E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils UH150348: Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Beschluss vom 23. Februar 2016 über den Vollzug von Freiheitsstrafen entschieden. Der Beschwerdeführer wurde wegen verschiedener Delikte verurteilt und mit einer Freiheitsstrafe belegt. Nach verschiedenen Behandlungsversuchen und Aufschüben des Strafvollzugs entschied die Vorinstanz, die Freiheitsstrafen zu vollziehen. Der amtliche Verteidiger des Beschwerdeführers legte dagegen Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung des Beschlusses sowie die Sistierung des Verfahrens. Das Obergericht wies die Beschwerde ab und entschied, dass die Freiheitsstrafen vollzogen werden müssen. Die Kosten des Verfahrens wurden der Gerichtskasse auferlegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts UH150348

Kanton:ZH
Fallnummer:UH150348
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UH150348 vom 23.02.2016 (ZH)
Datum:23.02.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Vollzug
Schlagwörter : Massnahme; Freiheit; Freiheitsstrafe; Vollzug; Recht; Beschwerdeführers; Gericht; Freiheitsstrafen; Verfahren; Verfügung; Beschluss; Vorinstanz; Entscheid; Anordnung; Bezirksgericht; Urteil; Verfahren; Kantons; Abteilung; Behandlung; Schweiz; Voraussetzungen; Vollzug; Klinik; Verteidigung
Rechtsnorm:Art. 428 StPO ;Art. 59 StGB ;Art. 60 StGB ;Art. 61 StGB ;Art. 62c StGB ;Art. 63 StGB ;Art. 63b StGB ;Art. 86 StGB ;
Referenz BGE:120 IV 176; 121 IV 303;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts UH150348

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UH150348-O/U/KIE

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. W. Meyer, Präsident i.V., Oberrichterin lic. iur.

F. Schorta und Ersatzoberrichter lic. iur. A. Schärer sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. Ch. Negri

Beschluss vom 23. Februar 2016

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

Beschwerdegegnerin

betreffend Vollzug

Beschwerde gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Zürich, 8. Abteilung, vom 29. Oktober 2015, DA150009-L

Erwägungen:

I.
  1. Das Bezirksgericht Zürich, 8. Abteilung, (nachfolgend: Vorinstanz) sprach A. (nachfolgend: Beschwerdeführer) mit Urteil vom 23. Juni 2010 des Fahrens in fahrunfähigem Zustand, des mehrfachen Führens eines Motorfahrzeuges ohne Führerausweis, der mehrfachen einfachen Verkehrsregelverletzung sowie

    der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes schuldig. Es bestrafte ihn mit 10 Monaten Freiheitsstrafe sowie mit einer Busse von Fr. 2'500.-. Zudem widerrief es die mit Urteil des Kantonsgerichtes Graubünden vom 10. Mai 2005 ausgefällte, bedingte Strafe von 18 Monaten Gefängnis. Weiter ordnete es eine ambulante Behandlung im Sinne von Art. 63 StGB (Suchtbehandlung) an. Der Vollzug der Freiheitsstrafen wurde zu diesem Zweck aufgeschoben

    (Urk. 14/19/28).

  2. Das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich (nachfolgend: JUV) hob die ambulante Massnahme mit Verfügung vom 15. Oktober 2013 auf (Urk. 14/6/1

    S. 4 f.). Am 23. September 2014 beschloss die Vorinstanz den Vollzug der vorgenannten Freiheitsstrafen (Urk. 14/6/28). Mit Beschluss vom 16. Januar 2015 ordnete die hiesige Kammer im Beschwerdeverfahren eine stationäre therapeutische Massnahme des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 60 StGB (Suchtbehandlung) an und schob den Vollzug der vorgenannten Freiheitsstrafen für die Dauer des Massnahmevollzugs auf (Urk. 14/6/34). Mit Verfügung vom 1. April 2015 stellte das JUV diesbezügliche Vollzugsbemühungen ein. Gleichzeitig beantragte es nach Eintritt der Rechtskraft bei der Vorinstanz, es sei zu prüfen, ob die obgenannten Freiheitsstrafen zu vollziehen seien (Urk. 14/1 S. 3 f.).

