Zusammenfassung des Urteils UE210080: Obergericht des Kantons Zürich
Die Beschwerdeführerin A. hat gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich bezüglich häuslicher Gewalt Beschwerde erhoben. Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren gegen den Beschwerdegegner B. eingestellt, obwohl A. die Wiederaufnahme gefordert hatte. Es kam zu Verzögerungen im Verfahren, und das Obergericht des Kantons Zürich hat entschieden, dass die Beschwerde abgewiesen wird. Die Beschwerdeführerin wurde angewiesen, die Gerichtskosten zu tragen, da ihr Antrag auf unentgeltliche Prozessführung abgelehnt wurde.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UE210080 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 13.10.2021 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Einstellung |
Schlagwörter : | Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Verfahren; Recht; Einstellung; Verfahrens; Verfahren; Beschwerdegegner; Situation; Kantons; Einstellungsverfügung; Gericht; Bundesgericht; Fassung; Sistierung; Recht; Beschwerdeverfahren; Verfügung; Beweise; Rückwirkungsverbot; Bundesgerichts; Opfer; Obergericht; Eheleute; Frist; Verfahrenseinstellung; Stellung; Botschaft; Urteil |
Rechtsnorm: | Art. 2 StGB ;Art. 217 StGB ;Art. 309 StPO ;Art. 311 StPO ;Art. 390 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 448 StPO ;Art. 5 StPO ;Art. 55a StGB ;Art. 7 EMRK ; |
Referenz BGE: | 117 IV 369; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UE210080-O/U/BUT
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. A. Flury, Präsident, Oberrichterin lic. iur.
C. Gerwig, Ersatzoberrichterin Dr. iur. C. Schoder und Gerichtsschreiber Dr. iur. S. Christen
Verfügung und Beschluss vom 13. Oktober 2021
in Sachen
Beschwerdeführerin
vertreten durch Rechtsanwalt MLaw X. ,
gegen
1. Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, 2. B. ,
Beschwerdegegner betreffend Einstellung
Erwägungen:
Am 15. April 2018 erstattete der Nachbar der Eheleute A. & B. Anzeige bei der Stadtpolizei Zürich wegen häuslicher Gewalt (Urk. 8/1). A. stellte am 16. April 2018 Strafantrag gegen B. wegen Drohung und Körperverletzung begangen am 22. März 2018 und am 14. April 2018 (Urk. 8/2). Am 20. September 2018 ersuchte A. die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, das Verfahren gegen B. im Sinne von Art. 55a StGB zu sistieren. Sie sei sich bewusst, dass das Verfahren nach Ablauf von sechs Monaten ohne ihren Widerruf endgültig eingestellt werde (Urk. 8/8). Die Staatsanwaltschaft sistierte am 25. September 2018 das Verfahren für längstens sechs Monate und beauftragte ihre Geschäftskontrolle, die Akten spätestens am 25. März 2019 wieder vorzulegen (Urk. 8/16).
Am 26. März 2019 lief die sechsmonatige Frist ab, ohne dass A. die Wie- deraufnahme des Verfahrens verlangt hatte. Aufgrund eines behördlichen Versehens blieben die Akten indessen im Archiv und wurden der Staatsanwaltschaft erst am 20. Oktober 2020 vorgelegt (vgl. Urk. 6 S. 1-2).
Am 5. November 2020 teilte die Staatsanwaltschaft dem Ehepaar A. &
mit, dass die Strafuntersuchung vor dem Abschluss stehe und der Erlass einer Einstellungsverfügung geplant sei. Des Weiteren räumte die Staatsanwaltschaft den Eheleuten je Gelegenheit ein, innert einer Frist von zehn Tagen Beweisanträge zu stellen und allfällige Entschädigungs- und Genugtuungsansprüche geltend zu machen (Urk. 8/20/1-2).
Mit Eingabe vom 17. Februar 2021 nahm der Rechtsvertreter von A. zur angekündigten Verfahrenseinstellung Stellung und beantragte die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen B. . Des Weiteren stellte er den Antrag,
(Nachbar) und D. (Frauenhaus Zürich) seien als Zeugen zu befragen (Urk. 8/21/7 S. 2).
Mit Beweisergänzungsentscheid vom 5. März 2021 wies die Staatsanwaltschaft den Beweisantrag ab. Als Begründung gab sie an, das Strafverfahren müsse aufgrund von Art. 55a aStGB unabhängig vom Resultat allfälliger Beweiserhebungen eingestellt werden. Weitere Beweiserhebungen seien deshalb unerheblich
(Urk. 8/22).
