Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UE220193 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 27.02.2023 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Einstellung |
Zusammenfassung : | Die Beschwerdeführerin, die Mutter eines Verstorbenen, hat Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl erhoben. Der Verstorbene wurde nach einer Freiheitsstrafe ins Krankenhaus gebracht, wo er später verstarb. Die Staatsanwaltschaft stellte fest, dass kein strafrechtlich relevantes Verhalten vorlag. Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Ärzte eine fürsorgliche Unterbringung prüfen hätten müssen, was jedoch vom Gericht verneint wurde. Das Gericht entschied, dass der Tod des Verstorbenen ein tragischer, aber nicht strafrechtlich relevanter Todesfall war. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und die Kosten des Verfahrens wurden der Gerichtskasse auferlegt. |
Schlagwörter : | Verstorbene; Verstorbenen; Staatsanwaltschaft; Spital; Ärzte; Entlassung; Drogen; Recht; Sorgfalt; Akten; Unterbringung; Entscheid; Spitalpflege; Sorgfaltspflicht; Verfügung; Einstellung; Untersuchung; Todesfall; Hinweis; önne |
Rechtsnorm: | Art. 11 StGB ; Art. 117 StGB ; Art. 12 StGB ; Art. 308 StPO ; Art. 318 StPO ; Art. 319 StPO ; Art. 393 StPO ; Art. 427 ZGB ; Art. 428 StPO ; |
Referenz BGE: | 130 IV 7; 134 IV 175; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UE220193-O/U/MUL
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. A. Flury, Präsident, Oberrichterin lic. iur. A. Meier, Ersatzoberrichter Dr. iur. T. Graf sowie Gerichtsschreiberin Dr. iur.
E. Welte
Beschluss vom 27. Februar 2023
in Sachen
Beschwerdeführerin
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X. ,
gegen
Beschwerdegegnerin betreffend Einstellung
Erwägungen:
Am 8. März 2022 abends wurde der 41-jährige †B. von seinem Mitbewohner reglos auf dem Boden des von ihm bewohnten Zimmers vorgefunden. In der Folge führte die umgehend alarmierte Sanität eine Reanimation durch, welche nach rund 30 Minuten infolge Erfolglosigkeit abgebrochen wurde. †B. verstarb nach Abbruch der Reanimationsmassnahmen am 8. März 2022 um
20.51 Uhr (Urk. 14/3).
Anlässlich der am 8. März 2022 durchgeführten Legalinspektion fanden sich keine Hinweise auf eine todesursächliche relevante mechanische Fremdeinwirkung. Todesart und Todesursache mussten unklar belassen werden (Urk. 14/7/1).
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (nachfolgend: Staatsanwaltschaft) eröff- nete sodann eine Untersuchung betreffend aussergewöhnlichen Todesfall und erteilte dem Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich (nachfolgend: IRM) am
10. März 2022 einen Gutachtensauftrag zur Obduktion (Urk. 14/7/2).
Nachdem †B.
kurz vor seinem Tod noch im C.
(nachfolgend:
C. ) [Spital] in Behandlung gewesen war, stand auch eine mögliche Sorgfaltspflichtverletzung durch die behandelnden Ärzte im Raum. Aus diesem Grund edierte die Staatsanwaltschaft die entsprechende Krankengeschichte (Urk. 14/6; Urk. 14/7/5 Beilage).
Das IRM erstattete am 3. Mai 2022 das Gutachten zum Todesfall. Darin wurde zusammengefasst festgehalten, aus rechtsmedizinischer Sicht hätten sich keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden eine Verletzung der ärztlichen pflegerischen Sorgfaltspflicht ergeben (Urk. 14/7/5).
Mit Verfügung vom 27. Juni 2022 stellte die Staatsanwaltschaft die Untersuchung betreffend aussergewöhnlichen Todesfall ein (Urk. 3 = Urk. 14/10).
Hiergegen liess A. , die Mutter von †B. (nachfolgend: Beschwer- deführerin), mit Eingabe vom 18. Juli 2022 Beschwerde erheben mit den Anträgen, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, gegen die während des Aufenthalts des Verstorbenen vom 7. März 2022 abends bis zum 8. März 2022 frühmorgens verantwortlichen Ärzte im Institut für Notfallmedizin des C. eine Strafuntersuchung wegen Verdachts auf fahrlässige, eventuell eventualvorsätzliche Tötung durch Unterlassen einzuleiten; unter gesetzlicher Kosten- und Entschädigungsfolge (Urk. 2).
