Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UE210385 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 14.06.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Nichtanhandnahme |
Zusammenfassung : | In dem Fall ZK2 2018 47 ging es um vorsorgliche Massnahmen (Unterhalt) zwischen A.________ (Gesuchsgegner und Berufungsführer) und B.________ (Gesuchstellerin und Berufungsgegnerin), die verheiratet waren und zwei gemeinsame Töchter haben. Nachdem die Gesuchstellerin vorsorgliche Massnahmen beantragt hatte, entschied der Einzelrichter am Bezirksgericht Höfe im Juni 2018, dass die Gesuchstellerin die vormals eheliche Wohnung und das Auto allein nutzen darf und der Gesuchsgegner Unterhaltsbeiträge zahlen muss. Der Gesuchsgegner legte Berufung ein und argumentierte unter anderem gegen die Berechnung der Wohnkosten der Gesuchstellerin. Das Kantonsgericht bestätigte die Entscheidung des Einzelrichters im Oktober 2018 und verpflichtete den Gesuchsgegner, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen und der Gesuchstellerin eine Parteientschädigung zu zahlen. |
Schlagwörter : | Richt; Schweiz; Anzeige; Nötigung; Erpressung; Dossier; Androhung; Täter; Zuständigkeit; Beschuldigte; Recht; Staatsanwaltschaft; Erfolg; Schweizer; Anzeige; Handlung; Anzeigeerstatter; Forderung; Beschwerdeführers; Nichtanhandnahme; Verfahren; Untersuchung; Behörden; Verfolgung; Interessen |
Rechtsnorm: | Art. 181 StGB ; Art. 3 StGB ; Art. 39 StPO ; Art. 390 StPO ; Art. 8 StGB ; |
Referenz BGE: | 121 IV 145; 122 IV 322; 141 IV 437; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UE210385-O/U/MUL
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. A. Flury, Präsident, die Oberrichterinnen lic. iur.
C. Gerwig und lic. iur. K. Eichenberger sowie Gerichtsschreiberin Dr. iur. C. Schoder
Beschluss vom 14. Juni 2022
in Sachen
Beschwerdeführer
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1. vertreten durch Rechtsanwalt MLaw X2.
gegen
Beschwerdegegnerinnen betreffend Nichtanhandnahme
Erwägungen:
A. liess am 3. Juni 2021 gegen B. Strafanzeige wegen versuchter Erpressung und versuchter Nötigung, eventualiter wegen Anstiftung zu Erpressung und Nötigung erstatten (Dossier 1, Urk. 14/1/1). Der Anzeigeerstatter brachte vor, er und die Beschuldigte hätten beträchtliche Geldsummen in eine Unternehmung namens C. Inc. (fortan C. ) investiert. Die Gründer und wirtschaftlich an dieser Unternehmung berechtigten Perso- nen hätten die investierten Mittel aber veruntreut. In Russland sei seit 2017 ein Strafverfahren gegen die Verantwortlichen der C. hängig, in welchem der Anzeigeerstatter und die Beschuldigte als geschädigte Personen involviert seien. Da die Beschuldigte ihre Investitionen aufgrund einer Empfehlung des Anzeigeerstatters getätigt habe, mache sie ihn für ihren erlitte- nen finanziellen Schaden verantwortlich. Die Beschuldigte habe die D. GmbH mit der Wahrung ihrer Interessen beauftragt. In einem Schreiben vom
6. Juli 2020 habe die Beschuldigte dem Anzeigeerstatter androhen lassen, dass sie gegen ihn eine Zivilklage und eine Strafanzeige einreichen werde und bei der E. , der Arbeitgeberin seines Sohnes, eine interne Untersuchung veranlassen werde, wenn er ihr nicht USD 2'000'000 und EUR 411'200 überweise. Die geltend gemachten Ansprüche hätten aber keine Rechtsgrundlage. Zudem stehe die Androhung einer internen Untersuchung bei der Arbeitgeberin des Sohnes des Anzeigeerstatters in keinem Zusammenhang mit der angeblichen Forderung der Beschuldigten (Dossier 1, Urk. 14/1/1, insb. S. 5 f.).
