Zusammenfassung des Urteils UE190060: Obergericht des Kantons Zürich
Die A. m.b.H. reichte Beschwerde gegen die Nichtanhandnahme einer Untersuchung ein, die Staatsanwaltschaft entschied am 22. Februar 2019, dass keine strafrechtliche Verantwortlichkeit vorliegt. Die Beschwerdeführerin beantragte die Eröffnung einer Strafuntersuchung wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Das Gericht entschied, dass die Beschwerdeführerin keine Geschädigtenstellung hat und wies die Beschwerde ab. Die Gerichtskosten von CHF 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UE190060 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 28.05.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Nichtanhandnahme |
Schlagwörter : | Staatsanwaltschaft; Verfahren; Nichtanhandnahme; Kantons; Person; Rechtsmittel; Anzeige; Nichtanhandnahmeverfügung; Tötung; Schweiz; Beschwerdelegitimation; Rechtsanwalt; Klinik; Universitätsspitals; Todesfall; Entscheid; Akten; Prozesskaution; Anzeigeerstatter; Verfahrens; Schweizerische; Prozess; Tatbestand; Beschwerdeverfahren |
Rechtsnorm: | Art. 104 StPO ;Art. 115 StPO ;Art. 117 StGB ;Art. 118 StPO ;Art. 119 StPO ;Art. 301 StPO ;Art. 310 StPO ;Art. 322 StPO ;Art. 382 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 424 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 91 StPO ; |
Referenz BGE: | 128 I 218; |
Kommentar: | Schweizer, Trechsel, Pieth, Praxis, 3. Aufl., Zürich, Art. 111 StGB, 2018 Schmid, Schweizer, Jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxis, 3. Aufl., Zürich, Art. 105 StPO, 2013 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UE190060-O/U/HEI
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. A. Flury, Präsident, Oberrichterin lic. iur. A. Meier und Ersatzoberrichter Dr. iur. T. Graf sowie Gerichtsschreiber
lic. iur. Ch. Zuppinger
Beschluss vom 28. Mai 2019
in Sachen
Beschwerdeführerin
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X.
gegen
Beschwerdegegner
betreffend Nichtanhandnahme
Erwägungen:
Am tt.mm.2017 verstarb B. in der C. Klinik des Universitätsspitals Zürich an der -strasse in 8006 Zürich, in welche er tags zuvor zur weiteren Abklärung eines bereits länger bestehenden Ekzems am Unterschenkelstumpf rechts eingetreten war (Urk. 9 Ziff. 1). In diesem Zusammenhang erliess die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl am 23. Juni 2017 eine Einstellungsverfügung betreffend aussergewöhnlicher Todesfall (Urk. 9 Ziff. 3).
Mit Schreiben vom 18. September 2018 erstattete die A. m.b.H. (Beschwerdeführerin), vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X. , bei der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl Strafanzeige wegen des Todesfalls von B. . Darin wurde ausgeführt, dass die Anzeigeerstatterin von der Verlassenschaft von
B. zivilrechtlich unter anderem wegen Forderungen aufgrund des Ablebens von B. in Anspruch genommen werde und diesbezüglich ein Zivilrechtsverfahren am Landesgericht Feldkirch anhängig sei. Aufgrund der Beweisergebnisse in diesem Verfahren und der dadurch neu hervorgetretenen Umstände sei es notwendig, das Ermittlungsverfahren im Todesfall B. zu ergänzen, da nur derart abgeklärt werden könne, ob eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Mitarbeitern der C. Klinik des Universitätsspitals Zürich am Ableben von
B. vorliege (Urk. 20/1 S. 2 oben, S. 3 unten, S. 4 oben).
Mit Verfügung vom 26. Oktober 2018 wurde das Verfahren an die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (infolge Organisationsanpassung neu Staatsanwaltschaft I; nachfolgend als Staatsanwaltschaft bezeichnet) abgetreten (Urk. 20/8). Die Staatsanwaltschaft verfügte in der Folge am 22. Februar 2019 die Nichtanhandnahme einer Untersuchung, da die Voraussetzungen für die Eröffnung nicht gegeben seien (Urk. 9 = Urk. 20/10). Der Entscheid ging der Beschwerdeführerin am 1. März 2019 zu (Urk. 20/11).
Mit Beschwerdeschrift vom 7. März 2019 liess die Beschwerdeführerin durch Rechtsanwalt Dr. X. vorab per Fax (Urk. 2) und hernach auf dem
Postweg (Urk. 8, Urk. 12) Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung vom 22. Februar 2019 einreichen. Sinngemäss beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Eröffnung einer Strafuntersuchung wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung (Urk. 8 S. 2 und S. 5).