  3. Am 29. Oktober 2015 beschloss die Vorinstanz den Vollzug der vorgenannten Freiheitsstrafen (Urk. 5).

  4. Hiergegen erhob der amtliche Verteidiger des Beschwerdeführers innert Frist Beschwerde und stellte folgende Anträge (Urk. 2 S. 2):

    1. Der Beschluss des Bezirksgerichts Zürich vom 29. Oktober 2015 sei aufzuheben (sämtliche Dispositivziffern) und gleichzeitig seien folgende Anträge des Beschwerdeführers gutzuheissen:

    1. Nichteintreten auf den Antrag des Amts für Justizvollzug vom

      1. April 2015 bzw.

        eventualiter: Anordnung einer stationären Massnahme im Sinne von Art. 60 StGB im Aufenthaltsland des Antragsgegners.

    2. Subeventualiter: Sistierung dieses Verfahrens betreffend das Nachverfahren bis zum Vorliegen von hinreichenden Erkenntnissen über die Entwicklung der persönlichen Verhältnisse des Antragsgegners seit dessen Ausweisung aus der Schweiz bzw. der Rückführung in dessen Heimatstaat am 30. Oktober 2013.

    3. Subsubeventualiter sei der Beschluss des Bezirksgerichts Zürich vom 29. Oktober 2015 aufzuheben und zur neuen Entscheidung zurückzuweisen.

    4. Sämtliche Verfahrenskosten seien auf die Staatskasse zu nehmen.

  5. Mit Verfügung vom 9. Dezember 2015 wurde die Beschwerdeschrift der Vorinstanz sowie der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl zur freigestellten Stellungnahme übermittelt (Urk. 7). Beide verzichteten auf Vernehmlassung (Urk. 11, 12).

  6. Wegen einer Abwesenheit ist die den Parteien angekündigte Zusammensetzung des Gerichts (Urk. 7 S. 2) angepasst worden.

II.
  1. Die Vorinstanz führt im angefochtenen Beschluss im Wesentlichen zusammengefasst Folgendes aus: Gegen die Verfügung des JUV vom 1. April 2015 sei kein Rekurs ergriffen worden, weshalb diese in Rechtskraft erwachsen sei. Das Gericht könne deshalb nicht mehr über die Rechtmässigkeit derselben befinden (Urk. 3 S. 6). Die Unmöglichkeit des Vollzugs der stationären Massnahme liege darin begründet, dass der Beschwerdeführer einerseits rechtskräftig weggewiesen und in seinen Heimatstaat ausgeschafft worden sei und dass anderseits eine bis zum 27. Oktober 2018 geltende Einreisesperre für den Schengen-Raum gegen ihn bestehe. Zudem sei gemäss JUV aufgrund der latenten Fluchtgefahr ein fachgerechter Vollzug der stationären Massnahme mangels geeigneter Therapieinstitution nicht möglich. Da mit der stationären Massnahme gar nicht erst habe begonnen werden können, stelle sich die Frage einer dadurch eingetretenen Besserung und deren Infragestellung durch den Vollzug der Strafe nicht. Ferner seien die Voraussetzungen für Massnahmen im Sinne von Art. 59 und 61 StGB nicht erfüllt. Die Anordnung einer ambulanten Massnahme komme ebenfalls nicht in Frage, da eine solche bereits vom JUV zufolge Aussichtslosigkeit eingestellt worden sei (Urk. 3 S. 7).

