Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UE230429 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 08.02.2024 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Nichtanhandnahme |
Zusammenfassung : | Die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Rechtsvertreter X, hat gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat bezüglich einer fahrlässigen Körperverletzung Beschwerde eingereicht. Die Beschwerde richtet sich gegen die Beschwerdegegner B und C sowie die Staatsanwaltschaft. Die Beschwerdeführerin war im F. Wohnheim untergebracht und die Eltern werfen den Beschwerdegegnern vor, notwendige Massnahmen zur Ernährung der Beschwerdeführerin nicht umgesetzt zu haben. Das Obergericht des Kantons Zürich hat die Beschwerde abgewiesen, da keine strafrechtlich relevante Sorgfaltspflichtverletzung der Beschwerdegegner festgestellt wurde. |
Schlagwörter : | Recht; Ernährung; Staatsanwaltschaft; Nichtanhandnahme; Beschwerdegegner; Spital; Eltern; Körper; Nahrung; Anzeige; Verhalten; Zürich-Limmat; Nichtanhandnahmeverfügung; Körperverletzung; Pflicht; Verfahren; Unterlassung; Nahrungszufuhr; Sonde; Verfügung; Standort; Zeitraum; Rechtsvertreter; Ernährungssituation |
Rechtsnorm: | Art. 11 StGB ; Art. 116 StPO ; Art. 118 StPO ; Art. 125 StGB ; Art. 136 StPO ; Art. 2 StPO ; Art. 29 BV ; Art. 319 StPO ; Art. 324 StPO ; Art. 382 StPO ; Art. 385 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 416 ZGB ; Art. 425 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 5 BV ; Art. 60 ZGB ; |
Referenz BGE: | 137 IV 285; 149 IV 183; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UE230429-O/U/HON
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. D. Oehninger, Präsident, Oberrichterin lic. iur.
K. Eichenberger, Ersatzoberrichter Dr. iur. T. Graf und Gerichtsschreiber lic. iur. L. K?nzli
Verfügung und Beschluss vom 8. Februar 2024
in Sachen
Beschwerdeführerin
vertreten durch Fürsprecher X.
gegen
Beschwerdegegner
betreffend Nichtanhandnahme
Erwägungen:
1. Mit Eingabe vom 17. August 2023 erhoben D. und E. im Namen ihrer Tochter A. (geb. tt. Mai 1997, vorliegend: Beschwerdeführerin) Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat wegen Fahrlässiger Körperverletzung (Urk. 7/1).
Der Vorwurf richtete sich gegen die Leitung der Institution F. (kurz:
F. ), konkret gegen B. und C. (vorliegend: Beschwerdegegner 1 und 2). Die Beschwerdeführerin wohnte seit November 2021 bis anfangs August 2023 im F. (Standort G. ). Die Eltern werfen den Beschwerdegeg- nern 1 und 2 vor, dass sie die zur Ernährung der schwer beeinträchtigten Beschwerdeführerin notwendigen Massnahmen im Zeitraum ca. Februar bis Juli 2023 nicht umgesetzt hätten, was zu einem Unterern?hrungszustand (Kachexie) mit entsprechenden Folgeerscheinungen gefährt habe (Urk. 7/1, Urk. 2 S. 3-9 [Rz 4-22], insb. S. 13 [Rz 35]).
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat (vorliegend: Beschwerdegegnerin 3, nachfolgend: Staatsanwaltschaft) nahm eine Strafuntersuchung mit Verfügung vom
9. November 2023 (Urk. 4/1) nicht an Hand.
2. Gegen die NichtanhandnahmeVerfügung liess die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 27. November 2023 Beschwerde bei der hiesigen Kammer einlegen (Urk. 2). Darin verlangt sie die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Eröffnung einer Strafuntersuchung wegen Fahrlässiger Körperverletzung. Weiter beantragt sie die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes (in der Person ihres bis anhin privat mandatierten Rechtsvertreters) (Urk. 2 S. 2). Die Kammer zog hierauf die Untersuchungsakten (Urk. 7) bei und informierte die Parteien über den Eingang der Beschwerde, verbunden mit dem Hinweis, dass über den weiteren Gang des Verfahrens zur gegebenen Zeit schriftlich informiert werde (Urk. 6 und 9).
a) Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen eine Nichtanhandnahme- Verfügung der Staatsanwaltschaft. Dagegen ist die Beschwerde beim Obergericht zulässig (Art. 310 Abs. 2 i.V.m. Art. 322 Abs. 2, Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO und
? 49 GOG/ZH). Die zur Anzeige gebrachte angebliche Körperverletzung richtet sich unbestrittenermassen gegen die Beschwerdeführerin. Sie gilt daher angesichts des im Raum stehenden Deliktes (einfache schwere Fahrlässige Kürperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 2 StGB) als Geschädigte (vgl. Art. 116 Abs. 1 StPO). Als solche ist sie durch die angefochtene Verfügung beschwert und praxisgemäss zur Erhebung der Beschwerde legitimiert (vgl. Art. 382 Abs. 1 StPO), nachdem die Staatsanwaltschaft auf ihre Strafanzeige hin sogleich mit einer NichtanhandnahmeVerfügung reagiert und die Beschwerdeführerin keine Gelegenheit hatte, sich gegenüber der Staatsanwaltschaft als Privatklägerschaft im Sinne von Art. 118 f. StPO zu konstituieren (s.a. LIEBER, Zürcher Kommentar StPO, 3. Auflage, Zürich u.a. 2020, N 8, 11a und 14 zu Art. 118 StPO).
D. und E. sind die Eltern der Beschwerdeführerin. Sie wurden nach Erreichen der Volljährigkeit ihrer Tochter je als Beistände ernannt (mit Entbindung von der Pflicht zur Einholung einer Zustimmung für Geschäfte nach Art. 416 ZGB [Urk. 11/1-3]). In dieser Funktion sind zur Vertretung ihrer Tochter bzw. der Beschwerdeführerin berechtigt und dürfen auch einen Rechtsvertreter mandatieren.
Bei den Beschwerdegegnern 1 und 2 handelt es sich um die Standortleiterin G. der F. und um den Geschäftsführer der F. (https://www .....ch/Ueber-uns/Aufbau). Sie waren als Verantwortliche in die Geschehnisse rund um die Ern?hrungssituation der Beschwerdeführerin involviert. Die F. besteht seit dem tt.mm.1966 als gemeinnütziger, politisch und konfessionell neutraler Verein im Sinne von Art. 60 ZGB (https://www.....ch/Ueber- uns/Verein). Der Verein bezweckt zur Hauptsache die führung von Wohnheimen,
... [Zielpersonen] das ihnen Betreuung und Beschöftigung sowie Unterkunft und Verpflegung bietet (a.a.O. [Vereinsstatuten]). Der Standort G. bildet innerhalb der F. (u.a.) ein Wohnheim, wo auch schwerbeeinträchtigte Menschen angemessen unterstätzt, begleitet und gepflegt werden
(https://www.....ch/Standorte/G. ). Die Beschwerdegegner 1 und 2 sind daher zivilrechtliche Angestellte eines privaten Dienstleistungserbringers, der im Gesundheitswesen zumindest teilweise auch öffentliche Aufgaben übernimmt. Privatpersonen bzw. private Institutionen, denen öffentliche Aufgaben übertragen worden sind solche übernommen haben, die jedoch nicht hoheitlich handeln, sind vom Ermöchtigungserfordernis nach Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. 148 GOG/ZH grundsätzlich ausgenommen. Das gilt insbesondere im Lichte der neueren Bundesgerichtspraxis (BGE 149 IV 183 E. 3.4.5) auch im vorliegenden Fall in Bezug auf die Beschwerdegegner 1 und 2, wie es der vollständigkeit anzumerken gilt.
Auf die Beschwerde ist nach dem Gesagten einzutreten.
Nach Einsicht in die Untersuchungsakten und Sichtung der erhobenen Rügen muss die Beschwerde jedoch von vorneherein (ex ante) als unbegründet beurteilt werden, wie aus den nachfolgenden Erwägungen noch erhellen wird. Damit einhergehend kann auf die Durchführung eines Schriftenwechsels in Anwendung von Art. 390 Abs. 2 Satz 1 StPO verzichtet werden; das Verfahren erweist sich als spruchreif. Ebenso ist der Entscheid über die beantragte unentgeltliche Rechtspflege/Verbeiständung mit dem vorliegend zu Fällenden Erledigungsentscheid in der Sache selber zu verknüpfen.
