stehenden Zuständigkeitsbereichen ein deliktisches Schwergewicht auszumachen, sei in Analogie zu Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB (heute Art. 34 Abs. 1 Satz 2 StPO) darauf abzustellen, wo die beschuldigte Person das zeitlich erste Delikt verübt habe (BGE 128 IV 216 E. 2 und 3 mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung wurde sodann insofern ergänzt, als für den Fall, dass das zeitlich erste Delikt nicht eruiert werden könne, sekundär an den Wohnsitz den gewöhnlichen Aufenthalt der beschuldigten Person anzuknüpfen sei (vgl. Baumgartner, Die Zuständigkeit im Strafverfahren, Diss. Zürich 2014, S. 255 mit einem Hinweis auf den Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2006.28 vom
26. September 2006 E. 2.5).
Das vom Bundesstrafgericht gewählt Vorgehen mag im konkreten, speziell gelagerten Fall zu einer durchaus sinnvollen Lösung geführt haben, grundsätzlich ist jedoch dem vom Bundesgericht skizzierten Vorgehen der Vorzug zu geben. Die Gerichtsstandsregeln der StPO entsprechen weitgehend der Regelung der
örtlichen Zuständigkeit von Art. 340 ff. aStGB, weshalb Lehre und Rechtsprechung in diesem Bereich ihre Gültigkeit behalten (Bartetzko, a.a.O., Art. 31 N 1; Fingerhuth/Lieber, a.a.O., Art. 31 N 1). Insofern ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 128 IV 216) analog auch innerkantonal anzuwenden. Zudem ist davon auszugehen, dass dies zu sachgerechteren Ergebnissen führt, birgt ein Abstellen auf den Wohnsitz, den gewöhnlichen Aufenthalt, den Heimatort gar den Ort, an welchem der Beschuldigte angetroffen wurde, doch die Gefahr von sehr zufälligen und damit allenfalls unpraktischen stossenden Ergebnissen, insbesondere wenn zwischen den genannten Orten und der deliktischen Tätigkeit des Beschuldigten keinerlei Zusammenhang besteht.
Gemäss Anklageschrift werden dem Beschwerdegegner 1 zahlreiche Drogenabgaben und -bezüge vorgeworfen, wobei die ganz überwiegende Anzahl von Drogengeschäften im Bezirk Dietikon stattfanden (vgl. Urk. 9/Ordner 18/act. 20
S. 2 ff.). Auch dem Beschwerdegegner 2 werden zahlreiche Drogenabgaben und
-bezüge vorgeworfen, wobei jedoch bei ihm gestützt auf die Anklageschrift in örtlicher Hinsicht kein klares deliktisches Schwergewicht ausgemacht werden kann (vgl. Urk. 14/7/Ordner 22/act. 21 S. 2 ff.). Die zeitlich ersten Delikte des Beschwerdegegners 2 fanden am 19. Februar 2013 bzw. am 20. März 2013 in Nidau/BE bzw. in Laupen/BE statt (Übergabe von zwei Heroinportionen zu je 50 Gramm an eine nicht identifizierte Person zu einem Grammpreis von Fr. 30.oder Fr. 32.bzw. Übergabe von ca. 300 Gramm Heroingemisch an E. ; Urk. 14/7/Ordner 22/act. 21 S. 2 VG 17 bzw. S. 4 VG 18) und können deshalb für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit im Kanton Zürich, dessen grundsätzliche Zuständigkeit unbestritten ist, nicht herangezogen werden. Die nächsten Delikte erfolgten jeweils an einem unbekannten Ort (Übergabe von zwei Paketen mit insgesamt mindestens 500 Gramm Heroingemisch an den Beschwerdegegner 1 zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 22. März 2013, Übergabe von
