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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils UH160084: Obergericht des Kantons Zürich

In dem Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 23. April 2016 geht es um eine Beschwerde gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl betreffend Akteneinsicht und Beweisanträge in einer Strafuntersuchung wegen Betäubungsmittelhandels. Die Staatsanwaltschaft wies die Anträge auf Herausgabe von Dokumenten ab, da sie diese für irrelevant hielt. Der Beschwerdeführer forderte den Beizug der polizeilichen Akten und Datenauswertungen seines Mandanten. Das Gericht entschied, dass interne polizeiliche Unterlagen nicht Teil der Verfahrensakten sind und wies die Beschwerde in diesem Punkt ab. Der Beschwerdeführer konnte keinen Beweisverlust nachweisen, weshalb sein Antrag auf Beizug der polizeilichen Unterlagen abgelehnt wurde. Die Einsicht in die Computer- und Mobiltelefon-Auswertungen wurde jedoch als zulässig erachtet. Der Entscheid schliesst das Verfahren nicht ab, und die Regelung der Kosten wird im Endentscheid festgelegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts UH160084

Kanton:ZH
Fallnummer:UH160084
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UH160084 vom 23.04.2016 (ZH)
Datum:23.04.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Akteneinsicht / Beweisanträge
Schlagwörter : Akten; Polizei; Staatsanwaltschaft; Verfahren; Prozess; Betäubungsmittel; Verfahren; Recht; Ermittlung; Einsicht; Person; Akteneinsicht; Verfahrens; Einvernahme; Dokumente; Polizeiaktion; Unterlagen; Schmid; Gericht; Beschwerdeführers; Dokumentationspflicht; Schmutz; Schweiz; Stadtpolizei; Beizug
Rechtsnorm:Art. 101 StPO ;Art. 108 StPO ;Art. 135 StPO ;Art. 194 StPO ;Art. 224 StPO ;Art. 307 StPO ;Art. 32 BV ;Art. 421 StPO ;
Referenz BGE:115 Ia 97; 129 I 85; 137 IV 172;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts UH160084

Obergericht des Kantons Zürich

  1. Strafkammer

    Geschäfts-Nr.: UH160084-O/U/HON

    Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, und lic. iur. W. Meyer, Ersatzoberrichter lic. iur. A. Schärer sowie Gerichtsschreiber lic. iur.

    1. Weber

Beschluss vom 23. April 2016

in Sachen

  1. ,

    Beschwerdeführer

    amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,

    gegen

    Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

    Beschwerdegegnerin

    betreffend Akteneinsicht / Beweisanträge

    Beschwerde gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 22. März 2016, S-2/2015/10032495

    Erwägungen:

    1. Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl führt seit September 2015 gegen A. eine Strafuntersuchung wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz etc. Zur Hauptsache verdächtigt sie ihn, seit unbestimmter Zeit im Raum Zürich dem Handel mit Betäubungsmitteln nachgegangen zu sein (vgl. insbesondere Urk. 9/1, 9/4 und 9/8). A. wurde am 19. September 2015 verhaftet und sitzt seither in Untersuchungshaft (9/26).

      1. Mit Eingabe vom 21. März 2016 beantragte sein amtlicher Verteidiger bei der Staatsanwaltschaft, dass die Herausgabe sämtlicher Dokumente der Stadtpolizei Zürich verlangt werde, insbesondere sämtlicher Journaleinträge, Einsatzpläne, Protokolle, Planungsunterlagen, Fotos, Aufzeichnungen, Notizen, E-Mails etc., welche von der Stadtpolizei Zürich sowie anderen Einsatzkräften im Zusammenhang mit der gegen A. am 19. September 2015 durchgeführten Polizeiaktion erstellt worden seien, da Zweifel daran bestünden, dass die Polizeiaktion in zulässiger Art und Weise durchgeführt worden sei. Gleichzeitig beantragte er, dass ihm vollständige Einsicht in die Datenauswertung des Telefons und des Computers seines Mandanten gewährt werde (Urk. 9/13 = 3/3).

