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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils UH110004: Obergericht des Kantons Zürich

Der Kläger hat beim Obergericht des Kantons Zürich Beschwerde gegen die Abweisung seines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege eingereicht. Er forderte die Aufhebung seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ex-Frau und die Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge für die Töchter. Trotz verschiedener Einreichungen und Verhandlungen wurde sein Gesuch abgelehnt, da die Mittellosigkeit nicht ausreichend nachgewiesen wurde. Die Beschwerde wurde ebenfalls abgewiesen, da der Kläger keine ausreichenden Beweise für seine finanzielle Situation vorlegen konnte. Der Kläger muss daher die Gerichtskosten tragen und erhält keine Entschädigung.

Urteilsdetails des Kantongerichts UH110004

Kanton:ZH
Fallnummer:UH110004
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UH110004 vom 22.02.2011 (ZH)
Datum:22.02.2011
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Örtliche Zuständigkeit des Zwangsmassnahmengerichts
Schlagwörter : Bezirk; Staatsanwaltschaft; Zwangsmassnahmengericht; Bezirksgericht; Zuständigkeit; Winterthur; Kanton; Gericht; Bezirke; Bezirkes; Zuständigkeitsbereich; Antrag; Verfahren; Bezirksgerichts; Obergericht; Recht; Kantons; Prozess; Haftrichter; Fortsetzung; Untersuchungshaft; Behörden; Einzelgericht; Bülach; Prozessordnung
Rechtsnorm:Art. 111 BGG ;Art. 14 StPO ;Art. 186 StPO ;Art. 222 StPO ;Art. 235 StPO ;Art. 31 StPO ;Art. 373 StPO ;Art. 39 StPO ;Art. 40 StPO ;
Referenz BGE:131 II 13;
Kommentar:
Donatsch, Flachsmann, Hug, Weder, Zürich, Art. 30 StGB, 1996

Entscheid des Kantongerichts UH110004

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UH110004-O/U/mp

III. Strafkammer

Mitwirkend: die Oberrichter lic.iur. K. Balmer, Präsident, und lic. iur. W. Meyer, Ersatzoberrichter lic. iur. A. Schärer sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. C. Trost

Beschluss vom 22. Februar 2011

in Sachen

Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, Zustelladresse: Hermann GötzStrasse 24, 8400 Winterthur,

Beschwerdeführerin

gegen

Bezirksgericht Winterthur, Zustelladresse: Zwangsmassnahmengericht, Hermann Götz-Strasse 24, Postfach, 8401 Winterthur,

Beschwerdegegnerin

betreffend Örtliche Zuständigkeit / Beschwerde gegen die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichtes des Bezirkes Winterthur vom 6. Januar 2011 in Sachen gegen A. , GH110005

Erwägungen:

I.
  1. Mit Eingabe vom 6. Januar 2011 beantragte die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland beim Zwangsmassnahmengericht des Bezirkes Winterthur Fortsetzung der Untersuchungshaft gegen A. . Am selben Tag trat dieses mit der Begründung mangelnder örtlicher Zuständigkeit auf den Antrag der Staatsanwaltschaft nicht ein und überwies den Antrag an das Zwangsmassnahmengericht des Bezirkes Bülach (Urk. 3). Mit Verfügung vom 13. Januar 2011 wies das Zwangsmassnahmengericht des Bezirkes Bülach den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Fortsetzung der Untersuchungshaft ab (Urk. 4).

  2. Mit Eingabe vom 17. Januar 2011 erhob die Staatsanwaltschaft fristgerecht Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des Zwangsmassnahmengerichts des Bezirkes Winterthur und beantragte Folgendes (Urk. 2):

    Es sei festzustellen, dass das Zwangsmassnahmengericht des Bezirksgerichtes Winterthur zur Beurteilung des Antrages auf Fortsetzung der Untersuchungshaft gegen die Beschuldigte A. örtlich zuständig ist. Als Folge davon sei seine Verfügung vom 6. Januar 2011 (Prozess Nr. GH110005/U/tr) aufzuheben und der Antrag der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 6. Januar 2011 auf Fortsetzung der Untersuchungshaft gegen die Beschuldigte an die Vorinstanz zur Beurteilung zurückzuweisen.

    Eventualiter sei festzustellen, dass in Anwendung von § 29 Abs. 1 GOG auch das Zwangsmassnahmengericht des Bezirksgerichtes Winterthur zur Beurteilung eines von der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland gestellten Antrages auf Fortsetzung der Untersuchungshaft gegen die Beschuldigte örtlich zuständig gewesen wäre. Als Folge davon sei seine Verfügung vom 6. Januar 2011 aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, den Prozess Nr. GH110005/U/tr in ihren Registern als gegenstandslos geworden abzuschreiben.

  3. Das Zwangsmassnahmengericht des Bezirkes Winterthur verzichtete am

25. Januar 2011 auf Stellungnahme zur Beschwerdeschrift (Urk. 8).

II.

Seit dem 1. Januar 2011 gilt in der Schweiz eine neue, eidgenössische Strafprozessordnung (StPO), welche die bis anhin gültigen kantonalen Strafprozessordnungen ablöste. Gleichzeitig trat im Kanton Zürich auch das neue kantonale Gesetz über die Gerichtsund Behördenorganisation im Zivilund Strafprozess (GOG) in Kraft. Naturgemäss ist bei neuen Gesetzen jeweils zunächst der Sinngehalt der einzelnen Normen zu ermitteln. Auszugehen ist dabei vom Wortlaut, doch kann dieser nicht allein massgebend sein. Vom Wortlaut kann abgewichen werden, wenn triftige Gründe für die Annahme bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Vorschrift wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck der Norm aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen (BGE 131 II 13 E. 7.1 mit weiteren Hinweisen).

III.
  1. Eine Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts in den in der Strafprozessordnung vorgesehenen Fällen (Art. 393 Abs. 1 lit. c StPO). Art. 222 StPO sieht vor, dass die verhaftete Person Entscheide über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungsoder Sicherheitshaft bei der Beschwerdeinstanz anfechten kann. Anzeichen dafür, dass der Gesetzgeber - über den Wortlaut der Bestimmung hinaus auch der Staatsanwaltschaft eine Beschwerdemöglichkeit nach der StPO hätte einräumen wollen, gibt es nicht. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft lässt sich auch aus dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens im Sinne von Art. 111 BGG nicht ableiten, die Staatsanwaltschaft müsse entgegen dem Wortlaut von Art. 222 StPO auch zur Beschwerde legitimiert sein, ist doch fraglich, inwieweit die Bestimmungen von Art. 110 bis 112 BGG, bei welchen es sich um Vorschriften für das kantonale Verfahren handelt, nach Inkrafttreten der neuen StPO in Strafverfahren noch eine Bedeutung haben. Es besteht somit kein Anlass, Art. 222 StPO gegen seinen klaren Wortlaut auszulegen, zumal auch in der Literatur die Ansicht vertreten wird, es bestehe angesichts der herrschenden Stellung der Staatsanwaltschaft im Vorverfahren kein Bedarf, der Staatsanwaltschaft im Beschwerdeverfahren ausserhalb des gerichtlichen Hauptverfahrens eine Rechtsmittellegitimation zuzuerkennen (vgl. Niklaus Oberholzer, Das Rechtsmittelsystem der Schweizerischen Strafprozessordnung - Beschwerde, Berufung, Revision, in AJP 2011

    S. 43). Die Staatsanwaltschaft ist somit vorliegend zur Erhebung einer Beschwerde im Sinne der StPO nicht legitimiert, weshalb auf ihre Beschwerde nicht einzutreten ist.

  2. Art. 40 Abs. 1 StPO sieht vor, dass bei Streitigkeiten über den Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons die Oberstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz eines Kantons endgültig entscheidet. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Streitigkeit zwischen einem Gericht und einer Strafverfolgungsbehörde über die örtliche Zuständigkeit, mithin um eine Meinungsverschiedenheit unter Strafbehörden. Die Eingabe der Staatsanwaltschaft ist deshalb als Gesuch um Bestimmung des Gerichtsstandes entgegen zu nehmen. Da es nicht Sinn und Zweck von Art. 40 Abs. 1 StPO sein kann, dass bei Streitigkeiten zwischen einem Zwangsmassnahmengericht und einer Staatsanwaltschaft die Oberstaatsanwaltschaft über die örtliche Zuständigkeit zu entscheiden hat, hat vorliegend trotz Bestehens einer Oberstaatsanwaltschaft

- die Beschwerdeinstanz, mithin die hiesige Kammer, über den Gerichtsstand zu befinden (vgl. zum Ganzen Basler Kommentar StPO/JStPO - Kuhn Art. 40 N 4 ff., und Schmid, StPO Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2009, Art. 40 N 2).

Wie bereits erwähnt, wies das Zwangsmassnahmengericht des Bezirkes Bülach den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Fortsetzung der Untersuchungshaft mit Verfügung vom 13. Januar 2011 ab. Es besteht mithin kein aktuelles Rechtsschutzinteresse mehr an der Feststellung, ob das Zwangsmassnahmengericht des Bezirkes Winterthur auch örtlich zuständig gewesen wäre. Da sich die aufgeworfene Frage der Zuständigkeit aber jederzeit wieder stellen kann, an der Beantwortung dieser Frage ein öffentliches Interesse besteht und der Einzelfall kaum je rechtzeitig beurteilt werden kann, ist das Gesuch um Festlegung des Gerichtsstandes trotz fehlendem aktuellen Rechtsschutzinteresse zu behandeln.

IV.
  1. Das Zwangsmassnahmengericht des Bezirkes Winterthur brachte zur Begründung seines Entscheides im Wesentlichen vor, die eidgenössische Strafprozessordnung regle den Gerichtsstand in Art. 31 ff. StPO abschliessend. Mit dem

    Inkrafttreten der Strafprozessordnung sei die Kompetenz der Kantone entfallen, über die örtliche Zuständigkeit ihrer Gerichte Regeln aufzustellen. Art. 31 Abs. 1 StPO bezeichne die Behörden des Tatortes für zuständig. Im vorliegenden Fall lägen die massgeblichen Tatorte im Bezirk Bülach. Gemäss § 29 GOG sei als Zwangsmassnahmengericht in Haftverfahren ein Einzelgericht im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft zuständig. Damit diese Bestimmung nicht abschliessendem Bundesrecht und der in der Kantonsverfassung vorgegebenen und in § 3 Abs. 1 lit. a GOG bestärkten Bezirksordnung widerspreche, könne sie nur so verstanden und ausgelegt werden, dass das nach Art. 31 Abs. 1 StPO auch in der Sache selbst zuständige Bezirksgericht bzw. dessen Einzelgericht als Zwangsmassnahmengericht angerufen werden müsse. Über § 29 GOG habe zwar in den kantonsrätlichen Beratungen keine Diskussion stattgefunden, aus den übrigen Beiträgen ergebe sich indes klar, dass eine Änderung bisheriger bewährter Zuständigkeiten nicht beabsichtigt gewesen sei.

    Die Weisungen der Oberstaatsanwaltschaft, wonach die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland mit Amtssitz in Winterthur an das Einzelgericht des Bezirksgerichts Winterthur zu gelangen habe, seien für das Zwangsmassnahmengericht nicht bindend. Inwiefern es mit den Prinzipen des Rechtsstaates überhaupt vereinbar wäre, den Strafverfolgungsbehörden ein Wahlrecht hinsichtlich des zuständigen Zwangsmassnahmengerichtes zukommen zu lassen, könne unter den gegeben Umständen offen bleiben. Der Vollständigkeit halber sei zudem festzuhalten, dass auch der Hinweis der Oberstaatsanwaltschaft auf das Beschleunigungsgebot unbehelflich sei. Die Beschuldigte befinde sich im vorliegenden Fall

    z.B. im Bezirksgefängnis Zürich. Sämtliche Bezirksgerichte verfügten sodann über die notwendige Infrastruktur, Haftfälle mit der gebotenen Beschleunigung zu behandeln. Ebenso seien die Aktenläufe organisiert. Demgegenüber seien dem Bezirksgericht Winterthur auf das Inkrafttreten der neuen Prozessgesetze keine zusätzlichen (Personal-)Ressourcen zur Verfügung gestellt worden. Die Beschleunigung sei damit mit einer Beibehaltung der bisherigen Regelung besser gewährleistet (Urk. 3).

  2. Die Staatsanwaltschaft führte in ihrer Eingabe im Wesentlichen aus, der Wortlaut von § 29 GOG gewähre den Staatsanwaltschaften eine Wahlmöglichkeit. Müsste zwingend das Zwangsmassnahmengericht des nach Art. 31 ff. StPO in der Sache selbst zuständigen Bezirksgerichts angerufen werden, wäre der Gesetzestext entsprechend formuliert worden. In § 29 Abs. 1 GOG heisse es aber ausdrücklich, dass ein im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft liegendes Zwangsmassnahmengericht handeln müsse.

Gemäss Art. 14 StPO seien die Kantone zur Bezeichnung und Organisation ihrer Strafbehörden zuständig. Die Kantone könnten gemäss Art. 14 Abs. 4 StPO mehrere gleichartige Strafbehörden einsetzen und für diesen Fall den jeweiligen örtlichen und sachlichen Zuständigkeitsbereich bestimmen. Bei § 29 Abs. 1 GOG handle es sich um eine in Anwendung von Art. 14 Abs. 4 StPO erlassene Bestimmung betreffend den örtlichen Zuständigkeitsbereich gleichartiger Strafbehör- den. Dies decke sich offensichtlich auch mit der Meinung des Obergerichts beim Erlass der Haftrichterverordnung. Inhaltliche Beschränkungen für die in Anwendung von Art. 14 Abs. 4 StPO erlassenen kantonalen Bestimmungen über den örtlichen Zuständigkeitsbereich gleichartiger Strafbehörden sehe die StPO nicht vor. Sie habe den Kantonen damit auch nicht verboten, alle gleichartigen Strafbehörden einer Region zur Verfolgung bzw. Beurteilung von Straftaten innerhalb dieser Region für grundsätzlich zuständig zu erklären und die Wahl, welche dieser Behörden angerufen werde, der Staatsanwaltschaft zu überlassen. Damit sei die sich am Wortlaut orientierende Auslegung von § 29 Abs. 1 GOG nicht bundesrechtswidrig.

Durch die Möglichkeit, ein anderes Zwangsmassnahmengericht als dasjenige des gemäss Art. 31 ff. StPO in der Sache zuständigen Bezirksgerichts zu wählen, werde weder die Aufteilung des Kantons in Bezirke noch der Umstand in Frage gestellt, dass für Zivilund Strafverfahren in jedem Bezirk ein Bezirksgericht bestehe. Art. 96 Abs. 2 KV erlaube es dem Gesetzgeber, aus wichtigen Gründen für einzelne kantonale Aufgaben eine andere Gebietsaufteilung, als diejenige in Bezirke, vorzusehen. § 3 Abs. 1 lit. a GOG lasse sich sodann nur entnehmen, dass jeder Bezirk über ein Bezirksgericht verfüge, womit der zürcherische Gesetzgeber

von der den Kantonen eingeräumten Möglichkeit, mehrere gleichartige Gerichte einzusetzen, Gebrauch gemacht habe. Über den örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bezirksgerichte lasse sich aus dieser Bestimmung aber nichts ableiten. Für die Richtigkeit der Annahme, dass § 29 Abs. 1 GOG den Staatsanwaltschaften erlaube, ihre Haftanträge bei einem anderen Zwangsmassnahmengericht ihres örtlichen Zuständigkeitsbereiches einzureichen, als demjenigen des nach Art. 31 ff. StPO in der Sache selbst zuständigen Bezirksgerichts, spreche sodann der Umstand, dass es unaufschiebbare Massnahmen gebe, die ergriffen werden müssten, bevor das in der Sache selbst zuständige Bezirksgericht bekannt sei.

Indem das Zwangsmassnahmengericht des Bezirkes Winterthur bei der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit zur Beurteilung des Antrages auf Fortsetzung der Untersuchungshaft von einer unrichtigen Auslegung von § 29 Abs. 1 GOG ausgegangen sei und sich deshalb für unzuständig erklärt habe, habe es § 29 Abs. 1 GOG verletzt. Die (förmliche) Weigerung, einen materiellen Entscheid über den besagten Antrag der Staatsanwaltschaft zu fällen, sei zudem als Rechtsverweigerung zu qualifizieren.

Durch seinen Nichteintretensentscheid habe das Zwangsmassnahmengericht des Bezirkes Winterthur zudem Art. 39 Abs. 1 StPO missachtet. Gemäss dieser Bestimmung hätten Strafbehörden ihre Zuständigkeit von Amtes wegen zu prüfen und einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiterzuleiten. Ein Nichteintreten sei im Vorverfahren nicht zulässig (Urk. 2).

V.
  1. Art. 14 StPO überlässt es den Kantonen, wie sie sich organisieren wollen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. So können die Kantone mehrere gleichartige Strafbehörden einsetzen und bestimmen für diesen Fall den jeweiligen örtlichen und sachlichen Zuständigkeitsbereich (Art. 14 Abs. 4 StPO). Der Kanton Zürich hat diesbezüglich das Gesetz über die Gerichtsund Behördenorganisation im Zivilund Strafprozess (GOG) erlassen. Dessen § 29 lautet wie folgt:

    ¹ Das Einzelgericht eines Bezirksgerichts im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft der Jugendanwaltschaft ist Zwangsmassnahmengericht gemäss StPO und JStPO

    1. in Haftverfahren,

    2. im Anwendungsbereich vor Art. 186 StPO (stationäre Begutachtung), Art. 235 Abs. 4 StPO (Verkehr zwischen Verteidigung und inhaftierter Person) und Art. 373 StPO (Friedensbürgschaft).

² Die Mitglieder der Bezirksgerichte sind für diese Funktion im ganzen Kantonsgebiet einsetzbar. Das Obergericht kann für dieselbe Funktion Ersatzmitglieder für das ganze Kantonsgebiet einsetzen.

³ Das Obergericht regelt den Einsatz in einer Verordnung.

Alleine gestützt auf den Wortlaut der obigen Bestimmung wäre der Staatsanwaltschaft eine Wahlmöglichkeit zuzugestehen. Zu beachten ist jedoch auch die Entstehungsgeschichte von § 29 GOG. Die entsprechende Bestimmung im bis zum

31. Dezember 2010 geltenden Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) lautete folgendermassen (§ 24a Abs. 2 aGVG):

Als Haftrichter im Sinne der Strafprozessordnung amtet der Einzelrichter eines Bezirksgerichts im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft der Jugendanwaltschaft. Das Obergericht regelt seinen Einsatz in einer Verordnung.

Der Regierungsrat hielt zu dieser Bestimmung in seinem Antrag vom 21. September 2005 unter anderem fest, die vorgesehene Flexibilisierung beim Einsatz der Haftrichter solle die Möglichkeit schaffen, das Haftanordnungsund Überprüfungsverfahren namentlich durch Verkürzung der Aktenwege zwischen Staatsanwaltschaft und Haftrichter zu beschleunigen und längerfristig Transportkosten zu senken. Zweckmässigerweise würden (vor der Anklageerhebung) Einzelrichter desjenigen Bezirksgerichts, das am nächsten beim Sitz der untersuchungsführenden Staatsanwaltschaft liege, als Haftrichter amten. Das Obergericht werde die Zuständigkeiten in einer Verordnung, mithin einer generell-abstrakten Regelung, konkret festlegen (ABl 2005 1067 f.). Von einer Wahlmöglichkeit der Staatsanwaltschaft war somit nicht die Rede. Vielmehr hat man es dem Obergericht überlassen, die Zuständigkeit konkret zu regeln. Dies hat das Obergericht denn auch in der (mittlerweile aufgehobenen) Haftrichterverordnung vom 6. Dezember 2006 getan. Darin hat es unter anderem festgelegt, dass vor der Anklageerhebung der Einzelrichter des für die Anklage zuständigen Bezirksgerichts als Haftrichter amtet, sofern dieses im örtlichen Zuständigkeitsbereich der untersuchungsführenden Allgemeinen Staatsanwaltschaft liegt (§ 1 Abs. 1 der Haftrichterverordnung vom 6. Dezember 2006).

