E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:UE210385
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UE210385 vom 14.06.2022 (ZH)
Datum:14.06.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Nichtanhandnahme
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdegegnerin; Recht; Richt; Beschwerdeführer; Schweiz; Anzeige; Nötigung; Erpressung; Dossier; Androhung; Täter; Digkeit; Zuständigkeit; Beschuldigte; Staatsanwaltschaft; Erfolg; Schweizer; Anzeige; Handlung; Anzeigeerstatter; Interne; Forderung; Beschwerdeführers; Nichtanhandnahme; Verfahren; Untersuchung; Behörden; Verfolgung
Rechtsnorm: Art. 181 StGB ; Art. 3 StGB ; Art. 39 StPO ; Art. 390 StPO ; Art. 8 StGB ;
Referenz BGE:121 IV 145; 122 IV 322; 141 IV 437;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UE210385-O/U/MUL

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. A. Flury, Präsident, die Oberrichterinnen lic. iur.

C. Gerwig und lic. iur. K. Eichenberger sowie Gerichtsschreiberin Dr. iur. C. Schoder

Beschluss vom 14. Juni 2022

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1. vertreten durch Rechtsanwalt MLaw X2.

gegen

  1. B. ,

  2. Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

Beschwerdegegnerinnen betreffend Nichtanhandnahme

Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügungen der Staatsanwalt- schaft Zürich-Sihl vom 25. Oktober 2021 (D1 und D2),

E-2/2021/10019046

Erwägungen:

I.

  1. A. liess am 3. Juni 2021 gegen B. Strafanzeige wegen versuch- ter Erpressung und versuchter Nötigung, eventualiter wegen Anstiftung zu Erpressung und Nötigung erstatten (Dossier 1, Urk. 14/1/1). Der Anzeigeer- statter brachte vor, er und die Beschuldigte hätten beträchtliche Geldsum- men in eine Unternehmung namens C. Inc. (fortan C. ) investiert. Die Gründer und wirtschaftlich an dieser Unternehmung berechtigten Perso- nen hätten die investierten Mittel aber veruntreut. In Russland sei seit 2017 ein Strafverfahren gegen die Verantwortlichen der C. hängig, in wel- chem der Anzeigeerstatter und die Beschuldigte als geschädigte Personen involviert seien. Da die Beschuldigte ihre Investitionen aufgrund einer Emp- fehlung des Anzeigeerstatters getätigt habe, mache sie ihn für ihren erlitte- nen finanziellen Schaden verantwortlich. Die Beschuldigte habe die D. GmbH mit der Wahrung ihrer Interessen beauftragt. In einem Schreiben vom

    6. Juli 2020 habe die Beschuldigte dem Anzeigeerstatter androhen lassen, dass sie gegen ihn eine Zivilklage und eine Strafanzeige einreichen werde und bei der E. , der Arbeitgeberin seines Sohnes, eine interne Unter- suchung veranlassen werde, wenn er ihr nicht USD 2'000'000 und EUR 411'200 überweise. Die geltend gemachten Ansprüche hätten aber keine Rechtsgrundlage. Zudem stehe die Androhung einer internen Unter- suchung bei der Arbeitgeberin des Sohnes des Anzeigeerstatters in keinem Zusammenhang mit der angeblichen Forderung der Beschuldigten (Dossi- er 1, Urk. 14/1/1, insb. S. 5 f.).

  2. Mit Verfügung vom 25. Oktober 2021 entschied die Staatsanwaltschaft Zü- rich-Sihl, keine Strafuntersuchung an Hand zu nehmen (Urk. 6/1). Zur Be- gründung führte sie aus, bei der vorliegenden Sache handle es sich in erster Linie um eine zivilrechtliche Streitigkeit. Die Beschuldigte sei berechtigt, eine Zivilklage zu erheben und eine Strafanzeige einzureichen. Eine diesbezügli- che Androhung erfülle keinen Straftatbestand. Auch die Androhung, bei der

    E.

    eine interne Untersuchung zu veranlassen, sei erlaubt, zumal die

    Beschuldigte die Untersuchung beim internen Kontrollorgan der Bank initiie- ren wolle und sich aus dem Schreiben der D. GmbH vom 6. Juli 2020 ergebe, dass der Sohn des Anzeigeerstatters in die Angelegenheit verwi- ckelt sei (Urk. 6/1 S. 2).