        Diese Anträge wies die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 22. März 2016 mit der Bemerkung ab, es bestehe insbesondere kein Anspruch auf Beizug von polizeiinternen Unterlagen, zumal diese für die Aufklärung des Sachverhalts unerheblich seien. Die Zweifel des amtlichen Verteidigers an der Zulässigkeit der Polizeiaktion vermöchten daran nichts zu ändern (Urk. 9/14 = 3/1 = 5).

      2. Dagegen hat A. am 1. April 2016 Beschwerde mit den folgenden Anträgen erheben lassen (Urk. 2 S. 2):

  1. Die Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich - Sihl vom 22. März 2016 sei aufzuheben;

  2. die Beschwerdegegnerin sei anzuweisen, sämtliche im Zusammenhang mit der gegen den Beschwerdeführer am 19. September 2015 durchgeführten Polizeiaktion der Stadtpolizei Zürich erstellten und entstandenen polizeilichen Akten, insbesondere Einsatzpläne, Journaleinträge, Berichte, Emails, Beobachtungsnotizen, Fotos und sonstige Dokumente, den Verfahrensakten

    beizufügen und dem Beschwerdeführer vollumfänglich Einsicht in diese Akten zu gewähren;

  3. die Beschwerdegegnerin sei anzuweisen, dem Beschwerdeführer vollumfänglich Einsicht in die Daten-Auswertung des am 19. September 2016 sichergestellten Computers (Apple MacBook Pro, Seriennummer ...) und Mobiltelefons (Samsung Galaxy S5, IMEI ...) des Beschwerdeführers zu gewähren;

  4. die Kosten des Beschwerdeverfahrens inkl. der Kosten der amtlichen Verteidigung seien auf die Gerichtskasse zu nehmen.

Die Staatsanwaltschaft hat auf Stellungnahme verzichtet (Urk. 8).

    1. Im Hinblick auf die Zulässigkeit des erhobenen Rechtsmittels ist vorab zu prüfen, welcher Rechtsnatur der vom Beschwerdeführer gestellte und von der Staatsanwaltschaft abgewiesene Antrag ist, die diversen polizeilichen Dokumente den Verfahrensakten beizufügen und ihm darin Einsicht zu gewähren.

      1. Nach Art. 101 Abs. 1 StPO haben die Parteien im Strafprozess grundsätzlich das Recht auf Einsicht in die Akten des Verfahren. Dieses ist wesentlicher Teilgehalt des schon verfassungs- (Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV) und konventionsrechtlich (Art. 6 Ziff. 1 und 3 EMRK) garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. auch Art. 107 lit. a StPO). Das Akteneinsichtsrecht soll sicherstellen, dass die beschuldigte Person als Verfahrenspartei von den Entscheidgrundlagen Kenntnis erhält und sich effektiv und sachbezogen verteidigen kann (BGE 129 I 85 E. 4.1). Seine wirksame Ausübung bedingt, dass vollständige und korrekt geführte Akten vorhanden sind. Spiegelbildlich zum Akteneinsichtsrecht der Parteien besteht deshalb eine Aktenführungs- und Dokumentationspflicht der Behörden (vgl. Art. 100 und Art. 76 ff. StPO). Es gehört zu den elementaren Grundsätzen des Strafprozessrechts, dass sämtliche im Rahmen Verfahrens vorgenommenen Erhebungen aktenkundig gemacht werden. Das Akteneinsichtsrecht verblasst in seiner Substanz, wo die zur Einsicht offenstehenden Unterlagen lückenhaft sind. Nur wenn in den Akten alles festgehalten ist, was zur Sache gehört, können die Verteidigungsrechte ausgeübt werden (BGE 115 Ia 97 E. 4.c; BGer 6B_719/2011 vom 12. November 2012 E. 4.5; Schmutz, in: Niggli / Heer / Wiprächtiger, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2014 [BSK StPO], Art. 100 N 1).

