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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:UH120238
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UH120238 vom 18.12.2012 (ZH)
Datum:18.12.2012
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Begutachtung
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführerin; Staatsanwaltschaft; Person; Akten; Rechtsanwalt; Auftrag; Verfahren; Sachverständige; Gutachtung; Begutachtung; Betreuerin; Gutachten; Obergericht; Urteil; Gutachtens; Verfahren; Urteilsfähigkeit; Sachverhalt; Vertreten; Beschuldigte; Untersuchung; Sachverständigen; Vormundschaftsbehörde; Gutachtensauftrag; Abhängigkeit; Urteilsfähig; Abklärung; Sachverhalts
Rechtsnorm: Art. 106 StPO ; Art. 13 ZGB ; Art. 139 StGB ; Art. 16 ZGB ; Art. 164 StPO ; Art. 184 StPO ; Art. 251 StPO ; Art. 392 ZGB ; Art. 428 StPO ; Art. 436 StPO ;
Referenz BGE:129 I 173;
Kommentar zugewiesen:
Niklaus Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich, St. Gallen, Art. 251 StPO, 2009
Viktor Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich, Art. 13 ZGB; Art. 106 StPO, 2010
Margrith Bigler-Eggenberger, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 16 ZGB, 2010
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Viktor Lieber; Andreas Donatsch; Andreas Donatsch; Viktor Lieber;
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UH120238-O/U/mp

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. K. Balmer, Präsident, und lic. iur. W. Meyer, Ersatzoberrichter lic. iur. A. Schärer sowie der Gerichtsschreiber Dr. iur. S. Christen

Beschluss vom 18. Dezember 2012

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführerin

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. , vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat,

Beschwerdegegnerin

betreffend Begutachtung

Beschwerde gegen den Auftrag zur psychiatrischen Begutachtung der Staatsanwaltschaft Zürich - Limmat vom 6. Juli 2012, A-6/2012/673

Erwägungen:

I.
  1. Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat führt eine Strafuntersuchung gegen B. , C. und D. wegen Veruntreuung zum Nachteil von A. . B. (Betreuerin von A. ) soll ab dem Privatkonto von A. insgesamt Fr. 1 Mio. auf ein Konto von D. (Tochter von B. ) und das Partnerkonto von B. und C. überwiesen haben, wobei als Zahlungsgrund eine Schenkung von A. angegeben werde.

  2. Die Staatsanwaltschaft ersuchte die Vormundschaftsbehörde E. um Bestellung einer Prozessbeistandschaft für A. . Am 14. Februar 2012 ordnete die Vormundschaftsbehörde für A. eine Beistandschaft nach Art. 392

    Ziff. 1 ZGB an und ernannte Rechtsanwalt lic. iur. X. als Beistand (Urk. 3/6). Dagegen erhob A. Beschwerde beim Bezirksrat Zürich (Urk. 3/7). Ein Entscheid des Bezirksrates ist - soweit ersichtlich - noch nicht ergangen.

  3. Am 6. Juli 2012 richtete die Staatsanwaltschaft einen Auftrag an das Institut für Rechtsmedizin Zürich zur psychiatrischen Begutachtung von A. (Urk. 8).

  4. Namens und im Auftrag von A. führt Rechtsanwalt lic. iur. Y. Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich (Urk. 2). Er beantragt die Aufhebung des Auftrags vom 6. Juli 2012. Eventualiter sei der Auftrag A. zur Vernehmlassung zu unterbreiten und es sei der Auftrag zuhanden eines Amtsgutachters unter angemessener Berücksichtigung der Äusserungen von A. neu festzulegen. Subeventualiter habe dies nach richterlichem Ermessen zu geschehen. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Sollte der Auftrag nicht aufgehoben werden, sei A. Einsicht in die Akten des Vorermittlungsverfahrens Nr. A-2/2012/673 zu gewähren, insbesondere in diejenigen Akten, welche dem Amtsgutachter zur Verfügung gestellt werden sollen. Nach erfolgter Akteneinsicht sei A. eine Frist von 10 Tagen einzuräumen, um sich zum beabsichtigten Auftrag betreffend sachverständige Person, Fragekatalog und eigene Anträge äussern zu können.

Mit Eingabe vom 23. Juli 2012 stellt Rechtsanwalt lic. iur. Y. namens und im Auftrag von A. den Antrag, er sei als Rechtsvertreter von A. im Strafverfahren (Nr. A-2/2012/673) gegen B. für alle persönlichkeitsrelevanten Aspekte zuzulassen (Urk. 5).

Mit Verfügung vom 30. Juli 2012 erteilte das Obergericht der Beschwerde insoweit aufschiebende Wirkung, als dass die am 6. Juli 2012 in Auftrag gegebene psychiatrische Begutachtung von A. bis zum Erlass eines abweichenden Entscheids nicht vorgenommen werden dürfe (Urk. 9).

Die Staatsanwaltschaft hat sich vernehmen lassen (Urk. 11). Sie beantragt, der Beschwerde sei keine aufschiebende Wirkung zu erteilen. Der Antrag, die psychiatrische Begutachtung sei nicht durchzuführen, sei abzuweisen. Dem Antrag auf Akteneinsicht sei gestützt auf den Beschluss des Obergerichts vom 9. Juli 2012 nicht stattzugeben.

Rechtsanwalt lic. iur. X. hat sich vernehmen lassen (Urk. 13). Er beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Rechtsanwalt lic. iur. Y. sei als erbetener Vertreter von A. im vorliegenden Verfahren nicht zuzulassen.