Mit Verfügung vom 21. Juli 2022 wurde der Beschwerdeführerin Frist zur Leistung einer Prozesskaution von einstweilen Fr. 1'800.– angesetzt (Urk. 6), woraufhin sie mit Eingabe vom 24. August 2022 darum ersuchte, es sei ihr die Pflicht zur Leistung einer Prozesskaution abzunehmen (Antrag 1), eventualiter sei ihr die Frist zur Leistung einer solchen bzw. zur Einreichung eines Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ab Eingang des Entscheids zum Antrag 1 zu erstrecken (Urk. 9). Mit Verfügung vom 26. August 2022 wurde die Staatsanwaltschaft ersucht, einstweilen ohne Stellungnahme die Akten einzureichen (Urk. 11). Mit Verfügung vom 30. September 2022 wurde einstweilen auf die Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskaution verzichtet und die Beschwerdeschrift der Staatsanwaltschaft zur Stellungnahme übermittelt (Urk. 16). Diese liess sich mit Eingabe vom 6. Oktober 2022 vernehmen (Urk. 18). Die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft wurde der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 9. November 2022 zur freigestellten Replik übermittelt (Urk. 19), woraufhin sie sich innert erstreckter Frist (Urk. 21; Urk. 23) mit Eingabe vom 12. Dezember 2022 vernehmen liess (Urk. 26). Nach Fristansetzung zur freigestellten Duplik (Urk. 28) verzichtete die Staatsanwaltschaft auf eine solche (Urk. 30). Die Untersuchungsakten wurden beigezogen (Urk. 14). Das Verfahren erweist sich als spruchreif.
Angefochten ist eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft. Dagegen ist die Beschwerde beim Obergericht zulässig (Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO und
§ 49 GOG). Die weiteren Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
In formeller Hinsicht ist festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaft das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt hat, indem diese entgegen Art. 318 Abs. 1 StPO nicht über die geplante Einstellung des Verfahrens orientiert wurde und ihr keine Gelegenheit gegeben wurde, weitere Beweisanträge zu stellen.
Der Erlass einer solchen Schlussverfügung ist als Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör zwingend (Urteile des Bundesgerichts 6B_208/2015 vom
24. August 2015 E. 5.3 und 6B_98/2016 vom 9. September 2016 E. 3.3) und hat auch in Verfahren betreffend aussergewöhnlichen Todesfall zu ergehen (Urteile des Bundesgerichts 6B_148/2017 vom 14. Juni 2017 E. 2.3.1 und 1B_362/2016 vom 27. Februar 2017 E. 4.1). Die entsprechende Mitteilung erfolgt an die Parteien, also gemäss Art. 104 Abs. 1 lit. a und lit. b StPO an die beschuldigte Person und die Privatklägerschaft. Die Parteimitteilung muss jedoch auch an Geschädigte erfolgen, die noch keine Gelegenheit erhalten haben, sich als Privatkläger zu konstituieren (STEINER, in: BSK StPO, 2. Aufl. 2014, Art. 318 N 3).
Vorliegend hat der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin der Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom 10. März 2022 seine Mandatierung angezeigt (Urk. 14/9/1). Gelegenheit, sich als Straf- und/oder Zivilklägerin zu konstituieren, erhielt sie noch nicht. In den Akten findet sich kein Hinweis darauf, dass die Staatsanwaltschaft der Beschwerdeführerin die Einstellung der Strafuntersuchung angekündigt hatte. Damit wurde ihr rechtliches Gehör verletzt.
Die Verletzung des rechtlichen Gehörs führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst grundsätzlich zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Vorbehalten bleiben jedoch Fälle, in denen der Mangel dadurch geheilt werden kann, dass die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor der Rechtsmittelinstanz zu äussern, welche über die Angelegenheit mit voller Kognition entscheidet. Die hiesige Kammer entscheidet im Beschwerdeverfahren gemäss Art. 393 Abs. 2 StPO mit voller Kognition. Die Beschwerdeführerin hat sich in ihrer Beschwerdeschrift und ihrer Replik eingehend zur Sache geäussert. Unter diesen Umständen wird die Gehörsverletzung durch das Beschwerdeverfahren geheilt; sie ist jedoch bei den Kostenfolgen zu berücksichtigen.
1. Die Staatsanwaltschaft erwog in der angefochtenen Verfügung im Wesentlichen, †B. sei am 7. März 2022 um ca. 08.00 Uhr aus dem Vollzug einer am
4. Juni 2021 angetretenen Freiheitsstrafe entlassen worden. Gemäss Krankengeschichte des C. sei er am frühen Abend des 7. März 2022 von der Sanität Zürich nicht ansprechbar und kaum atmend vorgefunden und mit Verdacht auf ei-
ne (Heroin-)Intoxikation ins C.
verbracht worden. Dort sei von einer Lungenentzündung infolge Einatmung von Mageninhalt im Rahmen von Benommenheit bei bestehender Vergiftung mit Opiaten ausgegangen und mit einer antibiotischen Therapie begonnen worden. Nach den ersten zwei Naloxon-Gaben sei
†B.