50 Gramm Heroingemisch an F.
wenige Tage vor dem 1. April 2013 und
Übergabe von insgesamt 3 Kilogramm Heroingemisch an den Beschwerdegegner 1 zwischen ca. 29. April und 12. Oktober 2013; Urk. 14/7/Ordner 22/ act. 21 S. 2 VG 96 und VG 18a sowie S. 8 VG 36.6), weshalb auch diese Delikte nichts zur Bestimmung der innerkantonalen örtlichen Zuständigkeit beitragen können. Sodann wird dem Beschwerdegegner 2 vorgeworfen, er habe zu nicht näher bekannten Zeitpunkten zwischen 21. Mai und 2. Juni 2013 in Dietikon insgesamt mindestens 1 Kilogramm Heroingemisch an eine Drogenhandelsgruppierung um die unbekannte Person G. übergeben (Urk. 14/7/Ordner 22/act. 21 S. 3 VG 23). Das zeitlich erste Delikte des Beschwerdegegners 2 im Kanton Zürich fand damit im Bezirk Dietikon statt, weshalb eine Zuständigkeit der Vorinstanz zu verneinen ist.
Lediglich ergänzend sei noch erwähnt, dass vorliegend auch bei einem Vorgehen, wie es das Bundesstrafgericht in seinem Entscheid BG.2014.35 gewählt hat, eine Zuständigkeit der Vorinstanz nicht begründet werden könnte, haben die Beschwerdegegner 1 und 2 ihren Wohnsitz doch im Bezirk Dietikon (der Beschwerdegegner 1 in C. , der Beschwerdegegner 2 in H. ).
2.5. Nach dem Gesagten ist die Zuständigkeit der Vorinstanz zu verneinen, weshalb diese zu Recht nicht auf die Anklagen gegen die Beschwerdegegner 1 und 2 eingetreten ist. Die Beschwerden der Staatsanwaltschaft sind abzuweisen.
3. Die Vorinstanz beantragte eventualiter die Überweisung an das zuständige Bezirksgericht Dietikon (Urk. 10 S. 2 bzw. Urk. 14/8 S. 2), wobei es sich dabei nicht um einen eigentlichen Eventualantrag handeln dürfte, sondern vielmehr um eine Verdeutlichung des Hauptantrages (Abweisung der Beschwerde). Auf den Antrag der Vorinstanz auf Überweisung der Verfahren an das Bezirksgericht Dietikon ist daher nicht einzutreten. Es wird Sache der Staatsanwaltschaft sein, über das weitere Vorgehen zu entscheiden.
Da im Beschwerdeverfahren nur die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz Anträge gestellt haben, sind keine Kosten zu erheben und keine Entschädigungen zuzusprechen (vgl. Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom
21. Dezember 2005, BBl 2006 1326). Den Beschwerdegegnern 1 und 2 ist mangels wesentlicher Umtriebe keine Entschädigung zuzusprechen.
Es wird beschlossen:
Das Beschwerdeverfahren UH160230-O wird mit dem Beschwerdeverfahren UH160229-O vereinigt und unter dieser Prozessnummer weitergeführt. Das Beschwerdeverfahren UH160230-O wird als dadurch erledigt abgeschrieben.
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Auf den Antrag der Vorinstanz auf Überweisung der Verfahren an das Bezirksgericht Dietikon wird nicht eingetreten.
Für das Beschwerdeverfahren werden keine Kosten erhoben.
Es werden keine Entschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an:
den amtlichen Verteidiger des Beschwerdegegners 1, zweifach für sich und zuhanden des Beschwerdegegners 1 (per Gerichtsurkunde)
den amtlichen Verteidiger des Beschwerdegegners 2, zweifach für sich und zuhanden des Beschwerdegegners 2 (per Gerichtsurkunde)
die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, zweifach ad
/2013/181100859 und ad B-3/2013/181100860 (gegen Empfangsbestätigung)
die Vorinstanz, zweifach ad DG160192-L und ad DG160194-L, unter gleichzeitiger Rücksendung der beigezogenen Akten [Urk. 9 und Urk. 14/7] (gegen Empfangsbestätigung)
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der
Ersten öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne
14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen
richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 31. Oktober 2016
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Präsident:
lic. iur. Th. Meyer
Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Hsu-Gürber
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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