In der Replik hält A. unter weiteren Ausführungen an ihren Anträgen fest (Urk. 16). Die Staatsanwaltschaft hat auf eine Stellungnahme dazu verzichtet (Urk. 21). Rechtsanwalt lic. iur. X. hat sich vernehmen lassen und hält an seinen Anträgen fest (Urk. 22). Mit Schreiben vom 10. September 2012 hat sich A. an das Obergericht gewandt (Urk. 24). Am 19. September 2012 reichte die Staatsanwaltschaft nachträglich eingegangene Akten ein (Urk. 26).

II.

1.

    1. Die Staatsanwaltschaft macht geltend, auf die Eingabe von Rechtsanwalt Y. sei nicht einzugehen. Beim Obergericht sei in derselben Strafsache ein Beschwerdeverfahren betreffend eine Kontosperre hängig (Nr. UH120124). In

      diesem Verfahren habe das Obergericht am 9. Juli 2012 die Auffassung vertreten, dass zurzeit für Rechtsanwalt Y. als erbetener Vertreter der Beschwerdeführerin kein Raum für eine Aufnahme ins Verfahren bestehe. Die Beschwerdeführerin werde durch Rechtsanwalt X. vertreten (Urk. 11 S. 3).

      Rechtsanwalt X. macht geltend (Urk. 13 S. 2 ff. und Urk. 22 S. 2 f.), die Vormundschaftsbehörde habe ihn am 14. Februar 2012 als Beistand im Sinne von Art. 392 Ziff. 1 ZGB ernannt. Er habe den Auftrag, die Interessen der Beschwerdeführerin im Strafverfahren zu vertreten. Die Beschwerde gegen die Verbeiständung sei beim Bezirksrat hängig. Der Beschwerde sei mit Verfügung des Bezirksrats vom 21. März 2012 die aufschiebende Wirkung entzogen worden. Ein dagegen erhobenes Rechtsmittel habe die II. Zivilkammer des Obergerichts abgewiesen. Seit dem Beschluss des Obergerichts vom 9. Juli 2012 habe sich nichts geändert. Demnach bestehe derzeit kein Raum für die Aufnahme eines erbetenen Vertreters. Das gelte auch im vorliegenden Verfahren. Auf die Beschwerde sei deshalb nicht einzutreten. Das Unvermögen der Beschwerdeführerin, ihre eigenen Interessen im Strafverfahren wahrzunehmen, beziehe sich auf alle in direktem Zusammenhang mit dem Geldtransfer stehenden Fragen. Da die Beurteilung der Urteilsfähigkeit der Beschwerdeführerin für die Frage, ob der Geldtransfer rechtmässig erfolgt sei, von grundlegender Bedeutung für das Strafverfahren sei, müsse sich die Vertretungsbefugnis des Prozessbeistandes auch auf die Durchführung der amtlichen psychiatrischen Begutachtung beziehen. Dies gelte umso mehr, als die Vertretung durch den Prozessbeistand im Strafprozess ihre Grenzen nicht bei den relativ höchstpersönlichen, sondern im Bereich der absolut höchstpersönlichen Rechte habe, die von urteilsfähigen Verbeiständeten selbst wahrgenommen werden könnten.

    2. Im Beschluss vom 14. Februar 2012 erwog die Vormundschaftsbehörde, die Beschwerdeführerin habe auf sachlicher Ebene nicht erreicht werden können, als es um die Besprechung zur Errichtung einer Beistandschaft gegangen sei. Sie habe sich hektisch verhalten, sei aufgebracht gewesen, habe nach ihrer Betreuerin geschrien, habe ihren Hausarzt angerufen und sei empört gewesen. Aufgrund des gesundheitlichen Zustands sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage, ihre

      eigenen Interessen im Strafverfahren gegen ihre Betreuerin selbst zu vertreten oder einen Vertreter zu bezeichnen. Sie sei anlässlich der Anhörung nicht auf die Idee gekommen, ihren anwesenden Rechtsvertreter oder aber eine andere Person mit dieser Aufgabe zu betrauen. Unter diesen Umständen sei eine Beistandschaft im Sinne von Art. 392 Ziff. 1 ZGB anzuordnen (Urk. 3/6).

      Im Beschluss vom 9. Juli 2012 erwog das Obergericht, die Ernennung von Rechtsanwalt X. sei erfolgt, weil die Beschwerdeführerin als nicht in der Lage befunden worden sei, ihre Interessen im Strafverfahren gegen die Betreuerin selbst zu vertreten bzw. dazu selbst einen Vertreter zu bezeichnen. Solange aus diesem Grund eine Prozessbeistandschaft bestehe, sei derzeit vom Unvermögen der Beschwerdeführerin auszugehen, die Handlungen eines gewillkürten Vertreters insgesamt zu überblicken und mit den eigenen Interessen in Beziehung zu setzen. Die Beschwerdeführerin sei im Strafverfahren und damit auch im Beschwerdeverfahren durch den Kraft Gesetzes und behördlichen Auftrags handelnden Prozessbeistand zu vertreten. Es bestehe derzeit kein Raum für die zusätzliche Aufnahme eines erbetenen Vertreters (Urk. 3/5 S. 3 f.).

    3. Gemäss Art. 392 Ziff. 1 ZGB ernennt die Vormundschaftsbehörde auf Ansuchen eines Beteiligten oder von Amtes wegen einen Beistand da, wo das Gesetz es besonders vorsieht, sowie wenn eine mündige Person in einer dringenden Angelegenheit infolge von Krankheit, Abwesenheit oder desgleichen weder selbst zu handeln, noch einen Vertreter zu bezeichnen vermag.

      Die Ernennung eines Beistandes schränkt die Handlungsfähigkeit des Betroffenen nicht ein. Er muss sich zwar die Handlungen des Beistandes anrechnen lassen, kann aber ebenso selbstständig auftreten (Urteil 5C.262/2002 vom 6. März 2003

      E. 4.1; vgl. Ernst Langenegger, in: Honsell/Vogt/Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 4. Auflage, Basel 2010, N. 4 zu Art. 392 ZGB).