  3. Am 1. September 2021 liess A.

    eine zweite Strafanzeige gegen

    B. wegen einer WhatsApp-Nachricht erstatten, ohne sich zu äussern, welcher Straftatbestand erfüllt worden sein soll (Dossier 2, Urk. 14/2/1). Laut Staatsanwaltschaft sei anzunehmen, dass es wiederum um versuchte Nöti- gung und versuchte Erpressung, eventualiter Anstiftung zu Nötigung und Erpressung gehe (Urk. 6/2 S. 1). In der besagten WhatsApp-Nachricht wur- de der Anzeigeerstatter auf die Folgen für ihn und seine Familie aufmerksam gemacht, wenn er der Beschuldigten die geforderte Geldsumme nicht zahle und wegen Betrugs verurteilt würde.

  4. Mit einer zweiten, ebenfalls vom 25. Oktober 2021 datierenden Verfügung entschied die Staatsanwaltschaft, auch bezüglich dieser zweiten Strafanzei- ge keine Strafuntersuchung gegen die Beschuldigte zu eröffnen (Urk. 6/2). Der Wortlaut der WhatsApp-Nachricht sei zu wenig konkret, als dass diese als strafbare Äusserung qualifiziert werden könnte. Der Urheber der Nach- richt weise in erster Linie auf das Strafverfahren in Russland und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten hin. Mangels Androhung eines darüber hinausgehenden konkreten Übels seien die Formulierungen nicht geeignet, die Tatbestände der Nötigung und Erpressung zu erfüllen (Urk. 6/2 S. 2).

  5. A.

    (fortan Beschwerdeführer) liess bei der hiesigen Kammer Beschwerde erheben mit dem Antrag, die Nichtanhandnahmeverfügungen vom

    25. Oktober 2021 (Dossier 1 und Dossier 2) seien aufzuheben und es sei die Staatsanwaltschaft anzuweisen, gegen B. (fortan Beschwerdegegne- rin) eine Strafuntersuchung durchzuführen; alles unter Kosten- und Ent- schädigungsfolgen zulasten der Staatskasse. Ausserdem sei davon Vor- merk zu nehmen, dass sich der Beschwerdeführer im Strafverfahren als Straf- und Zivilkläger beteilige (Urk. 2 S. 2).

  6. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer Frist angesetzt, um eine Pro- zesskaution von einstweilen CHF 2'800.-- zu leisten (Urk. 7). Diese ging rechtzeitig bei der Gerichtskasse ein (vgl. Urk. 12).

  7. Im Hinblick auf den klaren Ausgang des Verfahrens wird auf die Einholung von Stellungnahmen verzichtet (vgl. Art. 390 Abs. 2 StPO).

II.

1.

    1. Die internationale Zuständigkeit der schweizerischen Strafbehörden, die sich nach dem räumlichen Anwendungsbereich des Strafrechts richtet, ist von Amtes wegen zu prüfen (ANDREAS EICKER, Der räumliche und zeitliche Gel- tungsbereich des nationalen Wirtschaftsstrafrechts, in: Jürg-Beat Ackermann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2. Aufl. 2021, S. 79 N. 2 f.). Glei- ches gilt für die innerstaatliche Zuständigkeit (Art. 39 Abs. 1 StPO).

