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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:UH140002
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UH140002 vom 07.03.2014 (ZH)
Datum:07.03.2014
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Gutachtensauftrag / Ausstand
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführerin; Gutachten; Staatsanwalt; Staatsanwalts; Staatsanwaltschaft; Gutachtens; Verfahrens; Gefährlichkeit; Geschädigte; Verfahrensbeteiligte; Anordnung; Geschädigten; Sachverhalt; Gutachter; Gutachtensauftrag; Verfahrensbeteiligten; Gericht; Befangenheit; Ausstandsgesuch; Erstellung; Aussagen; Gefährlichkeitsgutachten; Dringend; Oberland; Erhob; Wesentlichen; Verfügung; Begutachtung
Rechtsnorm: Art. 141 StPO ; Art. 182 StPO ; Art. 197 StPO ; Art. 20 StGB ; Art. 201 StPO ; Art. 202 StPO ; Art. 241 StPO ; Art. 251 StPO ; Art. 29 BV ; Art. 30 BV ; Art. 311 StPO ; Art. 421 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 58 StPO ; Art. 59 StPO ;
Referenz BGE:127 I 196;
Kommentar zugewiesen:
Schmid, Praxiskommentar, 2. Auflage, 2013
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UH140002-O/U/BEE

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, Dr. P. Martin und die Ersatzoberrichterin lic. iur. J. Haus Stebler sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. R. Hürlimann

Beschluss vom 7. März 2014

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführerin

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic.iur. X.

gegen

Staatsanwaltschaft See/Oberland, Beschwerdegegnerin

sowie

  1. B. ,
  2. C. ,

Verfahrensbeteiligte

betreffend Gutachtensauftrag/Ausstand

Beschwerde gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom 20. Dezember 2013, C-5/2013/1065

Erwägungen:

I.
  1. Die Staatsanwaltschaft See / Oberland (Staatsanwaltschaft) führt gegen

    A. (Beschwerdeführerin) eine Strafuntersuchung wegen Drohung und weiterer Delikte (vgl. Urk. 12). Ihr wird zusammengefasst vorgeworfen, ihren im selben Mehrfamilienhaus lebenden Nachbarn D. (Geschädigter) mehrfach bedroht und bei einer Gelegenheit die Eingangstür des Mehrfamilienhauses mit voller Wucht gegen dessen Kopf geschlagen zu haben, so dass beim Geschädigten ein Verdacht auf eine Nasenbeinfraktur bestanden habe (vgl. u.a. Urk. 12/2/5). Am 20. Dezember 2013 erteilte die Staatsanwaltschaft med. pract. E. einen Auftrag zur Begutachtung der Beschwerdeführerin. Das Gutachten soll sich zur Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin äussern (Urk. 5 = Urk. 12/7/1).

  2. Gegen diesen Gutachtensauftrag erhob die Beschwerdeführerin innert Frist mit Eingabe vom 7. Januar 2014 beim hiesigen Gericht Beschwerde mit folgendem Rechtsbegehren (Urk. 2 S. 2):

    Die Anordnung der Begutachtung sei aufzuheben. Infolge Befangenheit der damit befassten Staatsanwälte C. und B. sei der Fall D. / Beschwerdeführerin einer anderen Staatsanwältin zuzuteilen. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen.

  3. Am 10. Januar 2014 leitete die Staatsanwaltschaft ein Schreiben des Verteidigers der Beschwerdeführerin an die hiesige Kammer weiter (Urk. 6), in welchem der Verteidiger für den Fall der Abweisung der vorliegenden Beschwerde Einsprache gegen die Person des Gutachters erhob (Urk. 7). Mit Verfügung vom

27. Januar 2014 wurde sodann die Beschwerdeschrift der Staatsanwaltschaft sowie der Staatsanwältin lic. iur. C. (Verfahrensbeteiligte 2) und dem Assistenz-Staatsanwalt MLaw B. (Verfahrensbeteiligter 1) zur Stellungnahme übermittelt (Urk. 9). Die Staatsanwaltschaft und die Verfahrensbeteiligten verzichteten am 4. Februar 2014 auf Stellungnahme (Urk. 11). Mit Verfügung vom

