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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:UE220234
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UE220234 vom 06.11.2023 (ZH)
Datum:06.11.2023
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 7B_18/2024
Leitsatz/Stichwort:Nichtanhandnahme
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführerin; Stein; Steine; Beschwerdegegner; Staatsanwaltschaft; Zufahrt; Nichtanhandnahme; Anzeige; Verfahren; Nötigung; Sinne; Akten; Recht; Reiche; Kantons; Anschuldigung; Polizei; Untersuchung; Handlung; Angefochtene; Bundesgericht; Nichtanhandnahmeverfügung; See/Oberland; Grundstück; Beschwerdegegners; Verfügung; Frist; Entfernt; Weggeräumt
Rechtsnorm: Art. 181 StGB ; Art. 303 StGB ; Art. 310 StPO ; Art. 428 StPO ;
Referenz BGE:129 IV 6; 134 IV 216;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UE220234-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. A. Flury, Präsident, die Oberrichterinnen lic. iur. C. Gerwig und lic. iur. K. Eichenberger sowie Gerichtsschreiber MLaw E. Egger

Beschluss vom 6. November 2023

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführerin

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

  1. B. ,

  2. Staatsanwaltschaft See/Oberland,

Beschwerdegegner

betreffend Nichtanhandnahme

Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwalt- schaft See/Oberland vom 3. Juni 2022, A-4/2022/10005809

Erwägungen:

I.

  1. Am 3. Dezember 2021 erstattete B. auf dem Polizeiposten C. bei der Kantonspolizei Zürich Strafanzeige gegen seine Nachbarin A. we- gen geringfügigen Diebstahls. Er warf ihr vor, im Oktober 2021 mehrere von ihm auf der Zufahrtstrasse zu seinem Grundstück in C. als Schmutzfänger de- ponierte Steine entwendet zu haben (Urk. 8/1 S. 1 ff. in Geschäfts-Nr. UE230107- O). Anlässlich der protokollarischen Befragung von A. als beschuldigte Per- son vom 6. Januar 2022 erstattete diese ihrerseits bei der Kantonspolizei Zürich Strafanzeige gegen B. (nachfolgend: Beschwerdegegner 1) wegen falscher Anschuldigung und (eventualiter) Nötigung. Sie erhob den Vorwurf, der Beschwerdegegner 1 habe sich strafbar gemacht, indem er ihr angelastet habe, Steine gestohlen zu haben, welche er auf dem Zufahrtsweg zu ihrer Liegenschaft aus fadenscheinigen Gründen deponiert habe. Sie habe das grundbuchamtlich verankerte Recht, störende Objekte vom Zufahrtsweg zu entfernen, was ihm be- kannt sei. Er habe tatbestandsmässig im Sinne einer falschen Anschuldigung ge- handelt, indem er sie in Ausübung ihres Rechts als Diebin bezeichnet habe. Da sie und motorisierte Besucher die Steine auf der Zufahrt jedes Mal hätten weg- räumen müssen, um sich nicht in Unfallgefahr zu bringen und/oder ihre Fahrzeu- ge zu beschädigen, liege auch eine unrechtmässige Beschränkung ihrer Hand- lungsfreiheit vor (Urk. 11/2 S. 2 ff.).

  2. Bezüglich der Strafanzeige des Beschwerdegegners 1 vom 3. Dezember 2021 überwies die Staatsanwaltschaft See/Oberland die Akten mit Überwei- sungsverfügung vom 3. Juni 2022 dem Statthalteramt des Bezirks Meilen zur wei- teren Veranlassung, da kein in staatsanwaltschaftlicher Kompetenz zu verfolgen- des Delikt vorliege (Urk. 8/10 in Geschäfts-Nr. UE230107-O). In der Folge stellte das Statthalteramt des Bezirks Meilen das Strafverfahren gegen die Beschwerde- führerin wegen geringfügigen Diebstahls und geringfügiger unrechtmässiger An- eignung mit Einstellungsverfügung vom 23. März 2023 ein (Urk. 3 in Geschäfts- Nr. UE230107-O). Gegen diese Einstellungsverfügung vom 23. März 2023 liess der Beschwerdegegner 1 persönlich Beschwerde erheben. Das entsprechende

    Beschwerdeverfahren wird parallel unter der Geschäfts-Nr. UE230107-O geführt

    (Urk. 2 in Geschäfts-Nr. UE230107-O).