Die Staatsanwaltschaft führte zur Begründung der Nichtanhandnahme des Verfahrens das Folgende aus: Aus der Strafanzeige ergebe sich keine substantiierte Pflichtverletzung. Also liege auch kein hinreichender Tatverdacht wegen fahrlüssiger Körperverletzung weiterer Straftatbestände gegen die Beschwerdegegner 1 und 2 in ihren jeweiligen Funktionen innerhalb der F. vor, zumal bei der Beschwerdeführerin offensichtlich eine anspruchsvolle und schwierige Er- n?hrungssituation vorliege. Die Eltern hätten überdies selber darauf hingewiesen, dass die Verantwortlichen der F. alternative Ern?hrungsformen (PEG- Sonde) vorgeschlagen hätten (Urk. 4/1 S. 2 unten).
Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin vertritt in der Beschwerde einen gegenteiligen Standpunkt und hält wie die Eltern in der Strafanzeige zusammengefasst daran fest, dass in der F. die zur Ernährung der Beschwerdeführerin notwendigen und besprochenen Massnahmen im Zeitraum von ca. Februar bis Juli 2023 nicht umgesetzt worden seien. Das pflichtwidrige untätigbleiben habe bei der Beschwerdeführerin zu einem Unterern?hrungszustand (Kachexie) mit entsprechenden Folgeerscheinungen gefährt. Es bestehe jedenfalls ein hinreichender Verdacht auf Fahrlässige Körperverletzung, der keinen Raum für eine NichtanhandnahmeVerfügung lasse, sondern die Durchführung einer Strafuntersuchung erforderlich mache (vgl. Urk. 2 S. 3-13, insb. S. 13 [Rz 35]).
Die Staatsanwaltschaft verfügt die Nichtanhandnahme, sobald aufgrund der Strafanzeige des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind (Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO). Sie eröffnet demgegenüber namentlich dann eine Strafuntersuchung, wenn sich aus den Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige aus ihren eigenen Feststellungen ein hinreichender Tatver- dacht ergibt (Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO). Die Frage, ob die Strafverfolgungsbehürde ein Strafverfahren durch Nichtanhandnahme erledigen kann, beurteilt sich nach dem aus dem strafprozessualen Legalitätsprinzip abgeleiteten Grundsatz in dubio pro duriore (Art. 5 Abs. 1 BV und Art. 2 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 319 Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1 StPO). Danach darf die Nichtanhandnahme gestützt auf
Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO nur in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen ergehen, so bei offensichtlicher Straflosigkeit, wenn der Sachverhalt mit Sicherheit nicht unter einen Straftatbestand fällt (etwa bei rein zivilrechtlichen Streitigkeiten), bei eindeutig fehlenden Prozessvoraussetzungen. Die StrafverfolgungsBehörde und die Beschwerdeinstanz verfügen in diesem Rahmen über ei- nen gewissen Ermessensspielraum. Im Zweifelsfall, wenn die NichtanhandnahmeGründe nicht mit absoluter Sicherheit gegeben sind, muss das Verfahren eröff- net werden. Ergibt sich nach durchgefährter Untersuchung, dass kein Straftatbestand erfüllt ist, stellt die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren gestützt auf Art. 319 StPO ein (BGE 137 IV 285 E. 2.2 f.; BuGer 6B_810/2020, Urteil vom 14. Sep-
tember 2020, E. 2.1 m.H.).
Nach Art. 125 Abs. 1 und 2 StGB ist strafbar, wer Fahrlässig einen Menschen am Körper schädigt. Ist die Schädigung schwer, so wird der täter von Amtes wegen verfolgt.
Fahrlässig handelt, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt darauf nicht Rücksicht nimmt (Art. 12 Abs. 3 Satz 1 StGB). Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 Satz 2 StGB). Wo besondere, der Unfallverhältung und der Sicherheit dienende Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften. Fehlen solche, kann sich der Vorwurf der Fahrlässigkeit auf allgemein anerkannte Verhaltensregeln priVater halbpriVater Vereinigungen auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie den allgemeinen Gefahrensatz stätzen. Denn einerseits begründet nicht jeder Verstoss gegen eine gesetzliche für bestimmte tätigkeiten allgemein anerkannte Verhaltensnorm den Vorwurf der Fahrlässigkeit, und andererseits kann ein Verhalten sorgfaltswidrig sein, auch wenn nicht gegen eine bestimmte Verhaltensnorm verstossen wurde. Die Vorsicht, zu der ein täter verpflichtet ist, wird letztlich durch die konkreten Umstände und seine persönlichen Verhältnisse bestimmt, weil naturgemäss nicht alle tatsächlichen Gegebenheiten in Vorschriften gefasst werden können. Der Begriff der Pflichtverletzung darf jedoch nicht so verstanden werden, dass darunter jede Massnahme Unterlassung fällt, welche aus nachträglicher Betrachtungsweise den Schaden vermieden bewirkt hätte (zuletzt etwa: BuGer 6B_1486/2021, Urteil vom 18. Januar 2023, E. 3.1.2 - 3.1.3 m.w.H.).
