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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:UH120330
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UH120330 vom 25.03.2013 (ZH)
Datum:25.03.2013
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Kostenfolgen
Schlagwörter : Beschwerde; Staat; Kantons; Staatsanwaltschaft; Person; Verfahrens; Beschwerdeführerin; Verfahrenskosten; Beschuldigte; Abgabe; Prozessordnung; Beschwerdeverfahren; †B; Verfügung; Beschuldigten; Gesetzliche; Verfahrens; Schweizerischen; Obergericht; Kostenauflage; Grundlage; Zürich; Beschuldigten; Auferlegt; Staatskasse; Rechtsprechung; Bundesgerichts; Rechtsmittel; Empfang; Kammer
Rechtsnorm: Art. 31 ZGB ; Art. 419 StPO ; Art. 423 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 436 StPO ;
Referenz BGE:132 I 117;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UH120330-O/U/BUT

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, Dr. P. Martin und Dr.

D. Schwander sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. R. Hürlimann

Beschluss vom 25. März 2013

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführerin

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.

gegen

Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich,

Beschwerdegegnerin

betreffend Kostenfolgen

Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom 14. Oktober 2012, A-1/2011/527

Erwägungen:

I.
  1. Bei der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (Staatsanwaltschaft) wurde eine Strafuntersuchung gegen †B. betreffend sexuelle Handlungen mit Kindern geführt (vgl. Urk. 10). Nachdem †B. im Juli 2012 verstarb, wurde die Untersuchung mit Verfügung vom 14. Oktober 2012 eingestellt (Urk. 3 =

    Urk. 10/25). Gleichzeitig wurden die Verfahrenskosten der beschuldigten Person respektive dem Nachlass des Beschuldigten als Forderung auferlegt (DispositivZiffer 2; Urk. 3 S. 2).

  2. Gegen diesen Entscheid liess die Ehegattin und Alleinerbin von †B. , A. (Beschwerdeführerin), am 29. Oktober 2012 (Urk. 2) rechtzeitig Beschwerde erheben und folgenden Antrag stellen (Urk. 2 S. 2):

    Ziff. 2 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung sei aufzuheben und es seien die Verfahrenskosten auf die Staatskasse zu nehmen, ebenso die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.

    Unter Entschädigungsfolge bei Gutheissung der Beschwerde bezüglich der entstandenen Kosten für die anwaltliche Vertretung im Beschwerdeverfahren.

  3. Mit Verfügung vom 2. November 2012 wurde die Beschwerdeschrift der Staatsanwaltschaft zur Stellungnahme übermittelt (Urk. 6). Diese verzichtete mit Eingabe vom 8. November 2012 auf Vernehmlassung (Urk. 8).

  4. Aufgrund der Neukonstituierung des Gerichts per 1. Januar 2013 ergeht der Beschluss nicht in der den Parteien angekündigten Besetzung.

II.
  1. Die Staatsanwaltschaft begründet die Auflage der Kosten damit, dass die beschuldigte Person die Einleitung des Verfahrens durch ihr rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten verursacht habe, unter anderem indem sie mit den von ihr

    vorgenommenen Handlungen gegen die Persönlichkeitsrechte der Geschädigten verstossen habe (Urk. 3 S. 2).

  2. Die Beschwerdeführerin brachte dagegen in der Beschwerdeschrift im Wesentlichen vor, vorliegend fehle für eine Kostenauflage die dafür notwendige gesetzliche Grundlage. Im Weiteren würde mit der Kostenauflage die Unschuldsvermutung sowie Art. 426 Abs. 2 StPO verletzt (vgl. Urk. 2).

  3. Bei den Kosten eines Strafverfahrens handelt es sich wie bei den Gerichtskosten um Kausalabgaben. Nach der Rechtsprechung bedürfen öffentliche Abgaben einer Grundlage in einem formellen Gesetz. Darin müssen zumindest der Kreis der Abgabepflichtigen, der Gegenstand und die Bemessungsgrundlagen der Abgabe festgelegt sein. Bei gewissen Arten von Kausalabgaben hat die Rechtsprechung diese Vorgaben für die Abgabenbemessung gelockert: Dies gilt namentlich dort, wo das Mass der Abgabe durch überprüfbare verfassungsrechtliche Prinzipien (Kostendeckungsund Äquivalenzprinzip) begrenzt wird und nicht allein der Gesetzesvorbehalt diese Schutzfunktion erfüllt. Einer solchen Lockerung zugänglich sind grundsätzlich auch Vorschriften über Verfahrenskosten. Die mögliche Lockerung betrifft in diesen Fällen aber stets nur die formellgesetzlichen Vorgaben zur Bemessung, nicht die Umschreibung des Kreises der Abgabepflichtigen und des Gegenstandes der Abgabe (BGE 132 I 117 E. 4.2 mit Hinweisen). Die Kostenauflage an den Nachlass eines verstorbenen Beschuldigten ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung verletzt das abgabenrechtliche Legalitätsprinzip (BGE 132 I 117 E. 7.4; Urteile 6B_476/2008 vom 8. Oktober 2008 E. 2.4;

6B_592/2009 vom 17. Dezember 2009 E. 2.2).

