Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UE230217 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 07.12.2023 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 7B_29/2024 |
Leitsatz/Stichwort: | Einstellung |
Zusammenfassung : | Madame A______ hat gegen ein Urteil des Erstinstanzlichen Gerichts von Genf vom 17. Oktober 2019 Berufung eingelegt, in dem es um die vorläufige Zuweisung des ehelichen Wohnsitzes und Unterhaltszahlungen ging. Das Gericht hatte entschieden, dass Herr B______ vorläufig den ehelichen Wohnsitz behalten darf, da er aufgrund seiner Sehbehinderung und seiner Vertrautheit mit der Umgebung ein grösseres Interesse daran hat. Das Gericht bestätigte auch die Fristsetzung für Frau A______, den Wohnsitz bis zum 31. Dezember 2019 zu verlassen. Es wurde festgestellt, dass Herr B______ nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um zum Lebensunterhalt seiner Frau beizutragen, und dass sein Grundstück in Tunesien nicht als Einkommensquelle betrachtet werden kann. Die Gerichtskosten von 1000 CHF wurden Frau A______ auferlegt, da sie mit ihrer Berufung gescheitert ist. |
Schlagwörter : | Staatsanwaltschaft; Einstellung; Untersuchung; Recht; Verfügung; Verfahren; Anklage; Winterthur/Unterland; Verfahrens; Beschluss; Prozessführung; Tatverdacht; Rechtsmittel; Bundesgericht; Präsident; Einstellungsverfügung; Drohung; Eingabe; Anzeige; Vorwürfe; Kammer; Untersuchungsakten; Entscheid; Schulzeit; äftig |
Rechtsnorm: | Art. 11 StPO ; Art. 136 StPO ; Art. 29 BV ; Art. 308 StPO ; Art. 318 StPO ; Art. 319 StPO ; Art. 320 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 425 StPO ; Art. 428 StPO ; |
Referenz BGE: | 143 IV 241; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UE230217-O/U/GRO
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. A. Flury, Präsident, und lic. iur. D. Oehninger, Oberrichterin lic. iur. K. Eichenberger und Gerichtsschreiber lic. iur.
L. K?nzli
Verfügung und Beschluss vom 7. Dezember 2023
in Sachen
Beschwerdeführerin
gegen
1 verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
betreffend Einstellung
Erwägungen:
Am 6. Mai 2022 erschien A. (vorliegend: Beschwerdeführerin) im Beisein von C. (von der Beratungsstelle D. ) bei der Stadtpolizei Zürich und erstattete im Rahmen einer protokollarischen Befragung als polizeiliche Auskunftsperson Strafanzeige gegen B. (vorliegend: Beschwerdegegnerin 1, nachfolgend: Beschwerdegegnerin) wegen Drohung etc. (Urk. 8/1 und 8/5-7). Dabei warf sie der Beschwerdegegnerin konkret vor, sie habe am 1. April 2022 einen absenderlosen Brief von ihr erhalten mit dem Wortlaut: Hallo Schlampe, wir beobachten dich. Du kannst dir nie mehr sicher sein. Wir kommen wieder.
während laufender Strafuntersuchung brachte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 2. Juni 2022 (Urk. 8/9/1) weitere Vorfälle zur Anzeige. Sie verdächtigte die Beschwerdegegnerin des versuchten Mordes, der Nötigung und des unbefugten Eindringens in ein Datenverarbeitungssystem. Die Vorwürfe gehen auf das Jahr 2015 zurück, als sie die Beschwerdeführerin mit ihrer Familie in Italien beinahe verunglückt sei. Jemand Unbekanntes habe am Rad des Autos die Schrauben gelockert und das Rad sei während der Fahrt fast abgefallen. Im Jahr 2017 habe sich die täterschaft der Beschwerdeführerin zu erkennen gegeben, indem sie in einem Facebook-Post ein Rad pink markiert habe und beim Anklicken Feuerwerke und Daumen hoch erschienen seien. Ebenfalls ca. im Jahr 2017 seien sie und ihre Familie Opfer eines Hackerangriffs auf den hauseigenen Router geworden, wodurch sie genötigt worden sei, eine Firewall für das Netzwerk zu organisieren.