    2. Die internationale Zuständigkeit der schweizerischen Strafbehörden ergibt sich aus Art. 3 ff. StGB. Primärer Anknüpfungspunkt bildet das Territoriali- tätsprinzip (BGE 121 IV 145 E. 2b/bb). Nach Art. 3 Abs. 1 StGB ist dem Strafgesetzbuch unterworfen, wer in der Schweiz ein Verbrechen oder Ver- gehen begeht. Mit der Verankerung des Ubiquitätsprinzips in Art. 8 StGB öffnet sich der Anwendungsbereich des Strafgesetzbuches allerdings auch für Taten mit Auslandsbezug. Nach Art. 8 Abs. 1 StGB gilt ein Verbrechen oder Vergehen nicht nur als da begangen, wo der Täter es ausführt oder pflichtwidrig untätig bleibt (Begehungsort), sondern auch da, wo der Erfolg eingetreten ist (Erfolgsort). Der Versuch gilt nach Art. 8 Abs. 2 StGB als da begangen, wo der Täter ihn ausführt, und da, wo nach seiner Vorstellung der Erfolg hätte eintreten sollen.

      Der Erfolgsbegriff im Sinne von Art. 8 StGB ist autonom, von der Dogmatik der Erfolgsdelikte losgelöst auszulegen und umfasst nicht nur den Aussener- folg bei Erfolgsdelikten, sondern auch die Auswirkungen schlichter Tätig-

      keitsdelikte (OGer ZH, Beschluss UE210332 vom 10.5.22 E. II/3.4, zur Pub- likation bestimmt).

      Sind mehrere Täter an einer Straftat beteiligt, wird das Verhalten des einen Täters den anderen Tätern zugerechnet. Handelt ein Mittäter in der Schweiz, ist die Zuständigkeit der Schweizer Behörden zur Strafverfolgung aller Täter gegeben (BGer, Urteil 6B_518/2014 vom 4.12.14 E. 10.7.1; PETER POPP/TORNIKE KESHELAVA, in: Basler Kommentar zum Strafrecht I, 4. Aufl. 2019, Art. 8 N. 15; SABINE GLESS, Internationales Strafrecht, 3. Aufl. 2021,

      S. 62 N. 172). Auch ein in der Schweiz eingetretener Taterfolg eines Mittä- ters begründet die Zuständigkeit der Schweizer Behörden für alle Mittäter (POPP/KESHELAVA, a.a.O., Art. 8 N. 15).

      Bei der mittelbaren Täterschaft gilt der Ort, an dem der mittelbare Täter auf den Tatmittler einwirkt, als Begehungsort. Der Erfolgsort liegt dort, wo der Tatmittler die Straftat ausführt, und dort, wo sich diese Straftat auswirkt (POPP/KESHELAVA, a.a.O., Art. 8 N. 15; teilw. a.A. GLESS, a.a.O., S. 62

      N. 170, wonach der Handlungsort des Tatmittlers Begehungsort sei).

      Bei Anstiftung und Gehilfenschaft gilt dagegen der Grundsatz der Ak- zessorietät. Der Handlungsort des Anstifters oder Gehilfen richtet sich nach dem Ort der Haupttat. Wird die Haupttat in der Schweiz ausgeführt oder tritt der Erfolg in der Schweiz ein, ist die Zuständigkeit der Schweizer Behörden gegeben (BGE 144 IV 265 E. 2; POPP/KESHELAVA, a.a.O., Art. 8 N. 16;

      GLESS, a.a.O., S. 62 N. 171).

    3. Die landesinterne Zuständigkeit richtet sich nach Art. 31 ff. StPO. Diese Vor- schriften kommen aber erst zur Anwendung, wenn die Tat in den räumlichen Anwendungsbereich des Strafgesetzbuches fällt (POPP/ KESHELAVA, a.a.O., Art. 8 Rz. 2).

    4. Der Beschwerdeführer ist in Monaco wohnhaft. Das inkriminierte Schreiben der D. GmbH mit dem nötigenden und erpresserischen Inhalt wurde an seine Adresse in F. [russische Stadt] geschickt (vgl. Urk. 14/1/2/3).

      Daraus ist zu schliessen, dass der durch die Zustellung des Schreibens er- zielte Taterfolg nicht in der Schweiz eintrat.