Im Vorentwurf zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung war eine Pflicht der Erben zur Tragung von Verfahrenskosten ausdrücklich vorgesehen (vgl. Art. 490 Abs. 1 VE-StPO). Die Bestimmung fand keine Aufnahme in die nunmehr in Kraft stehende Strafprozessordnung. In der Literatur wird der Schluss gezogen, dass bei Versterben der kostenpflichtigen Person während des Strafverfahrens der Staat die Kosten zu tragen hat, weil eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für eine abweichende Anordnung fehlt (vgl. Goldschmid/Maurer/Sollberger [Hrsg.], Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung vom

5. Oktober 2007, Bern 2008, S. 416; Griesser, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich/Basel/Genf 2010, N. 5 zu Art. 419 StPO; Schmid, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich/St. Gallen 2009, N. 1785; BSK StPO-Domeisen, N. 11 zu

Art. 426).

  1. Die Pflicht zur Kostentragung entsteht erst mit der Verfügung der zuständigen Behörde. Die Verfügung wirkt nicht feststellend, sondern rechtsgestaltend. Als die Kostenauflage erging, war die beschuldigte Person, †B. , bereits verstorben und damit ihre Rechtspersönlichkeit untergegangen (Art. 31 Abs. 1 ZGB). Ein Rechtsübergang von der beschuldigten Person auf die Erben ist insofern ausgeschlossen (vgl. BGE 132 I 117 E. 7.3). An dieser Rechtsprechung des Bundesgerichts ist auch unter der Schweizerischen Strafprozessordnung festzuhalten. Es besteht kein Anlass, davon abzuweichen. Stirbt eine Person während des Strafverfahrens, können die Kosten mangels gesetzlicher Grundlage in der Schweizerischen Strafprozessordnung nicht der beschuldigten Person beziehungsweise dem Nachlass der beschuldigten Person auferlegt werden.

    Im vorliegenden Fall hat demnach die Staatsanwaltschaft die Verfahrenskosten zu Unrecht der beschuldigten Person beziehungsweise dem Nachlass des Beschuldigten †B. auferlegt. Die Verfahrenskosten für die Strafuntersuchung sind daher auf die Staatskasse zu nehmen (Art. 423 StPO).

  2. Die Beschwerde ist demzufolge gutzuheissen.

III.
  1. Ausgangsgemäss fallen die Kosten des Beschwerdeverfahrens ausser Ansatz (Art. 428 Abs. 1 StPO).

  2. Der Beschwerdeführerin ist sodann eine Prozessentschädigung auszurichten (Art. 436 Abs. 1 StPO in Verbindung mit Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO). Die Entschädigung im Beschwerdeverfahren richtet sich nach der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung der Anwaltsgebührenverordnung des Obergerichts des

Kantons Zürich und ist gestützt auf deren §§ 19 Abs. 2 i.V.m. 9 und 4, die den Aufwand bei rein wirtschaftlichen Interessen in einem Korrelat zum Streitwert zu halten suchen, auf Fr. 1'200.- zuzüglich Mehrwertsteuer zu bemessen.

Es wird beschlossen:

  1. In Gutheissung der Beschwerde wird Dispositiv-Ziffer 2 der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom 14. Oktober 2012 wie folgt neu gefasst:

    2. Die Verfahrenskosten werden auf die Staatskasse genommen.

  2. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Gerichtskosten erhoben.

  3. Die Beschwerdeführerin wird für das Beschwerdeverfahren mit Fr. 1'296.- aus der Gerichtskasse entschädigt.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • den Vertreter der Beschwerdeführerin, im Doppel, für sich und die Beschwerdeführerin (per Gerichtsurkunde)

    • die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (gegen Empfangsbestätigung)

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel gegen Empfangsschein:

    • an die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, unter Rücksendung der beigezogenen Akten (Urk. 10)

    • an die Kasse der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich

    • an das Zentrale Inkasso beim Obergericht des Kantons Zürich (elektronisch)

  5. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich

einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 25. März 2013

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Der Präsident:

lic. iur. Th. Meyer

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. R. Hürlimann

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