      Die Beschwerdeführerin ist demnach an sich befugt, selbst einen Rechtsvertreter zu bestellen. Allein die Bestellung eines Prozessbeistandes durch die Vormundschaftsbehörde schliesst dies nicht aus. In der Verfügung vom 9. Juli 2012 geht

      das Obergericht davon aus, dass die Beschwerdeführerin gerade dazu nicht in der Lage sei. Es sprach ihr insofern die Handlungsfähigkeit ab.

    4. Gemäss Art. 106 StPO kann die Partei Verfahrenshandlungen nur gültig vornehmen, wenn sie handlungsfähig ist (Abs. 1). Eine handlungsunfähige Person wird durch ihre gesetzliche Vertretung vertreten (Abs. 2). Eine urteilsfähige handlungsunfähige Person kann neben ihrer gesetzlichen Vertretung jene Verfahrensrechte ausüben, die höchstpersönlicher Natur sind (Abs. 3).

      Die Prozessfähigkeit setzt Handlungsfähigkeit voraus. Die betroffene Person muss mündig und urteilsfähig sein (Art. 13 ZGB; Viktor Lieber, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich/Basel/Genf 2010, N. 1 zu Art. 106 StPO). Die Urteilsfähigkeit ist die Regel und wird nach der Lebenserfahrung vermutet, solange keine Anzeichen dafür bestehen, dass die betroffene Person aufgrund ihrer allgemeinen Verfassung - etwa bei bestimmten Geisteskrankheiten oder Altersschwäche - im Normalfall und mit grosser Wahrscheinlichkeit als urteilsunfähig gelten muss (BGE 129 I 173 E. 3.1; 124 III 5 E. 1b).

      Im Bereich der Verfahrensrechte werden an die Urteilsfähigkeit als Voraussetzung der Prozessfähigkeit geringe Anforderungen gestellt, wenn es um höchstpersönliche Rechte geht (Margrith Bigler-Eggenberger, in: Honsell/Vogt/Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 4. Auflage, Basel 2010, N. 54 zu Art. 16 ZGB). Höchstpersönlich im Sinne von Art. 106 StPO meint sämtliche Rechte, die einer Person um ihrer selbst willen zustehen - wie das Einreichen von Rechtsmitteln. Das gilt insbesondere, wenn die Frage der Prozessfähigkeit umstritten ist (vgl. Vest/Horber, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, N. 5 zu Art. 106 StPO; BiglerEggenberger, a.a.O., N. 54 zu Art. 16 ZGB; vgl. auch Lieber, a.a.O., N. 10 ff. zu Art. 106 StPO).

    5. Die Beschwerdeführerin ist mündig. Die Vormundschaftsbehörde hat ihr einen Prozessbeistand beigegeben. Zwar deuten die Erwägungen der Vormundschaftsbehörde im Beschluss vom 14. Februar 2012 darauf hin, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage ist, ihre eigenen Interessen im Strafverfahren gegen ihre Betreuerin genügend zu wahren. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass sie sich eine Meinung darüber bilden kann, ob sie von der Staatsanwaltschaft bzw. von einem Gutachter begutachtet werden will. Der Beschluss der Vormundschaftsbehörde vom 14. Februar 2012 beruht nicht auf einem medizinischen Gutachten. Ihm sind keine Anzeichen zu entnehmen, wonach die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer allgemeinen Verfassung mit grosser Wahrscheinlichkeit in Bezug auf die Begutachtung urteilsunfähig ist. An die Urteilsfähigkeit sind im vorliegenden Beschwerdeverfahren geringe Anforderungen zu stellen. Es geht vorliegend um die Begutachtung der Beschwerdeführerin und damit um einen Eingriff in Rechte, die ihr um ihrer selbst willen zustehen. Zumal das Gutachten gerade ihre Urteilsfähigkeit klären soll und diese umstritten ist.

      Unter Würdigung der gesamten Umstände ist der Entscheid des Obergerichts vom 9. Juli 2012 zu präzisieren. Die Beschwerdeführerin kann, soweit es um die Abklärung ihrer Urteilsfähigkeit geht, selbst Verfahrenshandlungen vornehmen und sich deshalb auch durch den von ihr gewählten Rechtsanwalt vertreten lassen. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren kann sie sich durch Rechtsanwalt Y. vertreten lassen. Soweit die Beschwerdeführerin darüberhinaus bean-

      tragt, Rechtsanwalt Y. sei im (gesamten) Strafverfahren für alle persönlichkeitsrelevanten Aspekte zuzulassen, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Gegenstand der Beschwerde ist der Gutachtensauftrag der Staatsanwaltschaft vom 6. Juli 2012 und nicht die Frage der Zulässigkeit der gewillkürten Vertretung für das gesamte Strafverfahren.

    6. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägungen einzutreten.

2.

    1. Die Beschwerdeführerin macht geltend (Urk. 2), der beschuldigten Person werde Veruntreuung (Art. 139 StGB) vorgeworfen. Vorliegend sei Art. 251 Abs. 4 StPO anwendbar. Veruntreuung sei nicht im Deliktskatalog von Art. 251 Abs. 4 StPO enthalten. Die Anordnung der Begutachtung sei deshalb unzulässig.

    2. Rechtsanwalt X. wendet ein (Urk. 13 und Urk. 22 S. 3 f.), Art. 251 Abs. 4 StPO beschränke sich auf körperliche Untersuchungen von Nichtbeschuldigten. Es gehe aber um eine psychiatrische Begutachtung. Vorliegend sei

      Art. 164 Abs. 2 StPO anwendbar und die Begutachtung deshalb zulässig.