Mit Verfügung vom 25. Oktober 2021 entschied die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, keine Strafuntersuchung an Hand zu nehmen (Urk. 6/1). Zur Begründung führte sie aus, bei der vorliegenden Sache handle es sich in erster Linie um eine zivilrechtliche Streitigkeit. Die Beschuldigte sei berechtigt, eine Zivilklage zu erheben und eine Strafanzeige einzureichen. Eine diesbezügliche Androhung erfülle keinen Straftatbestand. Auch die Androhung, bei der
E.
eine interne Untersuchung zu veranlassen, sei erlaubt, zumal die
Beschuldigte die Untersuchung beim internen Kontrollorgan der Bank initiieren wolle und sich aus dem Schreiben der D. GmbH vom 6. Juli 2020 ergebe, dass der Sohn des Anzeigeerstatters in die Angelegenheit verwickelt sei (Urk. 6/1 S. 2).
Am 1. September 2021 liess A.
eine zweite Strafanzeige gegen
B. wegen einer WhatsApp-Nachricht erstatten, ohne sich zu äussern, welcher Straftatbestand erfüllt worden sein soll (Dossier 2, Urk. 14/2/1). Laut Staatsanwaltschaft sei anzunehmen, dass es wiederum um versuchte Nötigung und versuchte Erpressung, eventualiter Anstiftung zu Nötigung und Erpressung gehe (Urk. 6/2 S. 1). In der besagten WhatsApp-Nachricht wur- de der Anzeigeerstatter auf die Folgen für ihn und seine Familie aufmerksam gemacht, wenn er der Beschuldigten die geforderte Geldsumme nicht zahle und wegen Betrugs verurteilt würde.
Mit einer zweiten, ebenfalls vom 25. Oktober 2021 datierenden Verfügung entschied die Staatsanwaltschaft, auch bezüglich dieser zweiten Strafanzeige keine Strafuntersuchung gegen die Beschuldigte zu eröffnen (Urk. 6/2). Der Wortlaut der WhatsApp-Nachricht sei zu wenig konkret, als dass diese als strafbare Äusserung qualifiziert werden könnte. Der Urheber der Nachricht weise in erster Linie auf das Strafverfahren in Russland und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten hin. Mangels Androhung eines darüber hinausgehenden konkreten Übels seien die Formulierungen nicht geeignet, die Tatbestände der Nötigung und Erpressung zu erfüllen (Urk. 6/2 S. 2).
A.
(fortan Beschwerdeführer) liess bei der hiesigen Kammer Beschwerde erheben mit dem Antrag, die Nichtanhandnahmeverfügungen vom
25. Oktober 2021 (Dossier 1 und Dossier 2) seien aufzuheben und es sei die Staatsanwaltschaft anzuweisen, gegen B. (fortan Beschwerdegegnerin) eine Strafuntersuchung durchzuführen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse. Ausserdem sei davon Vormerk zu nehmen, dass sich der Beschwerdeführer im Strafverfahren als Straf- und Zivilkläger beteilige (Urk. 2 S. 2).
In der Folge wurde dem Beschwerdeführer Frist angesetzt, um eine Prozesskaution von einstweilen CHF 2'800.-zu leisten (Urk. 7). Diese ging rechtzeitig bei der Gerichtskasse ein (vgl. Urk. 12).
Im Hinblick auf den klaren Ausgang des Verfahrens wird auf die Einholung von Stellungnahmen verzichtet (vgl. Art. 390 Abs. 2 StPO).
1.
Die internationale Zuständigkeit der schweizerischen Strafbehörden, die sich nach dem räumlichen Anwendungsbereich des Strafrechts richtet, ist von Amtes wegen zu prüfen (A NDREAS EICKER, Der räumliche und zeitliche Geltungsbereich des nationalen Wirtschaftsstrafrechts, in: Jürg-Beat Ackermann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2. Aufl. 2021, S. 79 N. 2 f.). Gleiches gilt für die innerstaatliche Zuständigkeit (Art. 39 Abs. 1 StPO).
