Zusammenfassung des Urteils UE230045: Obergericht des Kantons Zürich
Die Beschwerdeführerin A. hat Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 6. Februar 2023 erhoben, nachdem sie beschuldigt wurde, von B. im gemeinsam bewohnten Wohnzimmer schlafend fotografiert worden zu sein. Das Obergericht des Kantons Zürich hat entschieden, dass die Beschwerde nicht angenommen wird, da die Tat nicht unter den Tatbestand von Art. 179quater StGB fällt. Die Gerichtskosten von CHF 800 sind von der Beschwerdeführerin zu tragen. Die Beschwerdegegnerin 1 hat die Abweisung der Beschwerde beantragt, ohne eine Entschädigung zu fordern. Der Richter ist lic. iur. A. Flury, und die verlorene Partei ist weiblich.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UE230045 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 04.01.2024 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Nichtanhandnahme |
Schlagwörter : | Staatsanwaltschaft; Verfahren; Nichtanhandnahme; Begründung; Beschwerdeverfahren; Bundesgericht; Zürich-Sihl; Nichtanhandnahmeverfügung; Sicherheit; Privatbereich; Begründungen; Rechtsmittel; Obergericht; Wohnzimmer; Stellungnahme; Sachverhalt; Bundesgerichts; Entscheid; Verfahren; Sicherheitsleistung; Kantons; Privatbereichs; Antrag; Aufnahmegerät; Verhalten; Ausführungen |
Rechtsnorm: | Art. 310 StPO ;Art. 383 StPO ;Art. 385 StPO ;Art. 428 StPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UE230045-O/U/BEE>HEI
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. A. Flury, Präsident i.V., und lic. iur. D. Oeh- ninger, Oberrichterin lic. iur. K. Eichenberger sowie Gerichtsschreiber Dr. iur. S. Christen
Beschluss vom 4. Januar 2024
in Sachen
Beschwerdeführerin
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
gegen
1 verteidigt durch Rechtsanwältin lic. iur. Y.
betreffend Nichtanhandnahme
Erwägungen:
Am 27. Januar 2022 stellte A. Strafantrag gegen B. wegen Verletzung des Geheimoder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte (Urk. 14/2).
A. wirft B. vor, von ihr eine Foto gemacht zu haben, das sie schlafend auf dem Sofa im gemeinsam bewohnten Wohnzimmer zeige (Urk. 7).
Am 6. Februar 2023 erliess die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl eine Nichtanhand- nahmeVerfügung (Urk. 7).
A. erhebt Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich (Urk. 2). Sie beantragt die Aufhebung der NichtanhandnahmeVerfügung. Die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, eine Strafuntersuchung zu eröffnen.
Die Staatsanwaltschaft hat auf eine Stellungnahme verzichtet (Urk. 13). B. hat sich vernehmen lassen (Urk. 18). Sie beantragt die Abweisung der Beschwerde. A. hält in der Replik an ihren Anträgen fest (Urk. 25). Die Staatsanwaltschaft hat auf eine Duplik verzichtet (Urk. 29). B. hält in ihrer Duplik an ihren Anträgen fest (Urk. 30). A. hat innert Frist keine Triplik eingereicht (Urk. 33 und Urk. 34).
Angefochten ist eine NichtanhandnahmeVerfügung der Staatsanwaltschaft. Dagegen ist die Beschwerde beim Obergericht zulässig (Art. 310 Abs. 2 i.V.m. Art. 322 Abs. 2 und Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO sowie 49 GOG).
Gemäss Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO eröffnet die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung, wenn sich aus den Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige aus ihren eigenen Feststellungen ein hinreichender Tatver- dacht ergibt. Nach Abs. 4 derselben Bestimmung verzichtet sie auf die Eröffnung einer Untersuchung, wenn sie sofort eine NichtanhandnahmeVerfügung ei- nen Strafbefehl erlässt. Gemäss Art. 310 Abs. 1 StPO verfügt die Staatsanwalt-
schaft die Nichtanhandnahme der Untersuchung, sobald aufgrund der Strafanzeige des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind (lit. a) wenn Verfahrenshindernisse bestehen (lit. b).