Mit Präsidialverfügung vom 19. März 2019 wurde die Beschwerdeführerin zur Leistung einer Kaution in Höhe von Fr. 1'500.innert dreissig Tagen zur Deckung der sie allfällig treffenden Prozesskosten aufgefordert, unter der Androhung, dass bei Nichtleistung innert Frist auf die Beschwerde nicht eingetreten werde (Urk. 16). Die Leistung der Kaution erfolgte am 29. März 2019 (Urk. 18). Die Staatsanwaltschaft wurde daraufhin um Zustellung der Akten ersucht (Urk. 19). Die Akten ohne Beizugsakten 2017/4232 betreffend aussergewöhnlicher Todesfall (siehe Urk. 20/Aktenverzeichnis) gingen am 8. April 2019 ein
(Urk. 20 f.).
Da, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, auf die Beschwerde nicht einzutreten ist, kann darauf verzichtet werden, der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zur Beschwerde zu geben.
Zufolge Abwesenheit einer Richterin ergeht dieser Beschluss teilweise nicht in der den Parteien angekündigten Besetzung.
Gegen die vorliegende Nichtanhandnahmeverfügung nach Art. 310 StPO ist eine Beschwerde gemäss Art. 393 ff. StPO zulässig (Art. 310 Abs. 2 StPO, Art. 322 Abs. 2 StPO).
Die beiden inhaltlich identischen, jedoch mit unterschiedlich umfangreichen Beilagen versehenen Beschwerdeschriften (Urk. 8 mit Beil. Urk. 9 und Urk. 10/1-7; Urk. 12 mit Beil. Urk. 13 und Urk. 14), zur Post gegeben sowohl in Österreich als auch in der Schweiz (Urk. 11, Urk. 15), gingen hierorts jeweils am
11. März 2019 ein (Urk. 8, Urk. 12). Die Beschwerdeerhebung gegen den der Beschwerdeführerin am 1. März 2019 zugestellten Entscheid der Staatsanwaltschaft
betreffend Nichtanhandnahme erfolgte damit in jedem Fall fristgemäss innert der zehntägigen Beschwerdefrist (Art. 396 StPO, Art. 91 StPO). Ebenso wurde die auferlegte Prozesskaution innert angesetzter Frist geleistet (Erw. I./5.).
Die Beschwerde ist der Beschwerdeinstanz schriftlich und begründet einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO). Die Pflicht zur Begründung der Beschwerde bezieht sich auch auf die Beschwerdelegitimation, zumindest insoweit, als diese nicht ohne Weiteres erkennbar ist. Die beschwerdeführende Person hat ihre Beschwerdelegitimation darzulegen, auch wenn die Beschwerdeinstanz diese von Amtes wegen zu prüfen hat (vgl. Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Zürich 2011, Rz. 391; OGer ZH, Beschluss UH130226 vom 12.9.2013 E. 1.3, publ. in ZR 113/2014 Nr. 12 S. 39 ff.).
Gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO kann jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Änderung eines Entscheids hat, ein Rechtsmittel ergreifen. Parteien sind die beschuldigte Person und die Privatklägerschaft sowie im Hauptund Rechtsmittelverfahren die Staatsanwaltschaft (Art. 104 Abs. 1 StPO). Gemäss Art. 118 Abs. 1 StPO gilt als Privatklägerschaft
die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Strafoder Zivilklägerin -kläger zu beteiligen. Nach Art. 115 Abs. 1 StPO gilt als geschädigte Person die Person, die durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist. Eine bloss mittelbare Beeinträchtigung genügt nicht.
Einem blossen Anzeigeerstatter stehen abgesehen vom beschränkten Anspruch auf Information über die Einleitung und die Erledigung des Strafverfahrens (Art. 301 Abs. 2 StPO) keine weiteren Verfahrensrechte zu. Insbesondere ist er nicht berechtigt, Nichtanhandnahmeverfügungen der Staatsanwaltschaft mittels Beschwerde an die kantonale Beschwerdeinstanz anzufechten (BGer 6B_299/2013 vom 26.8.2013 E. 1.1; Schmid/Jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich 2018, Art. 105 N. 5; Guidon, a.a.O., Rz. 293 m.H.; Küffer, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger (Hrsg.), Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 105 N. 12).
Zwar führte die Beschwerdeführerin mit ihrer Anzeigeerstattung aus, dass sie ihre zivilrechtlichen Ansprüche als Folge einer allfälligen Straftat in der C. Klinik des Universitätsspitals Zürich gegenüber dem den Tätern im Rahmen des Strafverfahrens und im Falle einer Anklage ihren Anspruch auf Zulassung als Klägerin im Strafprozess geltend machen werde (Urk. 20/1 S. 4), womit sie die zu ihrer Konstituierung als Privatklägerschaft notwendige Erklärung im Sinne von Art. 118 Abs. 1 StPO und Art. 119 StPO abgab. Zur Bejahung der Beschwerdelegitimation ist nebst der formellen Konstituierung als Privatklägerin jedoch auch notwendig, dass der Beschwerdeführerin Geschädigtenstellung im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO zukommt, d.h. sie durch die mutmassliche Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt wurde (siehe bereits Erw. II./3.2.). Unmittelbar verletzt sind die Rechtsgutsträger, die durch die fragliche Strafbestimmung geschützt werden sollen. Die erforderliche Unmittelbarkeit der Beeinträchtigung bestimmt sich mithin nach dem zur Diskussion stehenden Straftatbestand, wobei je nach den Interessen, die von der verletzten Strafnorm geschützt werden sollen, zu differenzieren ist. Als Geschädigter ist diejenige Person zu betrachten, welcher durch das in einem Straftatbestand inkriminierte Verhalten unmittelbar ein Nachteil zugefügt wurde bei der versuchten Handlung bzw. dem Gefährdungsdelikt zu erwachsen drohte (BGE 128 I 218 E. 1.5 mit Hinweisen; Guidon, a.a.O., Rz. 279).