sehr agitiert gewesen und es habe der Sicherheitsdienst beigezogen
und ihm ein Beruhigungsmittel verabreicht werden müssen. Nach der letzten Naloxon-Gabe sei er gut führbar gewesen und habe nach Hause gehen wollen, sei jedoch eingeschlafen und um 04.50 Uhr wieder aufgewacht. Sodann habe er er- neut den Wunsch geäussert, nach Hause gehen zu wollen. Einen ihm nahegelegten stationären Spitalaufenthalt habe †B. abgelehnt und sich für die Entlassung nach Hause entschieden. Schliesslich habe er die Notfallstation in leicht re- duziertem Allgemeinzustand ohne Begleitung zu Fuss verlassen.
Gemäss Gutachten zum Todesfall des IRM vom 3. Mai 2022 gehe man aus rechtsmedizinischer Sicht bezüglich der Todesursache von einer zentralen Atemlähmung infolge einer Misch-Vergiftung mit Opiat-Drogen, Cocain und Amilsuprid aus. Weder autoptisch noch bildgeberisch hätten sich konkrete Hinweise auf eine todesursächlich relevante, mechanische Fremdeinwirkung ergeben. Gemäss rechtsmedizinischer Einschätzung sei der Tod am 8. März 2022 zwischen ca.
18.20 Uhr und 20.20 Uhr eingetreten, wobei sich bei der Obduktion diesbezüglich keine divergierenden Befunde ergeben hätten. Weiter hätten sich aus rechtsme- dizinischer Sicht nach Durchsicht der Krankenunterlagen keine Anzeichen einer ärztlichen pflegerischen Sorgfaltspflichtverletzung ergeben. Vielmehr sei
†B. , soweit beurteilbar, urteilsfähig und in der Lage gewesen, die Entschei- dung zum Verlassen des C. selbständig zu treffen. Somit habe die Untersuchung keinerlei Hinweise auf ein strafrechtlich relevantes Verhalten beim Tod von
†B. ergeben, weshalb das Verfahren einzustellen sei (Urk. 3 = Urk. 14/10).
Die Beschwerdeführerin entgegnet im Wesentlichen, am Entlassungstag habe der (später) Verstorbene eine Zeit mindestens relativer Drogenfreiheit hinter sich gehabt. Eine Drogenabstinenz könne im Vollzug jedoch nicht erwartet wer- den. Wie von allen erwartet, habe sich der Verstorbene bei seiner definitiven Entlassung aus dem Gefängnis sofort in den Kreis 4 begeben, um Drogen zu konsu-
mieren. Die verantwortlichen Ärzte in der Notfallstation des C.
seien aufgrund der Anamnese und der Akten zu seinen früheren Aufenthalten im C. über die Vorgeschichte des Verstorbenen und den Verlauf ab Haftentlassung bis zur Spitaleinweisung in Kenntnis gewesen. Angesichts der medizinischen Befun- de hätten sie den Verstorbenen niemals gehen lassen dürfen. Vielmehr hätten sie erkennen und spüren müssen, dass der Patient nur deshalb austreten wolle, damit er möglichst rasch wieder zu Drogen komme. Zudem hätten sich die Ärzte nicht um eine geordnete Entlassung gekümmert, seien doch bei der Legalinspektion auf dem Leichnam diverse medizinische Installationen gefunden worden. Möglicherweise sei eine ordentliche Austrittsvisite vom Verstorbenen nicht zugelassen worden aus praktischen Gründen nicht durchführbar gewesen. Spätestens dann hätte die Notwendigkeit einer fürsorgerischen Unterbringung geprüft werden müssen, springe doch die akute Selbstgefährdung angesichts des ärztlich festgehaltenen Zustands des Verstorbenen ins Auge. Aus den Akten sei aber nicht ersichtlich, dass ein Notfallpsychiater beigezogen worden wäre, womit die verantwortlichen Ärzte ihre Pflicht zur Hilfeleistung verletzt hätten. Diese hätten eine fürsorgerische Unterbringung mindestens prüfen müssen (Urk. 2 S. 4 ff.).