      Bei der Beschwerdegegnerin handelt es sich um eine russisch-

      schweizerische Doppelbürgerin. Sie war in der Gemeinde G.

      wohnhaft, meldete sich aber am 8. August 2011 per 6. August 2011 ohne weitere Angaben nach Russland ab (vgl. Urk. 11).

      Dem Schreiben der D. GmbH vom 6. Juli 2020 ist zu entnehmen, dass die Beschwerdegegnerin diese Unternehmung mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragte. Die D.

      GmbH hat ihren Sitz an der H. Strasse in … Zürich. Das inkriminierte Schreiben wurde mutmasslich an die- sem Ort abgefasst.

      Wenn die Tatbeiträge der Beschwerdegegnerin und der D. GmbH als Handeln in Mittäterschaft qualifiziert werden, ist die Zuständigkeit der Schweizer Behörden zur Strafverfolgung der Beschwerdegegnerin zu bejahen, da der Handlungsort der D.

      GmbH für die Strafverfolgung der

      Beschwerdegegnerin einen Anknüpfungspunkt bildet. Wird der Tatbeitrag der Beschwerdegegnerin als Anstiftung qualifiziert, richtet sich die Zustän- digkeit nach dem Ort der Haupttat, welcher sich in Zürich befindet. Auch in diesem Fall ist die Zuständigkeit der Schweizer Behörden zur Strafverfol- gung der Beschwerdegegnerin gegeben. Wenn die Beschwerdegegnerin die

      Verantwortlichen der D.

      GmbH als Werkzeug zur Nötigung und Erpressung benutzt haben sollte, so bildet der Handlungsort der D. GmbH als Tatmittlerin ebenfalls einen Anknüpfungspunkt zur Strafverfolgung der Beschwerdegegnerin in der Schweiz. Die Zuständigkeit der schweizeri- schen Strafbehörden zur Ahndung der zur Anzeige gebrachten Nötigung und Erpressung des Beschwerdeführers mittels des von der D. GmbH verfassten Schreibens (Dossier 1) ist demnach in allen Konstellationen zu bejahen.

      Handlungsort der D. GmbH ist wie gesagt Zürich. Somit sind die Zür- cher Strafverfolgungsbehörden zur Ahndung der Straftaten im Dossier 1 zu- ständig (Art. 31 Abs. 1, Art. 33 Abs. 1 und Abs. 2 StPO).

    5. Die Täterschaft der inkriminierten WhatsApp-Nachricht ist nicht bekannt, wenngleich deren Inhalt darauf hindeutet, dass die Beschwerdegegnerin da- hintersteht. Der Ort der Begehung der Nötigung und Erpressung ist der Ort, an dem die Nachricht versandt wurde (vgl. Beschluss UE210332, a.a.O.,

E. II/3.5). Dieser lässt sich bei über das Internet versandten Nachrichten nicht eruieren. Der Erfolgsort befindet sich mutmasslich nicht in der Schweiz.

Solange es keine Hinweise darauf gibt, dass die Nachricht von einem Ort in der Schweiz aus verschickt wurde, sind die Schweizer Strafbehörden zur Ahndung dieses Delikts örtlich nicht zuständig. Die angefochtene Nichtan- handnahmeverfügung (Dossier 2) erweist sich - im Ergebnis - als richtig. Auf die Beschwerde ist mangels Zuständigkeit der Schweizer Strafbehörden nicht einzutreten.

  1. Die in der Strafprozessordnung geregelten Voraussetzungen des Sachent- scheids sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung im Dossier 1 ist somit einzutreten.