Am 1. Januar 2011 trat das neue GOG in Kraft und löste das GVG ab. Zu § 29 GOG hielt der Regierungsrat im Antrag vom 1. Juli 2009 unter anderem fest, es dränge sich auf, für Haftentscheide weiterhin eine dezentrale Organisation zu wählen und das Einzelgericht eines Bezirksgerichts im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft als zuständig zu bezeichnen (ABl 2009 1572 f.). Hinweise darauf, dass der Staatsanwaltschaft neu eine Wahlmöglichkeit zugestanden werden soll, bestehen nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Aufmerksamkeit darauf gerichtet war, für Haftverfahren und weitere einzeln aufgezählte Aufgaben dezentrale Zwangsmassnahmengerichte auf Stufe der Bezirksgerichte einzuführen, wohingegen die übrigen Aufgaben, welche die Strafprozessordnung dem Zwangsmassnahmengericht zuweist, einem vom Obergericht zu bestimmenden Mitglied des Obergerichts übertragen wurden (§ 47 lit. a GOG). Aufgrund der Systematik von § 29 GOG hat das Obergericht im Gegensatz zur früheren Regelung aber nicht mehr die Kompetenz, die konkrete Zuständigkeit in einer Verordnung zu regeln, sondern kann nur noch über den Einsatz der einzelnen Mitglieder der Bezirksgerichte im ganzen Kantonsgebiet entscheiden (§ 29 Abs. 2 und 3 GOG). In der Vorberatung des GOG in der Kommission für Justiz und Sicherheit wurde Bedeutung und Inhalt des heutigen § 29 GOG kontrovers diskutiert und man war sich zum Schluss einig, dass an der bisherigen Zuständigkeitsregelung gemäss Haftrichterverordnung vom 6. Dezember 2006 nichts geändert werden soll (Urk. 11). Nachdem im Kantonsrat selber eine Diskussion darüber nicht mehr stattgefunden hat, ist deshalb davon auszugehen, dass der Gesetzgeber von der bis am 31. Dezember 2010 bestehenden Regelung nicht abweichen wollte, weshalb § 29 GOG auch mit Blick auf die auch innerkantonal geltende Gerichtsstandbestimmung von Art. 31 StPO - dahingehend auszulegen ist, dass vor der Anklageerhebung das Einzelgericht des (aufgrund der Aktenlage zum Zeitpunkt des Haftverfahrens) für die Anklage zuständigen Bezirksgerichts als Zwangsmassnahmengericht amtet, sofern dieses im örtlichen Zuständigkeitsbereich der untersuchungsführenden Allgemeinen Staatsanwaltschaft liegt. Befindet sich dieses Gericht aufgrund der Aktenlage zum Zeitpunkt des Haftverfahrens nicht im Zuständigkeitsbereich der Allgemeinen Staatsanwaltschaft, ist das Einzelgericht desjenigen Bezirksgerichts, das am nächsten beim

Sitz der Allgemeinen Staatsanwaltschaft liegt, örtlich zuständig. Für die Besonderen Staatsanwaltschaften amtet in Haftverfahren vor Anklageerhebung das Einzelgericht des Bezirksgerichts Zürich als Zwangsmassnahmengericht. Nach Anklageerhebung beim Bezirksgericht amtet sowohl in Haftverfahren der Allgemeinen als auch der Besonderen Staatsanwaltschaft das Einzelgericht dieses Bezirksgerichts als Zwangsmassnahmengericht (vgl. die entsprechende Regelung in den §§ 1 bis 3 der aufgehobenen Haftrichterverordnung vom 6. Dezember 2006).

Die massgeblichen Tatorte liegen im vorliegenden Fall im Bezirk Bülach. Somit hat das Zwangsmassnahmengericht des Bezirkes Winterthur zu Recht das Zwangsmassnahmengericht des Bezirkes Bülach für zuständig erachtet und seine eigene Zuständigkeit verneint. Es kann deshalb auch von einer Rechtsverweigerung keine Rede sein.

  1. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die von der Staatsanwaltschaft vertretene Auslegung von § 29 GOG bundesrechtskonform wäre.

  2. Nachdem das vorliegende Verfahren materiell als Gerichtsstandskonflikt zu betrachten und behandeln ist, spielt die Form des Entscheides des Zwangsmassnahmengerichts des Bezirkes Winterthur keine Rolle. Auf die Rüge der Staatsanwaltschaft an der Entscheidform (Nichteintretensverfügung) ist deshalb nicht weiter einzugehen.

  3. Nach dem Gesagten ist festzustellen, dass die Überweisung des Antrages auf Fortsetzung der Untersuchungshaft an das zuständige Bezirksgericht Bülach, Zwangsmassnahmengericht, zu Recht erfolgt ist.

VI.

Für das vorliegende Verfahren ist keine Gerichtsgebühr zu erheben.

Es wird beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland wird nicht eingetreten.

  2. Es wird festgestellt, dass die Überweisung des Antrages auf Fortsetzung der Untersuchungshaft an das zuständige Bezirksgericht Bülach, Zwangsmassnahmengericht, zu Recht erfolgt ist.

  3. Eine Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, unter Rücksendung der beigezogenen Akten (gegen Empfangsschein)

    • das Bezirksgericht Winterthur (gegen Empfangsschein)

    • Rechtsanwalt B. im Doppel, für sich und A. , zur Kenntnisnahme (gegen Empfangsschein)

    • die Verwaltungskommission des Obergerichts, zur Kenntnisnahme (gegen Empfangsschein)

    • die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, zur Kenntnisnahme (gegen Empfangsschein)

  5. Rechtsmittel:

Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit, Art und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

III. Strafkammer

Zürich, den 22. Februar 2011

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. K. Balmer lic. iur. C. Trost

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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