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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils UE210332: Obergericht des Kantons Zürich

In dem vorliegenden Fall ging es um ein Revisionsgesuch eines Gesuchstellers, der gegen ein Urteil der II. Strafkammer des Obergerichts Zürich ankämpfte. Der Gesuchsteller wurde wegen mehrfacher versuchter schwerer Körperverletzung und anderer Vergehen verurteilt. Er legte neue Beweismittel vor und beantragte die Aufhebung bestimmter Dispositionen des Urteils. Trotz der neuen Beweise entschied das Gericht, dass die Verurteilung bestehen bleibt, da die neuen Beweise nicht ausreichten, um das ursprüngliche Urteil zu ändern. Die Kosten des Revisionsverfahrens wurden dem Gesuchsteller auferlegt, während die Kosten der amtlichen Verteidigung von der Gerichtskasse übernommen wurden.

Urteilsdetails des Kantongerichts UE210332

Kanton:ZH
Fallnummer:UE210332
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UE210332 vom 10.05.2022 (ZH)
Datum:10.05.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Nichtanhandnahme
Schlagwörter : Schweiz; Erfolg; Täter; Recht; Staat; Recht; Ehrverletzung; Internet; Staatsanwaltschaft; Zuständigkeit; Erfolgs; Ausland; Bundesgericht; Person; Sinne; Äusserung; Anknüpfung; Beschwerdeführer; Beschwerdeführers; Medien; Gewalt; Äusserungen; Täters; Täterschaft
Rechtsnorm:Art. 245 StGB ;Art. 28 StGB ;Art. 3 StGB ;Art. 35 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 8 StGB ;
Referenz BGE:109 IV 1; 121 IV 145; 125 IV 177; 141 IV 205; 141 IV 336; 97 IV 205;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts UE210332

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UE210332-O/U/HEI

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. A. Flury, Präsident, Oberrichterin

lic. iur. K. Eichenberger, Ersatzoberrichterin Dr. iur. C. Schoder sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. D. Tagmann

Beschluss vom 10. Mai 2022

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1. vertreten durch Rechtsanwältin MLaw, LL.M. X2.

gegen

  1. Unbekannt,

  2. Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat,

Beschwerdegegner

betreffend Nichtanhandnahme

Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 7. Oktober 2021, D-3/2021/10030666

Erwägungen:

I.

  1. A.

    1. erstattete am 2. September 2021 gegen eine Person, die sich nennen soll, Strafanzeige wegen übler Nachrede und Verleumdung. Der Anzeigeerstatter machte geltend, die Täterschaft habe am 9. Juni 2021 auf dem Newsportal C. .co einen diffamierenden Artikel mit dem Titel … of A. ? verfasst. Im besagten Artikel soll der Täter einen un- durchsichtigen russischen Blog (D. .ru) zitiert haben, worin der Anzeigeerstatter als nicht vertrauenswürdige Person dargestellt werde und worin ihm hochkarätige Morde, Betrugsdelikte und Bezüge von Geldern im Ausland vorgeworfen würden. Diese wahrheitswidrigen und diffamierenden Vorwürfe in der internationalen Presse würden dem Ansehen des Anzeigeerstatters in der Schweiz, vor allem auf dem Wirtschafts- und Finanzplatz in Zürich, massiv schaden.

  2. Mit Verfügung vom 7. Oktober 2021 entschied die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, kein Strafverfahren an Hand zu nehmen, da es an der Zustän- digkeit der Schweizer Strafverfolgungsbehörden, namentlich der Zürcher Strafverfolgungsbehörden, fehle (Urk. 6).

  3. A.

    (fortan Beschwerdeführer) liess bei der hiesigen Kammer Beschwerde erheben mit dem Antrag, die Nichtanhandnahmeverfügung sei aufzuheben und die Sache sei zur Eröffnung einer Strafuntersuchung an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse (Urk. 2 S. 3).

  4. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer aufgegeben, eine Prozesskaution von CHF 5'000.-leisten (Urk. 7). Diese ging rechtzeitig bei der Gerichtskasse ein (vgl. Urk. 9).

  5. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Beschwerdeabweisung (Urk. 12). Der Beschwerdeführer reichte unter Aufrechterhaltung seiner Anträge eine Replik ein (Urk. 17). Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Duplik (Urk. 21).