        Die beschuldigte Person muss ihre Verteidigung nicht darauf beschränken darzulegen, wie die erhobenen Beweise aus ihrer Sicht zu würdigen sind. Als Subjekt des Strafverfahrens kann sie sich in jeder Hinsicht äussern, um Einfluss auf das Verfahren und dessen Ergebnis zu nehmen. Dazu gehört namentlich, dass sie die Möglichkeit hat, schon die Rechtmässigkeit der Beweiserhebung und die Verwertbarkeit erhobener Beweismittel in Zweifel zu ziehen. Dies setzt voraus, dass die Akten auch hinsichtlich des Verfahrensgangs vollständig sind. Der Dokumentationspflicht kommt insofern Garantiefunktion zu, als später festgestellt werden kann, ob die prozessualen Regeln und Formen eingehalten wurden. Es muss aktenmässig belegt sein, wie die vorhandenen Beweismittel produziert wurden, damit die beschuldigte Person in der Lage ist zu prüfen, ob sie inhaltliche formale Mängel aufweisen, und gegebenenfalls Einwände gegen deren Verwertung erheben kann (BGE 129 I 85 E. 4.1; BGer 6B_1021/2013 vom 29. September

        2014 E. 4.3, BGer 6B_719/2011 vom 12. November 2012 E. 4.5; Botschaft zur

        Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006

        1085 [Botschaft], S. 1155).

        Die Dokumentationspflicht gilt auf allen Verfahrensstufen, also auch bereits im polizeilichen Ermittlungsverfahren (Botschaft, S. 1155). Polizeiliche Vorermittlungen und sicherheitspolizeiliche Vorkehrungen unterstehen dem jeweils anwendbaren Polizeirecht. Sie fallen aber unter die strafprozessuale Dokumentationspflicht, wenn sie zur Eröffnung eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens führen (BGer 6B_719/2011 vom 12. November 2012 E. 4.5). Die Polizei ist indes nicht gehalten alle Details ihrer Ermittlungstätigkeit offenzulegen ihre Arbeitsunterlagen und taktischen Grundlagen zu offenbaren (Schmid, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl., Zürich 2013 [Schmid, Handbuch], N 568; Landshut / Bosshard, in: Donatsch / Hansjakob / Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl., Zürich 2014 [ZK StPO], Art. 307 N 34; ZK StPO-Brüschweiler, Art. 100 N 2; BSK StPO-Rhyner, Art. 306 N 25a; kritisch dazu allerdings Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl., Bern 2012,

        N 1359 f.). Die Strafprozessordnung verlangt denn auch nicht, dass solche internen Arbeitsinstrumente zu den Akten des Strafverfahrens genommen werden. Vielmehr konkretisiert (BSK StPO-Schmutz, Art. 100 N 15; vgl. auch Botschaft,

        S. 1262) sie die in allgemeiner Weise in Art. 100 und Art. 76 ff. geregelte Aktenführung für das selbständige polizeiliche Ermittlungsverfahren in Art. 307 Abs. 3 dahingehend, als die Polizei ihrer Dokumentationspflicht mittels schriftlichen Berichten nachkommt. In solchen Rapporten hat sie ihre Feststellungen und die von ihr getroffenen Massnahmen laufend festzuhalten. Sie werden nach Abschluss ihrer Ermittlungen zusammen mit den Anzeigen, Protokollen, weiteren Akten sowie sichergestellten Gegenständen und Vermögenswerten umgehend der Staatsanwaltschaft übermittelt. Nur diese Unterlagen fallen unter den Aktenbegriff im Sinne von Art. 100 ff. StPO, nicht aber polizeiinterne Dokumente, etwa betreffend die operative, taktische Tätigkeit, wie Einsatzdispositive, Sicherheitsund Überwachungskonzepte etc. Letztere sind nicht zu den Akten zu nehmen (Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen AK.2013.118 vom 18. Juni 2013

        E. 2.b/aa; Hauser / Schweri / Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht,

        6. Aufl., Basel 2005, § 55 N 15; BSK StPO-Schmutz, Art. 100 N 18; vgl. auch BGer 6B_719/2011 vom 12. November 2012 E. 4.5 a. E., wo diese Auffassung, als wohl vorherrschende Doktrin bezeichnet wird).