  2. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen Folgendes vor: Es treffe nicht zu, dass sein Sohn in die Sache verwickelt sei. Mit der Androhung zivil- und strafrechtlicher Mittel gegen ihn selbst könne er gut leben. Jedoch gehe die Beschwerdegegnerin zu weit, wenn sie seinen Sohn benutze, um an die geforderte Geldsumme heranzukommen. Sein Sohn kenne die Beschwer- degegnerin zwar aufgrund einer früheren Zusammenarbeit. Zudem habe sein Sohn die Beschwerdegegnerin verschiedene Male privat unterstützt. Diese Unterstützungsleistungen hätten mit der Arbeit seines Sohnes bei der

    E.

    aber nichts zu tun. Zwischen seinem Sohn und der Beschwerdegegnerin bestünden keine geschäftlichen Beziehungen. Die Staatsanwaltschaft habe diesbezüglich falsche Annahmen getroffen und den Sachverhalt rechtlich unrichtig gewürdigt (Urk. 2 S. 7).

  3. Nötigung begeht, wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden (Art. 181 StGB). Der Erpressung macht sich schuldig, wer jemanden in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selber oder ei- nen andern am Vermögen schädigt (Art. 156 Ziff. 1 StGB).

Das Tatbestandsmerkmal der Androhung ernstlicher Nachteile ist wörtlich und inhaltlich bei beiden Straftatbeständen dasselbe (PHILIPPE WEISSENBER- GER, in: Basler Kommentar Strafrecht I, 4. Aufl. 2019, Art. 156 N. 10). Der Täter stellt dem Opfer die Zufügung eines Übels in Aussicht, dessen Eintritt er als von seinem Willen abhängig erscheinen lässt. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Täter die Drohung wahrmachen will oder kann, sofern nur die angedrohten Nachteile ernstlich erscheinen (WEISSENBERGER, a.a.O., Art. 156 N. 16). Ernstlich sind die Nachteile, wenn ihre Androhung aus ob- jektiver Sicht geeignet ist, auch eine besonnene Person in der Lage des Be- troffenen gefügig zu machen und so seine freie Willensbildung und - betätigung zu beschränken (BGE 122 IV 322 E. 1a; BGer, Urteile 6B_328/2021 vom 13.4.22 E. 3.2.2; 6B_363/2017 vom 21.3.18 E. 1.3). Die

Drohung mit einer Strafanzeige stellt grundsätzlich eine Androhung ernstli- cher Nachteile dar. Ein Strafverfahren bedeutet für die beschuldigte Person regelmässig eine erhebliche Belastung, selbst wenn das Verfahren schliess- lich mit einer Einstellung oder einem Freispruch seinen Abschluss findet. Die beschuldigte Person wird daher geneigt sein, dem Druck, der von der Straf- anzeige ausgeht, nachzugeben (BGer, Urteil 6B_1037/2019 vom 24.6.20 E. 2.3.3).

Die Rechtswidrigkeit einer Nötigung bedarf einer besonderen Begründung. Sie ist unrechtmässig, wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt ist oder wenn das Mittel zum erstrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht o-

der wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und ei- nem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist (BGE 141 IV 437 E. 3.2.1; 137 IV 326 E. 3.3.1). So ist bspw. die Androhung einer Straf- anzeige grundsätzlich erlaubt, wenn diese nicht völlig unbegründet er- scheint. Unzulässig ist die Drohung mit einer Strafanzeige indessen, wenn zwischen dem Straftatbestand, der angezeigt werden soll, und der gestellten Forderung jeder sachliche Zusammenhang fehlt (BGer, Urteil 6B_1272/2021 vom 28.4.22 E. 2.1.2).

Anders als bei der Nötigung ergibt sich beim Tatbestand der Erpressung die Rechtswidrigkeit bereits aus dem Zweck der Nötigung, da die erpresserische Handlung darauf gerichtet ist, das Opfer zu einer schädigenden Vermö- gensdisposition zu motivieren bzw. dadurch einen rechtswidrigen Vermö- gensvorteil zu erlangen. Erweist sich bereits die angestrebte Vermögensver- schiebung als unrechtmässig, erübrigt es sich, die nötigende Handlung wei- ter auf ihre Rechtswidrigkeit zu prüfen (WEISSENBERGER, a.a.O., Art. 156