  6. Infolge längerer unvorhergesehener Abwesenheit eines Mitglieds des Spruchkörpers ergeht der vorliegende Entscheid in Nachachtung des Beschleunigungsgebots teilweise in anderer Besetzung als angekündigt.

II.

1. Die Voraussetzungen des Sachentscheids sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

    1. Die Staatsanwaltschaft hielt in der angefochtenen Verfügung zunächst fest,

      dass sich der operationelle Sitz von C.

      in Brüssel befinde und von

      Media - Communications Ltd. mit Sitz in E.

      [europäischer

      Staat] publiziert werde. Die zur Anzeige gebrachte Tat sei demnach nicht in der Schweiz ausgeführt worden (Urk. 6 S. 1).

      Ehrverletzungsdelikte seien abstrakte Gefährdungsdelikte. Aus Art. 8 StGB, wonach eine Straftat als da begangen gelte, wo der Täter sie ausführe pflichtwidrig untätig bleibe, und da, wo der Erfolg eintrete, lasse sich kein strafrechtlich relevanter Handlungsort in der Schweiz ableiten (Urk. 6 S. 1- 2).

      Die Veröffentlichung des inkriminierten Texts falle in den Anwendungsbereich von Art. 28 StGB. Weder das Medienunternehmen noch der Autor des Texts hätten Sitz Aufenthaltsort in der Schweiz. Es komme daher nur der Gerichtsstand nach Art. 35 Abs. 3 StPO in Frage, wonach die Behörden des Ortes zuständig seien, an dem das Medienerzeugnis verbreitet worden sei. Verbreitungsort sei derjenige Ort, an welchem ein Medienerzeugnis in Umlauf gesetzt werde und an die Öffentlichkeit gelange. Vorliegend sei der inkriminierte Text indessen auf einer Webplattform veröffentlicht worden, auf die von überall her zugegriffen werden könne. Eine spezifisch in Zürich resp. in der Schweiz geförderte Veröffentlichung sei weder dargetan worden noch

      erkennbar. Entsprechend lasse sich aus Art. 35 Abs. 3 StPO nicht ableiten, dass die hiesigen Strafverfolgungsbehörden zuständig wären (Urk. 6 S. 2).

      Demzufolge fehle es an einer Prozessvoraussetzung, weshalb die Eröffnung einer Strafuntersuchung nicht in Frage komme (Urk. 6 S. 2).

    2. Der Beschwerdeführer wies in der Beschwerdeschrift zunächst darauf hin, dass die auf dem Newsportal erhobenen Vorwürfe seinem Ansehen auf dem Wirtschafts- und Finanzplatz Zürich, namentlich als Inhaber eines Bankkontos bei der F. AG und als wirtschaftlich Berechtigter an der Hauptaktionärin eines Technologie-Unternehmens, geschadet hätten (Urk. 2 S. 7).

      Gemäss der neueren Lehre seien Ehrverletzungsdelikte insoweit Erfolgsdelikte, als ein Adressat von einer ehrenrührigen Aussage Kenntnis erhalte. Erst dann sei das Delikt vollendet. Bei Ehrverletzungsdelikten gebe es in Lehre und Rechtsprechung zudem eine Tendenz zur Ausweitung des Erfolgsbegriffs im Sinne von Art. 8 StGB. Es werde die Auffassung vertreten, dass die schweizerische Gerichtsbarkeit bejaht werden könne, wenn der Ort der Kenntnisnahme von einem Medienerzeugnis in der Schweiz liege (Urk. 2 S. 8-10).

      Der unbekannte, unter dem Pseudonym B. agierende Täter habe die ehrverletzenden Äusserungen gezielt mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Schweiz getätigt, um dem Beschwerdeführer in der Schweiz resp. in Zürich zu schaden. Dies würden die zahlreichen Reaktionen der Banken und Geschäftspartner des Beschwerdeführers bestätigen. Der inkriminierte Artikel sei in englischer Sprache verfasst, da Englisch die Business-Sprache sei. Der Täter habe zweifelsohne Kenntnis von den grossen Investitionen des Beschwerdeführers in der Schweiz. Es wäre daher stossend, wenn sich der Täter durch die Publikation eines ehrverletzenden Artikels in einem auslän- dischen Medium einer Bestrafung in der Schweiz entziehen könnte (Urk. 2 S. 11-17).