Eine Fahrlässige Körperverletzung nach Art. 125 StGB kann auch durch pflichtwidriges untätigbleiben begangen werden (Art. 11 Abs. 1 StGB). Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die gefährdung Verletzung eines strafrechtlich Geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtsstellung dazu verpflichtet ist, namentlich aufgrund des Gesetzes, eines Vertrages, einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft der Schaffung einer Gefahr (Art. 11 Abs. 2 lit. a-d StGB).
Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin hat mit der Beschwerde abgesehen von der angefochtenen Verfügung (Urk. 4/1) 15 Beilagen (Urk. 4/2-4/16) eingereicht. In der Beschwerdeschrift selber nimmt er zur Begründung seines Standpunktes jedoch keinerlei Bezug darauf. Insbesondere zu den im Abschnitt Sachverhalt/Prozessgeschichte vorgebrachten Behauptungen und Annahmen tatsächlicher Natur fehlen jegliche Belegstellen Beweisofferten (Urk. 2 S. 3- 9). Angesichts der Begründungsanforderungen wäre es jedoch angezeigt gewesen, die hierzu erforderlichen Aktenfundstellen zu bezeichnen. Dies, um aufzuzeigen, ob bzw. inwieweit ein Sachverhaltsaspekt als erstellt betrachtet wird und um Allfällige Unklarheiten in dieser Hinsicht auszuräumen. Es ist nicht Aufgabe der Beschwerdeinstanz, in den (immerhin) 15 Beilagen nach den Grundlagen des geltend gemachten Beschwerdegrundes zu suchen (vgl. GUIDON, BSK StPO, 3. Auflage, Basel 2023, N 9c zu Art. 396 StPO; vgl. B?HLER, BSK StPO, a.a.O., N 1 f. zu Art. 385 StPO). Inwieweit dieser Mangel einen Nichteintretensentscheid indiziert, kann mit Blick auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens jedoch offen bleiben.
a) Aufgrund der Ausführungen in der Beschwerdeschrift (insb. Urk. 2 S. 3-9 [Rz 4-22]) und nach Einsicht in die Beilagen (insb. Urk. 4/2-4/10) erscheint zu- nächst belegt, dass die Beschwerdeführerin aufgrund diverser Geburtsgebrechen schwer beeinträchtigt ist und auf Pflege einschliesslich das Zuführen von Nahrung angewiesen ist. Zumindest in den Grundzügen belegt/dokumentiert ist auch, dass das Grundleiden (u.a.) dazu gefährt hat, dass die Beschwerdeführerin seit vielen Jahren unter einer neurogenen SchlucksTürung leidet, die wiederum ein aufwündigeres Management bei der (oralen) Nahrungszufuhr erforderlich machte (Urk. 2 S. 4 [Rz 5]). Als Schwierigkeit für eine gelungene (orale) Ernährung kamen Zungenspastiken infolge einer Dystonie (=BewegungssTürungen/anhaltende Verkrampfungen) und eine erschwerte Kopfkontrolle hinzu (vgl. Urk. 4/10 S. 1 Neurogene oropharyngeale Dysphagie mit erschwerter Kopfkontrolle, orofazialer Dysfunktion [=STürungen der Muskelfunktionen im Mund-, Rachen-, Gesichts- und Halsbereich], eingeschränkter Schluckakt). Die Dystonie konnte häufig zu Beginn der Nahrungszufuhr beobachtet werden, ausgeläst durch Berhrung. Sie beruhigte sich aber in der Regel innerhalb von 10 Minuten und eine orale Ernährung der Beschwerdeführerin war hernach meist ohne Grössere Probleme möglich, wie z.B.
Dr. med. H. in ihrem Bericht vom 27. Juni 2023 festgehalten hat (Urk. 2
S. 3/4 [Rz 7] i.V.m. Urk. 4/7 und Urk. 4/10 S. 2). Der Vater selber umschrieb die Beschwerdeführerin in der Strafanzeige als eine ohnehin aufgrund der Cerebralparese und neurogenen SchlucksTürung untergewichtige Person (Urk. 7/1 S. 2 oben).