Die internationale Zuständigkeit der schweizerischen Strafbehörden ergibt sich aus Art. 3 ff. StGB. Primärer Anknüpfungspunkt bildet das Territorialitätsprinzip (BGE 121 IV 145 E. 2b/bb). Nach Art. 3 Abs. 1 StGB ist dem Strafgesetzbuch unterworfen, wer in der Schweiz ein Verbrechen Vergehen begeht. Mit der Verankerung des Ubiquitätsprinzips in Art. 8 StGB öffnet sich der Anwendungsbereich des Strafgesetzbuches allerdings auch für Taten mit Auslandsbezug. Nach Art. 8 Abs. 1 StGB gilt ein Verbrechen Vergehen nicht nur als da begangen, wo der Täter es ausführt pflichtwidrig untätig bleibt (Begehungsort), sondern auch da, wo der Erfolg eingetreten ist (Erfolgsort). Der Versuch gilt nach Art. 8 Abs. 2 StGB als da begangen, wo der Täter ihn ausführt, und da, wo nach seiner Vorstellung der Erfolg hätte eintreten sollen.
Der Erfolgsbegriff im Sinne von Art. 8 StGB ist autonom, von der Dogmatik der Erfolgsdelikte losgelöst auszulegen und umfasst nicht nur den Aussenerfolg bei Erfolgsdelikten, sondern auch die Auswirkungen schlichter Tätig-
keitsdelikte (OGer ZH, Beschluss UE210332 vom 10.5.22 E. II/3.4, zur Publikation bestimmt).
Sind mehrere Täter an einer Straftat beteiligt, wird das Verhalten des einen Täters den anderen Tätern zugerechnet. Handelt ein Mittäter in der Schweiz, ist die Zuständigkeit der Schweizer Behörden zur Strafverfolgung aller Täter gegeben (BGer, Urteil 6B_518/2014 vom 4.12.14 E. 10.7.1; P ETER POPP/TORNIKE KESHELAVA, in: Basler Kommentar zum Strafrecht I, 4. Aufl. 2019, Art. 8 N. 15; SABINE GLESS, Internationales Strafrecht, 3. Aufl. 2021,
S. 62 N. 172). Auch ein in der Schweiz eingetretener Taterfolg eines Mittäters begründet die Zuständigkeit der Schweizer Behörden für alle Mittäter (POPP/KESHELAVA, a.a.O., Art. 8 N. 15).
Bei der mittelbaren Täterschaft gilt der Ort, an dem der mittelbare Täter auf den Tatmittler einwirkt, als Begehungsort. Der Erfolgsort liegt dort, wo der Tatmittler die Straftat ausführt, und dort, wo sich diese Straftat auswirkt (P OPP/KESHELAVA, a.a.O., Art. 8 N. 15; teilw. a.A. GLESS, a.a.O., S. 62
N. 170, wonach der Handlungsort des Tatmittlers Begehungsort sei).
Bei Anstiftung und Gehilfenschaft gilt dagegen der Grundsatz der Akzessorietät. Der Handlungsort des Anstifters Gehilfen richtet sich nach dem Ort der Haupttat. Wird die Haupttat in der Schweiz ausgeführt tritt der Erfolg in der Schweiz ein, ist die Zuständigkeit der Schweizer Behörden gegeben (BGE 144 IV 265 E. 2; P OPP/KESHELAVA, a.a.O., Art. 8 N. 16;
GLESS, a.a.O., S. 62 N. 171).
Die landesinterne Zuständigkeit richtet sich nach Art. 31 ff. StPO. Diese Vorschriften kommen aber erst zur Anwendung, wenn die Tat in den räumlichen Anwendungsbereich des Strafgesetzbuches fällt (P OPP/ KESHELAVA, a.a.O., Art. 8 Rz. 2).
Der Beschwerdeführer ist in Monaco wohnhaft. Das inkriminierte Schreiben der D. GmbH mit dem nötigenden und erpresserischen Inhalt wurde an seine Adresse in F. [russische Stadt] geschickt (vgl. Urk. 14/1/2/3).