Am 5. März 2021 erliess die Staatsanwaltschaft eine Einstellungsverfügung (Urk. 6).
A. erhebt Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich (Urk. 2). Sie beantragt die Aufhebung der Einstellungsverfügung. Die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, das Verfahren gegen B. weiterzuführen, die am 17. Februar 2021 begehrten Beweise zu erheben, das Verfahren auf den Tatbestand von Art. 217 StGB auszudehnen sowie Anklage zu erheben bzw. einen Strafbefehl zu erlassen.
Das Obergericht hat die Untersuchungsakten der Staatsanwaltschaft beigezogen (Urk. 8) und auf das Einholen von Stellungnahmen verzichtet (Art. 390 Abs. 2 StPO).
Wegen Abwesenheit eines Richters, der hohen Geschäftslast und in Nachachtung des Beschleunigungsgebots ergeht der vorliegende Beschluss in anderer Besetzung als angekündigt.
1.
Angefochten ist eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft. Dagegen ist die Beschwerde beim Obergericht zulässig (Art. 322 Abs. 2 und Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO sowie § 49 GOG).
Die Staatsanwaltschaft geht in der angefochtenen Verfügung davon aus, dass das Verfahren gestützt auf das alte Recht (Art. 55a Abs. 2 und 3 aStGB) nach Ablauf der sechsmonatigen Bedenkfrist zwingend hätte eingestellt werden müssen (Urk. 6). Im Schreiben vom 5. November 2020, in welchem die Staatsan-
waltschaft die Parteien über die geplante Einstellung informierte, räumte sie diesen die Gelegenheit ein, Beweisanträge zu stellen (Urk. 8/20/1-2). Die Staatsanwaltschaft behaftete die Beschwerdeführerin demnach nicht auf ihre einstige Erklärung, sich bewusst zu sein, dass das Verfahren nach Ablauf von sechs Monaten ohne ihren Widerruf endgültig eingestellt werde. Die Beschwerdeführerin hatte aufgrund des vorbezeichneten Schreibens der Staatsanwaltschaft Anlass, Beweisanträge zu stellen. Die Staatsanwaltschaft wies diese ab (Urk. 8/22). Zudem vertritt die Staatsanwaltschaft in der angefochtenen Verfügung die Rechtsauffassung, dass das alte Recht zur Anwendung gelange (Urk. 6). Die Beschwerdeführerin hat sich damit auseinandergesetzt und hat Anspruch auf Prüfung ihrer Vorbringen (Urk. 2 S. 7 ff.). Wenn das neue Recht zur Anwendung kommen sollte, wäre weiter zu prüfen, ob die Voraussetzungen zur Verfahrenseinstellung gemäss neuem Recht (Art. 55a Abs. 4 und 5 StGB) gegeben sind. Diese Fragen können nur geklärt werden, wenn die Beschwerde behandelt wird. Die Beschwerdeführerin hat folglich ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Änderung des angefochtenen Entscheids und ist demnach beschwerdelegitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Die Staatsanwaltschaft hat in der Einstellungsverfügung eine Beurteilung nach Art. 55a StGB in der Fassung vor und nach dem 1. Juli 2020 vorgenommen. In Anwendung der alten Fassung könne keine Strafe verhängt werden. Die alte Fassung sei zum Tatzeitpunkt, zum Zeitpunkt der Sistierung und zum Zeitpunkt des Ablaufs der sechsmonatigen Frist in Kraft gewesen. Gemäss der Botschaft des Bundesrates handle es sich bei Art. 55a StGB um eine prozessrechtliche Bestimmung, weshalb das Rückwirkungsverbot nicht zur Anwendung gelange. Auf den vorliegenden Fall angewandt, würde eine Verurteilung gestützt auf die neue Gesetzesbestimmung zu einer schwereren Strafe führen, als zum Tatzeitpunkt. Die Meinung in der Botschaft verstosse damit wohl gegen das Rückwirkungsverbot von Art. 2 Abs. 1 StGB und Art. 7 Abs. 1 EMRK. Die Lage der Beschwerdeführerin sei bezüglich der im Raum stehenden Vorwürfe seit dem 12. Juli 2019 stabil. Es sei nicht zu befürchten, dass es zu neuen Übergriffen komme. Das Verfahren sei auch in Anwendung der aktuell geltenden Fassung von Art. 55a StGB einzustellen (Urk. 6).