In ihrer Stellungnahme führte die Staatsanwaltschaft aus, dass sie das Problem einer allfälligen ungeordneten Entlassung und einer allfälligen fürsorgerischen Unterbringung durchaus erkannt habe. Gemäss IRM lägen indes keine Anhalts-
punkte für ein Fehlverhalten des C.
vor, welches zum Tod von †B.
geführt habe. Dass dessen Entlassung aus dem Spital nicht geordnet verlaufen sei, sei eine blosse und unbelegte Behauptung der Beschwerdeführerin. Insbesondere stellten die am Leichnam gefundenen Installationen keinen Beweis hierfür dar, handle es sich dabei doch um die Installationen der Notfallsanitäter im
Rahmen der Reanimation. Gemäss Krankengeschichte sei †B.
zunächst
zwar infolge der Verabreichung des Antidots stark agitiert gewesen, habe sich dann aber beruhigt, sei gut führbar gewesen und habe nach einigen Stunden Schlaf auch nicht mehr unter Entzugserscheinungen gelitten. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er bei seiner Entlassung nicht urteilsfähig bzw. nicht in der Lage gewesen wäre, den Entscheid zur Entlassung selbständig zu fällen. Da
†B. nicht freiwillig ins C. eingetreten sei, sei bereits fraglich, ob er gestützt auf Art. 427 ZGB hätte fürsorgerisch untergebracht werden können. Sodann stelle sich die Frage, ob für das Spitalpersonal eine akute Selbstgefährdung erkennbar gewesen wäre, welche eine fürsorgerische Unterbringung erfordert hätte. Der Verstorbene sei bis kurz vor seiner Einlieferung während neun Monaten im Strafvollzug gewesen, wobei nicht bekannt sei, ob er in dieser Zeit gänzlich drogenfrei gewesen sei. Ebenso sei seine Einstellung zu künftigem Drogenkonsum nach seiner Haftentlassung nicht bekannt gewesen. Dass er nur deswegen aus der Klinik habe austreten wollen, um möglichst rasch wieder zu Drogen zu kommen, sei eine blosse unbelegte Behauptung der Beschwerdeführerin. Auch die Ärzte des C. hätten zum Zeitpunkt des Spitalaustritts nicht wissen können, was das Ziel des Verstorbenen hinsichtlich künftigen Drogenkonsums gewesen sei. Folglich könne ihnen auch nicht vorgeworfen werden, sie hätten erkennen
und spüren müssen, dass †B.
habe aus der Klinik austreten wollen, um
möglichst rasch wieder zu Drogen zu kommen. Im Übrigen sei anzunehmen, dass eine Überdosis von Opiaten nach rund neun Monaten Freiheitsentzug, welche zu einer notfallmässigen Spitaleinweisung führe, selbst bei einem Drogenkonsumenten derart Eindruck hinterlassen würde, dass er nach der Entlassung aus dem Spital nicht umgehend im gleichen Umfange weiter konsumiere (Urk. 18).
Replicando ergänzte die Beschwerdeführerin, der Gutachter des IRM habe voreilig festgestellt, dass sich keine Anzeichen einer ärztlichen pflegerischen Sorgfaltspflichtverletzung ergäben. Im Gegenteil gebe der Gutachter selber Hinweise darauf, dass in der Art, wie es zur Entlassung des Verstorbenen aus dem C. gekommen sei, eine Sorgfaltspflichtverletzung liegen könnte. Insbeson- dere erscheine die Feststellung, wonach der Verstorbene im Moment seines Entscheids zum Verlassen der Klinik urteilsfähig gewesen sei, fragwürdig. Aufgrund dessen hohen Selbstgefährdungspotenzials hätten die C. -Ärzte zwingend die Notwendigkeit einer fürsorgerischen Unterbringung prüfen müssen. Weshalb eine Zwangsmassnahme von vornherein nicht indiziert gewesen sein solle, sei unerfindlich. Unter den am Leichnam festgestellten medizinischen Installationen befänden sich sodann klar solche, die bereits während der Hospitalisation im
C.
angebracht worden seien, namentlich die EKG-Klebeelektroden. Diese
seien nicht im Rahmen der erfolglosen Reanimation angebracht worden. Somit sei erstellt, dass das C. den Verstorbenen mit diesen angehängten Elektro- den entlassen habe. Die Staatsanwaltschaft klammere aus, dass allen Beteiligten, auch den Ärzten im C. , bekannt gewesen sei, dass der Verstorbene nach dem nur einen Tag zurückliegenden Austritt aus dem Strafvollzug kein anderes Ziel gehabt habe, als sich sofort ins Drogenmilieu zu begeben und massiv zu konsumieren (Urk. 26 S. 3 ff.).
Gemäss Art. 308 Abs. 1 StPO besteht der Zweck der Untersuchung darin, den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht so weit abzuklären, dass das Vorverfahren abgeschlossen werden kann. Bei der Verfolgung dieses Zwecks steht der Staatsanwaltschaft ein gewisser Ermessensspielraum zu. Insbesondere hat sie diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die zur Klärung des Falles Wesentliches beizutragen vermögen. Nach Beendigung des Untersuchungsverfahrens entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob ein Strafbefehl zu erlassen, Anklage zu erheben das Verfahren einzustellen sei (Art. 318 StPO). Eine vollständige teilweise Einstellung erfolgt nach Art. 319 Abs. 1 StPO unter anderem, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (lit. a).