    3. Die Staatsanwaltschaft räumte in der Vernehmlassung ein, dass das Verbreiten eines Medienerzeugnisses im Sinne von Art. 35 Abs. 3 StPO einen physisch fassbaren Vorgang meine und eine Äusserung in einem digitalen Medium sich mit den bisher verwendeten Begrifflichkeiten nicht fassen lasse. Beiträge in digitalen Medien würden auf einen selbst gewählten Server mit einem bekannten unbekannten Standort geladen und von dort aus digital veröffentlicht resp. verbreitet. Darin manifestiere sich aber keinesfalls der Wille, das Erzeugnis spezifisch im Land A B zu veröffentlichen resp. zu verbreiten. Die Orte, an denen das Medienerzeugnis später zur Kenntnis genommen werde, entziehe sich der Tatmacht der handelnden Person und sei mehr weniger vom Zufall abhängig. Es sei unbestritten, dass der inkriminierte Artikel auch in der Schweiz wahrgenommen worden sei. Dies sei im vorliegenden Fall jedoch irrelevant. Es bestünden jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die Täterschaft den Artikel bewusst in der Schweiz habe verbreiten wollen. So sei kein in der Schweiz befindlicher Server verwendet worden, der Artikel sei nicht in einer Landessprache abgefasst und das Newsportal konzentriere sich nicht auf eine Leserschaft in Zürich resp. in der Schweiz (Urk. 12 S. 2-3).

      Die Frage des Verbreitungsortes von digitalen Medienerzeugnissen, welche auf einem Server im Ausland veröffentlicht worden seien und sich nicht an die hiesige Leserschaft richteten, sei höchstrichterlich noch nicht entschie- den. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft lasse sich aber keine Zuständigkeit in der Schweiz herleiten, ansonsten ein Weltrechtsprinzip zur Anwen- dung käme, das sich nicht auf Art. 5 ff. StGB abstützen liesse (Urk. 12 S. 3).

      Anzufügen sei, dass sich der Wohnsitz des Beschwerdeführers in G. [Stadt in Österreich] befinde. Es gebe keine Hinweise, dass der Beschwer- deführer in der Schweiz von den ehrverletzenden Äusserungen Kenntnis erhalten habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass ihm die Informationen an

      seinem Wohnsitz in G.

      zugetragen worden seien. Dementsprechend

      lasse sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers gestützt auf den Ort

      der Kenntnisnahme der ehrverletzenden Äusserungen keine Zuständigkeit der schweizerischen Strafverfolgungsbehörden herleiten (Urk. 12 S. 3).

    4. Der Beschwerdeführer liess in der Replik einwenden, Art. 35 Abs. 3 StPO müsse zeitgemäss ausgelegt werden. Die Vorschrift müsse auch auf online- Medien zur Anwendung gelangen, andernfalls ein rechtsfreier Raum entstehen würde (Urk. 17 S. 4).

Es sei nicht bekannt, wo der Server stehe, der zur Veröffentlichung des inkriminierten Beitrags benutzt worden sei. Die Feststellung der Staatsanwaltschaft, dass kein in der Schweiz stehender Server eingesetzt worden sei, sei eine reine Mutmassung und müsse im Rahmen der Ermittlungen geprüft werden (Urk. 17 S. 5).

An welchem Ort der Beschwerdeführer vom inkriminierten Beitrag Kenntnis genommen habe, sei irrelevant. Es treffe zwar zu, dass sich der Wohnsitz des Beschwerdeführers in G. befinde. Dies bedeute aber nicht, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz nicht geschädigt worden sei. Massgeblich sei einzig, dass die Schmierkampagne die beabsichtigte Wirkung in der Schweiz erzeugt habe (Urk. 17 S. 5-6).

3.