Ein Strafverfahren kann mithin in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen gemäss Art. 310 Abs. 1 StPO durch Nichtanhandnahme erledigt werden. Dies ist der Fall bei offensichtlicher Straflosigkeit, wenn der Sachverhalt mit Sicherheit nicht unter einen Straftatbestand fällt, bei eindeutig fehlenden Prozessvoraussetzungen. Ein Straftatbestand gilt nur dann als eindeutig nicht erfüllt, wenn kein zureichender Verdacht auf eine strafbare Handlung besteht sich der zu Beginn der Strafverfolgung gegebene Anfangsverdacht vollständig entkröftet hat (Urteil des Bundesgerichts 6B_67/2022 vom 24. Oktober 2022 E. 2.3.1).
3.
Der Verletzung des Geheimoder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte macht sich nach Art. 179quater Abs. 1 StGB auf Antrag strafbar, wer eine Tatsache aus dem Geheimbereich eines andern eine nicht jedermann ohne weiteres zugängliche Tatsache aus dem Privatbereich eines andern ohne dessen Einwilligung mit einem Aufnahmegerät beobachtet auf einen BildtRüger aufnimmt.
Die Staatsanwaltschaft erwog, es liege kein hinreichender Tatverdacht vor. Die Beschwerdegegnerin 1 habe die Vorwürfe gegenüber der Beschwerdeführerin abgestritten. Es lägen keine unbeteiligten Tatzeugen, Spuren, objektivierbaren Beweismittel schlüssige Indizien vor, welche die Aussagen der Beschwerdeführerin stätzten. Das Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin 1 sei schwierig. Die Aussagen der Beschwerdeführerin erschienen nicht in jeder Hinsicht unbefangen und zuverlüssig. Der Beschwerdegegnerin 1 sei nicht nachzuweisen, dass sie die Beschwerdeführerin tatsächlich fotografiert bzw. durch ihr Mobiltelefon beobachtet habe. darüber hinaus handle es sich beim geteilten Wohnzimmer nicht um eine Sphüre des Geheimbereichs, sondern des Privatbereichs. Ein Verhalten wie das Schlafen auf dem Sofa im zum gemeinsamen Privatbereich gehörenden Wohnzimmer, an welchem die Beschwerdeführerin kein ausschliessliches Hausrecht habe und welches sie mit der
Beschwerdegegnerin 1 teile, sei ebenfalls nicht vom Schutzbereich von
Art. 179quater StGB abgedeckt. Entsprechend sei das der Beschwerdegegnerin 1 vorgeworfene Verhalten strafrechtlich nicht relevant (Urk. 7).
Die Staatsanwaltschaft führt mehrere Begründungen an. In der ersten erachtet sie den von der Beschwerdeführerin behaupteten Sachverhalt als nicht erstellt. Sie sieht keine Möglichkeit, um den Sachverhalt zu erstellen. In der zweiten hält sie dafür, dass die der Beschwerdegegnerin 1 vorgeworfene Tat nicht unter
Art. 179quater StGB zu subsumieren sei, weil das Schlafen im gemeinsamen Wohnzimmer nicht vom Schutzbereich dieser Bestimmung geschätzt werde. Beide Begründungen vermögen für sich den Ausgang der Sache zu besiegeln.
Gemäss der angefochtenen Verfügung ist das angeblich gemachte Foto nicht unter den Tatbestand von Art. 179quater StGB zu subsumieren. Die Beschwerdeführerin äussert sich in ihrer Beschwerde einzig zum Sachverhalt. Dieser sei unvollstündig und falsch (Urk. 2). Zur Begründung, dass das vorgeworfene Verhalten nicht unter den Tatbestand von Art. 179quater StGB zu subsumieren sei, macht die Beschwerdeführerin in der Beschwerde keine Ausführungen (vgl. Urk. 2).
Stätzt sich ein Entscheid auf mehrere selbststündige Begründungen beziehungsweise auf eine Haupt- und eine EventualBegründung, so muss sich die Beschwer- deführerin mit sämtlichen Begründungen auseinandersetzen (vgl. Art. 385 Abs. 1 StPO). Ficht sie nicht alle Begründungen an, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, da der Entscheid aufgrund der nicht angefochtenen Begründung weiterhin Bestand hat (vgl. dazu Urteile des Bundesgerichts 6B_490/2017 vom 15. Juni 2017 E. 2.2; 6B_1137/2014 vom 19. Mai 2015 E. 3.2; 6B_334/2013 vom 13. No-
vember 2013 E. 2.2).