  3. Im Zusammenhang mit der Strafanzeige von A. (nachfolgend: Beschwerdeführerin) vom 6. Januar 2022 erliess die Staatsanwaltschaft See/Oberland (nachfolgend: Staatsanwaltschaft) am 3. Juni 2022 eine Nichtan- handnahmeverfügung (Urk. 3/3 = Urk. 5 = Urk. 11/5). Diese Verfügung wurde dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, Rechtsanwalt lic. iur. X. , am

22. August 2022 (zweite Zustellung) zugestellt (Urk. 11/8).

  1. Mit Eingabe vom 1. September 2022 liess die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen die genannte Nichtanhandnahmeverfügung erheben und folgen- de Anträge stellen (Urk. 2 S. 2):

    1. Disp.-Ziff. 1 des angefochtenen Entscheids betreffend Nichtan- handnahme sei aufzuheben und das Verfahren sei der Untersu- chungsbehörde zur Untersuchungseröffnung und Untersuchungs- führung gegen den Beschwerdegegner 2 [Beschwerdegegner 1 im vorliegenden Verfahren] zurückzuweisen;

    alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich 7.7% MwSt) zulasten der Beschwerdegegnerinnen.

  2. Nach Leistung der Prozesskaution von Fr. 1'800.– durch die Beschwerde- führerin (Urk. 8) wurde der Staatsanwaltschaft und dem Beschwerdegegner 1 mit Präsidialverfügung vom 31. Oktober 2022 eine jeweils zehntägige Frist zur Stel- lungnahme zur Beschwerde angesetzt (Urk. 9). Die Staatsanwaltschaft nahm mit Eingabe vom 7. November 2022 Stellung und beantragte die Abweisung der Beschwerde (Urk. 10 S. 2). Der Beschwerdegegner 1 liess sich mit persönlicher Ein- gabe vom 10. November 2022 vernehmen (Urk. 14). Mit Präsidialverfügung vom

13. Dezember 2022 wurde der Beschwerdeführerin eine zehntägige Frist zur frei- gestellten Replik angesetzt (Urk. 16). Nachdem der Beschwerdeführerin die Frist bis und mit 23. Januar 2023 erstreckt worden war (Urk. 17), liess sie mit Eingabe vom 10. Januar 2023 replizieren (Urk. 19). Mit Präsidialverfügung vom 13. März 2023 wurde dem Beschwerdegegner 1 und der Staatsanwaltschaft eine zehntägi- ge Frist zur freigestellten Duplik angesetzt (Urk. 21). Innert Frist (vgl. Urk. 22-23)

und auch danach gingen keine weiteren Stellungnahmen ein. Das Beschwerde-

verfahren erweist sich damit als spruchreif.

II.

1. Angefochten ist eine Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft. Gegen diese ist die Beschwerde an das Obergericht zulässig (Art. 310 Abs. 2 i. V. m. Art. 322 Abs. 2 und Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO sowie § 49 GOG/ZH). Die Beschwerde erfolgte form- und fristgerecht und die Beschwerdeführerin leistete die ihr auferlegte Prozesskaution rechtzeitig. Die weiteren Eintretensvorausset- zungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass bzw. sind vorliegend erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

    1. Die Staatsanwaltschaft begründete die Nichtanhandnahme damit, dass die deponierten Steine auf den von der Kantonspolizei Zürich erstellten Fotos zwar störend wirkten, eine Zufahrt jedoch trotzdem noch möglich sei. Dass der Beschwerdegegner 1 anlässlich seiner Strafanzeige im Bewusstsein gehandelt hät- te, dass sich die Beschwerdeführerin nicht strafbar gemacht und er damit eine Nichtschuldige zu Unrecht beschuldigt hätte, ergebe sich aus den Akten nicht, zumal die Steine dauerhaft entfernt und von der Beschwerdeführerin verwahrt worden seien. Damit seien die Voraussetzungen für die Eröffnung einer Strafun- tersuchung gegen den Beschwerdegegner 1 nicht gegeben (Urk. 3/3 S. 2).