    1. Der räumliche Geltungsbereich des schweizerischen Strafgesetzbuches richtet sich nach Art. 3-8 StGB. Die Bestimmungen über den Gerichtsstand gemäss Art. 31 ff. StPO haben sekundäre Bedeutung. Die landesinterne Zuständigkeit beruht zwar auf gleichen Anknüpfungskriterien. Sie spielt aber erst dann eine Rolle, wenn das Gesetz auf eine Tat überhaupt anwendbar ist (P ETER POPP/TORNIKE KESHELAVA, in: Basler Kommentar zum Strafrecht I, 4. Aufl. 2019, Art. 8 Rz. 2).

    2. Primäre Grundlage des internationalen Strafrechts bildet das Territorialitätsprinzip (BGE 121 IV 145 E. 2b/bb). Auch das schweizerische Strafgesetzbuch geht von diesem Prinzip aus. Nach Art. 3 Abs. 1 StGB ist diesem Gesetz unterworfen, wer in der Schweiz ein Verbrechen Vergehen begeht.

      Mit der Verankerung des Ubiquitätsprinzips in Art. 8 StGB öffnet sich der Anwendungsbereich des Strafgesetzbuches allerdings auch für Taten mit Auslandsbezug. Nach Art. 8 Abs. 1 StGB gilt ein Verbrechen Vergehen nicht nur als da begangen, wo der Täter es ausführt pflichtwidrig untätig bleibt (Begehungsort), sondern auch da, wo der Erfolg eingetreten ist (Erfolgsort). Der Versuch gilt nach Art. 8 Abs. 2 StGB als da begangen, wo der Täter ihn ausführt, und da, wo nach seiner Vorstellung der Erfolg hätte eintreten sollen.

    3. Der Begriff des Erfolgs im Sinne von Art. 8 Abs. 1 StGB hat in der Rechtsprechung im Laufe der Zeit verschiedene Änderungen erfahren. Ursprünglich galt als Erfolg der Schaden, um dessentwillen eine bestimmte Handlung unter Strafe gestellt ist. Dabei wurde nicht unterschieden, ob ein solcher Schaden durch ein Erfolgsoder ein Tätigkeitsdelikt hervorgerufen wurde. Nur wenn das Tätigkeitsoder Unterlassungsdelikt ein abstraktes Gefähr- dungsdelikt war, sollte das schweizerische Recht nicht zur Anwendung kommen (BGE 97 IV 205 E. 2).

      Später änderte das Bundesgericht seine Rechtsprechung dahingehend, dass Erfolg im Sinne von Art. 7 Abs. 1 aStGB (Art. 8 Abs. 1 StGB) nur der als Tatbestandselement umschriebene Aussenerfolg eines Erfolgsdelikts sein könne (BGE 109 IV 1 E. 3c; 105 IV 326 E. 3c-g). Dies hatte zur Folge, dass für im Ausland verübte Tätigkeitsdelikte mit Auswirkungen in der Schweiz kein Anknüpfungspunkt zur Begründung der schweizerischen Strafgewalt zur Verfügung stand.

      In der jüngeren Rechtsprechung distanzierte sich das Bundesgericht indessen wieder von einem strikt technisch verstandenen Erfolgsbegriff. So bejahte es die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte zur Beurteilung einer im Ausland begangenen Veruntreuung (Tätigkeitsdelikt) zum Nachteil einer Unternehmung mit der Begründung, dass sich deren Sitz in der Schweiz befinde, der als unmittelbare Folge der Straftat entstandene Vermögensscha- den auf einem Konto der Geschädigten in der Schweiz eingetreten sei und die Täterschaft mit dieser Handlungsfolge habe rechnen müssen (BGE 124

      IV 241 E. 4c-d). Weiter anerkannte das Bundesgericht die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte bei einer Ehrverletzung in Briefen, die im Ausland verfasst, zielgerichtet an individuell bestimmte Personen in der Schweiz versandt und von den Adressaten im Inland zur Kenntnis genommen wurden. Dabei liess das Bundesgericht die kontroverse Frage offen, ob Ehrverletzungsdelikte Erfolgsdelikte sind und die Kenntnisnahme der Ehrverletzung als Erfolg im technischen Sinne zu qualifizieren ist ob Ehrverletzungs- delikte zu den abstrakten Gefährdungsdelikten gehören und die Kenntnis- nahme der Ehrverletzung als Verletzung der geschützten Interessen (Erfolg im untechnischen Sinne) zu betrachten ist (BGE 125 IV 177 E. 2 f.). Schliesslich bejahte das Bundesgericht die schweizerische Zuständigkeit zur Beurteilung einer in Frankreich begangenen Fälschung einer schweizerischen Autobahnvignette (Art. 245 StGB; Tätigkeitsdelikt) mit der Begrün- dung, dass der Beschuldigte den Vorsatz gehabt habe, die verfälschte Vig- nette in der Schweiz als echt zu gebrauchen, und dieser Gebrauch als direkte Folge der Verfälschungshandlungen erscheine (BGE 141 IV 336 E. 1).