Die Beschwerdeführerin spricht sich für die Anwendung der seit dem 1. Juli 2020 geltenden Fassung von Art. 55a StGB aus. Es sei ihr nicht entgegenzuhalten, dass sie innerhalb von sechs Monaten ihre Zustimmung zur Verfahrenssistierung nicht widerrufen habe. Die Staatsanwaltschaft habe die Beweisanträge der Beschwerdeführerin abgewiesen. Es sei die Pflicht der Behörde, massgebliche Umstände und die Entwicklung der Situation während der Sistierung in Erfahrung zu bringen. Für die Zeit zwischen dem 20. September 2018 und dem 12. Juli 2019 sowie der Zeit ab dem 13. Juli 2019 habe die Staatsanwaltschaft keine neuen Beweise erhoben. Die Beschwerdeführerin habe dazu zwei Zeugen offeriert
(Urk. 2 S. 8 ff.).
In der Botschaft zum Bundesgesetz über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen vom 11. Oktober 2017 (BBl 2017 7307 ff.) wird zu Art. 55a StGB Folgendes ausgeführt: Bei Artikel 55a StGB handelt es sich um ei- ne prozessrechtliche Bestimmung im StGB. Sie regelt nicht etwa die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens, sondern vielmehr, in welchen Fällen ein Strafverfahren wegen einfacher Körperverletzung, wiederholten Tätlichkeiten, Drohung Nötigung in Paarbeziehungen zu sistieren und einzustellen ist (Urteil des Bundesgerichts 6S.454/2004 vom 21. März 2006 E. 2). Damit findet das Rückwirkungsverbot nach Artikel 2 Absatz 1 StGB keine Anwendung. Nach den allgemei- nen Grundsätzen werden Verfahren, die bei Inkrafttreten von Artikel 55a E-StGB hängig sind, nach dem neuen Recht fortgeführt (vgl. Art. 448 Abs. 1 StPO). Dies bedeutet insbesondere, dass sich die Wiederanhandnahme und Einstellung eines bereits unter dem geltenden Recht sistierten Verfahrens nach Inkrafttreten der neuen Bestimmung nach Letzterer richtet. Die Staatsanwaltschaft das Gericht muss somit nachträglich prüfen, ob die Sistierung geeignet ist, die Situation des Opfers zu stabilisieren zu verbessern. Ist dies nicht der Fall, so muss das Verfahren wieder an die Hand genommen werden (BBl 2017 7362).
Das Rückwirkungsverbot betrifft nur das materielle Strafrecht. Auf das Prozessrecht kommt das Rückwirkungsverbot nicht zur Anwendung (vgl. PETER
POPP/ANNE BIRKEMEIER, in: Basler Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2019,
Art. 2 N. 18; BGE 117 IV 369 E. 4d; 113 Ia 412 E. 6; MARC VILLIGER, Handbuch
der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], 3. Aufl. 2020, S. 353
N. 633; GRABENWARTER/PABEL Europäischen Menschenrechtskonvention,
7. Aufl. 2021, § 24 N. 147; EGMR, Coëme gegen Belgien, Urteil vom 22. Juni 2000, Recueil des arrêts et décisions 2000-VII, § 149). Art. 55a StGB betrifft die Durchführung des Strafverfahrens im Falle von häuslicher Gewalt. Es handelt sich mithin um eine prozessrechtliche Bestimmung. Sie wird auf hängige Verfahren angewandt (vgl. MONIKA SIMMLER/SINE SELMAN, in: StGB - Annotierter Kommentar, 2020, Art. 55a N. 11). Die Kritik der Staatsanwaltschaft an der bundesrätlichen Botschaft ist unzutreffend. Auch die Lehre geht davon aus, dass das Rückwirkungsverbot im Prozessrecht nicht zur Anwendung gelangt. Da vorliegend das Verfahren im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Fassung von Art. 55a StGB, am 1. Juli 2020, sistiert war, ist auf die Einstellungsverfügung die neue Fassung von Art. 55a StGB anwendbar.
3.
Nach Art. 55a Abs. 4 StGB ist das Verfahren nach Ablauf von sechs Monaten wieder aufzunehmen, wenn es das Opfer verlangt sich herausstellt, dass die Sistierung die Situation des Opfers weder stabilisiert noch verbessert. Nach Abs. 5 dieser Bestimmung nimmt die Staatsanwaltschaft vor Ende der Sistierung eine Beurteilung vor. Hat sich die Situation des Opfers stabilisiert verbessert, wird die Einstellung des Verfahrens verfügt. Eine Stabilisierung Verbesserung der Situation ist anzunehmen, wenn sich seit der Sistierung die Vorfälle häuslicher Gewalt nicht wiederholten (vgl. Botschaft, BBl 2017 7307 ff., 7354 f.). Zur Einschätzung der Situation hat die Staatsanwaltschaft das Opfer anzuhören und ihm jedenfalls die Möglichkeit zur Stellungnahme vor Erlass der Einstellungsverfügung einzuräumen (NORA SCHEIDEGGER, in: Kommentar zum Opferhilferecht, Art. 55a StGB, N. 33).