    3. Die Staatanwaltschaft macht geltend (Urk. 11), die beschuldigte Person sei die engste Bezugsperson der Beschwerdeführerin. Sie nehme für die Beschwerdeführerin Telefonate entgegen, erledigte ihre Korrespondenz und finanziellen Angelegenheiten. Es sei sowohl der Geisteszustand wie auch das Ausmass der Abhängigkeit der Beschwerdeführerin von der beschuldigten Person zu prüfen. Es bestünden Zweifel, ob die Beschwerdeführerin selbstbestimmend entscheiden könne. Die Begutachtung sei auch im Interesse der Beschwerdeführerin. Sie betrachte die Vermögensverschiebungen als Schenkungen. Das Gutachten könne die beschuldigte Person auch entlasten.

3.

    1. Gemäss Art. 164 StPO werden das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse einer Zeugin oder eines Zeugen nur abgeklärt, soweit dies zur Prüfung ihrer Glaubwürdigkeit erforderlich ist (Abs. 1). Bestehen Zweifel an der Urteilsfähigkeit oder liegen Anhaltspunkte für psychische Störungen vor, so kann die Verfahrensleitung eine ambulante Begutachtung der Zeugin oder des Zeugen anordnen, wenn die Bedeutung des Strafverfahrens und des Zeugnisses dies rechtfertigt (Abs. 2).

      Die Untersuchung einer Person umfasst gemäss Art. 251 StPO die Untersuchung ihres körperlichen oder geistigen Zustands (Abs. 1). Die beschuldigte Person kann untersucht werden, um: a) den Sachverhalt festzustellen; b) abzuklären, ob sie schuld-, verhandlungsund hafterstehungsfähig ist (Abs. 2). Eingriffe in die körperliche Integrität der beschuldigten Person können angeordnet werden, wenn sie weder besondere Schmerzen bereiten noch die Gesundheit gefährden

      (Abs. 3). Gegenüber einer nicht beschuldigten Person sind Untersuchungen und Eingriffe in die körperliche Integrität gegen ihren Willen zudem nur zulässig, wenn sie unerlässlich sind, um eine Straftat nach den Artikeln 111-113, 122, 124, 140,

      184, 185, 187, 189, 190 oder 191 StGB abzuklären (Abs. 4).

    2. Abklärungen über die Zeugin oder den Zeugen nach Art. 164 StPO haben zum Zweck, eine Prüfung der Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit vorzunehmen. Es geht um die Beurteilung der Qualität einer Aussage. Mit einem Gutachten soll die Zeugnisfähigkeit abgeklärt werden, die Erinnerungsund Wiedergabefähigkeit (vgl. Jürg Bähler, in: Basler Kommentar StPO, a.a.O., N. 6 ff. zu Art. 164 StPO). Es geht um die Abklärung, ob eine Person urteilsfähig ist und damit über eine Voraussetzung für die Zeugeneigenschaft verfügt (BBl 2006 1196). Dem Sachverständigen werden Fragen nach der Urteilsfähigkeit und/oder nach psychischen Störungen gestellt, welche mit Blick auf den Gegenstand der Einvernahme von Relevanz sein können (vgl. Andreas Donatsch, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, a.a.O., N. 17 zu Art. 164 StPO).

      Art. 251 Abs. 4 StPO ist die gesetzliche Grundlage zur Untersuchung von nicht beschuldigten Personen zum Zweck der Sachverhaltsermittlung (vgl. Art. 251 Abs. 2 lit. a StPO). Die Untersuchung kann sich auf den körperlichen und/oder geistigen Zustand beziehen (BBl 2006 1240; Charles Haenni, in: Basler Kommentar StPO, a.a.O., N. 64 zu Art. 251/252 StPO). Gegen den Willen der nicht beschuldigten Person ist die Untersuchung nur zulässig, wenn die Untersuchung unerlässlich ist, um eine Straftat aus dem Katalog von Art. 251 Abs. 4 StPO abzuklären.

      Art. 164 Abs. 2 und Art. 251 Abs. 4 StPO unterscheiden sich im Anwendungsbereich insofern, als es bei der Untersuchung nach Art. 164 Abs. 2 StPO um die Zeugnisfähigkeit und bei der Untersuchung nach Art. 251 Abs. 4 StPO um die Sachverhaltsermittlung geht. Während die Untersuchung nach Art. 164 Abs. 2 StPO grundsätzlich unabhängig vom zu untersuchenden Straftatbestand möglich ist, ist eine Untersuchung nach Art. 251 Abs. 4 StPO nur bei bestimmten Straftatbeständen möglich (vgl. Niklaus Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2009, N. 12 zu Art. 251 StPO). Im einen wie im anderen Fall ist dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen.

    3. Im Gutachtensauftrag der Staatsanwaltschaft vom 6. Juli 2012 (Urk. 8) stellt die Staatsanwaltschaft die Frage nach einer psychischen Störung der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Geldüberweisungen Ende Dezember 2011 (Frage 1).

      Die sachverständige Person soll beantworten, ob die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Überweisungen voll zurechnungsfähig gewesen sei und dies auch heute noch sei (Frage 2). Sodann soll sich die sachverständige Person dazu äussern, ob die Beschwerdeführerin an Demenz leide (Frage 3) und ob der Fall zu weiteren Bemerkungen Anlass gebe (Frage 4).

      1. Gegenstand der Frage 1 ist die Ermittlung des Sachverhalts und nicht die Zeugnisfähigkeit der Beschwerdeführerin. Es soll abgeklärt werden, ob die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Vermögensverschiebungen urteilsfähig war bzw. ob sie an einer psychischen Störung litt. Auf die Frage 1 ist Art. 251 Abs. 4 StPO anwendbar.