Eine Geschädigtenstellung der Beschwerdeführerin, die einen medizinischen Behandlungsfehler des Personals der C. Klinik des Universitätsspitals Zürich als mögliche Ursache für das Versterben von B. anführt und den Verdacht der fahrlässigen Tötung für die Eröffnung einer Strafuntersuchung als hinreichend erachtet (Urk. 8, insbes. S. 4 ab Mitte), ist nicht erkennbar und muss verneint werden. Durch den Straftatbestand der fahrlässigen Tötung von Art. 117 StGB soll das Rechtsgut des menschlichen Lebens geschützt werden (Trechsel/Geth, in: Trechsel/Pieth (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich/St.Gallen 2018, Vor Art. 111 N. 1 ff.). Die Beschwerdeführerin ist dadurch, dass ihr gegenüber im Zusammenhang mit dem Ableben von B. zivilrechtliche Forderungen gestellt werden (Urk. 20/1 S. 2 oben; siehe auch Urk. 10/2 S. 2 unten und S. 3 oben [Ziff. 4]), nicht unmittelbar
verletzt. Sie ist nicht Trägerin des durch den Straftatbestand der fahrlässigen Tötung geschützten Rechtsguts des menschlichen Lebens.
Eine unmittelbare Schädigung Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin infolge der zur Anzeige gebrachten fahrlässigen Tötung von B. liegt nicht vor, weshalb ihr keine Geschädigtenstellung zukommt.
3.4. Der Beschwerdeführerin steht als blosser Anzeigeerstatterin wie bereits ausgeführt ein Informationsrecht betreffend Einleitung und Erledigung des Strafverfahrens zu (Art. 301 Abs. 2 StPO). Weitergehende Rechte hat sie nicht (Art. 301 Abs. 3 StPO). Der Beschwerdeführerin kommt als blosse Anzeigeerstatterin keine Legitimation zur Anfechtung der Nichtanhandnahmeverfügung zu.
ten.
Auf die Beschwerde ist mangels Beschwerdelegitimation nicht einzutre-
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird (Art. 428 Abs. 1 StPO). Ausgangsgemäss wird somit die Beschwerdeführerin kostenpflichtig. Angesichts der Bedeutung und Schwierigkeit des Falls sowie des Zeitaufwands des Gerichts ist die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren auf Fr. 800.festzusetzen
(Art. 424 Abs. 1 StPO sowie § 17 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 lit. b - d GebV OG). Die von der Beschwerdeführerin geleistete Prozesskaution ist in diesem Umfang zur Deckung der Gerichtskosten zu verwenden und im Restbetrag vorbehältlich allfälliger Verrechnungsansprüche des Staates an die Beschwerdeführerin zurückzubezahlen.
Für das Beschwerdeverfahren sind ausgangsgemäss keine Entschädigungen zuzusprechen.
Es wird beschlossen:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 800.festgesetzt.
Die Kosten für das Beschwerdeverfahren werden der Beschwerdeführerin auferlegt und aus der von ihr geleisteten Prozesskaution bezogen. Im Restbetrag wird die Prozesskaution der Beschwerdeführerin - unter Vorbehalt allfälliger Verrechnungsansprüche des Staates zurückerstattet.
Für das Beschwerdeverfahren werden keine Entschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an:
Rechtsanwalt Dr. X. , zweifach, für sich und die Beschwerdeführerin (gegen Rückschein unter Beilage des Formulars Hinweis für Zustellungsempfänger)
die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich ad Geschäfts-Nr.
A-2/2018/10033937 unter Beilage von Kopien von Urk. 8, Urk. 9 und Urk. 10/1-7 (gegen Empfangsbestätigung)
sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel an:
die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich ad Geschäfts-Nr.
A-2/2018/10033937, unter Rücksendung der beigezogenen Akten (Urk. 20; gegen Empfangsbestätigung)
die Zentrale Inkassostelle der Gerichte (elektronisch).
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen
richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 28. Mai 2019
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Präsident:
lic. iur. A. Flury
Gerichtsschreiber:
lic. iur. Ch. Zuppinger
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