Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UH160133 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 05.07.2016 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Örtliche Zuständigkeit |
Zusammenfassung : | Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich hat Beschwerde gegen die Entscheidung des Bezirksgerichts Zürich eingelegt, das sich für nicht zuständig erklärte, um über einen Diebstahlsvorwurf gegen A. zu entscheiden. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass der Gerichtsstand in Zürich begründet sei, da die deliktische Tätigkeit dort begonnen habe. Nach umfangreichen Ermittlungen und Kontakten zwischen den Beteiligten wurde beschlossen, dass das Verfahren in Zürich geführt und angeklagt werden könne. Das Obergericht des Kantons Zürich hob den Beschluss des Bezirksgerichts auf und wies die Sache zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz zurück. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wurde nicht erhoben, und es wurden keine Prozessentschädigungen zugesprochen. |
Schlagwörter : | Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Gericht; Kanton; Vorinstanz; Gerichtsstand; Zuständigkeit; Anklage; Kantons; Beschluss; Gallen; Verfahren; Verfahren; Kammer; Galerie; Bundesstrafgericht; Untersuchung; Staatsanwaltschaften; Entscheid; Bundesstrafgerichts; Anklageerhebung; Erwägungen; Bezirksgericht; Gerichtsstandes; Schweiz |
Rechtsnorm: | Art. 31 StPO ; Art. 329 StPO ; Art. 38 StPO ; Art. 39 StPO ; Art. 40 StPO ; Art. 42 StPO ; Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 120 IV 280; 133 IV 235; |
Kommentar: | Donatsch, Hans, Schweizer, Hansjakob, Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Art. 39 StPO, 2014 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UH160133-O/U/bru
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, Oberrichterin lic. iur. F. Schorta und Ersatzoberrichter lic. iur. Th. Vesely sowie Gerichtsschreiber lic. iur. S. Betschmann
Beschluss vom 5. Juli 2016
in Sachen
Beschwerdeführerin
gegen
Beschwerdegegnerin
verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
betreffend Örtliche Zuständigkeit
Erwägungen:
Das Bezirksgericht Zürich, 8. Abteilung, (nachfolgend: Vorinstanz) trat mit Beschluss vom 6. Mai 2016 auf eine durch die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich erhobene Anklage wegen Diebstahls gegen A. (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) nicht ein, da es sich für die Beurteilung des zur Anklage gebrachten Sachverhalts örtlich nicht zuständig erachtete (Urk. 3/33 = Urk. 4).
Dagegen erhob die Staatsanwaltschaft am 11. Mai 2016 fristgemäss Beschwerde mit den folgenden Anträgen (Urk. 2) und reichte die Untersuchungsakten ein (Urk. 3):
1. Der Beschluss des Bezirksgerichts Zürich vom 6.5.2016 sei aufzuheben und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
2. Es sei festzustellen, dass das Bezirksgericht Zürich örtlich zuständig sei.
3. Mit Verfügung vom 23. Mai 2016 wurden der Beschwerdegegnerin sowie der Vorinstanz Frist zur Einreichung einer Stellungnahme angesetzt (Urk. 7). Die Vorinstanz verzichtete am 24. Mai 2016 auf Vernehmlassung (Urk. 9). Die Beschwerdegegnerin reichte am 2. Juni 2016 ihre Stellungnahme (Urk. 10 f.) sowie am
9. Juni 2016 eine Ergänzung dazu ein (Urk. 13 f.); sie beantragte die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft erklärte in der Folge mit Eingabe vom
15. Juni 2016 Verzicht auf Replik (Urk. 21). Mit Eingabe vom 13. Juni 2016 ergänzte die Beschwerdegegnerin ihre Stellungnahme ein weiteres Mal und beantragte die Vereinigung der vier separat geführten Strafverfahren DG160117-L, DG160118-L, DG160121-L und DG160122-L (Urk. 17 f.). Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Stellungnahme dazu (Urk. 24).
Soweit die Beschwerdegegnerin im vorliegenden Beschwerdeverfahren geltend macht, die Mitbeschuldigten seien zu Unrecht in getrennten Verfahren beurteilt worden (vgl. Urk. 13) bzw. beantragt, die entsprechenden Strafverfahren seien zu vereinigen (Urk. 17), ist darauf mangels Anfechtungsobjekt nicht einzugehen: Die (Nicht-)Vereinigung der Verfahren der vier Mitbeschuldigten ist nicht Gegenstand der angefochtenen Verfügung. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beschwerdegegnerin die Vereinigung bereits bei der Staatsanwaltschaft der Vorinstanz beantragt hätte. Die Frage der Verfahrensvereinigung ist deshalb nicht im Beschwerdeverfahren zu klären.