      2. Vorliegend verfasste die Stadtpolizei Zürich am 20. September 2015 einen Rapport über ihre vor Eröffnung der Untersuchung durchgeführten Ermittlungen betreffend den Beschwerdeführer. Sie führte darin zusammengefasst aus, dass aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung und polizeilichen Vorermittlungen der Betäubungsmittelfahndung der Stadtpolizei Zürich bekannt gewesen sei, dass der Beschwerdeführer regelmässig Betäubungsmittel von Deutschland in die Schweiz einführe und in Zürich und Umgebung verkaufe. Ermittlungen in der Hotelkontrolle hätten gezeigt, dass er regelmässig in Zürich in verschiedenen Hotels übernachtet habe. Am 15. September 2015 sei sein Auto in Zürichgesichtet worden. Anschliessend sei er dabei beobachtet worden, wie er in Zürich und Winterthur verschiedene Lokalitäten aufgesucht habe und anschliessend nach Diessenhofen TG gefahren sei, wo er die Grenze nach Deutschland passiert habe. Aufgrund dieser Erkenntnisse sei der Grenzübergang Diessenhofen am

        19. September 2015 durch Funktionäre der Betäubungsmittelfahndung überwacht worden. Um 19:46 Uhr habe der Beschwerdeführer die Grenze überquert und sei auf direktem Wege nach Winterthur gefahren, wo er vor einer Tiefgarage auf Zutritt gewartet habe. Da die Gefahr bestanden habe, dass er im Innern des Gebäu- des die von ihm mutmasslich mitgeführten Betäubungsmittel verstecken weitergeben könne, sei umgehend eine Kontrolle eingeleitet worden. Dabei seien diverse Betäubungsmittel gesichtet worden, weshalb der Beschwerdeführer verhaftet worden sei. Weiter gibt der Rapport über die erfolgten Sicherstellungen (Betäubungsmittel, Betäubungsmittelutensilien, Bargeld, Mobiltelefon, Computer, Fahrzeug) und die Spurensicherung (Schneiden der Fingernägel des Beschwerdeführers, daktyloskopische Spurensicherung) Auskunft. Sodann enthält er Angaben über die früheren, in der Hotelkontrolle gemeldete Aufenthalte des Beschwerdeführers und äussert sich zu weiteren Ermittlungsansätzen. Er wurde zusammen mit den Protokollen über die Durchsuchung des Beschwerdeführer und seines Fahrzeugs, dem Protokoll seiner polizeilichen Einvernahme, der Anwaltsvollmacht sowie den Sicherstellungslisten der Staatsanwaltschaft übermittelt

        (Urk. 9/1).