    4. In der Rechtslehre stiess die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Ausdehnung der Strafgewalt bei Auslandstaten mit Handlungsfolgen in der Schweiz auf verhaltene Zustimmung, teilweise aber auch auf Kritik. Der überwiegende Teil der Lehre bejaht die Ausdehnung der schweizerischen Strafgewalt auf Tätigkeitsdelikte unter der Bedingung, dass der Bezug zwischen dem tatbestandsmässigen Verhalten und den in der Schweiz eingetretenen Auswirkungen als hinreichend eingestuft werden kann (P OPP/KESHELAVA, a.a.O., Art. 8 Rz. 9; MANON SIMON, in: StGB Annotierter Kommentar, 2020, Art. 8 Rz. 7 f., wonach der in der Schweiz eingetretene Erfolg unmittelbares Ergebnis des tatbestandsmässigen Verhaltens sein müsse; STEFAN TRECHSEL/HANS VEST, in: Praxiskommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, 4. Aufl. 2021, Art. 8 Rz. 6, welche die bundesgerichtliche Rechtsprechung allerdings als teilweise überdehnt betrachten; WOLFGANG WOHLERS, in: Handkommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, 4. Aufl. 2020, Art. 8 Rz. 4 f., ebenfalls mit Hinweisen auf kritische Lehrmeinungen; JOSÉ HURTADO POZO/THIERRY GODEL, Droit pénal général,

      3. Aufl. 2019, S. 70 Rz. 154; DAMIAN K. GRAF, Strafbewehrter Geheimnisverrat im grenzüberschreitenden Kontext, in: SJZ 112/2016 S. 193 ff.).

      Dabei wird angefügt, dass der Erfolg im Sinne von Art. 8 StGB nicht deckungsgleich mit dem Erfolg im Sinne der Deliktscharakterisierung sein muss. Dieses Argument überzeugt. Der Sinn von Art. 8 StGB liegt darin, ei- nen legitimen Anknüpfungspunkt für eine Strafverfolgung durch die Schweiz zu etablieren, während das Erfordernis eines Aussenerfolgs als Kennzeichen bestimmter Delikte dem Gesetzgeber dazu dient, ein unrechtes Verhalten durch ein herbeigeführtes Ergebnis zu umschreiben. Dies spricht für eine autonome, von der Dogmatik der Erfolgsdelikte losgelöste Interpretation des Erfolgsbegriffs im Sinne von Art. 8 StGB (S ABINE GLESS, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., Basel 2021, S. 60 Rz. 163).

      Die Anknüpfung der schweizerischen Strafgewalt an den Erfolgsort wird in- dessen in all denjenigen Fällen als fragwürdig erachtet, in denen die Handlungsfolgen aus Sicht des Täters an einem rein zufälligen Ort in der Schweiz eintreten (P OPP/KESHELAVA, a.a.O., Art. 8 Rz. 10; SIMON, a.a.O., Art. 8 Rz. 8). Zudem wird auf völkerrechtliche Aspekte hingewiesen. Die Anmassung nationaler Strafgewalt auf Sachverhalte mit Auslandbezug kann eine Einmischung in die Angelegenheiten fremder Staaten bedeuten. Unter dem Gesichtspunkt des völkerrechtlichen Nichteinmischungsprinzips erfordert daher jede extraterritoriale Erstreckung der schweizerischen Strafgewalt ei- nen völkerrechtlich legitimierenden Anknüpfungspunkt in der Schweiz (ANDRÈS PAYER, Der Begriff des Erfolgs in Art. 8 StGB, in: forumpoenale 2020, S. 48 ff., 50).