Mit Verfügung vom 1. Juni 2023 stellte die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland (vorliegend: Beschwerdegegnerin 2, nachstehend: Staatsanwaltschaft) die Strafuntersuchung gegen die Beschwerdegegnerin wegen Drohung etc. ein (Urk. 5).
Dagegen legte die Beschwerdeführerin persönlich mit Eingabe vom 14. Juni 2023 Beschwerde bei der hiesigen Kammer ein (Urk. 2 und Urk. 3/1-5 [Beilagen]).
Sie stellt sinngemäss den Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Verfügung und Rückweisung der Sache an die Staatsanwaltschaft zur Vervollständigung der Strafuntersuchung. In prozessualer Hinsicht ersucht sie (sinngemäss) um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung (übernahme der Kosten des Beschwer- deverfahrens auf die Staatskasse) (vgl. Urk. 2 S. 2-3).
Mit Brief vom 20. Juni 2023 zeigte der KammerPräsident den Parteien den Eingang der Beschwerde an. Weiter erklärte er, dass über den weiteren Gang des Verfahrens zu gegebener Zeit schriftlich informiert werde (Urk. 6). Die beigezoge- nen Untersuchungsakten (Urk. 8) gingen hierorts am 23. Juni 2023 ein (Urk. 7).
Die Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass; insbesondere vermag die vorliegende Laienbeschwerde die Begründungsanforderungen zu erFällen: Die Beschwerdeführerin persönlich war jedenfalls imstande, nachvollziehbar anzugeben, was sie an der angefochtenen Verfügung und/oder der Untersuchungsführung als falsch erachtet (vgl. Art. 385 Abs. 1-2 StPO,
Art. 396 StPO).
Nach Einsicht in die Untersuchungsakten und Sichtung der erhobenen Rügen muss die Beschwerde jedoch von vorneherein (ex ante) als offensichtlich unbe- Gründet beurteilt werden, was in den nachfolgenden Erwägungen noch dargelegt wird. Auf die Durchführung eines Schriftenwechsel kann daher in Anwendung von Art. 390 Abs. 2 Satz 1 StPO verzichtet werden. Ebenso ist der Entscheid über die (sinngemäss) beantragte unentgeltliche Prozessführung mit dem vorliegend zu Fällenden Erledigungsentscheid in der Sache selber zu verknüpfen.
Die vorliegend gegen die Beschwerdegegnerin zur Anzeige gebrachten Vorfälle hängen augenscheinlich mit Früheren Strafverfahren zusammen. Sie betreffen Sachverhalte, die teilweise bereits Gegenstand einer Strafuntersuchung bildeten und ihren Ursprung in der Schulzeit der Beschwerdeführerin haben dürften, als sie von der Beschwerdegegnerin als (damalige) Schulsozialarbeiterin im Schulhaus E. in F. betreut worden war.
Im Jahr 2016 warf die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin Nämlich vor, dass sie von ihr während ihrer Schulzeit im Jahr 2010 manipuliert und seelisch von ihr abhängig gemacht worden sei, auch unter Anwendung von abstrusen Lehren. Auch erschienen am 9. und 12. November 2011 in diesem Zusammenhang von G. (Journalist) zwei Artikel im H. [Zeitung] unter dem Titel ... und ....
Die Staatsanwaltschaft stellte die in diesem Zusammenhang durchgefährte Straf- untersuchung gegen die Beschwerdegegnerin wegen Amtsmissbrauchs, Nötigung, Drohung, sexueller Belästigung und Ehrverletzungsdelikten mit Verfügung vom 11. Januar 2021 ein. Eine dagegen von der Beschwerdeführerin eingelegte Beschwerde hatte die Kammer mit Beschluss vom 21. Dezember 2021 (rechts- Kräftig) abgewiesen, soweit sie darauf eintrat (Geschäfts-Nr. UE210036-O).
Wegen verschiedener Facebook-Kommentaren hatte die Beschwerdeführerin gegen die Beschwerdegegnerin weiter im Jahr 2018 Strafanzeige erhoben, wobei sie auch schon den Vorwurf des unbefugten Eindringens in ein Datenverarbeitungssystem erhoben hatte. Die Staatsanwaltschaft stellte die Strafuntersuchung (ref 2/2018/10014075) mit Verfügung vom 18. Mai 2018 (ebenfalls rechtsKräftig) ein (Urk. 8/12).
1. In der vorliegend angefochtenen EinstellungsVerfügung (Urk. 5) gelangte die Staatsanwaltschaft zum Ergebnis, dass sich hinsichtlich der zur Anzeige gebrachten Sachverhalte kein Tatverdacht gegen die Beschwerdegegnerin erhürten lasse, der eine Anklage rechtfertigen würde. Zur Begründung führte sie zusammengefasst aus, dass die Vorwürfe allein auf den Aussagen der Beschwerdeführerin beruhten, die für sich betrachtet und mangels anderweitiger objektiver Anhaltspunkte für eine Weiterführung der Strafuntersuchung/Anklageerhebung nicht ausreichen würden.
Die Staatsanwaltschaft verfügt gemäss Art. 319 Abs. 1 StPO u.a. die Einstellung des Verfahrens, wenn kein Tatverdacht erhürtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (lit. a), wenn kein Tatbestand erfüllt ist (lit. b) wenn Prozessvoraussetzungen definitiv nicht erfüllt werden können Prozesshindernisse aufgetreten sind (lit. d).
Der Entscheid über die Einstellung eines Verfahrens hat sich nach dem Grundsatz in dubio pro duriore zu richten. Danach darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden. Hingegen ist, sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt, Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch. Ist ein Freispruch genauso wahrscheinlich wie eine Verurteilung, drängt sich in der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, eine Anklageerhebung auf (BGE 143 IV 241
E. 2.2.1 m.H.). grundsätzlich hat die Staatsanwaltschaft den Deliktsvorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch Erhebung der entsprechenden Beweise so weit abzuklüren, dass sie anschliessend im Sinne von Art. 318 StPO entschei- den kann, ob das Vorverfahren durch Strafbefehl, Anklageerhebung Einstellung abzuschliessen ist (vgl. Art. 308 Abs. 1 StPO).
Als Prozessoder Verfahrenshindernis im Sinne von Art. 319 Abs. 1 lit. d StPO gilt u.a. die Sperrwirkung der abgeurteilten Sache (ne bis in idem- Grundsatz), wobei eine rechtsKräftige EinstellungsVerfügung einem Freispruch gleichgestellt ist (Art. 11 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 320 Abs. 4 StPO; TAG, BSK StPO, 3. Auflage, Basel 2023, N 13 zu Art. 11 StPO).