4.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Die Beschwerdeführerin unterliegt. Sie hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Angesichts der Bedeutung und Schwierigkeit des Falls sowie des Zeitaufwands des Gerichts ist die Gerichtsgebühr auf Fr. 800.-festzusetzen ( 17 Abs. 1 und
? 2 Abs. 1 GebV OG).
Da die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren unterliegt, ist sie nicht zu entschädigen.
Die Beschwerdegegnerin 1 hat die Abweisung der Beschwerde beantragt (Urk. 18 und Urk. 30). Ein Nichteintreten hat sie nicht beantragt. Inwiefern der Beizug einer Anwältin für das Beschwerdeverfahren notwendig und angemessen gewesen sein soll, hat sie in ihren Stellungnahmen nicht dargelegt. Zudem hat die Beschwerdegegnerin 1 in ihrer Stellungnahme vom 27. März 2023 einzig das wiederholt, was sich bereits aus der angefochtenen Verfügung ergab. Nämlich, dass sie bestreitet, überhaupt ein Foto gemacht zu haben. Ihre weiteren Ausführungen auf Seite 2 unten hatten mit dem vorliegenden Verfahren nichts zu tun (Urk. 18 S. 2 unten). In der Stellungnahme vom 13. Mai 2023 hat die Beschwerdegegnerin 1 die Ausführungen der Gegenpartei bestritten (Urk. 30 S. 1). Ihre weiteren Ausführungen zu einem anderen Strafverfahren und dem Auszug aus der Wohnung haben mit dem vorliegenden Verfahren nichts zu tun (Urk. 30 S. 1 f.). Insgesamt ist daher nicht ersichtlich, inwiefern die Beschwerdegegnerin 1 für das vorliegende Verfahren eine Anwältin beiziehen musste. Kommt hinzu, dass sie ihren Antrag unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beschwerdeführerin mit keinem Wort begründet und auch ihre Entschädigung nicht beziffert hat (Urk. 18 S. 1). Es handelt sich insofern um einen unsubstantiierten Antrag. Die Beschwerdegegnerin 1 ist unter diesen Umständen für das Beschwerdeverfahren nicht zu entschädigen.
Die Beschwerdeführerin hat für das Beschwerdeverfahren eine Sicherheitsleistung von Fr. 1'800.-geleistet (Art. 383 Abs. 1 StPO; Urk. 8 und Urk. 10). Die ihr auferlegten Kosten sind von der Sicherheitsleistung zu beziehen. Der Restbetrag ist ihr - unter Vorbehalt Allfälliger VerrechnungsAnsprüche des Staates - nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung Allfälliger Rechtsmittelverfahren gegen den vorliegenden Entscheid zurückzuerstatten.
Es wird beschlossen:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf Fr. 800.-festgesetzt, der Beschwerdeführerin auferlegt und von der Sicherheitsleistung bezogen. Im Restbetrag wird die Sicherheitsleistung der Beschwerdeführerin zurückerstattet - unter Vorbehalt Allfälliger VerrechnungsAnsprüche des Staates.
Für das Beschwerdeverfahren werden keine Entschädigungen ausgerichtet.
Schriftliche Mitteilung an:
Rechtsanwalt Dr. iur. X. _, zweifach, für sich und die Beschwerdeführerin, per Gerichtsurkunde
Rechtsanwältin lic. iur. Y. , zweifach, für sich und die Beschwer- degegnerin 1, per Gerichtsurkunde
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, ad E-2/2022/10005190, gegen Empfangsbestätigung
sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung Allfälliger Rechtsmittel an:
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, ad E-2/2022/10005190, unter Rücksendung der beigezogenen Akten (Urk. 14), gegen Empfangsbestätigung
die Zentrale Inkassostelle der Gerichte (elektronisch)
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben wer- den.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 4. Januar 2024
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Präsident i.V.:
lic. iur. A. Flury
Gerichtsschreiber:
Dr. iur. S. Christen
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