    5. Die beschriebene Thematik kulminiert bei Äusserungsdelikten im Internet, die meistens als abstrakte Gefährdungsdelikte kategorisiert werden. Im Falle der Verbreitung verbotener Inhalte über das Internet ist eine Strafgewalt unstreitig gegeben, wenn ein Täter in der Schweiz handelt. Die Schweizer Behörden sind zuständig, wenn ein Täter in der Schweiz einen strafbaren Inhalt ins Netz stellt (G LESS, a.a.O., S. 61 Rz. 167; MAURICE HARARI/MIRANDA LINI-

      GER GROS, in: Commentaire romand Code pénal I, 2. Aufl. 2021, Art. 8

      Rz. 41; ANDREAS DONATSCH/BRIGITTE TAG, Strafrecht I, 9. Aufl. 2013, S. 52).

      Denkbar ist auch das Abstellen auf den Standort des Servers, auf dem der Täter eine Datei mit strafbarem Inhalt speichert und kontrolliert (GLESS, a.a.O., S. 61 Rz. 167).

      Umstritten ist indessen, ob ein in der Schweiz gelegener Ort, an dem ein Internetnutzer sich Zugang zu einer im Ausland auf strafbare Weise ins Netz gestellten Information verschafft verschaffen kann, als Erfolgsort im Sinne von Art. 8 Abs. 1 StGB und somit als Anknüpfungspunkt zur Begrün- dung der schweizerischen Strafgewalt betrachtet werden kann.

      Ein Teil der Lehre ist der Ansicht, dass ein im Ausland begangenes Internet- delikt (insbesondere ein Ehrverletzungsdelikt) in der Schweiz geahndet wer- den kann, wenn es für den Täter voraussehbar war, dass eine Person in der Schweiz von der ins Netz gestellten Information Kenntnis nimmt nehmen kann (C HRISTIAN SCHWARZENEGGER, Der räumliche Geltungsbereich des Strafrechts im Internet - Die Verfolgung von grenzüberschreitender Internetkriminalität in der Schweiz im Vergleich mit Deutschland und Österreich, in: ZStrR 118/2000 S. 109 ff., 125; CHRISTOF RIEDO/ROBIN BEGLINGER, Ehrverletzungen im Internet insbesondere auf Facebook, in: AJP 2021, S 1249 ff., 1259).

      Ein anderer Teil der Lehre verlangt einschränkende Kriterien, damit für Internetdelikte nicht eine universelle Zuständigkeit etabliert wird. So wird bspw. vorgeschlagen, die schweizerische Strafgewalt auf diejenigen Fälle zu begrenzen, in denen der Täter seine Informationen pusht. Dadurch soll verhindert werden, dass zufällige Orte der Informationsverbreitung einen Anknüpfungspunkt zur Begründung der schweizerischen Gerichtsbarkeit bil- den können (P OPP/KESHELAVA, a.a.O., Art. 8 Rz. 10a; TRECHSEL/VEST,

      a.a.O., Art. 8 Rz. 6; STEPHANIE MUSY, La répression du discours de haine sur les réseaux sociaux, in: Semaine judiciaire, 2019 II, S. 1 ff., 18; ferner URSU- LA CASSANI, Die Anwendbarkeit des schweizerischen Strafrechts auf internationale Wirtschaftsdelikte (Art. 3-7 StGB), in: ZStrR 1996 237 ff., 253 f.).

    6. Das Bundesgericht hatte bis anhin keine Gelegenheit, sich in einem Grundsatzurteil mit der Frage der schweizerischen Zuständigkeit im Falle von im Ausland begangenen Internetdelikten, namentlich mit Ehrverletzungen im Internet, zu befassen. Im bereits erwähnten Urteil 125 IV 177 hatte es aber zu beurteilen, ob ein im Ausland verfasstes und an Personen in der Schweiz verschicktes Schreiben mit ehrverletzendem Inhalt unter die schweizerische Strafhoheit falle. Es erwog, der Täter habe das Schreiben zielgerichtet, direkt und individuell an mindestens zwei Personen in der Schweiz persönlich adressiert. Die Kenntnisnahme der Äusserung sei unter diesen Umständen eine Wirkung, die als ausreichender Anknüpfungspunkt für die schweizerische Gerichtsbarkeit erscheine und als Erfolg im Sinne von Art. 7 Abs. 1 aStGB (Art. 8 Abs. 1 StGB) zu qualifizieren sei (E. 3).