Die Beschwerdeführerin hat die Aufnahme des Verfahrens nicht verlangt. Sie hat sich erst auf die Ankündigung der Verfahrenseinstellung der Staatsanwaltschaft hin geäussert.
Gemäss der angefochtenen Verfügung kam es am 12. Juli 2019 zu einem erneuten Vorfall zwischen den Eheleuten (Urk. 6 S. 3). Die Beschwerdeführerin begab sich ins Frauenhaus und kehrte seither nicht mehr nach Hause zurück (Urk. 2 S. 6). Die Eheleute stehen in einem Scheidungsverfahren. Es sind keine Kinder vorhanden. In der Stellungnahme zur angekündigten Verfahrenseinstellung machte die Beschwerdeführerin einzig geltend, der Beschwerdegegner 2 komme seinen Unterhaltspflichten nicht nach und sie fürchte sich, die Unterhaltsansprüche einzufordern, weil der Beschwerdegegner 2 dann ihre neue Adresse erfahren und sie nach altem Muster zur Rede stellen würde (Urk. 8/21/7 S. 3).
Bei dieser Sachlage schloss die Staatsanwaltschaft zu Recht, dass die Eheleute keinen Grund haben, sich ausserhalb des Scheidungsverfahrens zu treffen und die Situation insgesamt stabil ist. Allein im Umstand, dass der Beschwerdegeg- ner 2 die Unterhaltsleistungen offenbar nicht anstandslos bezahlt und die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin sich davor fürchtet, ihre Unterhaltsansprüche durchzusetzen, kann nicht von einer instabilen Situation gesprochen werden. In der Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin keine neuen Argumente vor, die gegen die Stabilität der Verhältnisse sprechen, und sie zeigte nicht auf, inwiefern die angebotenen Beweise an der Einschätzung der Situation etwas ändern könnten. Zum angeblichen Vorfall vom 12. Juli 2019 macht die Beschwerdeführerin keine konkreten Angaben in ihrer Beschwerde.
Zugunsten des Beschwerdegegners 2 ist zudem zu berücksichtigen, dass das Verfahren infolge des erwähnten Versehens der Staatsanwaltschaft sehr lange gedauert hat. Es ist unbestritten, dass die sechsmonatige Frist am 26. März 2019 endete und die Akten dem zuständigen Staatsanwalt aufgrund eines Versehens erst am 23. Oktober 2020 wieder vorgelegt wurden. Weder die Staatsanwaltschaft noch die Beschwerdeführerin haben sich vor dem 23. Oktober 2020 um das Verfahren gekümmert sich über den Verfahrensstand erkundigt. Das Verfahren ruhte während 19 Monaten. Gemäss Art. 5 Abs. 1 StPO nehmen die Strafbehör- den die Strafverfahren unverzüglich an die Hand und bringen sie ohne unbegrün- dete Verzögerung zum Abschluss (vgl. zum Beschleunigungsgebot und dessen Folgen bei seiner Verletzung das Urteil des Bundesgerichts 6B_1003/2020 vom
21. April 2021 E. 3.3.1 mit Hinweisen). Das Verfahren blieb unverhältnismässig lange liegen. Dafür gibt es keinen rechtfertigenden Grund. Die Verzögerung beruht auf einem Versehen der Staatsanwaltschaft und hat für den Beschwerdegeg- ner 2 erhebliche Folgen. Er wäre bei zeitgerechter Verfahrenserledigung nicht bestraft worden. Die dem Beschwerdegegner 2 vorgeworfenen Taten (Drohung; Körperverletzung) sind nicht zu verharmlosen. Es handelt sich um Vergehen. Die Interessen der Geschädigten erscheinen jedoch geringer. Sie hat sich während den erwähnten 19 Monaten nicht nach dem Fall erkundigt, war mit der ursprünglichen Sistierung einverstanden und hat diese innert sechs Monaten nicht widerrufen. Unter Würdigung der gesamten Umstände erscheint die Verfahrenseinstellung auch als gerechtfertigte Folge der schweren Verfahrensverzögerung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich während dieser langen Zeit bzw. seit dem