    2. Die Beschwerdeführerin liess dagegen im Wesentlichen einwenden, in der angefochtenen Verfügung werde die ebenfalls beanzeigte Nötigung mit keinem Wort erwähnt. Indem in der angefochtenen Verfügung ausgeführt werde, die Stei- ne seien dauerhaft entfernt und von der Beschwerdeführerin verwahrt worden, vermenge die Staatsanwaltschaft den Nötigungstatbestand mit dem vom Beschwerdegegner 1 beanzeigten Diebstahl; sie habe den Sachverhalt tatsachen- widrig erstellt. Falsch sei, dass die Steine dauerhaft entfernt worden seien bzw. der Eindruck, dass es sich um ein einmaliges Vorgehen des Beschwerdegeg- ners 1 handle. Aus den Akten ergebe sich, dass allein während zwei Wochen im Oktober 2020 fünf Steine hätten weggeräumt werden müssen. Der Beschwerdegegner 1 habe nicht aufgehört und die weggeräumten Steine seien von ihm wie- der zurückgelegt oder ersetzt worden. Die Staatsanwaltschaft verkenne, dass im Grundbuch ein Wegrecht der Beschwerdeführerin bestehe, welches nicht beein- trächtigt werden dürfe. Als Eigentümerin des berechtigten Grundstücks habe sie ein jederzeitiges und unbeschränktes Fuss- und Fahrwegrecht. Es genüge eine Behinderung [des Wegrechts], um das Recht zu haben, diese zu beseitigen bzw. die Steine wegzuräumen und infolge stetiger Neudeponierung dauerhaft zu ent- fernen. Aufgrund der Steine sei ein gefahrloses Manövrieren im und aus dem Parkplatz bzw. zur oder von der Liegenschaft [der Beschwerdeführerin] nicht möglich. Auf den in der Verfügung genannten Fotos der Polizei sei ersichtlich, dass das Geradeausfahren zum Grundstück verengt sei, weshalb es gerechtfer- tigt (gewesen) sei, die Steine wegzuräumen. Bedenke man dabei, dass die Weg- fahrt aus dem Parkplatz rückwärts erfolge, erscheine die Gefährdung noch höher, zumal die Steine durch Dritte (Tiere/Passanten) oder Wind und Wetter verscho- ben werden könnten. Damit bestehe Untersuchungsbedarf bzw. die Pflicht, die Parteien parteiöffentlich zu befragen. Einerseits sei abzuklären, ob die Beschwer- deführerin und ihre Besucher gefahrlos zur Liegenschaft bzw. von dieser weg hät- ten fahren können, oder ob dies ohne Wegnahme der Steine nicht möglich gewe- sen sei. Eine Betrachtung von Fotos genüge dafür nicht; die Fotos zeigten ohne- hin eine Momentaufnahme. Je nach Fahrzeugdimension, Witterungsbedingungen und Fahrkünsten ergäben sich andere Resultate (Urk. 2 S. 2 ff.).

    3. In ihrer Stellungnahme wiederholte die Staatsanwaltschaft, dass die Zufahrt auf dem besagten Abschnitt sowohl mit Steinen als auch ohne Steine möglich gewesen sei und daher die behaupteten Straftatbestände nicht erfüllt seien. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie werde vom Beschwerdegegner 1 genö- tigt, es zu unterlassen, die störenden Steine wegzuräumen und seinem Herr- schaftsbereich zu entnehmen, habe mit der erlassenen Nichtanhandnahmeverfü- gung und dem in der Strafanzeige vom 6. Januar 2022 vorgeworfenen Sachver- halt nichts zu tun. Die Nichtanhandnahmeverfügung basiere auf den polizeilichen Akten, welche für sich schlüssig seien, weshalb keine weiteren Abklärungen und Ermittlungen nötig gewesen seien (Urk. 10 S. 1 ff).

      Der Beschwerdegegner 1 brachte mit seiner Stellungnahme im Wesentlichen vor, dass die Steine seit nun fast einem Jahr an der gleichen Stelle lägen und noch nie habe beobachtet werden können, dass die Beschwerdeführerin oder ihre Besu- cher diese vor der Durchfahrt weggeräumt hätten. Die fünf Steine seien von der Beschwerdeführerin dauerhaft entfernt worden, weshalb er neue Pflastersteine habe kaufen müssen. Die Steine seien ihm trotz mehrfacher schriftlicher Aufforde- rungen nicht zurückgegeben worden. Das Fuss- und Fahrwegrecht sei zu jeder Zeit gewährleistet gewesen und die Beschwerdeführerin befahre die Zufahrt seit fast einem Jahr täglich unfallfrei und ohne Behinderung (Urk. 14 S. 1 ff.).