      2. Die Frage 2 enthält zwei Fragen. Einerseits sei abzuklären, ob die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Überweisung urteilsfähig war. Dies betrifft die Sachverhaltsermittlung. Art. 251 Abs. 4 StPO ist anwendbar.

        Andererseits soll geklärt werden, ob die Beschwerdeführerin heute bezüglich der Überweisung urteilsfähig ist. Zwar verwendet die Staatsanwaltschaft in der Fragestellung den Begriff der Zurechnungsfähigkeit. Gemeint ist damit aber die Urteilsfähigkeit der Beschwerdeführerin. Diese Teilfrage betrifft die Zeugnisfähigkeit der Beschwerdeführerin. Ihr heutiger geistiger Zustand lässt Rückschlüsse auf die Qualität ihrer Aussagen zu. Auf die zweite Teilfrage ist Art. 164 Abs. 2 StPO anwendbar.

      3. In Beantwortung der Frage 3 soll die sachverständige Person abklären, ob die Beschwerdeführerin an Demenz leide. Die Frage ist zur Beurteilung der Zeugnisfähigkeit relevant. Leidet die Beschwerdeführerin an Demenz, wären ihre Aussagen im Lichte dieser Erkrankung zu würdigen. Auf die Frage 3 ist Art. 164

        Abs. 2 StPO anwendbar.

      4. Die Frage 4 ist offen formuliert. Sie kann sowohl bei einer Begutachtung nach Art. 251 Abs. 4 StPO als auch nach Art. 164 Abs. 2 StPO gestellt werden.

    4. Die Staatsanwaltschaft wirft der beschuldigten Person Veruntreuung im Sinne von Art. 139 StGB vor. Dieses Delikt wird im Katalog von Art. 251 Abs. 4 StPO

      nicht genannt. Soweit auf die Fragen Art. 251 Abs. 4 StPO anwendbar ist, ist die Begutachtung ohne Einwilligung der Beschwerdeführerin unzulässig. Die Beschwerdeführerin lehnt es ab, begutachtet zu werden. Zulässig sind deshalb nur diejenigen Fragen, auf welche Art. 164 StPO anwendbar ist. Zu prüfen ist, ob die Begutachtung für das Strafverfahren notwendig ist (Art. 164 Abs. 2 StPO).

    5. Die Beschwerdeführerin ist 87 Jahre alt. Im Beschluss der Vormundschaftsbehörde vom 14. Februar 2012 wird ausgeführt (Urk. 3/6), die [Bank], über welche grössere Vermögensverschiebungen stattgefunden hätten, habe sich telefonisch bei der Beschwerdeführerin erkundigen wollen. Anlässlich des Telefonats habe die Beschwerdeführerin verwirrt gewirkt und nicht gewusst, was die [Bank] sei (S. 1). Die Abklärungen der Vormundschaftsbehörde hätten ergeben, dass die Beschwerdeführerin auf sachlicher Ebene nicht habe erreicht werden können. Sie habe sich hektisch verhalten, sei aufgebracht gewesen, habe nach ihrer Betreuerin geschrien, ihren Hausarzt angerufen und habe ihrer Empörung Ausdruck gegeben (S. 2). Das Verhalten der Beschwerdeführerin lässt Zweifel an ihrer derzeitigen Urteilsfähigkeit aufkommen. Daran ändert nichts, dass sie vor der angeblichen Schenkung Abklärungen mit Hilfe eines Treuhandbüros über die finanzielle Machbarkeit der Schenkung vorgenommen haben soll. Es geht bei der Begutachtung um ihren derzeitigen Zustand, um ihre Zeugnisfähigkeit abzuklären und damit Erkenntnisse über die Qualität ihrer Aussagen zu gewinnen. Den beschuldigten Personen wird Veruntreuung vorgeworfen. Namentlich die Betreuerin, zu welcher die Beschwerdeführerin ein enges Verhältnis pflegt, soll vom Konto der Beschwerdeführerin Geld abgezogen haben. Die Beschwerdeführerin ist in körperlicher Hinsicht auf die Hilfe ihrer Betreuerin angewiesen (vgl. das Privatgutachten vom 27. Juni 2012, Urk. 3/9 S. 6, wonach es in F. ohne Begleitung nicht gehe). Die Bedeutung des Strafverfahrens rechtfertigt die Begutachtung der Beschwerdeführerin. Die Aussagen der Beschwerdeführerin können die beschuldigte Personen belasten oder entlasten. Sie sind für das Strafverfahren von erheblicher Bedeutung. Es gibt derzeit keine anderen Hinweise, wie die Staatsanwaltschaft an relevante Erkenntnisse gelangen könnte. Das von der Beschwerdeführerin eingereichte Privatgutachten, ist als Aussage einer Verfahrensbeteiligten zu betrachten. Es ist aber kein Gutachten im Sinne von Art. 182 ff. StPO. Die Be-

gutachtung der Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 164 StPO erweist sich deshalb als notwendig und verhältnismässig. Nachfolgend sind demnach die weiteren Einwendungen nur in Bezug auf die zweite Teilfrage von Frage 2, die Frage 3 und Frage 4 zu prüfen.

4.

    1. Die Beschwerdeführerin macht geltend (Urk. 2 S. 11 f.), der Fokus der psychiatrischen Begutachtung könne nur auf ihrer heutigen psychischen Verfassung liegen. Die Frage 2 sei deshalb nicht beantwortbar. Die Frage 4 ziele nicht auf die Begutachtung der psychischen Situation ab, sondern auf eine Würdigung der Umstände durch die Gutachterin. Bereits die Wortwahl Fall weise auf die Umstände der Transaktion hin. Die Würdigung des Sachverhalts obliege dem Gericht.

    2. Mit der zweiten Teilfrage von Frage 2 soll geklärt werden, ob die Beschwerdeführerin heute bezüglich der Überweisung urteilsfähig ist und insofern ein Zeugnis darüber geben kann. Weshalb eine sachverständige Person dies nicht beantworten kann, ist nicht ersichtlich. Ob die Beschwerdeführerin heute nachvollziehbare Aussagen bezüglich der Geldüberweisung machen kann, betrifft ihre Zeugnisfähigkeit. Der Einwand der Beschwerdeführerin ist unbegründet.

    3. Die Frage 4 ist offen formuliert. Die Wortwahl ist nicht zu beanstanden. Die sachverständige Person kann im Rahmen ihrer Abklärungen auf Erkenntnisse stossen, die für die Beurteilung des Gutachtens und die Würdigung von Aussagen der Beschwerdeführerin von Bedeutung sein können. Aufgrund der Fachkenntnisse der sachverständigen Person können sich Erkenntnisse ergeben, nach denen die Staatsanwaltschaft nicht gefragt hat, die aber für die Würdigung des Gutachtens von Bedeutung sein können. Die Staatsanwaltschaft beauftragt die sachverständige Person mit der Frage 4 nicht, eine eigene Würdigung des relevanten Sachverhalts vorzunehmen. Der Einwand der Beschwerdeführerin ist unbegrün- det.

5.

    1. Die Beschwerdeführerin macht geltend (Urk. 2 S. 12), die Staatsanwaltschaft habe im Gutachtensauftrag den Sachverhalt tendenziös geschildert. Sie habe unterschlagen, dass im fraglichen Zeitraum eine Zahlung in gleicher Höhe an den Sohn der Beschwerdeführerin geleistet worden sei. Die Beschwerdeführerin habe vorgängig umfangreiche und sorgfältige Abklärungen zur finanziellen Machbarkeit der Zahlungen durch und mit einem Treuhandbüro veranlasst. Der Gutachtensauftrag erwähne dies nicht. Zudem sei das Schenkungsversprechen schriftlich festgehalten worden. Die Staatsanwaltschaft verweise im Auftrag auf aussergewöhnlich häufige Besuche des Restaurants G. in unmittelbarer Nähe des Wohnorts der Betreuerin in Bezug auf Transaktionen ab der Kreditkarte der Beschwerdeführerin. Damit suggeriere die Staatsanwaltschaft in unzulässiger Weise einen missbräuchlichen Gebrauch der Kreditkarte durch die Betreuerin. Es werde nicht erwähnt, dass die Beschwerdeführerin bis Ende März 2012 in der Nähe des Restaurants gewohnt habe. Auch heute besitze sie noch eine Wohnung in der Nähe. Eine ähnliche Sachverhaltswürdigung nehme die Staatsanwaltschaft zudem vor, wenn sie das Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der Betreuerin als offensichtliches Abhängigkeitsverhältnis qualifiziere.

    2. Gemäss Art. 184 Abs. 4 StPO übergibt die Staatsanwaltschaft der sachverständigen Person zusammen mit dem Auftrag die zur Erstellung des Gutachtens notwendigen Akten und Gegenstände.

      Anstelle oder mit den Akten können der sachverständigen Person zusätzliche Informationen zum Sachverhalt gegeben werden. Eine Zusammenfassung des Sachverhalts bzw. der Akten kann für die sachverständige Person eine Orientierung sein und die Gründe für die Notwendigkeit des Gutachtens erhellen. In einer Zusammenfassung des relevanten Sachverhalts ist keine unzulässige Beeinflussung der sachverständigen Person zu sehen. Es ist darauf zu achten, dass keine tendenziösen Hervorhebung einzelner Punkte vorgenommen wird. Die Zusammenfassung vermag dem Experten einen ersten Überblick zu verschaffen (vgl. Andreas Donatsch, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, a.a.O., N. 49 zu Art. 184 StPO; Marianne Heer, in: Basler Kommentar StPO,

      N. 17 zu Art. 184 StPO).

    3. Die Staatsanwaltschaft hat im Gutachtensauftrag unter der Rubrik Sachverhalt umschrieben, welche drei Transaktionen ab dem Konto der Beschwerdefüh- rerin Gegenstand der Strafuntersuchung sind. Die angeblich im fraglichen Zeitraum erfolgte Überweisung in gleicher Höhe an ihren Sohn, ist nicht Gegenstand der Strafuntersuchung. Ob die Beschwerdeführerin heute zurechnungsfähig ist oder an Demenz leidet, lässt sich auch ohne diese Information beantworten. Zumal es nach dem Gesagten nicht darum geht, die Urteilsfähigkeit im Zeitpunkt der Transaktionen zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist deshalb auch nicht von Bedeutung, dass die Beschwerdeführerin sorgfältige Abklärungen zur finanziellen Machbarkeit der Zahlungen mit Hilfe eines Treuhandbüros veranlasst haben soll. Einerseits kann die Beschwerdeführerin dies im Rahmen der Begutachtung selbst gegenüber der sachverständigen Person vorbringen. Andererseits lässt sich aus dem Vorbringen - soweit ersichtlich - nichts ableiten, was für die heutige Beurteilung der Urteilsfähigkeit und die Frage der Demenz relevant sein könnte. Die Staatsanwaltschaft hat im Auftrag ausdrücklich erwähnt, dass sich in den Akten ein Beleg für die notarielle Beglaubigung bezüglich des Schenkungsversprechens befinde.

Die Staatsanwaltschaft behauptet im Auftrag nicht, die Betreuerin habe die Kreditkarte der Beschwerdeführerin missbräuchlich eingesetzt. Die Besuche im Restaurant G. zeigen den Umgang mit Geld bzw. Kreditkarten. Der Hinweis ist ohnehin nicht relevant, wenn es um die Abklärung des derzeitigen Geisteszustands der Beschwerdeführerin geht. Er lässt den Gutachtensauftrag nicht als rechtswidrig erscheinen.

Zwischen der Beschwerdeführerin und der Betreuerin soll offenbar ein derart enges Beziehungsverhältnis bestehen, dass die Beschwerdeführerin ihrer Betreuerin bzw. deren Familie insgesamt Fr. 1 Mio. geschenkt haben soll. Die Beschwerdeführerin ist in körperlicher Hinsicht auf die Hilfe ihrer Betreuerin angewiesen (vgl. das Privatgutachten vom 27. Juni 2012, Urk. 3/9 S. 6, wonach es in F. ohne Begleitung nicht gehe). Insofern kann von einem Abhängigkeitsverhältnis gesprochen werden. In der Vernehmlassung führte die Staatsanwaltschaft aus, die Betreuerin nehme die Telefonate der Beschwerdeführerin entgegen, erledige

deren Korrespondenz und finanzielle Angelegenheiten. Es müsse deshalb auch die Abhängigkeit der Beschwerdeführerin von der Betreuerin abgeklärt werden (vgl. Urk. 11 S. 2). X. führte in seiner Stellungnahme aus, es bestehe Grund zur Annahme, dass ein Abhängigkeitsverhältnis vorliege. Die Betreuerin übe die Funktion einer Gesellschafterin aus. Ihre Position versetze sie in die Lage, jeden Schritt der Beschwerdeführerin zu überwachen, sie nehme alle eingehenden Telefongespräche entgegen und besorge den Fahrdienst. Sie verfüge über die Mög- lichkeit einer beinahe vollständigen Kontrolle über die Kontakte der Beschwerdeführerin zur Aussenwelt. Die aktuelle Betreuungssituation erschwere bzw. verunmögliche eine angemessene Kommunikation mit der Beschwerdeführerin. Es bestünden insgesamt ernsthafte Anzeichen dafür, dass die Möglichkeit der Beschwerdeführerin zur freien Willensbildung durch die bestehende Abhängigkeit massiv beeinträchtigt sei (Urk. 13 S. 6). Die Beschwerdeführerin hat dieser Darstellung nicht ausdrücklich widersprochen (Urk. 16).

Aufgrund der offenbar körperlichen Leiden der Beschwerdeführerin ist von einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis auszugehen. Ob die Beschwerdeführerin auch psychisch von ihrer Betreuerin in dem Sinne abhängig ist, dass die Betreuerin die Beschwerdeführerin bei ihren Entscheiden beeinflusst, wäre als Verdacht zu formulieren gewesen. Zumal die Staatsanwaltschaft selbst einräumt, die Abhängigkeit müsse abgeklärt werden. Für die sachverständige Person sollte ersichtlich sein, welche Tatsachen als erstellt gelten und welche der Expertise als Annahme zugrunde zu legen sind (vgl. Donatsch/Zuberbühler, Die Nutzung von Expertenwissen im Strafverfahren, in: Festschrift für Franz Riklin, Zürich 2007, S. 348). Die Rüge der Beschwerdeführerin ist grundsätzlich berechtigt. Die Erwähnung eines Abhängigkeitsverhältnisses ist aber insofern nicht relevant, als dies für den Befund, ob die Beschwerdeführerin heute urteilsfähig ist oder ob sie an Demenz leidet, nicht entscheidend ist. Auch bei bestehender Abhängigkeit kann die Beschwerdeführerin urteilsfähig und geistig gesund sein. Der Einwand der Beschwerdeführerin ist deshalb insgesamt unbegründet.

6.

    1. Die Beschwerdeführerin macht geltend (Urk. 2 S. 13), die Sachverhaltsschilderung durch die Staatsanwaltschaft ersetze das Aktenstudium nicht. Der sachverständigen Person sei lediglich ein Beleg als Akte überreicht worden.

      In der Vernehmlassung führt die Staatsanwaltschaft aus (Urk. 11 S. 2), sie habe dem Institut für Rechtsmedizin sämtliche Akten zugestellt. Im Gutachtensauftrag sei dies aus Versehen nicht aufgeführt worden.

      Die Beschwerdeführerin wendet ein (Urk. 16 S. 6), es gebe keinen Nachweis für diese Behauptung der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft habe auf eine Auflistung der übergebenen Akten verzichtet. Es sei unklar, über welche Akten die Staatsanwaltschaft verfüge und welche der sachverständigen Person offenbar nicht vorgelegt werden sollen.

    2. Es trifft zwar zu, dass die Staatsanwaltschaft keine Auflistung der übergebenen Akten erstellt hat. Dies lässt den Auftrag aber nicht als rechtswidrig erscheinen. Weshalb die Erklärung der Staatsanwaltschaft, sie habe der sachverständigen Person sämtliche Akten zugestellt, nicht zutreffen soll, ist nicht ersichtlich. Es ist eine Frage der Akteneinsicht, ob die Staatsanwaltschaft der Beschwerdeführerin über die vorhandenen Akten Auskunft zu geben hat. Diese Frage ist nicht Gegenstand des angefochtenen Gutachtensauftrags. Sie ist hier nicht zu beantworten. Notwendig ist einzig, dass nachvollziehbar ist, welche Akten der sachverständigen Person übergeben wurden. Dies ist hier der Fall. Die Staatsanwaltschaft hat der sachverständigen Person sämtliche im Zeitpunkt der Erteilung des Gutachtensauftrags vorhandenen Akten zugestellt.

7.