12. Juli 2019 keine Vorfälle mehr ergaben.
4.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe im Schreiben vom 17. Februar 2021 gegenüber der Staatsanwaltschaft erwähnt, dass der Beschwerdegeg- ner 2 seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkomme. Sie habe verlangt, dass die Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchung auf den Tatbestand der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten im Sinne von Art. 217 StGB ausdehne. Die Staatsanwaltschaft habe aber keine Verfügung nach Art. 309 Abs. 3 StPO erlassen. Eine allfällige Ausdehnung des Verfahrens werde in der Einstellungsverfügung mit keinem Wort erwähnt. Selbst wenn die Strafuntersuchung nicht wieder aufzunehmen sei, habe dies gestützt auf Art. 311 Abs. 2 StPO zu erfolgen (Urk. 2 S. 12).
Die angefochtene Verfügung befasst sich wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt - nicht mit dem Vorwurf der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten (vgl. Urk. 6). Die Staatsanwaltschaft hat die Vorwürfe betreffend häusliche Gewalt eingestellt. In Bezug auf den Vorwurf der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten liegt kein Entscheid der Staatsanwaltschaft vor. Bei einer Einstellung kann keine Ausdehnung der Untersuchung erfolgen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft die neuen Vorwürfe zuerst prüft und gege-
benenfalls ein Verfahren eröffnet. Eine Rückweisung zur Ausdehnung der Straf- untersuchung hat unter diesen Umständen nicht zu erfolgen.
5.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Beschwerdeführerin unterliegt im Beschwerdeverfahren. Sie ersucht in der Beschwerde um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung. Ihr sei Rechtsanwalt MLaw X. als unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen (Urk. 2 S. 3).
Die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für die Privatklägerschaft setzt voraus, dass ihre Zivilklage nicht aussichtslos ist (vgl. Art. 136 Abs. 1 lit. b StPO). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Zivilklage/Beschwerde nicht schon deshalb aussichtslos, weil die Beschwerde abgewiesen wird. Vielmehr ist bei der Prüfung der Prozesschancen auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs abzustellen (Urteil des Bundesgerichts 1B_446/2018 vom 14.11.18 E. 5.3.2). Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde (Urteil des Bundesgerichts 1B_575/2019 vom 18.11.20
E. 2.2.1).
Voraussetzung für eine erfolgreiche Beschwerde wäre namentlich gewesen, dass die Beschwerdeführerin eine instabile Situation darlegen kann. Das tat sie nicht. Sie hat einzig den Vorfall vom 12. Juli 2019 erwähnt, jedoch nicht ausgeführt, was an jenem Datum konkret geschah. Hinzu kommt die krasse Verletzung des Beschleunigungsgebots, welche einer erfolgreichen Beschwerde und damit einer aussichtsreichen adhäsionsweisen Zivilklage entgegensteht. Unter diesen Umständen sind sowohl die Zivilklage wie auch die Beschwerde aussichtslos. Der Antrag auf unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen.
Da die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren unterliegt, hat sie die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Angesichts der Bedeutung und Schwierigkeit des Falls sowie des Zeitaufwands des Gerichts ist die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren auf Fr. 1'000.-festzusetzen (§ 17 Abs. 1 und § 2 GebV OG).
Da die Beschwerdeführerin unterliegt, ist sie für das Beschwerdeverfahren nicht zu entschädigen. Der Beschwerdegegner 2 wurde nicht zur Stellungnahme eingeladen. Ihm sind daher keine entschädigungsfähigen Aufwendungen entstan- den.
Es wird verfügt:
(Oberrichter lic. iur. A. Flury)
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Prozessführung und Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes wird abgewiesen.
Schriftliche Mitteilung und Rechtsmittelbelehrung mit nachfolgendem Beschluss.
Es wird beschlossen:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf Fr. 1'000.-festgesetzt und der Beschwerdeführerin auferlegt.
Für das Beschwerdeverfahren werden keine Entschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an:
Rechtsanwalt MLaw X. , zweifach, für sich und die Beschwerdeführerin, per Gerichtsurkunde
den Beschwerdegegner 2, per Gerichtsurkunde
die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, ad D-4/2018/10012984, gegen Empfangsbestätigung
sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel an:
die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, ad D-4/2018/10012984, unter Rücksendung der beigezogenen Akten (Urk. 8), gegen Empfangsbestätigung
die Zentrale Inkassostelle der Gerichte
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben wer- den.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen
richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 13. Oktober 2021
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Präsident:
lic. iur. A. Flury
Gerichtsschreiber:
Dr. iur. S. Christen
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