    4. Replicando liess die Beschwerdeführerin geltend machen, es sei nicht er- stellt, dass die Steine nicht durch sie oder Besucher zeitweise hätten weggeräumt werden müssen, um die Zufahrt zu befahren. Diesbezüglich seien Beweise zu er- heben. Der Beschwerdegegner 1 beschränke die Zufahrt bewusst und absichtlich und nehme hin, dass die Steine durch Tiere, Witterungsbedingungen etc. verstellt werden könnten. Erst nach Durchführung einer vollständigen Untersuchung ha- be die Verfahrensleitung über den weiteren Verlauf des Vorverfahrens zu ent- scheiden. Sich nur auf Fotos zu stützen reiche nicht aus; dies stelle keine Unter- suchung im Sinne des Gesetzes dar (Urk. 19 S. 1 ff.).

    1. Gemäss Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die Nicht- anhandnahme, sobald aufgrund der Strafanzeige oder des Polizeirapports fest- steht, dass die fraglichen Straftatbestände eindeutig nicht erfüllt sind (CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Donatsch/Lieber/Summers/Wohlers (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2020, N. 4 zu Art. 310 StPO; JOSITSCH/SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung,

      4. Aufl., Zürich/St. Gallen 2023, N. 1 ff. zu Art. 310 StPO). Die Nichtanhandnahme eines Strafverfahrens kann in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen er- folgen, so etwa bei offensichtlicher Straflosigkeit, wenn der Sachverhalt mit Si- cherheit nicht unter einen Straftatbestand fällt, oder bei eindeutig fehlenden Pro- zessvoraussetzungen. Ein Straftatbestand gilt dann als eindeutig nicht erfüllt, wenn kein zureichender Verdacht auf eine strafbare Handlung besteht oder der zu Beginn der Strafverfolgung gegebene Anfangsverdacht sich vollständig entkräftet

      hat. Ergibt sich indes aus den Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige oder aus den eigenen Feststellungen der Staatsanwaltschaft ein hin- reichender Tatverdacht, so eröffnet die Strafbehörde eine Strafuntersuchung. Die Hinweise auf eine strafbare Handlung müssen allerdings erheblich und konkreter Natur sein. Blosse Gerüchte oder Vermutungen genügen nicht. Der Anfangsver- dacht muss auf einer plausiblen Tatsachengrundlage beruhen, aus welcher sich die konkrete Möglichkeit der Begehung einer Straftat ergibt (Urteil des Bundesge- richts 6B_724/2021 vom 10. Januar 2022 E. 3.1 mit zahlreichen Hinweisen).

    2. Gemäss Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2 StGB wird wegen falscher An- schuldigung bestraft, wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens oder einer Übertretung be- schuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen. Der sub- jektive Tatbestand erfordert Vorsatz und in Bezug auf die Unwahrheit der Beschuldigung Handeln wider besseres Wissen. Das Bewusstsein, die Behauptung könnte möglicherweise falsch sein, genügt mithin nicht. Der Täter muss vielmehr sicher darum wissen, dass die Anschuldigung unwahr ist. Eventualvorsatz schei- det insoweit aus. Aus dem Umstand, dass das aufgrund einer Strafanzeige eröff- nete Strafverfahren eingestellt wurde, lässt sich nicht ableiten, die Strafanzeige sei wider besseres Wissen erhoben worden. Wer zu Unrecht beschuldigt wird, darf nicht im Umkehrschluss unbesehen eine Strafklage wegen falscher Anschul- digung einreichen. An die Erfüllung des Tatbestands sind hohe Anforderungen zu stellen. Das Erfordernis der Beschuldigung wider besseres Wissen will es im kriminalpolitischen Interesse der Aufdeckung von Straftaten jedermann ermöglichen, eine von ihm eines Delikts verdächtigte Person auch dann bedenkenlos anzuzei- gen, wenn er nicht mit Bestimmtheit von der Täterschaft weiss (Urteil des Bun- desgerichts 1C_230/2018 vom 26. März 2019 E. 4.1 mit zahlreichen Hinweisen).

      Der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB macht sich schuldig, wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschrän- kung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden. Die Anwendung des Nötigungsmittels muss den Betroffenen in seiner Handlungs- freiheit beeinträchtigen. Die Tatbestandsvariante der anderen Beschränkung der

      Handlungsfreiheit in Art. 181 StGB ist restriktiv auszulegen. Nicht jeder noch so geringfügige Druck auf die Entscheidungsfreiheit eines andern führt zu einer Bestrafung. Das Zwangsmittel der anderen Beschränkung der Handlungsfreiheit muss, um tatbestandsmässig zu sein, das üblicherweise geduldete Mass an Be- einflussung in ähnlicher Weise eindeutig überschreiten, wie es für die im Gesetz ausdrücklich genannten Zwangsmittel der Gewalt und der Androhung ernstlicher Nachteile gilt. Als Nötigung gilt z. B. die Bildung eines Menschenteppichs und die Sabotage einer Bahnschranke, die je den Strassenverkehr behinderten, sowie die Blockierung des Haupteingangs eines Verwaltungsgebäudes oder die Blocka- de des Autobahnverkehrs während eineinhalb Stunden (BGE 134 IV 216 E. 4.2, BGE 129 IV 6 E. 2.2 f. und Urteil des Bundesgerichts 6B_461/2020 vom 19. April 2021 E. 2.3 mit zahlreichen Hinweisen).

    3. Hintergrund der genannten Strafanzeigen der Beschwerdeführerin und des Beschwerdegegners 1 scheint ein offenbar bereits seit längerer Zeit bestehender Nachbarschaftskonflikt im Zusammenhang mit der Zufahrtsstrasse zum Grund- stück der Beschwerdeführerin, welche am Grundstück des Beschwerdegegners 1 vorbeiführt, zu sein. Unbestritten ist diesbezüglich, dass für diese Zufahrtsstrasse ein Weg- und Fahrrecht zu Gunsten des Grundstücks der Beschwerdeführerin besteht sowie, dass der Beschwerdegegner 1 an den Seitenrändern dieser Zu- fahrtsstrasse links und rechts jeweils Steine als Schmutzstopper platzierte, wel- che von der Beschwerdeführerin teilweise entfernt wurden (Urk. 11/4/1 S. 2 f.). Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass diese Steine auf der Zufahrt eine unzulässige Beschränkung ihres Weg- und Fahrrechts darstellten. Eine solche Beschränkung bestreitet der Beschwerdegegner 1 mit der Begründung, dass problemlos an den Steinen habe vorbeigefahren werden können, weshalb das Weg- und Fahrrecht jederzeit gewährleistet gewesen sei (Urk. 11/2 S. 3 und

      Urk. 14 S. 1 ff.).

      Wie sich aus dem Polizeirapport vom 9. Februar 2022 ergibt, erschien der Beschwerdegegner 1 am 3. Dezember 2021 persönlich auf dem Polizeiposten

      C. und erklärte, dass ihm die von der Beschwerdeführerin weggeräumten Steine nicht retourniert worden seien, weshalb er gezwungen sei, Anzeige zu erstatten. Er habe immer gedacht, dass die Beschwerdeführerin diese Steine ge- stohlen habe; nun wisse er, dass sie diese entwendet habe (Urk. 11/4/1 S. 1 ff.). Die Beschwerdeführerin räumte sowohl in ihrer Beschwerdeschrift als auch im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen ein, die vom Beschwerdegegner 1 platzier- ten Steine weggeräumt zu haben (Urk. 2 S. 4, Urk. 11/4/1 S. 2, Urk. 11/4/6 F/A 5 ff. S. 2 ff. und Urk. 11/4/4). Aktenkundig ist sodann, dass sie bei der Kantonspoli- zei Zürich anlässlich ihrer Einvernahme vom 6. Januar 2022 zwei dieser Steine

      als Beilage zu ihrer Strafanzeige einreichte (Urk. 11/4/6 F/A 28 ff. S. 5). Unter diesen Umständen und insbesondere da die Beschwerdeführerin diese Steine of- fensichtlich entwendete, kann dem Beschwerdegegner 1 nicht angelastet werden, die Beschwerdeführerin bei der Kantonspolizei Zürich wider besseres Wissen ei- nes geringfügigen Diebstahls bezichtigt zu haben. Daran vermag auch eine allfäl- lige Straflosigkeit der Beschwerdeführerin im Parallelverfahren (Geschäfts-