    Im Weiteren sei das objektive Erfordernis von Art. 86 Abs. 1 StGB - Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe - nicht gegeben, weshalb ihm die bedingte Entlassung nicht gewährt werden könne (Urk. 3 S. 8). Sodann könne dem Beschwerdeführer keine günstige Prognose hinsichtlich seines künftigen Verhaltens gestellt werden, so dass der Strafvollzug nicht aufzuschieben sei. Zu beachten sei, dass der Grund für die Anordnung der stationären Massnahme bzw. eine grundsätzliche Massnahmebedürftigkeit nach wie vor bestehe, was eine günstige Prognose ausschliesse. Die fraglichen Freiheitsstrafen seien demnach zu vollziehen (Urk. 3

    S. 9). An den Freiheitsentzug anzurechnen sei der stationäre Klinikaufenthalt in

    der Klinik B. von 60 Tagen sowie die Untersuchungshaft von sieben Tagen (Urk. 3 S. 10).

  2. Der amtliche Verteidiger des Beschwerdeführers führt hierzu im Wesentlichen zusammengefasst Folgendes aus: Dem Beschwerdeführer sei erst Ende Juli 2015 und damit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bestreffend die Verfügung des JUV vom 1. April 2015 ein amtlicher Verteidiger bestellt worden. Dies stelle einen krassen Verstoss gegen das Gebot des fair trial bzw. auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, so dass sich die Vorinstanz bzw. jede gerichtliche Instanz eben nicht auf die Rechtmässigkeit dieser Verfügung des JUV abstützen könne, sondern sich zwingend mit den Argumenten der Verteidigung auseinander zu setzen habe, damit das erforderliche rechtsstaatliche Verfahren für den Beschwerdeführer doch noch sichergestellt werde (Urk. 2 S. 6).

    Im Weiteren sei das JUV an den Entscheid des Obergerichts vom 16. Januar 2015 gebunden. Sollte ein Vollzug der rechtskräftig angeordneten stationären Massnahme in der Schweiz effektiv nicht möglich sein, so wäre die Vollzugsbehörde verpflichtet, zumindest den Versuch zu starten, den Vollzug der gerichtlich angeordneten stationären Massnahme im Aufenthaltsland zu veranlassen (Urk. 2

    S. 6 f.). Eine Umwandlung der stationären Massnahme in eine Freiheitsstrafe verstosse gegen ein faires Verfahren bzw. käme unter den gegebenen Umstän- den einem Verstoss gegen Treu und Glauben gleich. Der Beschwerdeführer wür- de de facto gleich zweimal bestraft, indem er einerseits aus der Schweiz ausgewiesen worden sei und anderseits durch diese Ausweisung die stationäre Massnahme ohne (schuldhaftes) Zutun des Beschwerdeführers verunmöglicht werde.

    In Anbetracht der gesamten Umstände sei es aufgrund der aktuellen Aktenlage und Umstände nicht zulässig, den Entscheid des Obergerichts vom 16. Januar 2015 de facto auszuhebeln und die fraglichen Freiheitsstrafen für vollziehbar zu erklären, ohne dass die Situation des Beschwerdeführers hinreichend abgeklärt sei. Sollte sich allenfalls ergeben, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich seine Drogenund Alkoholsucht vollumfänglich in den Griff bekommen habe, so wäre ein Vollzug der bisher aufgeschobenen Freiheitsstrafen nicht verhältnismässig. Aus all diesen Gründen sei das vorliegende Nachverfahren bis zum Vorliegen von hinreichenden Erkenntnissen über die Entwicklung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers seit dessen Ausweisung aus der Schweiz bzw. der Rückführung in dessen Heimatstaat zu sistieren (Urk. 2 S. 7).

  3. Soweit erforderlich, d.h. für die Entscheidfindung notwendig, ist nachfolgend auf die Begründung der Staatsanwaltschaft und die Vorbringen seitens des Beschwerdeführers näher einzugehen.