10. Februar 2014 wurden die Verfahrensbeteiligten sodann unter Verweis auf

Art. 58 Abs. 2 StPO aufgefordert, sich zum Ausstandsgesuch zu äussern (Urk. 13), was sie mit Eingabe vom 17. Februar 2014 taten, wobei die Verfahrensbeteiligte 2 den Antrag stellte, das Ausstandsgesuch sei abzuweisen

(Urk. 15), während der Verfahrensbeteiligte 1 die Abweisung der Beschwerde betreffend Gutachtensauftrag sowie des Ausstandsgesuchs beantragte und sich überdies zur Beschwerde betreffend Gutachtensauftrag äusserte (Urk. 17). Der Beschwerdeführerin wurde mit Verfügung vom 19. Februar 2014 Gelegenheit gegeben, sich zu den Eingaben der Verfahrensbeteiligten zu äussern (Urk. 19). Sie tat dies am 28. Februar 2014 (Urk. 21).

4. Lediglich soweit erforderlich, d.h. für die Entscheidfindung notwendig, ist nachfolgend auf die Vorbringen der Beschwerdeführerin beziehungswiese der Staatsanwaltschaft oder der Verfahrensbeteiligten näher einzugehen.

II.
  1. Die Beschwerdeführerin wehrt sich gegen die Erstellung eines Gutachtens betreffend ihre Gefährlichkeit. Bei einer psychiatrischen Begutachtung gemäss Art. 251 Abs. 1 StPO handelt es sich - wie aus der Gesetzessystematik zu erkennen ist - um eine Zwangsmassnahme. Das im Zentrum des vorliegenden Verfahrens stehende Gutachten wurde vom Verfahrensbeteiligten 1, einem AssistenzStaatsanwalt, angeordnet (vgl. Urk. 5). Gemäss Art. 311 Abs. 1 Satz 2 StPO bestimmen Bund und Kantone, in welchem Umfang die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte Untersuchungshandlungen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übertragen können. In der Botschaft wurden als delegationsfähige Untersuchungshandlungen lediglich die (einfacheren) Einvernahmen von Verfahrensbeteiligten erwähnt, indessen hätten wesentliche Untersuchungshandlungen (z.B. Haftanträge an das Zwangsmassnahmengericht und Anklagen durch die Staatsanwälte selbst zu erfolgen. Ein Teil der Lehre postuliert, diverse Untersuchungshandlungen wie bspw. den Erlass von Vorladungen, den Aktenbeizug, die Einholung von Berichten, die Durchführung von einfacheren Durchsuchungen sowie die Sistierung zu delegieren (BSK StPO - Omlin Art. 311 N. 7f. mit Verweis auf Schmid, Handbuch StPO, 2. Auflage, Zürich/St. Gallen 2013, N 1232). Gemäss

    der von der Autorin im Basler Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung zu Art. 311 StPO vertretenen Auffassung macht jedoch die Delegationsnorm nur Sinn, wenn mit Art. 311 Abs. 1 deklariert wird, dass die Aufträge zur Beweiserhebung auch durch Mitarbeitende geschehen können. Dies würde bedeuten, dass je nach kantonaler Regelung auch Staatsanwaltsassistenten etc. gewisse Ermittlungsaufträge an die Polizei oder Gutachtensresp. Berichtsaufträge an Sachverständige erlassen könnten (BSK StPO - Omlin Art. 311 N. 9f., 10). Gemäss der kantonalzürcherischen Regelung ist Assistenz-Staatsanwälten indes die Anordnung von Zwangsmassnahmen generell untersagt (§ 102 Abs. 3 i.V.m.

    Abs. 2 GOG). Mangels Präzisierung dürfte auch die Erteilung eines Gutachtensauftrages an einen psychiatrischen Sachverständigen darunter fallen. Folglich ist die angefochtene Verfügung betreffend Anordnung des Gutachtens grundsätzlich aufzuheben und die Beschwerde diesbezüglich gutzuheissen.

    Wie nachfolgend zu aufzeigen sein wird, ist jedoch die Anordnung eines Gutachtens betreffend die Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin nicht zu beanstanden. Da es sich im konkreten Fall um die Verletzung einer Ordnungsvorschrift handeln dürfte (vgl. nachfolgend Ziffer 6.), ist der Mangel heilbar.