        Damit kam die Polizei ihrer Dokumentationspflicht gemäss Art. 307 Abs. 3 StPO nach. Mit dem Rapport sind Ausgangslage, Durchführung sowie Ergebnis der Ermittlungen aktenkundig (zum erforderlichen Inhalt im Einzelnen vgl. Albertini, in: Albertini / Fehr / Voser [Hrsg.], Polizeiliche Ermittlung, Zürich 2008 [Handbuch VSKC], S. 562 f.). Die genannten Unterlagen bilden Gegenstand der Akten im Sinne von Art. 100 ff. StPO. Die vom Beschwerdeführer gemäss Ziffer 2 seines Beschwerdebegehrens bzw. dem diesen zugrunde liegenden Antrag an die Staatsanwaltschaft darüber hinaus verlangten Dokumente (Einsatzpläne, Journaleinträge, Berichte, E-Mails, Beobachtungsnotizen, Fotos und sonstige Dokumente betreffend die Polizeiaktion vom 19. September 2015) stellen dagegen nach dem soeben Ausgeführten interne Arbeitsunterlagen dar, die die operative, taktische Tätigkeit der Polizei berühren. Sie werden in den polizeilichen Informationssystemen verwaltet (für den Kanton Zürich vgl. die POLIS-Verordnung [LS 551.103]) und fallen nicht unter Art. 307 Abs. 3 StPO (so ausdrücklich für die Einsatzakten im Rahmen von Observationen, namentlich für das Observationsjournal: Greter, Die Akteneinsicht im Schweizerischen Strafverfahren, Diss. Zürich 2012, S. 78 f.; ZK StPO-Hansjakob, Art. 282 N 29; Schmid, Handbuch, N 1174 Fn. 574; derselbe, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar,

        2. Aufl., Zürich 2013 [Schmid, StPO PK], Art. 282 N 11; Handbuch VSKC-Rhyner / Stüssi, S. 481).

      3. Das Einsichtsrecht nach Art. 101 Abs. 1 StPO bezieht sich alleine auf die Verfahrensakten. Was nicht deren Bestandteil ist, kann nicht eingesehen werden. Verlangt eine Partei, dass ihr Unterlagen vorgelegt werden, die sich ausserhalb der Akten des Strafprozesses befinden, bedingt die Einsicht den vorgängigen Beizug der fraglichen Dokumente (vgl. Art. 194 StPO). Ein entsprechendes Gesuch ist demnach als Beweisantrag zu qualifizieren (Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen AK.2013.118 vom 18. Juni 2013 E. 2.b/bb).

      4. Nach dem Gesagten ficht der Beschwerdeführer in Ziffer 2 seiner Rechtsmittelbegehren die Abweisung eines Beweisantrags an. Dies ist nach Art. 394 lit. b StPO nur zulässig, wenn der Beweisantrag nicht ohne Rechtsnachteil vor dem erstinstanzlichen Gericht wiederholt werden kann. Dieser Rechtsnachteil ist gleichbedeutend mit dem nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG und liegt vor allem dann vor, wenn die Beweisabnahme keinen Aufschub verträgt, insbesondere weil sonst ein Beweisverlust droht, nicht

        aber schon dann, wenn es einer Partei bloss darum geht, eine Verlängerung Verteuerung des Verfahrens zu vermeiden (BGer 1B_73/2014 vom 21. Mai 2014

        E. 1.3 f.). Beispiele für einen Beweisverlust sind der Zeuge, der lebensbedrohlich erkrankt ist kurz vor der Ausschaffung in sein Heimatland steht, eine Unfallkreuzung, an welcher noch ein Augenschein durchgeführt werden soll, bevor sie umgebaut wird, der Ablauf der Aufbewahrungsfrist für Akten. Der Nachweis eines solchen Nachteils bzw. Beweisverlusts obliegt dem Beschwerdeführer, ansonsten auf seine Beschwerde nicht einzutreten ist. Somit muss er einerseits darlegen, weshalb der abgelehnte Beweisantrag für das Verfahren von entscheidender Bedeutung ist, und andererseits den Nachweis erbringen, dass ein Zuwarten mit der Beweisabnahme aller Voraussicht nach zu einem Beweisverlust führen würde (Beschluss der Kammer UH140272 vom 2. Oktober 2014 = ZR 113 [2014] Nr. 87 E. II./2.2 mit Hinweisen).