Daraus ist zu schliessen, dass der durch die Zustellung des Schreibens erzielte Taterfolg nicht in der Schweiz eintrat.
Bei der Beschwerdegegnerin handelt es sich um eine russisch-
schweizerische Doppelbürgerin. Sie war in der Gemeinde G.
wohnhaft, meldete sich aber am 8. August 2011 per 6. August 2011 ohne weitere Angaben nach Russland ab (vgl. Urk. 11).
Dem Schreiben der D. GmbH vom 6. Juli 2020 ist zu entnehmen, dass die Beschwerdegegnerin diese Unternehmung mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragte. Die D.
GmbH hat ihren Sitz an der H. Strasse in … Zürich. Das inkriminierte Schreiben wurde mutmasslich an diesem Ort abgefasst.
Wenn die Tatbeiträge der Beschwerdegegnerin und der D. GmbH als Handeln in Mittäterschaft qualifiziert werden, ist die Zuständigkeit der Schweizer Behörden zur Strafverfolgung der Beschwerdegegnerin zu bejahen, da der Handlungsort der D.
GmbH für die Strafverfolgung der
Beschwerdegegnerin einen Anknüpfungspunkt bildet. Wird der Tatbeitrag der Beschwerdegegnerin als Anstiftung qualifiziert, richtet sich die Zustän- digkeit nach dem Ort der Haupttat, welcher sich in Zürich befindet. Auch in diesem Fall ist die Zuständigkeit der Schweizer Behörden zur Strafverfolgung der Beschwerdegegnerin gegeben. Wenn die Beschwerdegegnerin die
Verantwortlichen der D.
GmbH als Werkzeug zur Nötigung und Erpressung benutzt haben sollte, so bildet der Handlungsort der D. GmbH als Tatmittlerin ebenfalls einen Anknüpfungspunkt zur Strafverfolgung der Beschwerdegegnerin in der Schweiz. Die Zuständigkeit der schweizerischen Strafbehörden zur Ahndung der zur Anzeige gebrachten Nötigung und Erpressung des Beschwerdeführers mittels des von der D. GmbH verfassten Schreibens (Dossier 1) ist demnach in allen Konstellationen zu bejahen.
Handlungsort der D. GmbH ist wie gesagt Zürich. Somit sind die Zürcher Strafverfolgungsbehörden zur Ahndung der Straftaten im Dossier 1 zuständig (Art. 31 Abs. 1, Art. 33 Abs. 1 und Abs. 2 StPO).
Die Täterschaft der inkriminierten WhatsApp-Nachricht ist nicht bekannt, wenngleich deren Inhalt darauf hindeutet, dass die Beschwerdegegnerin dahintersteht. Der Ort der Begehung der Nötigung und Erpressung ist der Ort, an dem die Nachricht versandt wurde (vgl. Beschluss UE210332, a.a.O.,
E. II/3.5). Dieser lässt sich bei über das Internet versandten Nachrichten nicht eruieren. Der Erfolgsort befindet sich mutmasslich nicht in der Schweiz.
Solange es keine Hinweise darauf gibt, dass die Nachricht von einem Ort in der Schweiz aus verschickt wurde, sind die Schweizer Strafbehörden zur Ahndung dieses Delikts örtlich nicht zuständig. Die angefochtene Nichtanhandnahmeverfügung (Dossier 2) erweist sich im Ergebnis als richtig. Auf die Beschwerde ist mangels Zuständigkeit der Schweizer Strafbehörden nicht einzutreten.
Die in der Strafprozessordnung geregelten Voraussetzungen des Sachentscheids sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung im Dossier 1 ist somit einzutreten.
Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen Folgendes vor: Es treffe nicht zu, dass sein Sohn in die Sache verwickelt sei. Mit der Androhung zivil- und strafrechtlicher Mittel gegen ihn selbst könne er gut leben. Jedoch gehe die Beschwerdegegnerin zu weit, wenn sie seinen Sohn benutze, um an die geforderte Geldsumme heranzukommen. Sein Sohn kenne die Beschwer- degegnerin zwar aufgrund einer früheren Zusammenarbeit. Zudem habe sein Sohn die Beschwerdegegnerin verschiedene Male privat unterstützt. Diese Unterstützungsleistungen hätten mit der Arbeit seines Sohnes bei der
E.
aber nichts zu tun. Zwischen seinem Sohn und der Beschwerdegegnerin bestünden keine geschäftlichen Beziehungen. Die Staatsanwaltschaft habe diesbezüglich falsche Annahmen getroffen und den Sachverhalt rechtlich unrichtig gewürdigt (Urk. 2 S. 7).
Nötigung begeht, wer jemanden durch Gewalt Androhung ernstlicher Nachteile andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen zu dulden (Art. 181 StGB). Der Erpressung macht sich schuldig, wer jemanden in der Absicht, sich einen andern unrechtmässig zu bereichern, durch Gewalt Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selber ei- nen andern am Vermögen schädigt (Art. 156 Ziff. 1 StGB).
Das Tatbestandsmerkmal der Androhung ernstlicher Nachteile ist wörtlich und inhaltlich bei beiden Straftatbeständen dasselbe (P HILIPPE WEISSENBER- GER, in: Basler Kommentar Strafrecht I, 4. Aufl. 2019, Art. 156 N. 10). Der Täter stellt dem Opfer die Zufügung eines Übels in Aussicht, dessen Eintritt er als von seinem Willen abhängig erscheinen lässt. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Täter die Drohung wahrmachen will kann, sofern nur die angedrohten Nachteile ernstlich erscheinen (WEISSENBERGER, a.a.O., Art. 156 N. 16). Ernstlich sind die Nachteile, wenn ihre Androhung aus objektiver Sicht geeignet ist, auch eine besonnene Person in der Lage des Betroffenen gefügig zu machen und so seine freie Willensbildung und betätigung zu beschränken (BGE 122 IV 322 E. 1a; BGer, Urteile 6B_328/2021 vom 13.4.22 E. 3.2.2; 6B_363/2017 vom 21.3.18 E. 1.3). Die
Drohung mit einer Strafanzeige stellt grundsätzlich eine Androhung ernstlicher Nachteile dar. Ein Strafverfahren bedeutet für die beschuldigte Person regelmässig eine erhebliche Belastung, selbst wenn das Verfahren schliesslich mit einer Einstellung einem Freispruch seinen Abschluss findet. Die beschuldigte Person wird daher geneigt sein, dem Druck, der von der Strafanzeige ausgeht, nachzugeben (BGer, Urteil 6B_1037/2019 vom 24.6.20 E. 2.3.3).
Die Rechtswidrigkeit einer Nötigung bedarf einer besonderen Begründung. Sie ist unrechtmässig, wenn das Mittel der Zweck unerlaubt ist wenn das Mittel zum erstrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht o-
der wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und ei- nem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich sittenwidrig ist (BGE 141 IV 437 E. 3.2.1; 137 IV 326 E. 3.3.1). So ist bspw. die Androhung einer Strafanzeige grundsätzlich erlaubt, wenn diese nicht völlig unbegründet erscheint. Unzulässig ist die Drohung mit einer Strafanzeige indessen, wenn zwischen dem Straftatbestand, der angezeigt werden soll, und der gestellten Forderung jeder sachliche Zusammenhang fehlt (BGer, Urteil 6B_1272/2021 vom 28.4.22 E. 2.1.2).