III.
  1. Vorweg ist festzuhalten, dass die Verfügung des JUV vom 1. April 2015 nicht angefochten wurde und damit in Rechtskraft erwachsen ist. Im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens gegen jene Verfügung hätte sich der Beschwerdeführer gegen die Einstellung der stationären Massnahme wehren und vorbringen können, die Massnahme könne nicht als undurchführbar gelten (vgl. Urk. 14/1

    S. 3). Im vorliegenden Verfahren kann der Beschwerdeführer diesen rechtskräftig

    gewordenen Entscheid nicht mehr zur Diskussion stellen. Auch ist der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren mit der Rüge der ungenügenden Vertretung in diesem vorangegangenen Verwaltungsverfahren ausgeschlossen (vgl. Urk. 2

    S. 5 f.). Insbesondere erweist sich der Entscheid des JUV nicht wegen fehlender

    notwendiger Verteidigung unbeachtlich, zumal nicht ersichtlich ist, weshalb der Beschwerdeführer im Verfahren beim JUV hätte notwendig verteidigt sein müssen, ging es in jenem Verfahren doch um die Einstellung der stationären Massnahme und nicht um den Vollzug von Freiheitsstrafen. Der Beschwerdeführer ist mit dieser Argumentation nicht zu hören.

  2. Eine stationäre therapeutische Massnahme wird gemäss Art. 62c Abs. 1 StGB aufgehoben, wenn deren Durchoder Fortführung als aussichtslos erscheint (lit. a), die Höchstdauer erreicht wurde und die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nicht eingetreten sind (lit. b) wenn eine geeignete Einrichtung nicht nicht mehr existiert (lit. c). Ist der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug kürzer als die aufgeschobene Freiheitsstrafe, so wird die Reststrafe vollzogen. Liegen in Bezug auf die Reststrafe die Voraussetzungen der bedingten Entlassung der bedingten Freiheitsstrafe vor, so ist der Vollzug aufzuschieben (Art. 62c Abs. 2 StGB). Anstelle des Strafvollzugs kann das Gericht eine andere Massnahme anordnen, wenn zu erwarten ist, dadurch lasse sich die Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters im Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen (Art. 62c Abs. 3 StGB).

  3. Wie bereits ausgeführt, wurde die stationäre Massnahme nach Art. 60 StGB (Suchtbehandlung) rechtskräftig eingestellt. Die Anordnung einer anderen stationären Massnahme fällt wie von der Vorinstanz zutreffend ausgeführt - nicht in Betracht. Beim Beschwerdeführer wurde keine schwere psychische Störung bzw. keine erhebliche Störung in seiner Persönlichkeitsentwicklung festgestellt (vgl. Urk. 20/3). Somit sind weder die Voraussetzungen nach Art. 59 StGB (Behandlung von psychischen Störungen) noch Art. 61 StGB (Massnahmen für junge Erwachsene) erfüllt. Die Anordnung einer ambulanten Massnahme kommt ebenfalls nicht in Frage, wurde eine solche doch bereits infolge Aussichtslosigkeit eingestellt.

  4. Es ist somit zu prüfen, ob eine Reststrafe vorliegt und ob diese zu vollziehen ist nicht.

    1. Ein durch eine Massnahme erlittener Freiheitsentzug ist auf die Strafe anzurechnen (BSK Strafrecht I-Heer, 3. Aufl., Basel 2013, Art. 62c N 29). Inwieweit ein mit einer ambulanten Behandlung verbundener Freiheitsentzug auf eine Strafe angerechnet wird, entscheidet das Gericht (Art. 63b Abs. 4 StGB). Die Behandlung ist in dem Masse anzurechnen, wie eine tatsächliche Beschränkung der persönlichen Freiheit vorliegt, wobei dem Richter ein erheblicher Ermessensspielraum zusteht. Dabei kommt es im Wesentlichen darauf an, mit welchem Kostenund Zeitaufwand die Massnahme für den Betroffenen verbunden war (BGE 121 IV 303 E. 4b, 122 IV 51 E. 3a). Dabei ist zu berücksichtigen, wie weit die persönliche Freiheit des Betroffenen bzw. sein Recht, sich frei zu bewegen, sich aufzuhalten und zu wohnen, wo er will, durch die Massnahme beeinträchtigt wird (BGE 120 IV 176 E. 2a).