  2. In ihrem Auftrag zur Erstellung des Gefährlichkeitsgutachtens führt die Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf Art. 182 StPO aus, aufgrund des bisherigen Ermittlungsstandes sei es für die Klärung des Sachverhalts unumgänglich, ein fachärztliches Gutachten, ein Gefährlichkeitsgutachten, zu erstellen (Urk. 5 S. 1).

    Im Weiteren legt die Staatsanwaltschaft dar, welcher Handlungen die Beschwerdeführerin dringend verdächtigt wird (Urk. 5 S. 2).

  3. In ihrer Beschwerdeschrift machte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, bei dem dem Gutachter vorgelegten Sachverhalt handle es sich um die Aussagen des Geschädigten. Ob diese zutreffen würden, müsse geklärt werden. Sie mache andere Angaben als der Geschädigte und bringe unter anderem vor, der Geschädigte habe sie verschiedentlich auf verschiedene Arten belästigt und behelligt. Sie rede auch - anders als dargelegt - kein wirres Zeug, sondern habe ein Hörproblem. Davon habe die Polizei offenbar keine Kenntnis gehabt. Ein

aufgrund dieser Grundlage erhobenes Gutachten würde sich nur zu ihr und ihrer Gefährlichkeit äussern, den Geschädigten und sein Verhalten jedoch nicht miteinbeziehen, die von ihr geschilderten Verhaltensweisen womöglich noch als paranoide Überzeugungen abstempeln und der Staatsanwaltschaft damit eine Rechtfertigung geben, auf ihre Ausführungen überhaupt nicht einzutreten. Mit Wahrheitsfindung habe dies nichts zu tun, sondern diese werde dadurch behindert. Ein Gutachten im heutigen Zeitpunkt sei weder geeignet noch erforderlich oder verhältnismässig. Es stelle eine unzulässige Beschränkung der persönlichen Freiheit und eine fachärztlich diagnostische Vorverurteilung dar. Voraussetzung für den Beizug eines Sachverständigen sei, dass die Staatsanwaltschaft die erforderlichen Einvernahmen und Abklärungen zur Feststellung und Beurteilung des Sachverhaltes getätigt hätte, die in ihre Kompetenz fielen. Dies sei aber nicht geschehen. Es fehle damit im heutigen Zeitpunkt auch an einer Erfüllung der Voraussetzungen von Art. 182 StPO. Unverhältnismässig sei der Gutachtensauftrag schliesslich auch angesichts ihres Strafregisterauszugs. Dieser belege, dass sie keinen Anlass zu Befürchtungen vor gefährlichen Gewaltdelikten gebe und gegeben habe (Urk. 2 S. 2-5).

    1. Gemäss Art. 182 StPO ziehen Staatsanwaltschaft und Gerichte eine oder mehrere sachverständige Personen bei, wenn sie nicht über die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur Feststellung oder Beurteilung eines Sachverhalts erforderlich sind. Zum Teil sind Gutachten gesetzlich vorgeschrieben (vgl. z.B. Art. 20 StGB). Im Übrigen steht deren Anordnung im Ermessen der Staatsanwaltschaft beziehungsweise des Gerichts. Ein Sachverständiger muss jedoch beigezogen werden, wenn der mit der Sache befassten Strafbehörde - Staatsanwaltschaft oder Gericht - die zur Feststellung oder tatsächlichen Würdigung eines Sachverhalts notwendigen Fähigkeiten fehlen (Schmid, Handbuch a.a.O., N 934). Für die Anordnung von Zwangsmassnahmen - beispielsweise einer Begutachtung gemäss Art. 251 Abs. 1 und 2 StPO - ist sodann notwendig, dass die Zwangsmassnahme gesetzlich vorgesehen ist, ein dringender Tatverdacht vorliegt, die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt (Art. 197 Abs. 1 StPO).