      Hingegen befasste sich das Bundesgericht in einem nicht amtlich publizierten Urteil vom 17. Dezember 2018 erstmalig mit der Frage der schweizerischen Zuständigkeit betreffend eine im Internet begangene Ehrverletzung. Gemäss den tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Vorinstanz habe der Begehungsort nicht zweifelsfrei ermittelt werden können. Es gebe aber keinen Zweifel, dass die strittigen Äusserungen auf Personen abzielten, welche alle im Kanton N. wohnhaft seien. Gewisse Mitteilungen seien auf Webseiten publiziert worden, welche einen klaren Bezug zur Schweiz, namentlich zum Kanton N., hätten. Die Täterschaft habe dadurch ihre Absicht gezeigt, die ehrverletzenden Äusserungen in der Schweiz zu verbreiten. Auch der Umstand, dass die strittigen Äusserungen regelmässig auf vermutete Probleme im Kanton N. Bezug genommen hätten, würden zeigen, dass die Negativkampagne an die Behörden und die Bevölkerung des Kantons N. gerichtet gewesen sei. Die kantonale Vorinstanz habe die schweizerische Zuständigkeit zu Recht bejaht, da sich der Erfolg der begangenen Ehrverletzung in der Schweiz realisiert habe (BGer, Urteil 6B_268/2018 vom 17.12.18 E. 6.2.2).

      Bemerkenswert ist ausserdem ein Urteil der Cour de Justice des Kantons Genf, wonach die Anknüpfung der schweizerischen Gerichtsbarkeit an den

      in der Schweiz gelegenen Ort der Kenntnisnahme einer Ehrverletzung abzulehnen sei, wenn die betreffenden Äusserungen über universelle Kommunikationsmittel (Internet, Satelliten) zugänglich gemacht worden seien. Die Anerkennung der schweizerischen Zuständigkeit komme nur in Frage, wenn die Täterschaft gewusst und gewollt habe, dass die ehrverletzenden Äusserungen von Personen in der Schweiz zur Kenntnis genommen würden (ACAS/66/04, publ. in: Semaine judiciaire 2005 I, S. 461 ff.).

    7. Die dargestellte Rechtsprechung verdient Zustimmung. Im internationalen Verhältnis ist es zur Vermeidung negativer Kompetenzkonflikte zwar geboten, auch in Fällen ohne engen Bezug zur Schweiz die schweizerische Zuständigkeit zu bejahen (BGE 141 IV 205 E. 5.2; 133 IV 171 E. 6.3). Ein hinreichender Anknüpfungspunkt in der Schweiz bleibt aber dennoch unab- dingbar, da sonst bei Internetdelikten eine universelle Gerichtsbarkeit institutionalisiert würde, die aus völkerrechtlicher Sicht heikel sein könnte und vom geltenden Strafanwendungsrecht nicht gedeckt wäre.

4.

    1. Das Newsportal C. .co hat seinen operationellen Sitz in H. [europäischer Staat]. Es ist daher davon auszugehen, dass die Täterschaft den ehrverletzenden Artikel mit dem Titel … of A. ? in H. ins Inter- net stellte, der Handlungsort mithin in H. lag.

      Der inkriminierte Artikel im C. betrifft eine im Jahr 2014 in Konkurs geratene russische Bank (I. ), der die Banklizenz entzogen worden war. Darin steht unter anderem, dass der Beschwerdeführer einer der geheimen Eigentümer der Bank gewesen sei, die russischen Behörden gegen eine Reihe von Personen Ermittlungen wegen Straftaten zum Nachteil der Bank durchgeführt hätten und dank eines kooperationswilligen Beschuldigten, der mittlerweile an die russischen Behörden ausgeliefert worden sei, mit neuen Informationen zur informellen Kontrolle des Beschwerdeführers über die I. gerechnet werden könne (Urk. 13/2/2).