N. 21). Eine Erpressung kann daher auch bei Drohung mit rechtmässigen Mitteln vorliegen. Das trifft etwa zu, wenn der Täter zur Durchsetzung einer Forderung ein an sich erlaubtes, freigestelltes Verhalten androht - wie bspw. Strafanzeige zu erstatten -, der erhobene Anspruch aber überhaupt nicht besteht, rechtlich nicht durchsetzbar oder übersetzt ist (BGer, Urteil 6B_402/2008 vom 6.11.08 E. 2.4.2.3). Rechtmässige Mittel müssen dazu dienen, liquide oder zumindest berechtigte Ansprüche durchzusetzen oder berechtigte Interessen zu verfolgen. Wer bspw. dem Betrüger mit einer Strafanzeige, Schuldbetreibung oder Zivilklage droht, um entzogene Vermö- genswerte zurückzuerhalten, verhält sich rechtmässig (WEISSENBERGER, a.a.O., Art. 156 N. 22; ANDREAS DONATSCH, Strafrecht III - Delikte gegen den Einzelnen, 11. Aufl. 2018, S. 304).

5.

    1. Die D.

      GmbH stellte dem Beschwerdeführer im Auftrag der Beschwerdegegnerin ein vom 6. Juli 2020 datierendes Schreiben zu und droh- te ihm mit einer Zivilklage, einer Strafanzeige und einem Schreiben an die

      E.

      Zürich zwecks Einleitung einer internen Untersuchung

      (Urk. 14/1/2/3 S. 3). Aus dem betreffenden Schreiben geht auch hervor, weshalb die Beschwerdegegnerin die genannten Massnahmen androhen liess, wenn ihr der Beschwerdeführer die geforderten Gelder nicht zahle:

      Der Beschwerdeführer und sein Sohn hätten die Beschwerdegegnerin in mehrere Anlagegeschäfte hineingezogen, ohne den daraus entstandenen Verpflichtungen nachgekommen zu sein. So habe der Beschwerdeführer bei der Beschwerdegegnerin ein Darlehen in der Höhe von USD 250'000 und EUR 257'000 aufgenommen, um sein eigenes Trading-Konto aufzustocken. Aus diesem Geschäft stünden derzeit trotz Mahnungen mehrere Forderun- gen offen. Sodann habe der Beschwerdeführer zwei von der Beschwerde- gegnerin erhaltene Geldbeträge in der Höhe von USD 800'000 und USD 200'000 auf ein Konto der Firma C. bei der russischen I. - Bank überweisen lassen. Die Transaktionen seien vom Sohn des Beschwerdeführers, der bei der E. tätig sei, betreut worden. Die C. hätte die liquiden Mittel der Beschwerdegegnerin treuhänderisch verwalten sollen. Das investierte Geld sei der Beschwerdegegnerin aber nicht fristge- recht zurückbezahlt worden. Auf entsprechende Nachfrage habe ihr

      C.

      mitgeteilt, sie, die Beschwerdegegnerin, habe ihr Einverständnis

      gegeben, dass das Geld auf ein Konto der J.

      Ltd. bei der E.

      (Schweiz) AG in Zürich überwiesen werde. Der Beschwerdeführer sei Direk- tor der J. Ltd. und habe gegenüber C. persönlich gebürgt. Das entsprechende Einverständnis zur Überweisung der Gelder an die J. Ltd. sei vom E-Mail-Account B. @....ch an C. übermittelt worden.

      Des Weiteren habe die C.

      der Beschwerdegegnerin mitgeteilt, vom

      Account B. @....ch eine E-Mail erhalten zu haben, worin die Beschwerdegegnerin erklärt habe, auf die Verlängerung der Geschäftsbeziehung mit C.

      zu verzichten. Diese Erklärung sei mit dem Namen

      B. signiert worden, um allfällige Zweifel an der Identität des Absen- ders auszuräumen.

      Die Beschwerdegegnerin bestreite, den E-Mail-Account B. @....ch je- mals eingerichtet zu haben. Sie vermute, dass es sich dabei um eine Insze- nierung zur Begründung des Anscheins handle, dass sie die entsprechen- den Instruktionen zur Geldüberweisung und zum Abbruch der Geschäftsbe- ziehung mit C. erteilt habe.