    2. Vorliegend wird die Beschwerdeführerin im Wesentlichen dringend verdächtigt, den Geschädigten mehrfach mit dem Tod bedroht zu haben, ihm im Februar 2013 die Hauseingangstür mit voller Wucht an die Nase geschlagen zu haben, so dass er eine Verletzung im Gesicht erlitten habe, sowie ihm bei zwei Gelegenheiten ein Messer respektive einen Brieföffner gezeigt und dabei gesagt zu haben, diese steckten irgendwann in ihm respektive sie könnte nun zustechen (Urk. 5

S. 2). Die Beschwerdeführerin bestritt in der vorliegenden Beschwerde den dringenden Tatverdacht bezüglich der ihr vorgeworfenen Delikte weder konkret noch substantiiert. Sie hielt lediglich fest, die Vorwürfe seien haltlos, vielmehr sei sie vom Geschädigten bedroht worden (vgl. Urk. 2) und der Geschädigte sei in der Vergangenheit gegenüber seiner (Ex-)Freundin verbal und physisch aggressiv aufgetreten (vgl. Urk. 21). Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft bei der Beschwerdeführerin von einem dringenden Tatverdacht ausging.

Die Beschwerdeführerin brachte gegen die Anordnung des Gutachtens zunächst wie erwähnt vor, so, wie die Staatsanwaltschaft dieses in Auftrag gegeben habe, würde es sich nur zur Beschwerdeführerin und ihrer Gefährlichkeit äussern, den Geschädigten und sein Verhalten jedoch nicht einbeziehen, und die von der Beschwerdeführerin geschilderten Verhaltensweisen des Geschädigten am Ende noch als paranoide Überzeugungen abstempeln. Letztlich würde so die Beschwerdeführerin zur Täterin, der Geschädigte zum Opfer. Mit Wahrheitsfindung habe eine solche Befassung nichts zu tun. Ein Gutachten bei der heutigen Sachlage behindere die Wahrheitsfindung (Urk. 2 S. 3 f.). Inwiefern diese Vorbringen gegen die Anordnung eines Gefährlichkeitsgutachtens sprechen sollten, ist schlechterdings nicht nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin respektive ihre Verteidigung übersehen offenbar, dass es Sinn und Zweck eines Gefährlichkeitsgutachtens ist, die Beschwerdeführerin und deren Gefährlichkeit abzuklären. Zur Klärung der der Beschwerdeführerin vorgeworfenen Handlungen respektive zur Wahrheitsfindung soll und kann ein solches Gutachten wenig oder gar nichts beitragen. Sodann dürfte es selbstredend sein, dass es entgegen der Ausführungen der Beschwerdeführerin (Urk. 2 S. 4) nicht zu beanstanden ist, wenn die Staatsanwaltschaft eine Fachperson zur Erstellung eines (psychiatrischen) Gutachtens

beizieht. Es dürfte unbestritten sein, dass die Staatsanwaltschaft nicht über die notwendigen Fachkenntnisse zur Erstellung eines solchen Gutachtens verfügt.

Vorliegend war respektive ist angesichts der Vorwürfe, welche gegen die Beschwerdeführerin erhoben werden, die Erstellung eines Gutachtens über ihre Gefährlichkeit geboten. Offenbar verhielt sich die Beschwerdeführerin zudem nicht nur gegenüber dem Geschädigten, sondern gemäss deren Aussagen auch gegenüber anderen Bewohnern der Liegenschaft, in welcher die Beschwerdeführerin lebt, in einer Weise, welche von diesen als bedrohlich und unberechenbar empfunden wurde (vgl. u.a. Urk. 12/4/3-4). Im Weiteren leidet die Beschwerdefüh- rerin gemäss Austrittsbericht der F. [Privatklinik] unter einer akuten schizophreniformen Störung (Urk. 12/6/2). Da diesem Austrittsbericht keine vertiefte und spezifische Begutachtung vorausging, vermag er - obschon er die Feststellung enthält, bei der Beschwerdeführerin bestehe keine Fremdgefährdung - ein Gefährlichkeitsgutachten nicht zu ersetzen.

5. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass aufgrund der gesamten Umstände die Anordnung eines Gefährlichkeitsgutachtens als angemessen, verhältnismässig und geboten erscheint. Die Beschwerdeführerin hat nichts vorgebracht, das daran etwas zu ändern vermöchte.

Die diesbezügliche Beschwerde ist dennoch grundsätzlich gutzuheissen, da - wie unter Ziffer II. 1. festgehalten - die Anordnung des Gutachtens nicht im Einklang mit den einschlägigen Vorschriften erfolgte.