Vorliegend fiele der Straftatbestand der fahrlässigen Tötung gemäss Art. 117 StGB in Betracht. Eine solche kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben, durch Unterlassen begangen werden. Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtsstellung dazu verpflichtet ist (Art. 11 StGB). Fahrlässig begeht ein Verbrechen Vergehen, wer die Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt darauf nicht
Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB). Die Erfüllung des Tatbestan- des der fahrlässigen Tötung setzt voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der dabei zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften (BGE 134 IV 175 E. 3.1 m.w.H.).
Der Arzt verletzt seine Pflichten (nur) dort, wo er eine Diagnose stellt bzw. eine Therapie ein sonstiges Vorgehen wählt, das nach dem allgemeinen fachlichen Wissensstand nicht mehr als vertretbar erscheint und daher den objektivierten Voraussetzungen der ärztlichen Kunst nicht genügt (Urteil des Bundesgerichts 1B_113/2012 vom 28. Dezember 2012 E. 6.3.1 m.w.H.). Der Arzt handelt mithin unsorgfältig, wenn sich sein Vorgehen nicht nach den durch die medizinische Wissenschaft aufgestellten und generell anerkannten Regeln richtet und dem jeweiligen Stand der Wissenschaft nicht entspricht (BGE 130 IV 7 E. 3.3 m.w.H.). Die nachträgliche Beurteilung aufgrund eines Verletzungsoder Todesfalls hat ex ante zu erfolgen, d.h. aus dem Kenntnisstand vor Eintritt des fatalen Ereignisses, zu den Zeitpunkten, in welchen die Diagnose gestellt bzw. die Therapie das sonstige Vorgehen gewählt werden mussten. Dass man im Nachhinein (vielleicht) ein anderes Vorgehen gewählt hätte, ist nicht von Belang (Urteil des Bundesgerichts 1B_113/2012 vom 28. Dezember 2012 E. 6.3.3).
Vorab ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin einzig beanstandet, dass die verantwortlichen Ärzte des C. die Notwendigkeit einer fürsorgerischen Unterbringung des Verstorbenen nicht prüften. Sie macht ausdrücklich nicht geltend, es lägen Hinweise auf eine todesursächliche relevante mechanische Fremdeinwirkung vor die getroffenen therapeutischen Massnahmen hätten nicht den Behandlungsstandards entsprochen (Urk. 2 S. 8). Damit stellt sich einzig die Frage, ob den behandelnden Ärzten strafrechtlich zum Vorwurf gereicht, dass sie keine fürsorgerische Unterbringung prüften. Allein aus dem Umstand, dass der Verstorbene (auf seinen ausdrücklichen Wunsch und entgegen dem Rat der Ärzte) aus dem Spital austrat und nicht in eine fürsorgerische Unter-
bringung eingewiesen wurde, folgt jedoch noch keine Sorgfaltspflichtverletzung. Für die Beantwortung der Rechtsfrage, ob den behandelnden Ärzten sowie dem Pflegepersonal eine für den Tod von †B. adäquat-kausale Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist, ist zu beurteilen, ob die unterlassene Prüfung einer fürsorgerischen Unterbringung zum damaligen Zeitpunkt, ex ante, nach dem allgemeinen fachlichen (medizinischen) Wissensstand nicht mehr als vertretbar erscheint und daher den objektivierten Voraussetzungen der ärztlichen Kunst nicht genügte.
7.
Die Staatsanwaltschaft gab am 10. März 2022 beim IRM ein Gutachten in Auftrag, wobei sie unter anderem die Frage stellte, ob es Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des C. gebe, welches zum Tod von †B. geführt habe (Urk. 14/7/2 S. 2). Das IRM führt diesbezüglich aus, die Gabe des Opiat-Antidots Naloxon sei bei der vorhandenen Atemdepression indiziert gewesen. Da die Naloxon-Gabe die Wirkung der Opiate kurzzeitig aufhebe, sei zu erwarten gewesen, dass es in der Folge zu einer starken Agitation (Unruhe, Erregung) von †B. gekommen sei, was dem akut eintretenden Entzug geschuldet sei. †B. habe sich gemäss der Dokumentation jedoch zunehmend führbar gezeigt, sodass er am 8. März 2022 gegen 04.50 Uhr spontan, sprich ohne vorangegangene Naloxon-Gabe, erwacht sei und erneut den Wunsch nach einer Entlassung nach Hause geäussert habe. Er habe vom Spitalpersonal nicht von einem stationären Aufenthalt überzeugt werden können. Aus rechtsmedizinischer Sicht sei
†B. , soweit dies anhand der vorliegenden Unterlagen beurteilbar sei, urteilsfähig und in der Lage gewesen, diese Entscheidung selbständig zu treffen, sodass eine Zwangsmassnahme seitens des C. , bspw. ein Zurückhalten gegen dessen Willen, nicht indiziert gewesen wäre. Die Ergebnisse der pharmakologisch-toxikologischen Untersuchungen sprächen insgesamt dafür, dass
†B.
nach dem Verlassen des C. erneut einen Substanzkonsum betrieben haben dürfte. Aus rechtsmedizinischer Sicht hätten sich nach Durchsicht der Krankenunterlagen keine Anzeichen einer ärztlichen pflegerischen Sorgfaltspflichtverletzung ergeben (Urk. 14/7/5 S. 6 f.).
