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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils UH130320: Obergericht des Kantons Zürich

Der Beschwerdeführer, ein Geschäftsführer einer GmbH in Zürich, wurde beschuldigt, Kontrollschilder und Fahrzeugausweise nicht rechtzeitig abzugeben und ausstehende Beträge nicht zu bezahlen. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, erhob jedoch Einspruch. Nachdem er nicht zu einer Einvernahme erschien, erklärte die Staatsanwaltschaft seinen Einspruch als zurückgezogen. Der Beschwerdeführer legte dagegen Beschwerde ein und argumentierte, er habe keine Vorladung erhalten. Das Gericht entschied, dass die Vorladung nicht ordnungsgemäss war und hob die Entscheidung der Staatsanwaltschaft auf. Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer nicht auferlegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts UH130320

Kanton:ZH
Fallnummer:UH130320
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UH130320 vom 31.01.2014 (ZH)
Datum:31.01.2014
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Erledigung nach Einsprache gegen Strafbefehl
Schlagwörter : Vorladung; Staatsanwaltschaft; Einsprache; Verfahren; Bundesgerichts; Verfahren; Verfügung; Einvernahme; Zürich-Sihl; Befehl; Kommentar; Zustellung; Gericht; Donatsch/Hansjakob/Lieber; Urteil; Abholfrist; Verfahrens; Kantons; Meyer; Sinne; Kammer; Geschäfts-Nr; Postsendung; Säumnisfolgen; Vorbereitung; Entscheid; Beschwerdeverfahren; Bundesgerichtsgesetzes
Rechtsnorm:Art. 201 StPO ;Art. 202 StPO ;Art. 3 StPO ;Art. 355 StPO ;Art. 356 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 436 StPO ;Art. 85 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Schweizer, Praxis Schweizerische Strafprozessordnung, Art. 136 StGB, 2013

Entscheid des Kantongerichts UH130320

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UH130320-O/U/BUT/PRI

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, und lic. iur. W. Meyer, Ersatzoberrichterin lic. iur. J. Haus Stebler sowie der Gerichtsschreiber lic. iur. S. Bucher

Beschluss vom 31. Januar 2014

in Sachen

  1. ,

    Beschwerdeführer

    gegen

    Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

    Beschwerdegegnerin

    betreffend Erledigung nach Einsprache gegen Strafbefehl

    Beschwerde gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 18. September 2013, F-1/2013/4748

    Erwägungen:

    I.
    1. Dem Beschwerdeführer A. wird vorgeworfen, als Geschäftsführer der B. GmbH mit Sitz in Zürich den Verfügungen des Strassenverkehrsamtes des Kantons Zürich vom 22. April 2013, zugestellt am 25. April 2013, keine Folge geleistet zu haben, die Kontrollschilder und Fahrzeugausweise betreffend die Autokennzeichen ZH , ZH und ZH innert 30 Tagen beim Strassenverkehrsamt in Zürich abzugeben die ausstehenden Beträge von insgesamt Fr. 1’457.50 zu bezahlen. Letztlich soll der Beschwerdeführer die erwähnten Kontrollschilder und Fahrzeugausweise vom 27. Mai 2013 bis zum 29. Juli 2013 widerrechtlich in seinem Besitz behalten haben (Urk. 7/1; Urk. 7/6-11).

    2. Mit Strafbefehl vom 19. August 2013 wurde der Beschwerdeführer in der Folge von der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (Beschwerdegegnerin; fortan Staatsanwaltschaft) wegen des Missbrauchs von Ausweisen und Schildern im Sinne von Art. 97 Abs. 1 lit. b SVG mit einer unbedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 80.-bestraft (Urk. 7/13). Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30. August 2013 Einsprache (Urk. 7/14). Die Staatsanwaltschaft lud ihn hierauf mit eingeschriebenem Brief vom 11. September 2013 für den 18. September 2013 zur persönlichen Einvernahme in der Eigenschaft als Beschuldigter vor mit dem Hinweis, dass ein unentschuldigtes Nichterscheinen als Rückzug der Einsprache im Sinne von Art. 355 Abs. 2 StPO gelte (Urk. 7/15). Nachdem der Beschwerdeführer zur angesetzten Einvernahme nicht erschienen war, stellte die Staatanwaltschaft mit Verfügung vom 18. September 2013 fest, dass durch das unentschuldigte Fernbleiben die Einsprache als zurückgezogen gelte und der ursprüngliche Strafbefehl damit rechtskräftig sei (Urk. 3 = Urk. 7/17).