    2. Aus den Akten geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit dem 22. Februar 2010 in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich in ambulanter Behandlung war, die Konsultationen alle ein bis zwei Wochen stattfanden und dem Beschwerdeführer zunächst Wochenrationen und dann Zweiwochenrationen Methadonpräparate ausgehändigt wurden. Ferner wurde er vom 30. November 2010 bis

      28. Januar 2011 stationär in der Klinik B. in C. behandelt (Urk. 20/28, 20/44 S. 1 f.). Es ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer durch die ambulante Massnahme mit Ausnahme des stationären Aufenthalts in der Klinik

      B. in C. tatsächlich in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt

      worden wäre. Entsprechendes wurde auch nicht geltend gemacht. Eine Anrechnung an die Freiheitsstrafe kommt somit nicht in Betracht. Anzurechnen ist jedoch der Aufenthalt in der Klinik B. von 60 Tagen. Ebenfalls anzurechnen ist die Polizeiund Untersuchungshaft gemäss Urteil des Kantonsgerichts von Graubün- den vom 10. Mai 2005 von sieben Tagen (vgl. Urk. 20/1). Bezüglich der angeordneten stationären Massnahme ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer diese gar nie begonnen hat, weshalb sich die Frage der Anrechnung auf die Freiheitsstrafe gar nicht stellt.

    3. An die Freiheitsstrafe von insgesamt 28 Monaten sind somit 67 Tage anzurechnen. Es liegt folglich eine Reststrafe vor.

    1. Wie bereits ausgeführt, ist der Vollzug der Reststrafe nach Aufhebung einer stationären Massnahme aufzuschieben, wenn die Voraussetzungen der bedingten Entlassung der bedingten Freiheitsstrafe vorliegen (Art. 62c Abs. 2

      Satz 2 StGB). Dem Gesetzgeber scheint es ungeachtet der Unterschiede zwischen diesen beiden Regelungen um die Frage zu gehen, ob eine günstige Prognose vorliegt nicht (Urteil des Bundesgerichts 6B_206/2012 vom 5. Juli 2012

      E. 3.2.1). Bei der Prüfung, ob der Verurteilte Gewähr bietet für ein dauerndes

      Wohlverhalten, hat das Gericht eine Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen. Miteinzubeziehen in die Beurteilung sind neben den Tatumständen auch das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen. Relevante Faktoren sind etwa strafrechtliche Vorbelastung, Arbeitsverhalten und Sozialisationsbiographie, Hinweise auf Suchtgefährdungen, das Bestehen sozialer Bindungen usw. (Urteil des Bundesgerichts 6B_215/2015 vom 7. April 2015 E. 1.2).

    2. Der Beschwerdeführer nahm seit Mai 2013 diverse Termine beim Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich (IRM) zur Kontrolle der Abstinenzauflage (Haaranalyse) sowie beim JUV unentschuldigt nicht wahr. Bei seinem Therapeuten war er seit dem 21. Mai 2013 nicht mehr. Auf entsprechende Schreiben des JUV reagierte er nicht und das rechtliche Gehör konnte ihm erst am 8. Oktober 2015 auf polizeiliche Vorführung hin gewährt werden (vgl. Urk. 20/52-69). Die ambulante Massnahme, welche am 23. Juni 2010 angeordnet worden war, wurde sodann mit Verfügung des JUV vom 15. Oktober 2013 wegen Aussichtslosigkeit aufgehoben (Urk. 14/6/1 = 20/82 S. 4). Wenn eine Massnahme wie vorliegend gescheitert ist, besteht der Grund für deren Anordnung nach wie vor. Schon deshalb kann dem Beschwerdeführer kaum eine günstige Prognose gestellt werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_215/2015 vom 7. April 2015 E. 1.3-4).