Anders als bei der Nötigung ergibt sich beim Tatbestand der Erpressung die Rechtswidrigkeit bereits aus dem Zweck der Nötigung, da die erpresserische Handlung darauf gerichtet ist, das Opfer zu einer schädigenden Vermögensdisposition zu motivieren bzw. dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu erlangen. Erweist sich bereits die angestrebte Vermögensverschiebung als unrechtmässig, erübrigt es sich, die nötigende Handlung weiter auf ihre Rechtswidrigkeit zu prüfen (W EISSENBERGER, a.a.O., Art. 156
N. 21). Eine Erpressung kann daher auch bei Drohung mit rechtmässigen Mitteln vorliegen. Das trifft etwa zu, wenn der Täter zur Durchsetzung einer Forderung ein an sich erlaubtes, freigestelltes Verhalten androht wie bspw. Strafanzeige zu erstatten -, der erhobene Anspruch aber überhaupt nicht besteht, rechtlich nicht durchsetzbar übersetzt ist (BGer, Urteil 6B_402/2008 vom 6.11.08 E. 2.4.2.3). Rechtmässige Mittel müssen dazu dienen, liquide zumindest berechtigte Ansprüche durchzusetzen berechtigte Interessen zu verfolgen. Wer bspw. dem Betrüger mit einer Strafanzeige, Schuldbetreibung Zivilklage droht, um entzogene Vermögenswerte zurückzuerhalten, verhält sich rechtmässig (WEISSENBERGER, a.a.O., Art. 156 N. 22; ANDREAS DONATSCH, Strafrecht III - Delikte gegen den Einzelnen, 11. Aufl. 2018, S. 304).
5.
Die D.
GmbH stellte dem Beschwerdeführer im Auftrag der Beschwerdegegnerin ein vom 6. Juli 2020 datierendes Schreiben zu und drohte ihm mit einer Zivilklage, einer Strafanzeige und einem Schreiben an die
E.
Zürich zwecks Einleitung einer internen Untersuchung
(Urk. 14/1/2/3 S. 3). Aus dem betreffenden Schreiben geht auch hervor, weshalb die Beschwerdegegnerin die genannten Massnahmen androhen liess, wenn ihr der Beschwerdeführer die geforderten Gelder nicht zahle:
Der Beschwerdeführer und sein Sohn hätten die Beschwerdegegnerin in mehrere Anlagegeschäfte hineingezogen, ohne den daraus entstandenen Verpflichtungen nachgekommen zu sein. So habe der Beschwerdeführer bei der Beschwerdegegnerin ein Darlehen in der Höhe von USD 250'000 und EUR 257'000 aufgenommen, um sein eigenes Trading-Konto aufzustocken. Aus diesem Geschäft stünden derzeit trotz Mahnungen mehrere Forderungen offen. Sodann habe der Beschwerdeführer zwei von der Beschwerdegegnerin erhaltene Geldbeträge in der Höhe von USD 800'000 und USD 200'000 auf ein Konto der Firma C. bei der russischen I. - Bank überweisen lassen. Die Transaktionen seien vom Sohn des Beschwerdeführers, der bei der E. tätig sei, betreut worden. Die C. hätte die liquiden Mittel der Beschwerdegegnerin treuhänderisch verwalten sollen. Das investierte Geld sei der Beschwerdegegnerin aber nicht fristgerecht zurückbezahlt worden. Auf entsprechende Nachfrage habe ihr
C.
mitgeteilt, sie, die Beschwerdegegnerin, habe ihr Einverständnis
gegeben, dass das Geld auf ein Konto der J.
Ltd. bei der E.
(Schweiz) AG in Zürich überwiesen werde. Der Beschwerdeführer sei Direktor der J. Ltd. und habe gegenüber C. persönlich gebürgt. Das entsprechende Einverständnis zur Überweisung der Gelder an die J. Ltd. sei vom E-Mail-Account B. @....ch an C. übermittelt worden.
Des Weiteren habe die C.
der Beschwerdegegnerin mitgeteilt, vom
Account B. @....ch eine E-Mail erhalten zu haben, worin die Beschwerdegegnerin erklärt habe, auf die Verlängerung der Geschäftsbeziehung mit C.
zu verzichten. Diese Erklärung sei mit dem Namen
B. signiert worden, um allfällige Zweifel an der Identität des Absen- ders auszuräumen.
Die Beschwerdegegnerin bestreite, den E-Mail-Account B. @....ch jemals eingerichtet zu haben. Sie vermute, dass es sich dabei um eine Insze- nierung zur Begründung des Anscheins handle, dass sie die entsprechen- den Instruktionen zur Geldüberweisung und zum Abbruch der Geschäftsbeziehung mit C. erteilt habe.