Die Schlussfolgerungen des IRM sind – entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin (vgl. Urk. 26 S. 3) – als schlüssig und nachvollziehbar begrün- det zu qualifizieren. So hat der Gutachter einleuchtend dargelegt, dass der Verstorbene aus gutachterlicher Sicht urteilsfähig und in der Lage gewesen sei, selbständig über seine Entlassung aus der Spitalpflege zu entscheiden, zumal er frühmorgens gegen 04.50 Uhr ohne vorangegangene Naloxon-Gabe, mithin spontan, erwacht sei und erneut seinen Wunsch nach Entlassung geäussert habe. Gegenteilige Überzeugungsbemühungen des Spitalpersonals seien erfolglos geblieben. Mithin ergibt sich aus diesen Ausführungen, dass der (später) Verstorbe- ne wach, bewusstseinsklar und in der Lage war, seinen Wunsch nach Entlassung unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, und zwar nicht nur einmalig, son- dern mehrfach. Aus welchen Gründen Anlass dazu bestehen könnte, an der Urteilsfähigkeit des Verstorbenen im Zeitpunkt der Fassung seines Entschlusses zur Entlassung aus der Spitalpflege zu zweifeln, ist nicht ersichtlich und legt auch die Beschwerdeführerin nicht dar. Dass dem Verstorbenen die Urteilsfähigkeit abzusprechen gewesen wäre, ergibt sich insbesondere nicht aus den gestellten Diag- nosen und den erforderlichen medikamentösen Eingriffen, wie die Beschwerdeführerin vorbringen lässt (Urk. 26 S. 3). Vor dem Hintergrund der soeben geschil- derten Umstände ist auch nicht zu beanstanden, dass der Gutachter zum Schluss kam, eine Zwangsmassnahme gegen den Willen des Verstorbenen wäre nicht in- diziert gewesen, zumal – wie noch zu zeigen sein wird – die behandelnden Ärzte nicht davon ausgehen mussten, dass der Verstorbene umgehend nach seiner Entlassung aus der Spitalpflege erneut einem Substanzkonsum in ähnlichem Ausmass wie zuvor nachgehen würde.
Soweit die Beschwerdeführerin sodann einwendet, es sei zu bezweifeln, dass die behandelnden Ärzte den (später) Verstorbenen mit genügender Intensität zurückzuhalten versucht hätten, kann ihr nicht gefolgt werden. Aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen des C. , namentlich dem Austrittsbericht und dem Patientenblatt (Urk. 14/7/5 Beilage), geht unmissverständlich hervor, dass der Verstorbene sich selber aus der Spitalpflege entlassen habe, obschon ihm eine stationäre Aufnahme nahegelegt worden sei. Von einem längeren Bleiben habe er nicht überzeugt werden können. Mithin bestehen gestützt auf die Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass die behandelnden Ärzte den Verstorbenen nicht mit dem nötigen Nachdruck davon zu überzeugen versucht hätten, angesichts seines Gesundheitszustandes in stationärer Behandlung zu bleiben. Dass der Verstorbene nicht in der Lage gewesen wäre, diesbezüglich einen eigenverantwortlichen Entscheid zu fällen, ist – wie erwähnt – nicht ersichtlich. Im Gegenteil habe er sich gemäss den Unterlagen des C. allmählich wieder beruhigt und sich gut führbar gezeigt. Nach dem Gesagten kann den behandelnden Ärzten insoweit kein Vorwurf gemacht werden.