Aus dem Untersuchungsbericht zur Haaranalyse des IRM vom 21. Dezember 2012 betreffend den Zeitraum von Ende Juni bis Ende November 2015 ist sodann

ersichtlich, dass die beim Beschwerdeführer vorliegenden Werte mit einem schwachen bis mittelstarken Opiat-Drogen-Konsum sowie einem mittelstarken bis starken Kokain-, MDAund Methadon-Konsum des Beschwerdeführers vereinbar sind (Urk. 20/47). Gemäss Zwischenbericht von med. pract. D. vom

5. Dezember 2012 sei legalprognostisch günstig zu bewerten, dass der Beschwerdeführer im Bereich seiner Arbeitsfähigkeit und seiner Arbeitswilligkeit über sehr viele Ressourcen verfüge. Auch müsse der von ihm berichteten intakten Beziehung legalprognostisch ein erheblicher Stellenwert beigemessen werden. Erschwerend wirke sich der vom Beschwerdeführer eingeräumte wiederholte Substanzkonsum und eine aus therapeutischer Sicht fragliche Offenheit und Authentizität im Umgang mit seinem Suchtmittelkonsum aus. Das Risiko erneuter einschlägiger Delinquenz sei trotz des gelegentlichen Kokainkonsums wegen der günstigen sozialen Rahmenbedingungen als nur leichtgradig erhöht einzuschätzen (Urk. 20/44 S. 3). Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Beschwerdeführer während der ambulanten Massnahme dreimal straffällig wurde (Urk. 20/77, 14/6/11). Da die stationäre Massnahme nicht begonnen werden konnte, lässt sich daraus nichts ableiten hinsichtlich der Legalprognose des Beschwerdeführers.

Insgesamt ist festzuhalten, dass mit der Aufhebung der Massnahme(n) der Grund für die Anordnung derselben nicht wegefallen ist. Die von med. pract. D. gezogene Schlussfolgerung bezüglich der Legalprognose ist sodann insofern zu relativieren, als das günstige soziale Umfeld des Beschwerdeführers in der Schweiz weggefallen ist, seit er nicht mehr hier lebt. Erheblich ins Gewicht fallen die während der ambulanten Massnahme begangenen Delikte. Wenn diese auch nicht schwer und auch nicht einschlägig sind, ist doch zu berücksichtigen, dass der drohende Vollzug der aufgeschobenen Freiheitsstrafen und die Aufhebung der Massnahme den Beschwerdeführer nicht davon abhielten, erneut zu delinquieren. Die erschwerenden Umstände überwiegen deutlich, weshalb dem Beschwerdeführer keine günstige Legalprognose gestellt werden kann.

  1. Gründe, die eine Sistierung des vorliegenden Verfahrens zu rechtfertigen vermöchten, sind sodann keine ersichtlich, ist doch nicht erkennbar, weshalb derzeit kein Entscheid getroffen werden könnte.

  2. Die Beschwerde ist somit abzuweisen.

IV.
  1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Vorliegend rechtfertigt es sich jedoch, die Kosten für das Beschwerdeverfahren, inklusive der Kosten für die amtliche Verteidigung, auf die Gerichtskasse zu nehmen.

  2. Über die Höhe der Entschädigung für die amtliche Verteidigung entscheidet die Kammer - nach Eingang der Honorarnote mit separatem Beschluss.

Es wird beschlossen:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.

  3. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen. Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt durch separaten Beschluss der Kammer.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • den amtlichen Verteidiger des Beschwerdeführers, zweifach, für sich und den Beschwerdeführer (per Gerichtsurkunde)

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (gegen Empfangsschein)

    • das Bezirksgericht Zürich, 8. Abteilung (gegen Empfangsschein)

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel an:

    • das Bezirksgericht Zürich, 8. Abteilung, unter Rücksendung der beigezogenen Akten (Urk. 14; gegen Empfangsbestätigung)

    • die Zentrale Inkassostelle der Gerichte

  5. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der

Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 23. Februar 2016

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Präsident i.V.:

lic. iur. W. Meyer

Gerichtsschreiberin:

lic. iur. Ch. Negri

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.