        Der Beschwerdeführer legt in seiner Beschwerde nicht dar, inwiefern ihm ein Beweisverlust droht. Ein solcher ist auch nicht ersichtlich. Der Beizug der fraglichen

        polizeilichen Unterlagen könnten ohne Weiteres zu einem späteren Zeitpunkt bzw. vor dem Sachgericht erneut beantragt und von diesem beurteilt werden. Wie die Kammer schon im Beschluss UB160034 vom 13. April 2016 erwog, mit dem die vom Beschwerdeführer gegen die Ablehnung seines Haftentlassungsgesuchs und die Verlängerung der Untersuchungshaft erhobene Beschwerde im Wesentlichen abgewiesen wurde, vermöchten allfällige Unregelmässigkeiten im Rahmen der Polizeiaktion vom 19. September 2015 seine Haftentlassung nicht zu rechtfertigen, weshalb auch vor dem Hintergrund der bestehenden Untersuchungshaft kein beachtlicher Rechtsnachteil im Sinne von Art. 394 lit. b StPO anzunehmen ist.

      5. Demnach ist auf die Beschwerde insoweit nicht einzutreten, als sie sich gegen den verweigerten Beizug der polizeilichen Unterlagen richtet. Ob die Zweifel des Beschwerdeführers (vgl. Urk. 2 Rz. 21 f.) am Ablauf der Polizeiaktion vom

19. September 2015, wie er im Rapport vom 20. September 2015 dokumentiert

ist, den beantragten Beizug rechtfertigen bzw. dessen Abweisung seine Verteidigungsrechte tangiert, ist an dieser Stelle deshalb nicht zu beurteilen.

2.2. Die Aktenqualität der vom Beschwerdeführer ebenfalls verlangten Computerund Mobiltelefon-Auswertungen (Ziffer 3 der Beschwerdebegehren) steht demgegenüber - unabhängig davon, ob diese von der Polizei bereits an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurden nicht ausser Frage. Diesbezüglich ficht der Beschwerdeführer die Verweigerung der Akteneinsicht an. Dagegen ist nach

Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO die Beschwerde zulässig. Die Einschränkung nach Art. 394 lit. b StPO gelangt insoweit nicht zur Anwendung. Die übrigen Sachentscheidvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist in diesem Umfang einzutreten.

    1. Die Einsicht in die Akten ist nach Art. 101 Abs. 1 StPO spätestens nach der ersten Einvernahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigsten Beweise durch die Staatsanwaltschaft zu gewähren.

      Bei umfangreichen Sachverhalten kann sich die erste Einvernahme im Sinne dieser Bestimmung über mehrere Einvernahmetermine erstrecken, wenn diese not-

      wendig sind, damit die beschuldigte Person zu sämtlichen zu untersuchenden Sachverhalten erstmals befragt werden kann (BSK StPO-Schmutz, Art. 101

      N 14). Unerheblich ist dabei, ob sich die beschuldigte Person einlässt die Aussage verweigert (BGE 137 IV 172 E. 2.4; ZK StPO-Brüschweiler, Art. 101 N 4; Schmid, StPO PK, Art. 101 N 3).

      Unter die Erhebung der übrigen wichtigsten Beweise fallen beispielsweise die Einvernahmen der Hauptbelastungszeugen, die Edition von relevanten Bankunterlagen, das Einholen kriminaltechnischer Berichte rechtsmedizinischer Gutachten über entscheidwesentliche Tatfragen die Durchführung einer Fotokonfrontation. Wenn die entsprechenden Beweismassnahmen neue relevante Sachverhaltselemente an den Tag fördern, muss es möglich sein, die beschuldigte Person hierzu zu befragen, bevor sie vom Inhalt der entsprechenden Aktenteile Kenntnis erhält. Zur Erhebung der wichtigsten Beweise gehören daher auch weitere Einvernahmen der beschuldigten Person zu den neuen Beweismitteln (BSK StPO-Schmutz, Art. 101 N 15; Schmid, StPO PK, Art. 101 N 4). Sind zahlreiche Beweismittel zu erheben und nimmt dies längere Zeit in Anspruch, kann es sich rechtfertigen, der beschuldigten Person die Akteneinsicht nicht gänzlich zu verweigern, sondern in Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips vorderhand auf die bereits vorgehaltenen Aktenteile zu beschränken (Art. 108 Abs. 3 StPO analog; BSK StPO-Schmutz, Art. 101 N 15, ZK StPO-Brüschweiler, Art. 101 N 6; Schmid, StPO PK, Art. 101 N 4).