    1. Die Beschwerdeführerin beantragt für den Fall, dass der Gutachtensauftrag nicht ersatzlos aufgehoben wird, es sei der durch die Staatsanwaltschaft beabsichtigte Auftrag vom 6. Juli 2012 im Sinne der Wahrung des rechtlichen Gehörs vorgängig zur bzw. vor Erteilung der Auftragsausführung der Beschwerdeführerin zur Vernehmlassung zu unterbreiten und es sei der Auftrag vom 6. Juli 2012 zuhanden eines Amtsgutachters / einer Amtsgutachterin unter angemessener Berücksichtigung der Äusserungen der Beschwerdeführerin neu festzulegen, subeventualiter nach richterlichem Ermessen (Urk. 2 S. 2).

      Sodann beantragt die Beschwerdeführerin für den Fall, dass der Gutachtensauftrag nicht ersatzlos aufgehoben wird, ihr sei Einsicht in die Akten des Vorermittlungsverfahrens zu gewähren. Insbesondere sei Einsicht in diejenigen Akten zu gewähren, welche dem Gutachter oder der Gutachterin zur Verfügung gestellt werden. Nach erfolgter Akteneinsicht sei der Beschwerdeführerin eine neue Frist von zehn Kalendertagen einzuräumen, um sich zum beabsichtigten Auftrag vom

      6. Juli 2012 betreffend sachverständige Person, Fragekatalog und eigene Anträge äussern zu können (vgl. Urk. 2 S. 1).

    2. Gemäss Art. 184 Abs. 3 StPO gibt die Verfahrensleitung den Parteien vorgängig Gelegenheit, sich zur sachverständigen Person und zu den Fragen zu äussern und dazu eigene Anträge zu stellen.

    3. Im Auftrag vom 6. Juli 2012 hat die Staatsanwaltschaft im Verteiler die Parteien darauf hingewiesen, dass sie berechtigt seien, sich gegenüber der Verfahrensleitung innert 10 Tagen zur sachverständigen Person und zu den Fragen zu äussern und dazu eigene Anträge zu stellen (vgl. Urk. 8 S. 6).

Die Staatsanwaltschaft hat der Beschwerdeführerin bzw. Rechtsanwalt Y. den Auftrag zukommen lassen. Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 verlangte Rechtsanwalt Y. bei der Staatsanwaltschaft Einsicht in die Akten und eine Erstreckung der Vernehmlassungsfrist (Urk. 3/3). Am 18. Juli 2012 antwortete ihm die Staatsanwaltschaft (Urk. 6/16), das Obergericht habe im Beschluss vom

9. Juli 2012 festgehalten, dass die Beschwerdeführerin im Verfahren vor Obergericht wie auch im Strafverfahren ausschliesslich durch Rechtsanwalt X. vertreten werde. Sie könne Rechtsanwalt Y. deshalb weder Akteneinsicht gewähren noch ihn zu Ergänzungsfragen zulassen. Je nach Entscheid des Bezirksrates werde sie ihm selbstverständlich die Gelegenheit geben, sämtliche Akten einzusehen und Ergänzungsfragen zu stellen.

Nachdem Rechtsanwalt Y. nach dem Gesagten (vgl. E. 1.5) zumindest insofern als Vertreter der Beschwerdeführerin zuzulassen ist, als es um die Abklä- rung ihrer Urteilsfähigkeit geht, ist ihm die Akteneinsicht und das Stellen von Ergänzungsfragen nicht mit der Begründung der Staatsanwaltschaft zu verweigern.

Unter den gegebenen Umständen ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft erneut über die Akteneinsicht entscheiden wird. Sie wird der Beschwerdeführerin bzw. Rechtsanwalt Y. die Gelegenheit einräumen müssen, sich zur Person des Gutachters zu äussern und Ergänzungsfragen zu stellen, bevor das Gutachten erstellt ist.

  1. Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend (Urk. 16 S. 5 f.), eine ärztliche Untersuchung zum heutigen Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Betreuerin sei unerheblich und nicht verfahrensnotwendig.

    Damit übersieht die Beschwerdeführerin, dass die von der Staatsanwaltschaft im Auftrag vom 6. Juli 2012 gestellten Fragen der Abklärung der Urteilsfähigkeit dienen. Eine Frage zur Abhängigkeit hat die Staatsanwaltschaft im Auftrag nicht gestellt.

  2. Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

Angesichts der Bedeutung und Schwierigkeit des Falls sowie des Zeitaufwands ist die Gerichtsgebühr auf Fr. 2'000.-- festzusetzen (§ 17 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 der Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010). Mit Blick auf den Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Hälfte der Kosten zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO).

Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf eine Entschädigung (Art. 436 Abs. 2 StPO). Da sie teilweise obsiegt, handelt es sich um eine reduzierte Entschädigung. Sie hat sich durch einen Anwalt vertreten lassen. In Anwendung von § 19 Abs. 1 und § 2 AnwGebV ist die (reduzierte) Gebühr auf Fr. 1'300.-- zuzüglich 8% Mehrwertsteuer festzusetzen.

Es wird beschlossen:

  1. Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

  2. Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 2'000.-- festgesetzt, der Beschwerdeführerin im Umfang von Fr. 1'000.-- auferlegt und im Übrigen auf die Gerichtskasse genommen.

  3. Die Beschwerdeführerin wird für das Beschwerdeverfahren mit Fr. 1'404.-- aus der Gerichtskasse entschädigt.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • Rechtsanwalt lic. iur. X. , per Gerichtsurkunde

    • Rechtsanwalt lic. iur. Y. , zweifach, für sich und die Beschwerdeführerin, per Gerichtsurkunde

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, ad A-6/2012/673, unter Rücksendung der eingereichten Akten, gegen Empfangsbestätigung

  5. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann unter den einschränkenden Voraussetzungen von Art. 93 des Bundesgerichtsgesetzes Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Ersten öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen. Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 18. Dezember 2012

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Präsident:

lic. iur. K. Balmer

Gerichtsschreiber:

Dr. iur. S. Christen

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