    3. Gegen diese Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 18. September 2013 erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 28. September 2013 rechtzeitig Beschwerde bei der hiesigen Kammer mit dem Ersuchen um Aufhebung des an-

gefochtenen Entscheides. Er habe keine Vorladung für eine Einvernahme erhalten es müsse sich um ein Missverständnis handeln und er halte an der Einsprache fest (Urk. 2). Mit Präsidialverfügung vom 10. Oktober 2013 wurde die Staatsanwaltschaft zur Stellungnahme eingeladen (Urk. 5), welche mit Eingabe vom

  1. ktober 2013 Abweisung der Beschwerde beantragte. Der Sendeverfolgung bei der Post lasse sich entnehmen, dass die Vorladung am 20. September 2013 entgegengenommen worden sei, wobei diese ab dem 12. September 2013 zur Abholung bereit gelegen habe. Als Einsprecher so die Staatsanwaltschaft wäre der Beschwerdeführer gehalten gewesen, eingeschriebene Post so rasch wie möglich abzuholen und nicht über eine Woche auf der Poststelle liegen zu lassen. Ohnehin würden eingeschriebene Vorladungen immer auch noch mit A-Post verschickt, weshalb davon ausgegangen werden könne, dass der Beschwerdeführer die Vorladung bereits am 13. 14. September 2013 erhalten habe (Urk. 9). Mit Präsidialverfügung vom 18. Dezember 2013 wurde die entsprechende staatsanwaltschaftliche Rechtsschrift dem Beschwerdeführer zur freigestellten Äusserung (Replik) übermittelt (Urk. 10). Eine solche unterblieb. Das Verfahren erweist sich damit als spruchreif.

    II.
    1. Bleibt eine gegen einen Strafbefehl Einsprache erhebende Person trotz Vorladung einer Einvernahme unentschuldigt fern, so gilt die Einsprache als zurückgezogen (Art. 355 Abs. 2 StPO). Diese Rechtsfolge ist als im Vergleich zum ordentlichen Verfahren strengerer Sanktion in der Lehre zwar auf Kritik gestossen (CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur StPO, Zürich 2010, N 2 zu Art. 355 StPO; BSK StPO-FRANZ RIKLIN, N 2 zu

      Art. 355 StPO, s.a. N 5 zu Art. 356 StPO), doch lässt der eindeutige Wortlaut der Bestimmung keinen Spielraum offen und wird in der Praxis auch entsprechend umgesetzt (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 5. April 2013, 6B_8/2013; Urteil des Bundesgerichts vom 26. November 2012, 6B_615/2012; Urteil des Bundesgerichts vom 9. November 2012, 6B_607/2012; s. auch Geschäfts-Nr. UH120076, Beschluss der hiesigen Kammer vom 14. August 2012, E. 3.1).

      Dabei ist, was die Art der Zustellung erwähnter Vorladung betrifft, Art. 85 Abs. 2 StPO massgebend. Demnach erfolgt die Zustellung der Vorladung mittels eingeschriebener Postsendung auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung, insbesondere durch die Polizei (vgl. ULRICH WEDER, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur StPO, a.a.O., N 18 zu Art. 201 StPO). An die Zustellung mit uneingeschriebener Aoder B-Post allein dürfen folglich wie in der soeben zitierten Kommentarstelle ebenfalls festgehalten keine Rechtsoder Säumnisfolgen geknüpft werden. Mit dem Versand per eingeschriebener Postsendung geht sodann eine siebentägige Abholfrist einher, nach deren Ablauf eine nicht abgeholte Sendung als zugestellt gilt, sofern der Adressat mit einer Zustellung rechnen musste (Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO; sog. Zustellfiktion). Gemäss

      Art. 202 StPO sind Vorladungen ferner im Vorverfahren mindestens 3 Tage (Abs. 1 lit. a), im Verfahren vor Gericht mindestens 10 Tage (Abs. 1 lit. b) vor der Verfahrenshandlung zuzustellen. Es handelt sich dabei um Minimalfristen, die eine genügende Vorbereitung auf die Verfahrenshandlung gewährleisten sollen (BSK StPO-SARARARD ARQUINT, N 1 f. zu Art. 202 StPO, demgemäss davon auszugehen ist, dass die Missachtung der Vorladungsfrist als Verweigerung des

      rechtlichen Gehörs zu werten ist und die angedrohten Säumnisfolgen nicht ausgelöst werden können; ULRICH WEDER, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur StPO, a.a.O., N 3 zu Art. 202 StPO).