Wie die Ausführungen in der Beschwerdeschrift (Urk. 2 S. 1-2) und die zahlreichen Beilagen (Urk. 3/1-5) nahe legen, hegt die Beschwerdeführerin gegenüber der Beschwerdegegnerin weiterhin ein grundsätzliches und tiefgreifendes Misstrauen (vgl. auch Urk. 8/1 und 8/5). Dass die Beschwerdeführerin durch ihre Erlebnisse mit der Beschwerdegegnerin als Schulpädagogin während ihrer Schulzeit stark Geprägt wurde und aus ihrer Sicht negative Erfahrungen gemacht hat sogar seelisch leiden musste, ist denkbar und soll an dieser Stelle auch nicht in Frage gestellt werden (vgl. zum Ganzen: Geschäfts-Nr. UE210036-O, Beschluss vom 21. Dezember 2021, E. 10). Trotz alledem muss zwischen den Tat- Vorwürfen und der Beschwerdegegnerin ein sachlicher bzw. objektiv fassbarer
Konnex bestehen, um auf einen für die Weiterführung der Strafuntersuchung hinreichenden Tatverdacht schliessen zu können. Letzteres hat die Staatsanwaltschaft mit überzeugender Begründung verneint. Die von der Beschwerdeführerin angefährten Indizien gehen über blosse Vermutungen nicht hinaus. Insbesondere wirken die geltend gemachte Verbindung mit der I. -Sekte und die Verknüpfung mit einer Anonymous-Hackergruppe konstruiert. Weit hergeholt scheint auch das von der Beschwerdeführerin letztlich einzig vorgebrachte Rachemotiv
(Urk. 8/5 S. 3 [Rz 19]), selbst wenn sich die Beschwerdegegnerin in der Vergangenheit mit erheblichen Vorwürfen seitens der Beschwerdeführerin auseinandersetzen musste.
Insgesamt ergibt sich, dass die Einstellung der Strafuntersuchung vor Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO bzw. der hierzu entwickelten Rechtsprechung standhält, soweit der Einstellungsgrund nach Art. 319 Abs. 1 lit. d StPO (Verfahrenshindernis der abgeurteilten Sache [vorstehend E. II.2-3]) überhaupt Raum für eine überPrüfung des Tatverdachts lässt.
Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.
Was die Erfolgsaussichten der Beschwerde anbetrifft, muss sich die Beschwerdeführerin wie gesagt entgegenhalten lassen, dass sie mit ihren Vorbringen klarerweise nicht durchzudringen vermochte und die Einstellung des Strafverfahrens zu Recht erfolgte. Die Gewinnaussichten aus einer Sicht (ex ante) im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung betrachtet erschienen beträchtlich geringer als die Verlustgefahren (vgl. BuGer 1B_426/2020, Urteil vom 5. Januar 2021,
E. 3.3.2). Folglich fehlt es an einer (kumulativen) Voraussetzung nach Art. 136 StPO bzw. Art. 29 Abs. 3 BV, weshalb der Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung abzuweisen ist.
Nach dem Gesagten hat die mit ihren Anträgen unterliegende Beschwerdeführerin ausgangsgemäss die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr ist in BeRücksichtigung von Bedeutung, Auf-
wand und Schwierigkeit des Falles sowie angesichts der persönlichen und wirtschaftlichen Situation der Beschwerdeführerin (vgl. Urk. 8/1 S. 3 und 8/5 S. 4) leicht reduziert auf Fr. 500 festzusetzen ( 17 Abs. 1 i. V. m. 2 Abs. 1 lit. b-d GebV OG und Art. 425 StPO). Die Zusprechung einer Prozessentschädigung an die Beschwerdegegnerin fällt mangels erheblicher Umtriebe ausser Betracht.
Der Präsident verfügt:
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird abgewiesen.
Schriftliche Mitteilung und Rechtsmittel gemäss nachfolgendem Beschluss.
Es wird beschlossen:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 500 festgesetzt und der Beschwerdeführerin auferlegt.
Für das Beschwerdeverfahren werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an:
die Beschwerdeführerin, gegen Gerichtsurkunde
den Verteidiger der Beschwerdegegnerin 1, zweifach, für sich und die Beschwerdegegnerin 1,
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, ad B-3/2022/10017852, gegen Empfangsbestätigung
sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung Allfälliger Rechtsmittel an:
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, ad B-3/2022/10017852, unter Rücksendung der beigezogenen Untersuchungsakten (Urk. 8), gegen Empfangsbestätigung
die Zentrale Inkassostelle der Gerichte (elektronisch)
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben wer- den.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und Art. 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 7. Dezember 2023
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Präsident:
lic. iur. A. Flury
Gerichtsschreiber:
lic. iur. L. K?nzli
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