Tatsache sei, dass C.
die von der Beschwerdegegnerin erhaltenen
Gelder unverzüglich an J. Ltd. überwiesen habe, ohne diese je verwaltet zu haben. Der Beschwerdeführer sei nunmehr im Besitz der Gelder und trage sämtliche Pflichten zur Rückerstattung und zur Leistung von Schadenersatz. Die obgenannten Umstände enthielten klare Indizien für eine Unterschlagung und eine Veruntreuung der Gelder der Beschwerdegegnerin.
Die Beschwerdegegnerin forderte im genannten Schreiben die Rückzahlung eines dem Beschwerdeführer gewährten Darlehens sowie die Rückzahlung
der an ihn resp. an die J.
Ltd. überwiesenen Anlagegelder. Damit
machte die Beschwerdegegnerin berechtigte Interessen geltend. Es gibt derzeit jedenfalls keine Hinweise darauf, dass die Forderungen offensichtlich nicht bestehen. Die Androhung rechtlicher Schritte für den Fall, dass die Rückzahlung unterbleibe, geschah zwecks Durchsetzung dieser berechtigten Interessen.
Bei den angedrohten rechtlichen Schritten handelt es sich grundsätzlich um zulässige Mittel zur Durchsetzung der Forderungen. Dies gilt nicht nur betreffend die Erhebung einer Zivilklage und die Erstattung einer Strafanzeige, sondern auch für die Veranlassung einer internen Untersuchung bei der E. , sofern die Beschwerdegegnerin berechtigterweise annehmen durfte, dass der Sohn des Beschwerdeführers die Transaktionen ihrer Anlagegelder als bei der E. tätiger Bankfachmann betreute. Der Beschwerdeführer bestritt zwar, dass sein Sohn involviert war. Solange indessen keine Anhaltspunkte vorliegen, dass der Sohn des Beschwerdeführers entgegen
den Behauptungen im Schreiben der D.
GmbH mit der Sache tatsächlich nichts zu tun hatte, liegt kein Grund vor, eine Strafuntersuchung gegen die Beschwerdegegnerin wegen Nötigung und Erpressung des Beschwerdeführers zwecks Durchsetzung ihrer Forderungen an Hand zu nehmen. Die angefochtene Nichtanhandnahmeverfügung (Dossier 1) ist somit nicht zu beanstanden.
6. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde betreffend den Sachverhalt im Dossier 1 abzuweisen und auf die Beschwerde betreffend den Sachverhalt im Dossier 2 nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Gerichtsgebühr ist unter Berücksichtigung der Bedeutung und Schwierigkeit des Falls sowie des Zeitaufwands des Gerichts auf CHF 2'000.-festzusetzen und von der geleisteten Kaution zu beziehen. Der Rest der Kaution ist dem Beschwerdeführer unter Vorbehalt des staatlichen Verrechnungsrechts zurückzuerstatten. Die Zusprechung von Entschädigungen fällt ausser Betracht.
Es wird beschlossen:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf CHF 2'000.-festgesetzt, dem Beschwerdeführer auferlegt und von der geleisteten Prozesskaution bezogen. Der Rest der Kaution wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet. Das staatliche Verrechnungsrecht bleibt vorbehalten.
Es werden keine Entschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an:
die Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, dreifach, je für sich und zuhanden des Beschwerdeführers (per Gerichtsurkunde);
die Beschwerdegegnerin, ad acta;
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, ad E-2/2021/10019046 (gegen Empfangsbestätigung);
sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel:
- die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, unter Rücksendung der beigezoge- nen Akten (Urk. 14) (gegen Empfangsbestätigung);
die Zentrale Inkassostelle der Gerichte.
Rechtsmittel
Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben wer- den. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen. Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwer- devoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 14. Juni 2022
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Präsident:
lic. iur. A. Flury
Gerichtsschreiberin:
Dr. iur. C. Schoder
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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