Die F. war trotz dieser Schwierigkeiten (unbestrittenermassen) in der Lage, die erforderliche Pflege, einschliesslich Ern?hrung, für die Beschwerdeführerin über einen längeren Zeitraum (ab November 2021) zu bewerkstelligen. Im Januar 2023 traten jedoch weitergehende Probleme auf, nachdem die Beschwerdeführerin wegen einem Infekt für eine Woche hospitalisiert werden musste und in der Folge nach ihrer Rückkehr ins Wohnheim ihr Sollgewicht (27 bis 30 kg) nicht mehr erreichte bzw. weiter an Gewicht verloren hatte. Die damit einhergehende Geführdung des gesundheitlichen Zustandes der Beschwerdeführerin hatte auch die F. erkannt, wie aus dem Protokoll über die Standortbestimmung vom
26. Januar 2023 hervorgeht (vgl. Urk. 4/2). Dabei fällt auf, dass die F. die Problematik ernst nahm und umfassend zur Lösung beitragen wollte (wie Entwickeln einer institutionsinternen Fachmeinung und Methode für die Ern?hrungssituation, Einbeziehung einer externen Logopädin als Fachberatung und einer Er- n?hrungsberaterin in Zusammenarbeit mit der internen Küchin, Gewährleistung eines stabilen Betreuungsteams, Frage der Involvierung der Eltern und Eingehen auf Standpunkt der Eltern, Abklärung beim Kanton, ob mehr Personal eingestellt werden könne). darüber hinaus wollte die F. bereits damals offensichtlich um ihrer Fürsorgepflicht angesichts der problematischen Situation ausreichend nachkommen zu können das Legen einer PEG-Sonde extern abklären lassen (a.a.O., S. 1 unten). Eine PEG-Sonde bietet die Möglichkeit, einen Menschen über den Magen-Darm-Trakt könstlich zu ernähren. Dabei wird eine Sonde von aussen über die Bauchdecke in den Magen gelegt und die Nahrung wird über die Sonde zugefährt.
Das vorhandene Problembewusstsein und die frühzeitig diskutierten Lösungs- Möglichkeiten sprechen klar für eine umsichtige Haltung innerhalb der F. gegenüber den Bewohnern. Konkrete Anhaltspunkte, wonach die Beschwerdegegner 1 und 2 bzw. die Mitarbeiter des F. dagegen ihre Betreuungsaufgaben nachlüssig wahrgenommen haben könnten und/oder nicht auf das Wohl der Beschwerdeführerin (mit Blick auf die Vermeidung einer Mangelern?hrung) be- dacht gewesen wären, werden in der Beschwerde nicht substantiiert dargetan. In einem E-Mail vom 21. März 2023 an die Beschwerdegegner 1 und 2 führte der Vater der Beschwerdeführerin zudem aus, diese habe jetzt von der zuvor neun Tage im Spital und danach dreieinhalb Wochen im Heim zugefährten Zusatzer- n?hrung, welche Fette, Vitamine, Elektrolyte etc. beinhaltet habe, längerfristig sehr profitiert (Urk. 4/5).
Kritik seitens der Eltern drang anlässlich der Sitzung vom 26. Januar 2023 insofern durch, als sie bei der oralen Nahrungszufuhr und der Portionierung/Vorbereitung der Mahlzeiten Verbesserungsbedarf sahen. Es könnten nicht alle Mitarbeiter die Essenseingabe wegen der Personalfluktuation gleich gut meistern und man benötige mehr Stabilität auf der Wohngruppe, da es länger dauere, bis man alles gelernt habe, so die Eltern (vgl. Urk. 4/2 S. 1, s.a. Urk. 4/6). Dass es zu eigentlichen pflichtwidrigen Unterlassungen wie Vergessen einzelner Mahlzeiten Weglassen wichtiger Ern?hrungsbestandteile gekommen wäre, wird wie gesagt nicht geltend gemacht, und Entsprechendes ergibt sich aus nicht aus den Akten. Insofern sind die Vorbringen nicht geeignet, um den Verdacht ei- ner strafrechtlich relevanten Sorgfaltspflichtverletzung (durch Unterlassung) be- Gründen zu können.