    2. Der Beschwerdeführer wurde 21. September 2015, am 10. Dezember 2015 und am 1. Februar 2016 staatsanwaltschaftlich befragt. Die erste Einvernahme erfolgte in Anwendung von Art. 224 Abs. 1 StPO nur hinsichtlich der Haftvoraussetzungen (Urk. 9/3). In der Einvernahme vom letzten Dezember erhielt der Beschwerdeführer Gelegenheit, zu den Aussagen des Polizisten B. Stellung

      zu nehmen, welcher auf seinen Antrag hin zum Polizeieinsatz vom 19. September 2015 befragt worden war (Urk. 9/6). Am letztgenannten Termin fand die Konfrontationseinvernahme mit dem Beschwerdeführer und dessen (in separatem Verfahren) mitbeschuldigten Lebenspartner, C. , statt (Urk. 9/7). Abgesehen von den anlässlich der Kontrolle und Verhaftung sichergestellten Betäubungsmitteln

      sowie einem Vorgang vom 7. August 2015 kamen die einzelnen mutmasslichen Betäubungsmitteltransaktionen, derer der Beschwerdeführer verdächtigt wird (vgl. den Polizeirapport vom 26. November 2015, gemäss welchem aufgrund der Auswertung des Mobiltelefons von rund hundert Abnehmern auszugehen sei, die der Beschwerdeführer kontaktiert habe [Urk. 9/4 S. 4]), nicht zur Sprache. Hierzu wird der Beschwerdeführer noch im Einzelnen zu befragen sein, wobei ihm die ausgewerteten Whatsappund SMS-Nachrichten vorzuhalten sein werden. Solange dies nicht erfolgt ist, hält die Verweigerung der Akteneinsicht bezüglich der Auswertungsergebnisse entgegen der Meinung des Beschwerdeführers (vgl. Urk. 2 Rz. 58) vor Art. 101 Abs. 1 StPO stand.

    3. Die Beschwerde ist demnach in dieser Hinsicht abzuweisen.

4. Der vorliegende Entscheid schliesst das Verfahren nicht ab. Die Regelung der Kostenund Entschädigungsfolgen hat im Endentscheid zu erfolgen (Art. 421 Abs. 1 StPO). Ebenso wird die Entschädigung für die amtliche Verteidigung am Ende des Strafverfahrens festzusetzen sein (Art. 135 Abs. 2 StPO).

Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist zuhanden der das Strafverfahren abschliessenden Behörde in Beachtung der Bemessungskriterien von § 2 Abs. 1 lit. b-d GebV OG (Bedeutung und Schwierigkeit des Falles sowie Zeitaufwand des Gerichts) und gestützt auf § 17 Abs. 1 GebV OG auf Fr. 800.festzusetzen.

Es wird beschlossen:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

  2. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf Fr. 800.festgesetzt.

  3. Die Regelung der Kostenauflage und allfälliger Entschädigungen wird dem Endentscheid vorbehalten.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • den amtlichen Verteidiger, zweifach, für sich und zuhanden des Beschwerdeführers (per Gerichtsurkunde)

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, unter gleichzeitiger Rücksendung der ursprünglich im Verfahren UB160034 beigezogenen Untersuchungsakten [Urk. 9] (gegen Empfangsbestätigung)

  5. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann unter den einschränkenden Voraussetzungen von Art. 93 des Bundesgerichtsgesetzes Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der

Ersten öffentlich-rechtlic he n Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne

14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen

richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 23. April 2016

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Präsident:

lic. iur. Th. Meyer

Gerichtsschreiber:

lic. iur. A. Weber

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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