      Nr. UE230107-O) nichts zu ändern, zumal – wie die Staatsanwaltschaft in der an- gefochtenen Verfügung zutreffend festhielt –vorliegend nicht davon auszugehen ist, dass der Beschwerdegegner 1 sicher darum wusste, dass die Anschuldigung unwahr ist bzw. er wider besseres Wissen im Sinne von Art. 303 StGB gehandelt hätte. Die Staatsanwaltschaft hielt in der angefochtenen Verfügung damit zutref- fend fest, dass den vorliegenden Akten nicht entnommen werden kann, dass der Beschwerdegegner 1 bei der Erstattung seiner Strafanzeige im Bewusstsein um die Unwahrheit der Beschuldigung gehandelt hätte (Urk. 3/3 S. 2). Eine Strafbar- keit des Beschwerdegegners 1 wegen falscher Anschuldigung im Sinne von

      Art. 303 StGB ist somit offensichtlich nicht gegeben. Dass die Staatsanwaltschaft diesbezüglich keine Untersuchung eröffnete, ist folglich nicht zu beanstanden.

    4. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beschwerdegeg- ner 1 der Nötigung strafbar gemacht haben könnte, indem er die Beschwerdefüh- rerin und ihre Besucher gezwungen haben soll, die Steine weg- bzw. die Zufahrt freizuräumen, um sich nicht in Unfallgefahr zu bringen (Urk. 2 S. 3). Polizeiliche Abklärungen ergaben, dass ein Befahren der Zufahrtsstrasse mit einem Motor- fahrzeug trotz je einem Stein links und rechts der Strasse ohne weiteres möglich (gewesen) sei (Urk. 11/3 S. 3 f.). Selbst wenn die Steine – wie von der Beschwer- deführerin mehrfach geltend gemacht wurde – durch Tiere und/oder wetterbedingt

vom Seitenrand auf die Strassenmitte verschoben würden, änderte dies nichts da- ran, dass solche Steine auf der Zufahrtsstrasse per se nicht die vom Nötigungs- tatbestand im Sinne von Art. 181 StGB geforderte Intensität des Eingriffs im Sinne eines Drucks auf die Entscheidungsfreiheit der Beschwerdeführerin erfüllen wür- den. Es ist nicht ersichtlich und wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht gel- tend gemacht, dass durch die Steine auf der Zufahrtsstrasse überhaupt kein Be- fahren mehr möglich gewesen bzw. die Strasse deshalb etwa für längere Zeit ge- sperrt gewesen wäre. Vielmehr ergibt sich aus den Akten, dass die Steine jeweils sicherheitshalber zur Bannung einer angeblichen Unfallgefahr (vgl. Urk. 2 S. 3) entfernt wurden und nicht etwa, weil eine Durchfahrt andernfalls nicht möglich gewesen wäre. Damit ist auch eine Strafbarkeit des Beschwerdegegners 1 wegen Nötigung offensichtlich nicht gegeben. Die angefochtene Nichtanhandnahmever- fügung ist auch diesbezüglich nicht zu beanstanden. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.

4. Zusammenfassend sind die Voraussetzungen für eine Nichtanhandnahme im Sinne von Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO erfüllt. Der angefochtene Entscheid ist zu bestätigen und die Beschwerde abzuweisen.

III.

  1. Die Beschwerdeführerin unterliegt im Beschwerdeverfahren und hat ent- sprechend die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Angesichts der Bedeutung und Schwierigkeit des Falls sowie des Zeitaufwands des Gerichts ist die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren auf Fr. 1'800.– festzusetzen

    (§ 17 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 lit. b-d GebV OG). Die der Beschwerdeführerin aufzu- erlegenden Kosten sind aus der von ihr geleisteten Kaution von Fr. 1'800.– zu be- ziehen.

  2. Aufgrund ihres Unterliegens hat die Beschwerdeführerin für das Beschwer- deverfahren keinen Anspruch auf Entschädigung. Dem Beschwerdegegner 1 ist mangels entschädigungspflichtiger Aufwendungen ebenfalls keine Entschädigung zuzusprechen.

Es wird beschlossen:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf Fr. 1'800.– fest- gesetzt, der Beschwerdeführerin auferlegt und aus der geleisteten Kaution bezogen.

  3. Es werden keine Entschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

  5. Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben wer- den.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichts- gesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.

Hinweis: Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht einge- reicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplo- matischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden.

Zürich, 6. November 2023

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Präsident:

lic. iur. A. Flury

Gerichtsschreiber:

MLaw E. Egger

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