Eine suffiziente orale Ernährung der Beschwerdeführerin muss abgesehen davon als sehr anspruchsvoll und schwierig eingestuft werden. Neben den Zungenspastiken, der erschwerten Kopfkontrolle und des eingeschränkten Schluckaktes bestand offenbar auch eine gewisse Asperationsgefahr. Im provisorischen Austrittsbericht vom 2. August 2023 findet sich im Diagnoseteil u.a. der Hinweis Rezidivierende Pneumonien, a.e. Aspiration, zuletzt 12/2022 (Urk. 4/10). Bei der Beschwerdeführerin kam es mit anderen Worten in der Vergangenheit zu Lungenentz?ndungen (zuletzt im Dezember 2022), und die Ursache hierfür sah man am ehesten in einer Aspiration. Von Aspiration spricht man im Allgemeinen bei Ein- dringen eines flässigen festen Stoffes Gemisches direkt über die Mundoder Nasenh?hle in die LuftRöhre und den unteren Atemtrakt. Dabei kann es eben zu Lungenentz?ndungen kommen, die es im Falle der Beschwerdeführerin selbstredend zu vermeiden galt. Dieser Umstand dürfte die orale Nahrungsgabe durch die Mitarbeiter der F. nochmals diffiziler gemacht haben. Ausgehend davon und angesichts der aufgezeigten Umstände erscheint es daher verfehlt, wenn der F. bzw. ihren zuständigen und verantwortlichen Mitarbeitern ein sorgfaltswidriges Verhalten und/oder Unterlassen vorgeworfen wird. Dies selbst dann, wenn nicht alle die Essenseingabe unter Umständen auch aus übervorsicht gleich gut gemeistert und/oder die Mimik/Gestik der Beschwerdeführerin während der Nahrungszufuhr nicht immer ganz richtig interpretiert haben sollten.
Dass die Beschwerdeführerin in der Folge letztlich ihr Sollgewicht nicht mehr erreichen konnte bzw. ihr Körpergewicht bis zur Spitaleinweisung per 21. Juli 2023 deutlich darunter gefallen war, ist bedauerlich. Aber auch hier erschiene es verfehlt, wenn den Beschwerdegegnern 1 und 2 eine pflichtwidrige Unterlassung vorgeworfen würde, weil sie es nicht schafften, mit der oralen Nahrungszufuhr die Ern?hrungsziele zu erreichen. Die Weiterführung der Verabreichung des Essens durch den Mund wurde von der F. aufgrund der ablehnenden Haltung der Eltern gegenüber einer PEG-Sonde ja erwartet (vgl. Urk. 4/3 S. 2 unten), obwohl die Ern?hrungssituation unverändert schwierig und anspruchsvoll blieb. Ob eine zeitnahe Abklärung einer externen Logopädin mit anschliessender interner Schulung der Mitarbeiter des F. den nötigen Erfolg bzw. eine Verbesserung gebracht hätte, ist spekulativ. Es darf davon ausgegangen werden, dass das ern?hrungstherapeutische Fachwissen in der F. grundsätzlich vorhanden war, nachdem die orale Nahrungszufuhr im Zeitraum von November 2021 bis Januar 2023 wie gesagt suffizient war. Der Begriff der Pflichtverletzung darf ja auch nicht so verstanden werden, dass darunter jede Massnahme Unterlassung fällt, welche aus nachträglicher Betrachtungsweise den Schaden allenfalls vermieden bewirkt hätte (vorstehend E. 3.2).
Die bei den Akten liegenden Essenstabellen der Ern?hrungsberatung des Spitals Zollikerberg (Urk. 4/9) sind ferner nicht geeignet, um auf eine pflichtwidrige Unterlassung schliessen zu können. Falls der Beschwerdeführerin, wie in der Beschwerde suggeriert wird, in der F. tatsächlich über einen längeren Zeitraum im Sinne einer Standardern?hrung fälschlicherweise nur 780 kcal anstatt (wie im Spital) 1980 - 2260 kcal verabreicht worden wären, bliebe unerklürlich, wieso die Beschwerdeführerin zu Beginn ihres Aufenthaltes in der F. ab November 2021 bis anfangs Januar 2023 ihr Sollgewicht halten konnte. Auch wi- derspiegelt der Essensplan des Spitals Zollikerberg offensichtlich ein Aufbauprogramm. Dass es sich hierbei um einen Standardern?hrungsplan gehandelt haben sollte, geht aus den Akten nicht hervor, insbesondere auch nicht aus dem provisorischen Austrittsbericht des Spitals Zollikerberg (Urk. 4/10). Zudem wurde der Beschwerdeführerin damals auch Ernährung via Katheter zugefährt, welche Mass- nahme aber nur vorübergehend angewendet werden kann (Urk. 2 S. 6 f. [Rz 11 und 13], Urk. 4/10 S. 2).