      Insgesamt legen die gerade im Strafverfahren wesentlichen grundrechtlichen Maximen wie das der StPO explizit vorangestellte Fairnessgebot (Art. 3 StPO) nahe, dass die Vorladung so frühzeitig abgeschickt wird, dass der vorgeladenen Person auch unter Berücksichtigung der siebentägigen Abholfrist zumindest noch die sich aus Art. 202 Abs. 1 StPO ergebende Vorbereitungszeit zur Verfügung steht. Denn wie erwähnt gilt auch eine nicht abgeholte, eingeschriebene Postsendung im Falle der Zustellfiktion am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch welche Regelung die Pflicht des Verfahrensbeteiligten, für die Behörden innert angemessener Frist erreichbar zu sein, umsetzt (vgl. DANIELA

      BRÜSCHWEILER, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur StPO, a.a.O., N 6 zu Art. 85 StPO) als zugestellt und entfaltet Rechtswirkungen (BSK StPOSARARARD ARQUINT, N 1 zu Art. 202 StPO mit Fussnote 2; s.a. Entscheid der hiesigen Kammer vom 2. Mai 2013, Geschäfts-Nr. UH130054). Diese Forderung scheint namentlich auch im Strafbefehlsverfahren gerechtfertigt, in welchem die Verletzung der prozessualen Anwesenheitspflicht angesichts der Fiktion des Einspracherückzugs gemäss Art. 355 Abs. 2 StPO den endgültigen Verzicht auf den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch des Beschuldigten auf gerichtliche Beurteilung darstellt (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts vom 27. Mai 2013, 6B_152/2013).

    2. Die Staatsanwaltschaft hat die Vorladung vom 11. September 2013 betreffend den Einvernahmetermin vom 18. September 2013 gleichentags mit eingeschriebener Post versandt. Tags darauf, am 12 September 2013, scheint die Sendung dem Beschwerdeführer zur Abholung gemeldet worden zu sein, mithin die 7-tägige Abholfrist am Donnerstag, 19. September 2013, endete (Urk. 15 f.). Der Beschwerdeführer hätte somit bereits während noch laufender Abholfrist zur Einvernahme erscheinen sollen. Wie dargelegt lässt sich dies mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens nicht vereinbaren. Dem Empfänger einer Vorladung steht das Abholen derselben erst am letzten Tag der siebentägigen Frist zu, hinzu kommt die Vorbereitungszeit von minimal drei bzw. 10 Tagen gemäss Art. 202 StPO. Damit liegt keine ordnungsgemässe Vorladung vor, und es kann nicht auf ein unentschuldigtes Fernbleiben geschlossen werden, sodass die entsprechenden Säumnisfolgen entfallen. Dies führt zur Gutheissung der Beschwerde.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind ausgangsgemäss auf die Gerichtskasse zu nehmen (vgl. Art. 428 Abs. 1 StPO). Für das Rechtsmittelverfahren ist nicht von wesentlichen und damit nicht von entschädigungspflichtigen Aufwendungen des Beschwerdeführers auszugehen, da seine Beschwerde nur wenige Sätze umfasst; es ist daher für das Beschwerdeverfahren keine Entschädigung

zuzusprechen (Art. 436 Abs. 1 StPO in Verbindung mit Art. 430 Abs. 1 lit. c StPO).

Es wird beschlossen:

  1. In Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung vom

    18. September 2013 aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl zurückgewiesen.

  2. Es werden keine Kosten erhoben.

  3. Für das Beschwerdeverfahren wird keine Entschädigung zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • den Beschwerdeführer (per Gerichtsurkunde);

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, ad F-1/2013/4748, unter Rücksendung der beigezogenen Akten (Urk. 7; gegen Empfangsbestätigung).

  5. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann unter den einschränkenden Voraussetzungen von Art. 93 des Bundesgerichtsgesetzes Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Ersten öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne

14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 31. Januar 2014

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Der Präsident:

lic. iur. Th. Meyer

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. S. Bucher

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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