    1. Bezüglich der Verwertbarkeit von Beweismitteln sieht Art. 141 Abs. 3 StPO vor, dass Beweise, bei deren Erhebung Ordnungsvorschriften verletzt wurden, verwertbar sind. Gemäss Praxiskommentar Schmid fallen unter Absatz 3 zunächst Vorschriften mit nach ihrem Wortlaut blossem Ordnungscharakter: So sind Einvernahmen gültig, auch wenn die Vorladung bezüglich Form (Art. 201 Abs. 2 StPO) bzw. Frist (Art. 202 StPO) nicht ordnungsgemäss waren. Ist dies nicht der Fall, ist für die Unterscheidung zwischen Gültigkeitsund blosser Ordnungsvorschrift in Anlehnung an die jüngere Lehre und Praxis auf den Schutzzweck der Norm abzustellen. Nach diesem ist im Einzelfall unter Berücksichtigung des Fairnessgebots zu prüfen, ob die mit der fraglichen Beweisoder Verfahrensregel geschützten Interessen der beschuldigten Person nur mit der Unverwertbarkeit oder Ungültigkeit der regelwidrig erlangten Beweise gewahrt werden können (Schmid, StPO Praxiskommentar, 2. Auflage, 2013, Art. 141 N 10f.).

    2. Die Erstellung des Gutachtens läuft respektive dieses liegt im heutigen Zeitpunkt offenbar bereits vor (vgl. Urk. 21 1. Seite). Die rasche Erstellung des fraglichen Gutachtens liegt oder lag gerade auch im Interesse der Beschwerdeführerin, nachdem die hiesige Kammer in ihrem Beschluss vom 20. Januar 2014 festhielt, vom Bestehen des Haftgrundes der Ausführungsgefahr sei auszugehen, solange kein Gutachten vorliege, welches sich über ihre Gefährlichkeit äussere

(Urk. 12/13/9 S. 10-13). Die Beschwerdeführerin verlangte denn auch nicht, der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu gewähren. Daher rechtfertigt es sich im vorliegenden Fall, die Erstellung des Gutachtens einstweilen weiterlaufen zu lassen beziehungsweise das Gutachten an sich als verwertbar zu beurteilen, zumal auch die Verfahrensrechte bei der Auftragserteilung gewährt wurden. Die Staatsanwaltschaft ist jedoch aufzufordern, unverzüglich eine Verfügung zu erlassen, in welcher sie das Gefährlichkeitsgutachten (nachträglich) in korrekter Weise anordnet; aus dem Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft und der Stellungnahme der zuständigen Staatsanwältin ergibt sich denn auch, dass diese die Einholung eines Gefährlichkeitsgutachtens als angezeigt erachtete und somit das Vorgehen des Assistenzstaatsanwalts genehmigte (Urk. 12/5/6 und Urk. 15). Die fehlerhafte Anordnung vermag die Verwertbarkeit des Gutachtens nicht zu beeinflussen, sobald diese geheilt wurde. Dies lässt sich auch in Analogie zur Vornahme von Durchsuchungen und Untersuchungen in dringenden Fällen auf mündliche Anordnung mit nachträglicher Bestätigung durch einen schriftlichen Befehl gemäss Art. 241 Abs. 1 StPO herleiten.

III.
  1. Wie erwähnt, stellte die Beschwerdeführerin sodann gegen die Verfahrensbeteiligten ein Ausstandsgesuch. Sie begründete dieses damit, dass der Verfahrensbeteiligte 1 dem Gutachter einen willkürlichen Sachverhalt präsentiert habe.

    Er, der Verfahrensbeteiligte 1, habe den Geschädigten nicht zu den Aussagen der Beschwerdeführerin befragt, sondern zwei Tage nach deren Einvernahme ein Gefährlichkeitsgutachten angeordnet und dem Gutachter als Sachverhalt lediglich die Aussagen des Geschädigten unterbreitet, während er die Aussagen der Beschwerdeführerin nicht einmal erwähnt habe. Dies lasse den Verfahrensbeteiligten 1 und dessen Vorgesetzte, die Verfahrensbeteiligte 2, als befangen erscheinen, da die Beschwerdeführerin gegenüber dem Geschädigten in massiver Weise benachteiligt werde (Urk. 2 S. 3).

  2. In ihren Stellungnahmen zum Ausstandsgesuch erklärten die Verfahrensbeteiligten im Wesentlichen sinngemäss, aus ihrer Sicht lägen keine Ausstandsgründe vor (Urk. 15, Urk. 17).

  3. In ihrer Stellungnahme vom 28. Februar 2014 hielt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen fest, der Gutachtensauftrag nenne den relevanten Sachverhalt abschliessend, der Gutachter habe keine andere Wahl, als vom dargelegten Sachverhalt auszugehen. Dem Sachverhalt komme Wahrheitsgehalt zu. Demgegenüber seien die Aussagen der Beschwerdeführerin psychiatrisch zu beurteilen, der Gutachter sei nicht frei. Er habe die Fragen anhand des von der Staatsanwaltschaft behaupteten Sachverhalts zu beantworten. Die Aussagen der Beschwerdeführerin würden nicht zum Sachverhalt gehören. Entsprechend sei das Gutachten ausgefallen (Urk. 21 1. Seite).

  4. Die Beschwerdeführerin machte (sinngemäss) einen Ausstandsgrund gemäss Art. 56 lit. f StPO geltend.

    Die Anforderungen von Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK an die Unbefangenheit eines Staatsanwalts entsprechen weitgehend denjenigen, die Art. 30 Abs. 1 BV an den Richter stellt (BGE 127 I 196 Erw. 2b). Bei der Beurteilung, ob der Ablehnungsgrund der Befangenheit gegeben ist, ist nicht auf das bloss subjektive Empfinden des Ablehnenden abzustellen. Es müssen Umstände vorliegen, welche nach objektiven Gesichtspunkten geeignet sind, den Anschein der Befangenheit zu erwecken. Das Gesetz verlangt indessen nicht, dass ein Staatsanwalt sich bereits als befangen erwiesen hat, sondern nur, dass er sich aufgrund der

    Verhältnisse voraussichtlich als befangen erweisen könnte. Der Nachweis der Befangenheit ist demnach nicht notwendig; es genügt, wenn Umstände vorliegen, die beim Betroffenen den Eindruck einer (wenn auch tatsächlich nicht vorhandenen) Befangenheit erwecken. Dieser Eindruck darf nicht leichthin angenommen werden, weil sonst der Rechtsgang empfindlich gestört würde.

    Unter Befangenheit wird allgemein die unsachliche innere Einstellung des Justizbeamten zu den Beteiligten und zum Gegenstand des konkreten Verfahrens verstanden, aus der heraus dieser in die Behandlung und Entscheidung des Falles auch unsachliche, sachfremde Elemente einfliessen lässt mit der Folge, dass er daraufhin (von der Sache her nicht gerechtfertigt) einen Prozessbeteiligten benachteiligt oder bevorzugt oder doch zumindest dazu neigt. Materielle oder prozessuale Rechtsfehler lassen sich grundsätzlich nicht als Begründung für eine Befangenheit heranziehen, es sei denn sie sind besonders krass und treten wiederholt auf (vgl. zum Ganzen Schmid, Handbuch, a.a.O., N 507 ff., BSK StPO-Boog, Art. 56 N. 1-10 und 54 ff.; Keller, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Art. 56 N. 11 und 5 ff.).

  5. Die Beschwerdeführerin begründete die Befangenheit der Verfahrensbeteiligten wie erwähnt im Wesentlichen damit, dass dem Gutachter lediglich die Sachverhaltsversion des Geschädigten vorgelegt worden sei, ohne auf die Darstellung der Beschwerdeführerin hinzuweisen (Urk. 2 S. 3).

    Den Umständen bei der Erteilung des Gutachtensauftrags und dem Gutachtensauftrag an sich kann indes nichts entnommen werden, das auf eine Befangenheit der Verfahrensleitung hindeuten könnte. Zum einen wurde im Gutachtensauftrag klar festgehalten, dass der dringende Tatverdacht gegen die Beschwerdeführerin im Wesentlichen auf den Aussagen des Geschädigten beruht (Die [Beschwerdeführerin] wird - im Wesentlichen gestützt auf die Aussagen des Geschädigten [ ] - dringend verdächtigt, [ ]; Urk. 5 S. 2). Zum anderen erscheint es durchaus sachgerecht, dass sich die Staatsanwaltschaft im Auftrag darauf beschränkt, dem Gutachter - welcher ja im Rahmen der Erstellung des Gutachtens die Akten zur Einsicht erhält und mit der Beschwerdeführerin ein Gespräch führt (vgl. dazu u.a. Urk. 12/7/4) - kurz darzulegen, was der Beschwerdeführerin vorgeworfen wird. Im Übrigen ist grundsätzlich auch nicht zu beanstanden, dass der Gutachter bei einer Prüfung der Gefährlichkeit der Beschwerdefüh- rerin im Sinne einer Hypothese von einem Zutreffen der Vorwürfe ausgeht. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Aufgabe des Gutachters nicht darin besteht, darüber zu urteilen, welche Darstellung der Ereignisse nun zutrifft. Vielmehr hat sich der Gutachter darüber zu äussern, ob von der Beschwerdeführerin eine Gefährlichkeit ausgeht (vgl. Urk. 5 S. 2).

  6. Zusammenfassend ergibt sich, dass aus der Sicht eines aussenstehenden Dritten keinerlei Gründe ersichtlich sind, welche die Unparteilichkeit der mit der Strafuntersuchung betrauten Personen im Sinne einer Voreingenommenheit in Frage zu stellen vermöchten. Damit ist das Ausstandsgesuch abzuweisen.

IV.
  1. Nachdem die Beschwerde betreffend die Anordnung des Gutachtens gutzuheissen ist, sind dafür keine Kosten zu erheben (Art. 428 Abs. 4 StPO).

  2. Gemäss Art. 59 Abs. 4 StPO sind die Kosten bei abgewiesenen Ausstandsgesuchen der gesuchstellenden Partei aufzuerlegen. Die diesbezügliche Gerichtsgebühr ist nach Massgabe von § 15 Ingress und lit. d GebV OG auf

    Fr. 400.- festzusetzen.

  3. Die Regelung der Entschädigungsfolgen hat im Endentscheid zu erfolgen (Art. 421 Abs. 1 StPO).

Es wird beschlossen:

  1. Die Beschwerde betreffend Anordnung des Gutachtens wird gutgeheissen und die Staatsanwaltschaft See / Oberland im Sinne der Erwägungen aufgefordert, die Begutachtung der Beschwerdeführerin unverzüglich mit einem formell korrekten Entscheid anzuordnen.

  2. Das Ausstandsgesuch gegen Staatsanwältin lic. iur. C. und AssistenzStaatsanwalt MLaw B. wird abgewiesen.

  3. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Kosten erhoben.

  4. Die Gerichtsgebühr für das Ausstandsgesuch wird auf Fr. 400.- festgesetzt und der Beschwerdeführerin auferlegt.

  5. Die Regelung allfälliger Entschädigungen wird dem Endentscheid vorbehalten.

  6. Schriftliche Mitteilung an:

    • den amtlichen Verteidiger der Beschwerdeführerin, zweifach, für sich und die Beschwerdeführerin (per Gerichtsurkunde)

    • Staatsanwältin lic. iur. C. , Staatsanwaltschaft See / Oberland (gegen Empfangsbestätigung)

    • Assistenz-Staatsanwalt MLaw B. , Staatsanwaltschaft See / Oberland (gegen Empfangsbestätigung)

    • die Staatsanwaltschaft See/Oberland unter gleichzeitiger Rücksendung der beigezogenen Akten [Urk. 12] sowie unter Beilage von Urk. 21 in Kopie (gegen Empfangsbestätigung)

  7. Rechtsmittel:

Gegen Ziffer 1 des Dispositivs dieses Entscheids kann unter den einschrän- kenden Voraussetzungen von Art. 93 des Bundesgerichtsgesetzes Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Ersten öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne

14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Gegen Ziffer 2 des Dispositivs dieses Entscheids kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Ersten öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne

14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 7. März 2014

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Der Präsident:

lic. iur. Th. Meyer

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. R. Hürlimann

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