Die ernsthafte gesundheitliche Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin und das Körpergewicht zu Beginn ihres Spitalaufenthalts im Juli/August 2023 soll an dieser Stelle keinesfalls infrage gestellt werden. Es fällt jedoch auf, dass in der Beschwerde nicht weiter dokumentiert worden ist, dass bzw. inwiefern bei der Beschwerdeführerin bei Eintritt ins Spital Zollikerberg bereits von einer fortschreitenden Kachexie (=pathologischer bzw. krankhafter Gewichtsverlust) ausgegangen werden musste. Dahingehende Hinweise lassen sich den Beilagen soweit ersichtlich jedenfalls nicht entnehmen. Im provisorischen Austrittsbericht des Spitals Zollikerberg wird eine Kachexie im Diagnoseteil nicht ausDrücklich erw?hnt. Es ist nur von der Aufnahme der Beschwerdeführerin zur Optimierung der Ern?hrungssituation und von einer mässigen Energie- und Eiweiss- Mangelern?hrung und von einer leichten normochromen normozyTüren An?mie die Rede (vgl. Urk. 4/10), was für einen weniger schwer wiegenden Verlauf in den sechs Monaten vor dem Spitaleintritt spricht.
Abschliessend ist mit der Staatsanwaltschaft das Vorliegen einer strafrechtlich relevanten Sorgfaltspflichtverletzung der Beschwerdegegner 1 und 2 gemessen an der anspruchsvollen Situation der Beschwerdeführerin und angesichts der umsichtigen Haltung des F. eindeutig zu verneinen. Die angefochtene NichtanhandnahmeVerfügung hält vor Bundesrecht stand.
5. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.
Was die Erfolgsaussichten der Beschwerde anbetrifft, muss sich die Beschwerdeführerin wie gesagt entgegenhalten lassen, dass sie mit ihren Vorbringen klarerweise nicht durchzudringen vermochte und die Nichtanhandnahme des Strafverfahrens zu Recht erfolgte. Die Gewinnaussichten aus einer Sicht (ex ante) im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung betrachtet erschienen beträchtlich geringer als die Verlustgefahren (vgl. BuGer 1B_426/2020, Urteil vom 5. Januar 2021,
E. 3.3.2). Folglich fehlt es an einer (kumulativen) Voraussetzung nach Art. 136 StPO bzw. Art. 29 Abs. 3 BV, weshalb der Antrag auf Gewährung der umfassen- den unentgeltlichen Rechtspflege abzuweisen ist.
Nach dem Gesagten hat die mit ihren Anträgen unterliegende Beschwerdeführerin ausgangsgemäss die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr ist in BeRücksichtigung von Bedeutung, Aufwand und Schwierigkeit des Falles sowie angesichts der persönlichen und wirtschaftlichen Situation der Beschwerdeführerin (vgl. Urk. 4/11-16) reduziert auf
Fr. 700 festzusetzen ( 17 Abs. 1 i. V. m. 2 Abs. 1 lit. b-d GebV OG und Art. 425 StPO). Die Zusprechung einer Prozessentschädigung fällt ausser Betracht.
Der Präsident verfügt:
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege/Verbeiständung wird abgewiesen.
Schriftliche Mitteilung und Rechtsmittel gemäss nachfolgendem Beschluss.
Es wird beschlossen:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 700 festgesetzt und der Beschwerdeführerin auferlegt.
Für das Beschwerdeverfahren werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an:
den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, zweifach, gegen Gerichtsurkunde
die Beschwerdegegner 1 und 2, je gegen Gerichtsurkunde
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, ad C-3/2023/10031778, gegen Empfangsbestätigung
sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung Allfälliger Rechtsmittel an:
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, ad C-3/2023/10031778, unter Rücksendung der beigezogenen Untersuchungsakten (Urk. 7), gegen Empfangsbestätigung
die Zentrale Inkassostelle der Gerichte (elektronisch).
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben wer- den.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und Art. 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 8. Februar 2024
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Präsident:
lic. iur. D. Oehninger
Gerichtsschreiber:
lic. iur. L. K?nzli
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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