Weiter moniert die Beschwerdeführerin, es sei keine ordentliche Austrittsvisite erfolgt bzw. bei der Entlassung aus dem C. sei nicht die gebotene Sorgfalt an den Tag gelegt worden. Dies zeige sich daran, dass bei der Legalinspektion des Verstorbenen EKG-Klebeelektroden an diesem festgestellt wurden, wel-
che während der Hospitalisation durch das C. (Urk. 26 S. 4).
angebracht worden seien
Woher die Information im Bericht zur Legalinspektion stammt, wonach die betreffenden EKG-Klebeelektroden während der Hospitalisation durch das
C.
angebracht worden sein sollen (Urk. 14/7/1 S. 3 oben), lässt sich gestützt auf die vorliegenden Akten nicht nachvollziehen. Es ist indes ohne Weiteres denkbar, dass diese Elektroden im Zusammenhang mit der von den Notfallsanitätern durchgeführten Reanimation stehen, enthält doch das Einsatzprotokoll vom
8. März 2022 auf Seite 3 ein entsprechendes Verlaufsdiagramm (wie auch bereits das Einsatzprotokoll vom Vortag) und findet sich zum anderen im Einsatzprotokoll vom 7. März 2022 unter Anamnese ausdrücklich der Vermerk EKG Si- nustachykardie bei HF 120. Offenbar wurde demnach von den Rettungssanitätern die Funktion des Herzens des (später) Verstorbenen laufend mittels EKG überprüft. Mithin lässt sich gestützt auf die vorliegenden Akten entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht erstellen, dass die EKG-Klebeelektroden noch von der Behandlung im C. stammen sollen.
Selbst wenn die EKG-Klebeelektroden aber tatsächlich noch von der Be-
handlung im C.
vom Vortag stammen sollten, liesse sich allein aufgrund
dessen mitnichten darauf schliessen, dass im Zusammenhang mit der (Selbst)Entlassung des (später) Verstorbenen aus der Spitalpflege nicht mit der gebote- nen Sorgfalt vorgegangen worden wäre. Im Gegenteil geht aus der Krankengeschichte unzweideutig hervor, dass zwar versucht wurde, den (später) Verstorbe- nen von einem längeren stationären Aufenthalt zu überzeugen, die entsprechen- den Bemühungen indes nicht von Erfolg gekrönt waren. Dass die Entlassung voreilig und unsorgfältig erfolgt wäre, wie die Beschwerdeführerin moniert, ergibt sich daraus nicht. In diesem Zusammenhang kann sodann nicht ausser Acht gelassen
werden, dass es gestützt auf die Akten des C.
der (später) Verstorbene
selber war, welcher auf eine möglichst baldige Entlassung aus der Spitalpflege drängte. Die Beschwerdeführerin räumt denn auch selber ein, dass möglicherweise eine ordentliche Austrittsvisite vom (später) Verstorbenen gar nicht zugelassen wurde aus praktischen Gründen nicht durchführbar war (Urk. 2 S. 7). Inwiefern den behandelnden Ärzten nach dem Gesagten ein (strafrechtlich relevanter) Vorwurf gemacht werden könnte, ist nicht ersichtlich, zumal allein eine allfällig unterbliebene ausführliche Austrittsvisite noch keine Notwendigkeit der Prüfung einer fürsorgerischen Unterbringung begründet.
Zu beantworten bleibt somit die Frage, ob die Ärzte und das Pflegepersonal des C. hätten voraussehen können und müssen, dass der (später) Verstorbene nach seiner Entlassung aus der Spitalpflege auf direktem Weg wieder einen Substanzkonsum betreiben könnte und sie deshalb verpflichtet gewesen wären, dessen fürsorgerische Unterbringung zu prüfen. Wie erwähnt, hat die nachträgliche Beurteilung aufgrund eines Todesfalls ex ante zu erfolgen, d.h. aus dem Kenntnisstand vor Eintritt des fatalen Ereignisses. Mithin lässt sich allein aus dem Umstand, dass der Verstorbene gemäss dem Gutachten des IRM offenbar nach seiner Spitalentlassung tatsächlich erneut einen Substanzkonsum betrieb, welcher zu seinem Tod führte, nicht im Umkehrschluss ableiten, dass die behandeln- den Ärzte diese tragische Entwicklung hätten voraussehen können und müssen.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann vorliegend nicht gesagt werden, es habe eine für das Spitalpersonal ohne Weiteres erkennbare akute Selbstgefährdung des Verstorbenen vorgelegen, welche eine fürsorgerische Unterbringung desselben erfordert hätte. Wie sich aus der Krankengeschichte des
C. ergibt, war der Verstorbene – nach einer anfänglichen starken Agitation infolge der Naloxon-Gaben bzw. den damit verbundenen Entzugserscheinungen – mit der Zeit wieder deutlich besser führbar und bekundete nach einigen Stunden Schlaf erneut klar seinen Wunsch nach Entlassung aus der Spitalpflege. Mithin hatte sich sein Zustand seit seiner Einlieferung am Vorabend wieder deutlich stabilisiert, wenngleich aus ärztlicher Sicht eine weitere stationäre Behandlung indiziert und wünschenswert gewesen wäre. Dafür, dass es sich beim Entscheid zur Entlassung aus der Spitalpflege nicht um einen eigenverantwortlichen Entscheid des als urteilsfähig einzustufenden Verstorbenen gehandelt hätte, bestehen so- dann gestützt auf die Akten keine Anhaltspunkte. Diesen eigenverantwortlichen Entscheid hatten die verantwortlichen Ärzte und Pflegenden grundsätzlich zu respektieren bzw. war mit einer Zurückbehaltung des (später) Verstorbenen gegen dessen ausdrücklichen Willen Zurückhaltung geboten.