      Der Wohnsitz des Beschwerdeführers befindet sich in G. . An welchem

      Ort der Beschwerdeführer Kenntnis vom Artikel im C. nicht ermittelt werden.

      erhielt, kann

      Der Beschwerdeführer legte dar, dass Schweizer Banken, mit denen er in einer Geschäftsbeziehung stehe, vom ehrverletzenden Inhalt des betreffen- den Artikels Kenntnis genommen hätten und die ehrrührigen Behauptungen auch in einem Zeitungsartikel der Neuen Zürcher Zeitung erwähnt worden seien. Sein guter Ruf auf dem Banken- und Finanzplatz Zürich habe dadurch Schaden genommen.

    2. Bedeutsam ist vorliegend, dass der im C. erschienene Beitrag keinen Bezug zur Schweiz hat. Der Artikel befasste sich ausschliesslich mit einer russischen Bank, die mutmasslich durch Straftaten geschädigt worden und in Konkurs gefallen war. Es gibt keine Hinweise, dass die Täterschaft den Beschwerdeführer gezielt in der Schweiz hätte schädigen wollen. Das digitale Magazin C. richtet sich nicht spezifisch an eine schweizerische Leserschaft, sondern spricht ein europäisches Publikum an. Laut Angaben auf der Webseite C. .co berichtet das Magazin in allen EU-Amtssprachen und informiert vornehmlich über EU- und Weltangelegenheiten.

Der Beschwerdeführer hat keinen Wohnsitz in der Schweiz. Allfällige Auswirkungen der rufschädigenden Behauptungen auf sein Privatleben würden sich nicht in der Schweiz realisieren.

Dass einige auf dem Finanzplatz Zürich agierende Banken von den ehrrührigen Behauptungen Kenntnis erhielten, ist einzig dem Umstand geschuldet, dass die Finanzinstitute im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten im Bereich der Geldwäschereibekämpfung bei Geschäftsbeziehungen mit politisch expo- nierten Personen (PEP) aktiv Informationen über diese Kunden sammeln (so genanntes PEP Screening; vgl. P ETER HUPPERTZ, Internet research: rich information source or rabbit hole, in: Recht relevant für Compliance Officers RR-Comp 6/2020 S. 5 ff.). Insbesondere der als Beilage zur Beschwerde

eingereichte E-Mail-Verkehr mit der Privatbank J. AG macht dies deutlich (Urk. 3/8).

Bei dieser Sachlage sind die Bezüge der zur Anzeige gebrachten Ehrverletzung und deren Auswirkungen in der Schweiz zu wenig eng, um die Zustän- digkeit der Schweiz daran anzuknüpfen. Die Staatsanwaltschaft verneinte die Zuständigkeit der Schweizer Strafverfolgungsbehörden zu Recht und trat demnach wegen des Fehlens dieser Prozessvoraussetzung auf die Strafanzeige zu Recht nicht ein. Die angefochtene Nichtanhandnahmeverfügung ist somit nicht zu beanstanden.

5. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr ist unter Berücksichtigung der Bedeutung und Schwierigkeit des Falls sowie des Zeitaufwands für das Gerichts auf CHF 5'000.-festzusetzen und von der geleisteten Prozesskaution von CHF 5'000.-zu beziehen. Die Zusprechung von Entschädigungen fällt ausser Betracht.

Es wird beschlossen:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird auf CHF 5'000.-festgesetzt, dem Beschwerdeführer auferlegt und von der geleisteten Prozesskaution bezogen.

  3. Es werden keine Entschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • die Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, dreifach, je für sich und zuhanden des Beschwerdeführers (per Gerichtsurkunde);

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, ad D-3/2021/10030666 (gegen Empfangsbestätigung);

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel an:

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, unter Rücksendung der beigezogenen Akten (Urk. 13) (gegen Empfangsbestätigung);

    • die Zentrale Inkassostelle der Gerichte (elektronisch).

  5. Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben wer- den. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen. Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwer- devoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Hinweis: Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer schweizerischen diplomatischen konsularischen Vertretung übergeben werden.

Zürich, 10. Mai 2022

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Präsident:

lic. iur. A. Flury

Gerichtsschreiberin:

lic. iur. D. Tagmann

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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