Infolge Neukonstituierung der hiesigen Kammer ergeht der vorliegende Beschluss nicht in der den Parteien angekündigten Besetzung.
1. Dem vorliegend zu beurteilenden Strafverfahren liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Ab November 2014 hatte sich ein unbekannter Mann, der sich als
B. ausgegeben hatte, mehrmals telefonisch und per E-Mail an die Galerie C. in Zürich gewandt, Interesse am Kauf von Kunstobjekten bekundet und um Zustellung von Offerten gebeten. Die Galerie meldete dies der Polizei, weil ihr die Sache verdächtig vorkam. Offenbar wusste der Galerist, dass zuvor die Galerie D. in Zürich bei einem Rip Deal um EUR 530'000.erleichtert worden war und dass dort ebenfalls ein B. aufgetreten war. In der Folge kam es zwischen einer vermeintlichen Mitarbeiterin der Galerie, einem gewissen E. sowie dem angeblichen Kaufinteressenten zu diversen Kontakten, welche zu einem Treffen am 2. Mai 2015 in F. [Stadt in Italien] führten. Es wurde vereinbart, dass E. eine Provision von Fr. 2,5 Mio. erhalte, wenn der Kauf einer Skulptur von Alberto Giacometti für Fr. 25 Mio. zustande komme. Man vereinbarte, dass man sich am 24. Juni 2015 treffen und E. die Provision in bar zeigen würde, damit dieser prüfen könne, ob die Galerie über so viel Geld verfüge. Anlässlich dieses Treffens in einer G. [Bank]-Filiale in H. SG versuchten die Beschwerdegegnerin und drei mutmassliche Mittäter die vorgezeigte Provision zu erbeuten, woraufhin sie verhaftet wurden (vgl. Urk. 3/16).
Die Vorinstanz begründet im angefochtenen Beschluss ihr Nichteintreten auf die Anklage im Wesentlichen damit, dass bei einem Diebstahl als Tätigkeitsdelikt jener Ort als Tatort gelte, an welchem der Gewahrsamsbruch und die Begründung neuen Gewahrsams erfolgt sei, vorliegend also H. SG. Ein Anknüpfungspunkt für eine Zuständigkeit von Zürich bestehe nicht; insbesondere reiche der Umstand, dass sich die Galerie C. in Zürich befindet, für die Begründung eines Gerichtsstandes nicht aus (Urk. 4).
Die Staatsanwaltschaft bringt in ihrer Beschwerde zusammengefasst vor, einerseits sei das Verfahren in Zürich angehoben worden, weil in Zürich bereits am 19. November 2013 und am 27. Dezember 2013 Rip Deals mit dem gleichen modus operandi verübt worden seien und davon habe ausgegangen werden kön- nen, dass es sich dabei um die gleiche Täterschaft gehandelt habe. Zumindest der Beschwerdegegnerin sowie den drei Mitbeschuldigten habe indessen kein Tatbeitrag bei den anderen in der Schweiz verübten Diebstählen nachgewiesen werden können. Andererseits sei das Verfahren in Zürich angehoben worden, weil die Galerie C. in Zürich domiziliert und dort von der Täterschaft mehrmals (telefonisch und per E-Mail) kontaktiert worden sei. Damit habe die deliktische Tätigkeit im Kanton Zürich begonnen, auch wenn der Gewahrsamsbruch bzw. die Vollendung des Diebstahls in St. Gallen erfolgt sei. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass in Zürich kein eigentlicher Tatort i. S. v. Art. 31 StPO vorgelegen habe, habe das Verfahren dennoch in Zürich geführt und angeklagt werden können, da gemäss Art. 38 Abs. 1 StPO die Staatsanwaltschaften einen von den Regeln der Art. 31-37 StPO abweichenden Gerichtsstand vereinbaren können, der auch für die Gerichte bindend sei, wenn dafür triftige Gründe vorlägen. Eine solche Vereinbarung sei zwischen den Staatsanwaltschaften Zürich und St. Gallen getroffen worden (Urk. 2 Ziff. 4 ff.).
Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist (Art. 31 Abs. 1 Satz 1 StPO). Nach Art. 38 Abs. 1 StPO können die Staatsanwaltschaften untereinander einen davon abweichenden Gerichtsstand vereinbaren, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern andere triftige Gründe vorliegen. Solche triftigen Gründe können sich aus Zweckmässigkeits-, Wirtschaftlichkeitsoder prozessökonomischen Überlegungen ergeben (BSK StPO-MOSER/SCHLAPBACH, 2. Aufl., Basel 2014,
Art. 38 N 5 mit Hinweisen und N 10; SCHMID, Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich
2013, Art. 38 N 2). Die Kantone können auch durch konkludente Anerkennung der Zuständigkeit von den gesetzlichen Gerichtsständen abweichen. Nimmt ein Kanton über längere Zeit Ermittlungen vor, welche über das hinausgehen, was für die Gerichtsstandsbestimmung erforderlich ist, obwohl längst Anlass zur Abklärung der eigenen Zuständigkeit bestanden hätte, kann eine konkludente Anerkennung des Gerichtsstandes vorliegen; in diesem Fall muss aber zumindest ein örtlicher Anknüpfungspunkt zum Gebiet des unzuständigen (oder nur sekundär zuständigen) Kantons bestehen (BSK StPO-MOSER/SCHLAPBACH, a.a.O., Art. 38 N 10; BSK StPO-KUHN, a.a.O., Art. 39 N 5 und 14; RIKLIN, StPO Kommentar Schweizerische Strafprozessordnung mit JStPO, StBOG und weiteren Erlassen, 2. Aufl., Zürich 2014, Art. 38 StPO N 2; Beschluss des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer, BG.2012.6 vom 11. Mai 2012 E. 2). Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften
nach Art. 39 Abs. 2 StPO unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles
und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung. Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, dem Bundesstrafgericht zum Entscheid (Art. 40 Abs. 2 StPO). Wird vom ordentlichen Gerichtsstand abgewichen, sollten die folgenden notwendigen Bedingungen erfüllt sein: Die Tat sollte dort verfolgt werden, wo das Rechtsgut verletzt wurde; das Gericht sollte sich ein möglichst vollständiges Bild von Tat und Täter machen können; der Beschuldigte sollte sich am Ort der Verfolgung leicht verteidigen kön- nen; das Verfahren sollte wirtschaftlich sein (SCHWERI/BÄNZIGER, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl., Bern 2004, N 434; BSK
StPO-MOSER/SCHLAPBACH, a.a.O., Art. 38 N 2 mit Hinweisen; SCHMID, Handbuch
des Schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl., Zürich 2013, N 480 FN 213; Beschlüsse des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer, BG.2011.5 vom 1. Juni 2011 E. 3.1, BG.2013.20 vom 9. Oktober 2013 E. 2.7 und BG.2014.34 vom
13. Januar 2015 E. 2.2; BGE 120 IV 280 E. 2b; Urteil des Bundesgerichts
6B_825/2010 vom 27. April 2011 E. 2.3).
Nach Art. 39 Abs. 1 StPO prüfen die Strafbehörden ihre Zuständigkeit von Amtes wegen. Die örtliche Zuständigkeit stellt eine Prozessvoraussetzung dar. Stellt ein erstinstanzliches Gericht nach Anklageerhebung seine örtliche Unzuständigkeit fest, tritt es auf die Strafsache in analoger Anwendung von Art. 329 Abs. 4 StPO nicht ein (FINGERHUTH/LIEBER, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl., Zürich 2014,
Art. 39 N 4; SCHMID, Handbuch, a.a.O., N 401, N 1287; RIKLIN, Schweizerische Strafprozessordnung, Zürich 2010, Art. 39 N 1).
Die Ausführungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid zum allgemeinen Gerichtsstand nach Art. 31 Abs. 1 Satz 1 StPO erweisen sich als zutreffend. Es kann in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO auf diese Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 4 S. 2 Absatz 3). Damit ist grundsätzlich die örtliche Zuständigkeit der Behörden des Kantons St. Gallen gegeben. Dieser Umstand wird von der Staatsanwaltschaft denn auch nicht bestritten.
Wie bereits ausgeführt, können die Staatsanwaltschaften indes nach Art. 38 Abs. 1 StPO untereinander einen andern als den in Anwendung von Art. 31-37 StPO bestimmten Gerichtsstand vereinbaren. Die Vorinstanz führt diesbezüglich aus, die entsprechende Vereinbarung datiere vom 20./21. April 2016, mithin nach Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft (8. April 2016), weshalb diese zu jenem Zeitpunkt gar keine verbindliche Gerichtsstandsvereinbarung mehr habe abschliessen können. Darauf kann es vorliegend aufgrund nachfolgender Erwägungen jedoch nicht ankommen.
Die Kontaktaufnahmen der angeblichen Kaufinteressenten erfolgten telefonisch und per E-Mail am Domizil der Galerie C. in Zürich; das einzige vorgängige Treffen vor der vorliegend zu beurteilenden Tat fand in F. (ITA) statt. Bis zum Treffen in H. SG bestand demnach ausser im Kanton Zürich kein weiterer Gerichtsstand. Die Zuständigkeit des Kantons Zürich war zu Beginn der Untersuchung damit klarerweise gegeben. Erst aufgrund der weiteren Ermittlungen, insbesondere des durch die Polizei mit den angeblichen Kaufinteressenten vereinbarten Treffens, welches ursprünglich in I. hätte stattfinden sollen
und kurzfristig nach H. SG verlegt wurde, ergab sich ein zusätzlicher Anknüpfungspunkt gestützt auf Art. 31 Abs. 1 StPO (Gerichtsstand des Tatorts) im Kanton St. Gallen.
Die Untersuchungsakten sind sehr umfangreich (Urk. 3/Ordner 1-4b). Ein triftiger Grund, der ein Abweichen vom in Art. 31 Abs. 1 StPO vorgesehenen Gerichtsstand im Falle einer entsprechenden Vereinbarung unter den Staatsanwaltschaften nach Art. 38 Abs. 1 StPO erlaubt, liegt aufgrund der durch die Staatsanwaltschaft vorgenommenen umfangreichen Untersuchungshandlungen vor.
Aufgrund der Mitteilung betreffend Untersuchungshandlungen in Ihrem Kanton der Staatsanwaltschaft vom 19. Juni 2015 waren die Strafverfolgungsbehör- den des Kantons St. Gallen ab jenem Datum über die laufenden Ermittlungen wegen strafrechtlich relevanter Vorgänge in ihrem Zuständigkeitsgebiet orientiert (vgl. Urk. 3/7/2/4). Diese Ermittlungen überliessen sie stillschweigend den Zürcher Behörden und bestätigten dies formell mit Schreiben vom 21. April 2016 (vgl.
Urk. 3/27). Die Fortdauer der Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft war und ist nach dem Ausgeführten - unabhängig von einer expliziten Vereinbarung nach Art. 38 f. StPO gerechtfertigt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Zuständigkeit bereits in einem frühen Stadium konkludent anerkannt. Sie führte die gesamte Untersuchung und erhob schliesslich Anklage bei der Vorinstanz. Diese war gerechtfertigt und zulässig (vgl. zum Ganzen auch: Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, UH140126-O vom 16. Dezember 2014, E. II.5. ff.).
Der Erste Staatsanwalt des Kantons St. Gallen sah sich nach einer Kontaktaufnahme der Verteidigung eines Mitbeschuldigten am 2. Mai 2016 dazu veranlasst, der Vorinstanz mitzuteilen, dass er der Auffassung sei, dass das Verfahren gegen die Beschwerdegegnerin in Zürich zu Ende geführt werden müsse und er eine abweichende Anordnung anfechten müsste (vgl. Urk. 3/31).
Nach dem Wortlaut und Aufbau des Gesetzes soll das Verfahren mit Gerichtsstandsfragen nach der Anklage zudem nicht mehr verzögert werden. Ein Wechsel der Zuständigkeit ist in der Regel zu vermeiden. Das ist erst recht geboten, wenn die Untersuchung bereits vollständig zu Ende geführt und Anklage er-
hoben worden ist, sofern Art. 42 Abs. 3 StPO eine Änderung des Gerichtsstandes nach Anklageerhebung nicht ohnehin ausschliesst. Dies hat vorliegend auch zu gelten, wenn sich die Staatsanwaltschaft vor Anklageerhebung - nicht explizit mit der als zuständig in Betracht fallenden Staatsanwaltschaft St. Gallen verstän- digt hat. Es wurden keine neuen triftigen Gründe geltend gemacht, die eine nachträgliche Änderung der von der Staatsanwaltschaft anerkannten Zuständigkeit rechtfertigen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Vorinstanz sich nicht ein vollständiges Bild von Tat und Täter machen kann dass die Beschwerdegegnerin sich vor Vorinstanz weniger gut verteidigen könnte, als vor einem Gericht im Kanton St. Gallen. Schliesslich sprechen auch Wirtschaftlichkeitsüberlegungen für die Zuständigkeit der Vorinstanz.
Es liefe den Interessen einer effizienten und beschleunigten Durchführung des Strafverfahrens entgegen, wenn der Einwand der Vorinstanz, die Staatsanwaltschaft habe sich in Missachtung der Regelung von Art. 38 StPO für zuständig erklärt, nach bereits angehobener Anklage vorliegend berücksichtigt würde (BGE 133 IV 235 E. 7 und Entscheid des Bundesstrafgerichts, Strafkammer, SK.2007.15 vom 26. September 2007 E. I. [betreffend sachliche Zuständigkeit]; Beschluss des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer, BG.2013.25 vom
25. Februar 2014 E. 1.3; KUHN, a.a.O., Art. 39 N 5; Art. 42 Abs. 3 StPO). Ohnehin dienen die Regelungen von Art. 39 f. StPO betreffend Gerichtsstandsverfahren vornehmlich dazu, einem negativen Kompetenzkonflikt unter den Kantonen vorzubeugen (SCHMID, Handbuch, a.a.O., N 438). Ein solcher liegt aufgrund der Anerkennung der Zuständigkeit durch die Staatsanwaltschaft aber gerade nicht vor.
Die Beschwerde erweist sich im Lichte der vorstehenden Erwägungen als begründet und ist daher gutzuheissen.
Eine Gutheissung der Beschwerde erweist sich zudem aus folgender Erwägung als sachgerecht: Die Staatsanwaltschaft erachtet sich als zuständig und bestätigt dies durch ihre Beschwerdeerhebung gegen den Entscheid der Vorinstanz. Da sich die Staatsanwaltschaft selbst als zuständig erachtet und der Erste Staatsanwalt des Kantons St. Gallen eine Übernahme des Verfahrens implizit durch die Vereinbarung (Urk. 3/27) sowie explizit im Schreiben vom 2. Mai 2016
an die Vorinstanz (Urk. 3/7/3 [gemäss Aktenverzeichnis der Vorinstanz wohl: Urk. 3/39]) abgelehnt hatte, kann angenommen werden, dass ein (weiterer) Meinungsaustausch zwischen den Staatsanwaltschaften Zürich und St. Gallen im Sinne von Art. 39 f. StPO zu einer Bestätigung des bisherigen Gerichtsstandes führen würde und damit wiederum Anklage bei der Vorinstanz erhoben werden
müsste. Ein solches Vorgehen stünde jedoch einer effizienten und beschleunigten
Durchführung des Strafverfahrens entgegen. Im Übrigen wäre der Staatsanwaltschaft im Falle, dass keine Einigung über den Gerichtsstand mit der Staatsanwaltschaft St. Gallen zustande käme, der Weg nach Art. 40 Abs. 2 StPO aufgrund der Rechtsprechung des Bundesstrafgerichts verwehrt. So tritt das Bundesstrafgericht bei strittigem Gerichtsstand unter den Kantonen nach einmal erfolgter Anklageerhebung nicht mehr auf Gesuche zur Festlegung des Gerichtsstandes nach Art. 40 Abs. 2 StPO ein (Beschluss des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer, BG.2013.25 vom 25. Februar 2014 E. 1).
Der Beschluss der Vorinstanz vom 6. Mai 2016 ist somit aufzuheben und die Sache zur Prüfung der Anklagezulassung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren fällt ausser Ansatz. Die Beschwerdegegnerin unterliegt; ihr ist keine Prozessentschädigung zuzusprechen.
Es wird beschlossen:
In Gutheissung der Beschwerde wird der Beschluss des Bezirksgerichts Zürich, 8. Abteilung, vom 6. Mai 2016 (Geschäfts-Nr. DG160118-L) aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren fällt ausser Ansatz.
Es werden keine Prozessentschädigungen ausgerichtet.
Schriftliche Mitteilung an:
den Verteidiger der Beschwerdegegnerin, zweifach, für sich und die Beschwerdegegnerin (per Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz unter Zusendung der Untersuchungsakten (Urk. 3) sowie unter Rücksendung ihrer eigenen Akten (Urk. 5; gegen Empfangsbestätigung)
die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, ad 2015/10021839 (gegen Empfangsbestätigung).
Gegen diesen Entscheid kann unter den einschränkenden Voraussetzungen von Art. 93 des Bundesgerichtsgesetzes Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der
Ersten öffentlich-rechtlic he n Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne
14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 5. Juli 2016
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Der Präsident:
lic. iur. Th. Meyer
Der Gerichtsschreiber:
lic. iur. S. Betschmann
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