Eine für die Ärzte und Pflegenden unübersehbare, akute Selbstgefährdung des (später) Verstorbenen ist gestützt auf die vorliegenden Akten nicht ersichtlich. Zwar hatten diese Kenntnis von der Krankengeschichte des Verstorbenen und damit auch vom Vorfall am Vorabend, als der Verstorbene – kurz nach seiner Entlassung aus dem Vollzug einer rund neunmonatigen Freiheitsstrafe – infolge Substanzkonsums mit Verdacht auf eine (Heroin-)Intoxikation ins C. verbracht werden musste. Allein aufgrund dieser Vorgeschichte mussten die behandelnden Ärzte und das Pflegepersonal indes nicht davon ausgehen, dass der Verstorbene nur deshalb aus der Spitalpflege austreten möchte, um gleich wieder Drogen zu konsumieren. Wie die Staatsanwaltschaft zu Recht ausführt (Urk. 18), wäre im Gegenteil bei lebensnaher Betrachtung zu erwarten gewesen, dass eine Überdosis mit notfallmässiger Spitaleinweisung selbst an einem regelmässigen Drogenkonsumenten nicht spurlos vorübergeht und sich dieser nicht umgehend wieder zu einem Konsum in vergleichbarem Ausmass hinreissen lässt. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass der Verstorbene kurz zuvor aus dem Strafvollzug entlassen worden war, womit er zwangsläufig während längerer Zeit zumindest weitgehend drogenabstinent war und sein Körper demzufolge nicht mehr an einen regelmässigen Drogenkonsum gewöhnt war. Letzteres hatte der Vorfall am Vorabend denn auch in aller Deutlichkeit aufgezeigt. Vor diesem Hintergrund und
auch angesichts des stabilisierten Zustandes des Verstorbenen nach medizinischer Behandlung und einigen Stunden Schlaf kann mithin nicht gesagt werden, es habe sämtlichen Beteiligten klar sein müssen, dass der Verstorbene kein an- deres Ziel gehabt habe, als sofort wieder massiv Drogen zu konsumieren, wie die Beschwerdeführerin vorbringt (Urk. 26 S. 5). Das behauptete Selbstgefährdungspotenzial war aufgrund der gesamten Umstände mithin nicht geradezu augenfällig, womit für die behandelnden Ärzte auch kein Anlass bestand, einen Notfallpsychiater aufzubieten. Letztlich hat sich der Verstorbene bewusst und frei verantwortlich der Gefahr seiner eigenen Rechtsgüter (Leib und Leben) durch den er- neuten Drogenkonsum ausgesetzt, was die behandelnden Ärzte und das Pflegepersonal am C. gestützt auf die vorstehenden Ausführungen indes nicht voraussehen konnten und mussten.
Welche weiteren Untersuchungshandlungen noch vorgenommen werden könnten, welche an diesem Ergebnis etwas zu ändern vermöchten, ist sodann nicht ersichtlich und wird auch von der Beschwerdeführerin nicht dargetan.
8. Nach dem Gesagten liegen, wie in der angefochtenen Verfügung festgestellt, keine Hinweise für ein strafrechtlich relevantes Verhalten beim Tod von
†B. vor. Es handelt sich um einen äusserst tragischen Todesfall, für den in strafrechtlicher Hinsicht jedoch niemand verantwortlich ist. Die Einstellungsverfügung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist abzuweisen.
Grundsätzlich sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens von der unterliegenden Partei, vorliegend von der Beschwerdeführerin, zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die erfolgte Gehörsverletzung (vgl. oben E. II/2.) rechtfertigt es vorliegend jedoch, die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Aufgrund ihres Unterliegens ist der Beschwerdeführerin keine Prozessentschädigung zuzusprechen.
Es wird beschlossen:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Kosten erhoben und keine Prozessentschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an:
Rechtsanwalt Dr. iur. X. , zweifach, für sich und die Beschwerdeführerin (per Gerichtsurkunde)
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, ad F-2/2022/10008909 (gegen Empfangsbestätigung)
sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel an:
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, ad F-2/2022/10008909 unter Rücksendung der beigezogenen Akten [Urk. 14] (gegen Empfangsbestätigung)
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben wer- den.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 27. Februar 2023
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Der Präsident:
lic. iur. A. Flury
Die Gerichtsschreiberin:
Dr. iur. E. Welte
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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