      Tatsache sei, dass C.

      die von der Beschwerdegegnerin erhaltenen

      Gelder unverzüglich an J. Ltd. überwiesen habe, ohne diese je verwal- tet zu haben. Der Beschwerdeführer sei nunmehr im Besitz der Gelder und trage sämtliche Pflichten zur Rückerstattung und zur Leistung von Schaden- ersatz. Die obgenannten Umstände enthielten klare Indizien für eine Unter- schlagung und eine Veruntreuung der Gelder der Beschwerdegegnerin.

    2. Die Beschwerdegegnerin forderte im genannten Schreiben die Rückzahlung eines dem Beschwerdeführer gewährten Darlehens sowie die Rückzahlung

der an ihn resp. an die J.

Ltd. überwiesenen Anlagegelder. Damit

machte die Beschwerdegegnerin berechtigte Interessen geltend. Es gibt derzeit jedenfalls keine Hinweise darauf, dass die Forderungen offensichtlich nicht bestehen. Die Androhung rechtlicher Schritte für den Fall, dass die Rückzahlung unterbleibe, geschah zwecks Durchsetzung dieser berechtig- ten Interessen.

Bei den angedrohten rechtlichen Schritten handelt es sich grundsätzlich um zulässige Mittel zur Durchsetzung der Forderungen. Dies gilt nicht nur be- treffend die Erhebung einer Zivilklage und die Erstattung einer Strafanzeige, sondern auch für die Veranlassung einer internen Untersuchung bei der E. , sofern die Beschwerdegegnerin berechtigterweise annehmen durf- te, dass der Sohn des Beschwerdeführers die Transaktionen ihrer Anlage- gelder als bei der E. tätiger Bankfachmann betreute. Der Beschwerde- führer bestritt zwar, dass sein Sohn involviert war. Solange indessen keine Anhaltspunkte vorliegen, dass der Sohn des Beschwerdeführers - entgegen

den Behauptungen im Schreiben der D.

GmbH - mit der Sache tatsächlich nichts zu tun hatte, liegt kein Grund vor, eine Strafuntersuchung gegen die Beschwerdegegnerin wegen Nötigung und Erpressung des Beschwerdeführers zwecks Durchsetzung ihrer Forderungen an Hand zu neh- men. Die angefochtene Nichtanhandnahmeverfügung (Dossier 1) ist somit nicht zu beanstanden.

6. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde betreffend den Sachverhalt im Dossier 1 abzuweisen und auf die Beschwerde betreffend den Sachverhalt im Dossier 2 nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Ge- richtsgebühr ist unter Berücksichtigung der Bedeutung und Schwierigkeit des Falls sowie des Zeitaufwands des Gerichts auf CHF 2'000.-- festzuset- zen und von der geleisteten Kaution zu beziehen. Der Rest der Kaution ist dem Beschwerdeführer unter Vorbehalt des staatlichen Verrechnungsrechts zurückzuerstatten. Die Zusprechung von Entschädigungen fällt ausser Be- tracht.

Es wird beschlossen:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

  2. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf CHF 2'000.-- festgesetzt, dem Beschwerdeführer auferlegt und von der geleisteten Pro- zesskaution bezogen. Der Rest der Kaution wird dem Beschwerdeführer zu- rückerstattet. Das staatliche Verrechnungsrecht bleibt vorbehalten.

  3. Es werden keine Entschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

  5. Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben wer- den. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schrift- lich einzureichen. Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwer- devoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Hinweis: Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht einge- reicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplo- matischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden.

Zürich, 14. Juni 2022

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Präsident:

lic. iur. A. Flury

Gerichtsschreiberin:

Dr. iur. C. Schoder

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.
www.swissactiv.ch
Menschen zusammenbringen, die gemeinsame Interessen teilen
Die Freude an Bewegung, Natur und gutem Essen fördern
Neue Leute treffen und Unternehmungen machen

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz