Zusammenfassung des Urteils UE130368: Obergericht des Kantons Zürich
Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich hat Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft See/Oberland eingereicht, die die Strafuntersuchung gegen A. wegen fahrlässiger Tierquälerei eingestellt hatte. Der Beschwerdegegner 1 wurde verurteilt, weil er ein bei einem Verkehrsunfall verletztes Reh nicht rechtzeitig erlöst hat. Das Veterinäramt des Kantons Zürich fordert die Anklage wegen fahrlässiger Tierquälerei. Das Obergericht des Kantons Zürich hat die Beschwerde gutgeheissen und die Sache zur Fortsetzung der Strafuntersuchung an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UE130368 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 05.05.2014 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Einstellung einer Strafuntersuchung |
Schlagwörter : | Beschwerdegegner; TSchG; Tiere; Unfall; Staatsanwaltschaft; Tieres; Unfalls; Unfallstelle; Tatbestand; Recht; Sinne; Leiden; Beschwerdegegners; Unterlassung; Einstellung; Tierquälerei; Verfahren; Vernachlässigung; Polizei; Verspätung; Betreuer; Bundesgericht; Schmerzen |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ;Art. 104 StPO ;Art. 11 StGB ;Art. 13 StGB ;Art. 264 StGB ;Art. 319 StPO ;Art. 421 StPO ;Art. 92 SVG ; |
Referenz BGE: | 113 IV 68; 137 IV 219; 138 IV 86; 68 IV 20; |
Kommentar: | Donatsch, Hans, Schweizer, Hansjakob, Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Art. 260 OR, 2014 |
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UE130368-O/U/BEE
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, Dr. P. Martin und Ersatzoberrichter lic. iur. A. Schärer sowie die Gerichtsschreiberin Dr.
B. Stump Wendt
Beschluss vom 5. Mai 2014
in Sachen
Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, vertreten durch lic. iur. X. , Veterinäramt,
Beschwerdeführerin
gegen
Beschwerdegegner
betreffend Einstellung einer Strafuntersuchung
Erwägungen:
Mit Verfügung der Kantonspolizei Zürich vom 10. Mai 2013 verzeigte der zuständige Fw B. A. (nachfolgend: Beschwerdegegner 1) wegen fahrlässigen Misshandelns Vernachlässigens eines bei einem Verkehrsunfall verletzten Rehs durch den zum Ausrücken verpflichteten Jäger (Urk. 8/1, letzte Seite). Der Beschwerdegegner 1 wurde mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom 30. Oktober 2013 wegen fahrlässiger Tierquälerei im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 26 Abs. 2 TSchG zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 90.-- und einer Busse von CHF 300.-verurteilt (Urk. 3/4). Dagegen erhob der Beschwerdegegner 1 bei der Staatsanwaltschaft See/Oberland mit Schreiben vom 5. November 2013 fristgerecht Einsprache (Urk. 3/3). Mit Verfügung vom 4. Dezember 2013 stellte die Staatsanwaltschaft See/Oberland die Strafuntersuchung ein (Urk. 3/1). Dagegen liess das Veterinäramt des Kantons Zürich (nachfolgend: Beschwerdeführerin) mit Eingabe vom 20. Dezember 2013 fristgerecht Beschwere erheben und stellte folgende Anträge: (Urk. 2)
1. Die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft See/Oberland sei aufzuheben.
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland sei anzuweisen, A. der fahrlässigen Tierquälerei im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 26 Abs. 2 Tierschutzgesetz (TSchG) anzuklagen.
Die Kosten seien dem Beschuldigten aufzuerlegen.
Mit Verfügung vom 8. Januar 2014 wurde der Staatsanwaltschaft und dem Beschwerdegegner 1 je die Beschwerdeschrift zur Stellungnahme innert Frist übermittelt (Urk. 6). In ihrem Schreiben vom 13. Januar 2014 teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass sie auf eine Vernehmlassung verzichte (Urk. 7). Der Beschwerdegegner 1 liess sich nicht vernehmen (Urk. 11). Das Verfahren erweist sich somit als spruchreif.
Gemäss § 17 des Kantonalen Tierschutzgesetzes vom 2. Juni 1991 (KTSchG; LS 554.1) und § 38 des Gesetzes über die Organisation des Regie-
rungsrates und der kantonalen Verwaltung vom 6. Juni 2005 (OG RR; LS 172.1) sowie Anhang 3 Ziffer 5.1 der dazugehörigen Verordnung (VOG RR; LS 172.11) hat das Veterinäramt des Kantons Zürich volle Parteirechte im Sinne von Art. 104 Abs. 2 StPO und ist folglich zur Beschwerde legitimiert.
In seiner Einsprache gegen den Strafbefehl führte der Beschwerdegegner 1 als Begründung aus, dass er fahrlässig weder ein Tier misshandelt, unnötig überanstrengt noch dessen Würde in anderer Weise missachtet habe. ln Frage komme für sein Handeln einzig die fahrlässige Vernachlässigung. Er sei nach dem Anruf wieder eingeschlafen, was nicht hätte geschehen dürfen, aber eben doch vorkommen könne. Die neben der Busse ausgesprochene bedingte Geldstrafe sei daher unverhältnismässig. Er sehe seinen Fehler ein und sei bereit, sowohl eine Busse zu zahlen als auch die Verfahrenskosten zu tragen. Da die Verurteilung zu einer bedingten Geldstrafe jedoch weitreichende Konsequenzen für ihn haben könne, könne er diese nicht akzeptieren (Urk. 3/3).
Die Staatsanwaltschaft begründete ihre Einstellung zusammengefasst damit, dass das betroffene Reh ca. zweieinhalb Stunden verletzt an der Unfallstelle liegen blieb und bei dieser relativ kurzen zeitlichen Dauer (nicht mehrere Tage gar Wochen) sei zu Gunsten des Beschwerdegegners 1 nicht davon auszugehen, dass bereits von einer Vernachlässigung im Sinne der Tierquälerei nach Art. 26 Abs. 1 TSchG gesprochen werden könne. Vollständig verhindert hätte das Leiden indessen gar nicht werden können, habe der Beschwerdegegner 1 doch ca. 30 Minuten benötigt, um überhaupt zur Unfallstelle zu gelangen. ln die rechtliche Würdigung sei sodann mit einzubeziehen, dass nicht mehrere Tiere betroffen gewesen seien und der Beschwerdegegner 1 dem Reh die Verletzungen nicht selbst zugefügt habe. Unter Berücksichtigung dieser Umstände könne dem Beschwerdegegner 1 keine fahrlässige Tierquälerei angelastet werden. Da Widerhandlungen gegen das Gesetz über Jagd und Vogelschutz des Kantons Zürich nur bei vorsätzlicher Begehung strafbar seien und der Beschwerdegegner 1 offensichtlich nicht vorsätzlich gehandelt habe, komme eine Bestrafung auch diesbezüglich nicht in Frage, weshalb das Verfahren gegen den Beschwerdegegner 1 ohne Weiterungen einzustellen sei (Urk. 3/1).
In ihrer Beschwerdeschrift vom 20. Dezember 2013 (Urk. 2) folgert die Beschwerdeführerin, nachdem sie in ihrer Eingabe detaillierte Schilderungen zur Interpretation und Würdigung der rechtlichen Situation und der Subsumtion des Sachverhaltes macht, im Wesentlichen, dass die unterbliebene sofortige Hilfeleistung des Beschwerdegegners 1 gegenüber dem Reh und das unnötige Aushaltenlassen von Schmerzen, Leiden und Angst tatbestandsmässig im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG seien, denn auch ein bereits wenige Minuten langes Zufügen von Schmerzen könne Tierquälerei sein. Erst recht beeinträchtige ein 2,5-stündiges, unnötiges Wartenlassen eines schwer verletzten Tieres auf die erforderliche Hilfe das Wohlergehen des Tieres und stelle Tierquälerei dar. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, weshalb die Einstellung damit begründet werde, es seien nicht mehrere Tiere betroffen. Die Erfüllung des objektiven Tatbestandes der Tierquälerei hange nicht von der Zahl der betroffenen Tier ab, vielmehr liege bei mehreren misshandelten vernachlässigten Tieren eine Tatmehrheit vor. Nicht haltbar sei die Einstellung sodann mit der Begründung, der Beschwerdegegner 1 habe das Tier nicht selbst verletzt. Der Beschwerdegegner 1 sei erwie-
senermassen als gebietszuständiger Pächter im Jagdrevier C.
an erster
Stelle für Ausrückfälle zuständig und werde daher von der Polizei bei einem Wildunfall immer zuerst angerufen. Ihm komme daher eine Garantenstellung zu. [ ] Wäre er beim Telefonanruf morgens um 07.07 Uhr direkt zur Unfallstelle gefahren, hätte er dem schwer verletzten Reh weitere Schmerzen, Leiden und Ängste ersparen und es umgehend nach dem Unfall erlösen können. Indem er dies nicht getan habe, habe er das Wohlbefinden des Rehs stark beeinträchtigt. Eine solche pflichtwidrige Unterlassung erfülle den Tatbestand der fahrlässigen Tierquälerei nach Art. 26 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 TschG. Rechtfertigungsund Schuldausschlussgründe lägen nicht vor (Urk. 2 S. 6 f.).
Gemäss Art. 319 Abs. 1 StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die vollständige teilweise Einstellung des Verfahrens, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (lit. a), kein Straftatbestand erfüllt ist (lit. b),
Rechtfertigungsgründe einen Straftatbestand unanwendbar machen (lit. c), Prozessvoraussetzungen definitiv nicht erfüllt werden können Prozesshindernisse aufgetreten sind (lit. d) nach gesetzlicher Vorschrift auf Strafverfolgung Bestrafung verzichtet werden kann (lit. e). Bei der Frage, ob ein Strafverfahren über eine Verfahrenseinstellung durch die Untersuchungsbehörde erledigt werden kann, gilt im schweizerischen Strafprozessrecht der Grundsatz in dubio pro duriore. Danach darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit bzw. offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen verfügt werden. Hingegen ist Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch (BGE 138 IV 86 Erw. 4.1.1; BGE 137 IV 219 Erw. 7.1). Der Staatsanwaltschaft steht in diesem Zusammenhang ein erheblicher Ermessenspielraum zu. Halten sich die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung und diejenige eines Freispruchs etwa die Waage, muss umso eher angeklagt werden, je schwerer das Delikt wiegt (vgl. BGE 138 IV 86 Erw. 4.1.1; Urteil 1B_170/2012 vom 19.6.2012 Erw. 3.2). Bei zweifelhafter Beweisbzw. Rechtslage hat nicht die Untersuchungsoder Anklagebehörde über die Stichhaltigkeit des strafrechtlichen Vorwurfes zu entscheiden, sondern das für die materielle Beurteilung zuständige Gericht (BGE 138 IV 86 Erw. 4.1.1). Der Grundsatz in dubio pro reo nach Art. 10 Abs. 3 StPO spielt hier nicht (vgl. auch BGE 138 IV 86 E. 4.1 und 4.2 = Pr 2012 Nr. 114; BGE 137 IV 219 E. 7.1 und 7.2;
Schmid, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich/St. Gallen 2013, N 1247 ff.; ders., StPO Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2013, Art. 319 N 1 ff., insbes. N 5; Landshut, in: Kommentar zur schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], hrsg. von Donatsch/Hansjakob/Lieber, Zürich 2010, Art. 308 N 1 f., Art. 319 N 1 ff., insbes. N 15).
Der Grundsatz in dubio pro duriore hat somit keineswegs zur Folge, dass eine Verfahrenseinstellung erst bei erwiesener Unschuld eines Beschuldigten in Frage kommt. Ist ein Freispruch wahrscheinlicher als ein Schuldspruch, steht die bundesgerichtliche Rechtsprechung einer Verfahrenseinstellung selbst dann nicht entgegen, wenn hohe Rechtsgüter betroffen waren bzw. schwere Delikte in Frage stehen.
Die Staatsanwaltschaft hatte zum inkriminierten Sachverhalt eine Strafuntersuchung durchgeführt, die zunächst in einen Strafbefehl mündete. Es ist zu prüfen, ob das Ergebnis dieser Untersuchung einen Schuldspruch zumindest als ebenso wahrscheinlich annehmen lässt wie einen Freispruch. Überwiegt die Wahrscheinlichkeit für letzteres, ist eine Verfahrenseinstellung nicht zu beanstanden.
Sachverhalt
Gemäss dem im Strafbefehl vom 30. Oktober 2013 umschriebenen und vom Beschwerdegegner 1 in tatsächlicher Hinsicht in seiner Einsprache vom 5. November 2013 (Urk. 8/11) nicht wesentlich bestrittenen Sachverhalt ist für das vorliegende Verfahren davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner 1 am
März 2013, um 07.07 Uhr, von der Polizei darüber informiert wurde, dass sich auf der strasse in C. ein Verkehrsunfall ereignet hatte, bei welchem ein Reh verletzt worden ist. Der Beschwerdegegner 1 erschien hingegen erst um ca.
09.40 Uhr an der Unfallstelle, um das verletzte Tier zu erlegen (Urk. 8/1 S. 1). Der Beschwerdeführer 1 traf deswegen so spät am Unfallort ein, weil er seinen eigenen Angaben zufolge, nach dem Anruf der Polizei wieder eingeschlafen war (vgl. dazu seine Angaben unten). Das angefahrene Reh blieb in der Zwischenzeit verletzt und demzufolge ca. zweieinhalb Stunden an der Unfallstelle liegen.
Dieser Sachverhalt wird auch von der Beschwerdeführerin nicht wesentlich bestritten, allerdings u.a. dahingehend ergänzt, als dass sie zusätzlich geltend macht, dem Beschwerdegegner 1 sei von der Polizei anlässlich der Notfallmeldung mitgeteilt worden, dass das Reh noch lebe und sich vermutlich ein Bein gebrochen habe, worauf der Beschwerdegegner 1 dem Polizeibeamten erklärt habe nachzusehen (Urk. 2 S. 3, Verweis auf Protokoll des Telefongesprächs Urk. 8/1). Zudem divergiere die Begründung der Verspätung des Beschwerdegegners 1 gemäss seinen Aussagen mit den Aussagen der beiden Automobilistinnen, die am Unfallort auf den Beschwerdegegner 1 gewartet hätten (vgl. zu den weitern Argumenten der Beschwerdeführerin an der jeweiligen Stelle).
In seiner polizeilichen Befragung vom 24. April 2013 erklärte der Beschwer-
degegner 1, er sei in seiner Funktion als Mitpächter im Jagdrevier C. an
erster Stelle für Ausrückfälle zuständig; d.h. bei einem Wildunfall rufe die Polizei immer zuerst ihn an. Allerdings erklärte der Beschwerdegegner 1, er sei davon ausgegangen, dass das Reh tot sei; dies obwohl ihm das aufgezeichnete Telefongespräch vom 5. März 2013, anlässlich welchem ihm auf seine Nachfrage, ob das Tier noch lebe, vom Polizeibeamten wörtlich mitgeteilt wurde: Ja, ich glaube. Die Melderin sagte, dass es sich ein Bein gebrochen habe, unmittelbar zuvor vorgehalten wurde (Urk. 8/3 S. 2). Allerdings erklärte der Beschwerdegegner 1 auch, es sei zutreffend, dass nach seiner Ankunft am Unfallort, das Reh noch gelebt und am Hinterlauf einen Knochenbruch aufgewiesen hatte, um dann noch anzufügen, dass das Tier unter Umständen gar nicht hätte geschossen werden müssen. Schliesslich räumt der Beschwerdegegner 1 aber in seiner polizeilichen Befragung ein, dass es gegenüber dem Wildtier ethisch verwerflich sei, wenn man erst derart spät eintreffe, um es zu erlösen. Dazu stehe er. Es sei eine verdammte Schweinerei. Aber er sei nun mal leider wieder eingeschlafen (Urk. 8/3 S. 4, vgl. auch S. 5 Mitte).
Aufgrund der polizeilichen Befragung des Beschwerdegegners 1 lässt sich der zeitliche Ablauf nicht genau rekonstruieren. Unbestritten ist, dass der erste Anruf durch die Polizei beim Beschwerdegegner 1 um 7.07 Uhr auf dem Festnetz einging. Sodann versuchte eine der Unfallbeteiligten den Beschwerdegegner 1 zwischen 08.34 Uhr und 08.56 Uhr mehrfach vergeblich auf seiner von der Polizei erhaltenen - Natelnummer zu erreichen (Urk. 8/4 S. 2 f., Urk. 8/5 S. 3). Um ca.
9.00 Uhr wurde sodann die Ehefrau des Beschwerdegegners 1 durch die Polizei auf dem Festnetz erreicht, die zur Auskunft gab, ihr Ehemann sei vor ca. einer halben Stunde (ca. 8.30 Uhr) losgefahren. Warum der Beschwerdegegner 1 somit von seinem Wohnort bis zum Eintreffen an der Unfallstelle über eine Stunde brauchte, obwohl die Strecke gemäss Twix-Route in ca. 21 Minuten zu bewältigen ist, konnte dieser nicht schlüssig erklären, sondern meinte, es sei möglich, dass er etwas später abgefahren sei (vgl. Urk. 8/3 S. 3).
Den Angaben der Unfallbeteiligten D. zufolge, hatte der Beschwerdegegner 1, nachdem er ruhig und gemächlich dahergekommen war, an der Unfallstelle seine Verspätung auch damit erklärt, er habe zunächst einen Kaffee trinken müssen, weshalb es etwas länger habe dauern können, da er erst um ca. 3.00 Uhr nachts nach Hause gekommen sei (Urk. 8/4 S. 3 f.). Auch die Augenzeugin des Vorfalls, E. , welche die ganze Zeit am Unfallort anwesend war, beschrieb den Beschwerdegegner 1 bei seinem Aufkreuzen am Unfallort als gemächlich vorgehend und er habe seine Verspätung damit gerechtfertigt, dass er noch habe Kaffee trinken müssen (Urk. 8/5 S. 3 f.).
Aufgrund des bisherigen Untersuchungsergebnisses ist nicht geklärt, ob sich die Verspätung des Beschwerdegegners 1 alleine aus dem Umstand erklären lässt, dass er nach dem ersten Telefonanruf um 7.07 Uhr wieder eingeschlafen war. Diese Version ist zwar nicht auszuschliessen und es gibt Anhaltspunkte, dass dies tatsächlich so gewesen ist; es sind aber auch Hinweise ersichtlich, dass die Verspätung aufgrund des Einschlafens durch zusätzliche Verzögerungen entstanden ist. So z.B. durch die Angabe der Ehefrau, der Beschwerdegegner 1 habe das Haus um ca. 8.30 Uhr verlassen und die Aussage der Unfallbeteiligten D. und E. , denen gegenüber der Beschwerdegegner 1 Kaffeetrinken seinerseits als Verspätungsgrund erwähnte.
Fakt ist allerdings, dass der Beschwerdegegner 1 aufgrund des bisherigen Untersuchungsergebnisses mit fast zweistündiger Verspätung an der Unfallstelle erschienen ist, und das Reh in dieser Zeit verletzt am Leben blieb. Die definitive Beurteilung des Sachverhaltes obliegt dem Sachrichter.
Rechtliche Würdigung
Nach Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG macht sich strafbar, wer ein Tier misshandelt, vernachlässigt, es unnötig überanstrengt dessen Würde in anderer Weise missachtet.
Für den hier zu beurteilenden Sachverhalt kommen die Tatbestandsvarianten des Misshandelns und des Vernachlässigens in Frage.
Bei der Misshandlung i.S.v. Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG handelt es sich um ein Verletzungsdelikt. Tatbestandsvoraussetzung ist eine mit der Handlung verbundene Beeinträchtigung des tierlichen Wohlergehens durch die Zufügung von Schmerzen, Leiden, Schäden Ängsten. [ ] Ein tatbestandsmässiges Verhalten kann einerseits in Form einer aktiven Handlung vorliegen, etwa durch heftiges Schlagen Treten eines Tieres die Vornahme schmerzhafter Eingriffe ohne vorgängige Betäubung. [ ]. Eine Misshandlung ist anderseits auch durch Unterlassung gemäss Art. 11 StGB möglich, so beispielsweise wenn der Täter eine Garantenstellung innehat und aufgrund seiner Rechtsstellung verpflichtet ist, die Gefährdung Verletzung des betroffenen Rechtsguts zu verhindern. Eine Garantenpflicht für ein Tier trifft vor allem dessen Halter aufgrund seiner in Art. 6 Abs. 1 TSchG umschriebenen Verantwortung zur angemessenen Ernährung, Pflege (darin eingeschlossen ist auch die notwendige medizinische Versorgung von Tieren, Art. 5 Abs. 2 TSchV) und Gewährung der notwendigen Beschäftigung, Bewegung und Unterkunft. Dasselbe gilt auch für einen vorübergehenden Betreuer des Tieres (vgl. zu den Verpflichtungen des Betreuers sogleich unten). Tatbestandsmässig verhält sich aber auch, wer ein Tier, nachdem er es mit dem Auto angefahren hat, verletzt liegen lässt ohne jemanden zu verständigen, der es medizinisch pflegen kann. Die Garantenpflicht des Fahrzeuglenkers ergibt sich hier durch die Schaffung einer besonderen Gefahrenlage für das Tier. Indem er weiterfährt, ohne Hilfe für das verletzte Tier zu organisieren, nimmt er zumindest in Kauf, dass dieses unnötig lange an den Folgen des Unfalls leidet. Damit macht er sich sowohl wegen Zuwiderhandelns gegen das Strassenverkehrsgesetz (Art. 51 Abs. 3 i.V. m. Art. 92 Abs. 1 SVG) als auch wegen Misshandlung durch Unterlassung strafbar (Bolliger Gieri/Richner Michelle/Rüttimann Andreas, Schweizer Tierschutzstrafrecht in Theorie und Praxis, 2011, S. 107 ff.).
Das in der Literatur angefügte Beispiel des verletzten Tieres durch einen Verkehrsunfall macht deutlich, dass die Tatbestandsvariante des Misshandelns objektiv durch eine solche Handlung, die die entsprechenden Verletzungen und Schmerzen nach sich zieht, erfüllt werden kann. Allerdings verlangt das Bundesgericht, dass die strafrechtlich relevante Misshandlung, wie alle Varianten von Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG, mit einer Missachtung der Würde des Tieres einhergehen muss. Dies ergebe sich sowohl aus dem Zusatz dessen Würde in anderer Weise missachtet als auch aus der Marginale der Gesetzesbestimmung, welche die Tierquälerei unter Strafe stelle. Die Begriffe der Würde und des Wohlergehens würden in Art. 3 lit. a und b TSchG definiert. Die Würde des Tieres werde missachtet, wenn seine Belastung nicht durch überwiegende Interessen gerechtfertigt werden könne. Eine Belastung liege vor, wenn dem Tier insbesondere Schmerzen, Leiden Schäden zugefügt würden, es in Angst versetzt o- der erniedrigt werde, wenn tief greifend in sein Erscheinungsbild seine Fähigkeiten eingegriffen es übermässig instrumentalisiert werde (Art. 3 lit. a TSchG). Von einer Missachtung der Würde sei auszugehen, wenn das Wohlergehen des Tieres beeinträchtigt sei, weil Schmerzen, Leiden, Schäden Angst nicht vermieden würden (vgl. Art. 3 lit. b Ziff. 4 TSchG, vgl. dazu 6B_653/2011, E. 3.3.).
Vorliegend wurde einem Reh bei einem Verkehrsunfall ein Hinterlauf gebrochen. Es blieb darauf während rund 2 ½ Stunden lebend liegen, bevor es durch einen finalen Schuss erlöst wurde. Somit bestehen zumindest erhebliche Anhaltspunkte für die Subsumtion unter die objektiven Kriterien von Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG aufgrund der Schmerzen und des Leidens evtl. auch aufgrund der Angst auch unter Hinzuziehung des Würdebegriffs gemäss Tierschutzgesetz.
Der Beschwerdegegner 1 könnte sich folglich der fahrlässigen Misshandlung durch Unterlassen (Art. 26 Abs. 1 lit a. i.V.m. Abs. 2 TSchG und i.V.m. Art. 11 StGB) strafbar gemacht haben, indem er mit erheblicher Verspätung an der Unfallstelle erschien. Ein aktives Handeln des Beschwerdegegners 1 ist nicht ersichtlich. Insoweit ist mit der Staatsanwaltschaft einig zu gehen, wenn sie in ihrer Einstellungsverfügung erklärt, der Beschwerdegegner 1 habe das Reh nicht selber verletzt (Urk. 3/1 S. 2). Allerdings lässt diese Argumentation völlig ausser Acht, dass unter gewissen Voraussetzungen - namentlich beim Vorliegen einer Garantenpflicht auch Unterlassungen strafbar sind.
Die rechtsgutgefährdende Situation könnte vorliegend nämlich darin gesehen werden, dass der Beschwerdegegner 1 das verletzte Reh länger in einer Leidenssituation beliess als objektiv geboten. Der Beschwerdegegner 1 hätte zudem
die physisch reale Möglichkeit (Tatmacht) gehabt so zu handeln, dass er das Leiden des verletzten Tieres massgebend hätte verkürzen können. So hätte er einfach nach Erhalt des Telefonats sich umgehend auf den Weg zur Unfallstelle machen müssen, was die Leidenszeit des Rehs um ca. 2 Stunden verkürzt hätte. Beim unechten Unterlassungsdelikt bedarf es zur Strafbarkeit zudem einer Garantenstellung gemäss Art. 11 Abs. 2 StGB. Zumindest wäre es ihm zumutbar gewesen, sich um einen Stellvertreter zu bemühen.
Im Unterschied zum in der Literatur angefügten Beispiel des Autolenkers, der sich um ein Tier, welches er angefahren hat, in der Folge nicht kümmert, hat der Beschwerdegegner 1 das Reh nicht selber verletzt. Demzufolge ergibt sich seine Garantenstellung nicht aus der Rechtsposition eines Fahrzeuglenkers. D.h. aber noch nicht, dass ihn nicht aus anderweitigen Normen eine ebenso verbindliche Garantenpflicht treffen kann.
Gemäss § 22 Abs. 1 Jagdverordnung (LS 922.11) sind Jagdpächter und Jagdaufsichtsorgane verpflichtet, verletzte, anomale kranke Tiere während des ganzen Jahres, falls notwendig auch zur Nachtzeit an Sonnund öffentlichen Ruhetagen, abzuschiessen. Aus dieser gesetzlichen Bestimmung ergibt sich für einen verantwortlichen Jagdpächter einerseits eine klare Garantenstellung und andererseits ist auch der Aufgabenbereich so definiert, dass das Ausrücken an eine Unfallstelle, um angefahrenes Wild abzuschiessen, zu jeder Zeit zu erfolgen hat. Aus dieser Vorgabe lässt sich ohne Weiteres ableiten, dass ein Ausrücken an die Unfallstelle somit umgehend zu erfolgen hat. Der Beschwerdegegner 1 begab sich nicht in der ihm kürzest möglichen Zeit an die Unfallstelle - dies wäre gemäss dem Untersuchungsergebnis innerhalb ca. 30 Minuten möglich und zumutbar gewesen (vgl. dazu Urk. 8/1 S. 3). Unbeachtlich bleibt für die Beurteilung des Falles, ob der Beschwerdegegner 1 noch früher an der Unfallstelle hätte erscheinen können, wie dies seitens der Beschwerdeführerin behauptet wird [Urk. 2
S. 5]). - Der Beschwerdegegner 1 dürfte gegen § 22 Abs. 1 der Jagdverordnung verstossen und folglich mit seinem über zwei Stunden verspätetem Erscheinen den tatbestandsmässigen Erfolg des Misshandelns verursacht haben, denn zwischen der Unterlassung und dem Erfolg besteht ein hypothetischer Kausalzusammenhang. Anzumerken ist hier, dass zwar eine gewisse Leidenszeit des Rehs, zweifelsohne auch bei rechtzeitigem Erscheinen des Beschwerdegegners 1 auf der Unfallstelle bestanden hätte. Bei rechtzeitigem Erscheinen (Vornahme der gebotenen Handlung) wäre der Erfolg einer vielfach längeren Leidenszeit offensichtlich nicht eingetreten.
Gemäss Art. 11 Abs. 3 StGB ist eine Gleichwertigkeit von Tun und Unterlassen gefordert. Gemäss Bundesgericht muss der Unterlassungstäter so sehr zur Abwehr der Gefahr für das betroffene Rechtsgut verpflichtet sein, dass die Unterlassung der Erfolgsherbeiführung durch aktives Handeln gleichwertig erscheint (BGE 113 IV 68, E.5.a.). Ein Jagdpächter ist wie erwähnt verpflichtet verletzte, anomale kranke Tiere abzuschiessen (§ 22 Jagdverordnung). Es scheint naheliegend, dass eine Unterlassung der Erfüllung dieser Schutzpflicht mit einem aktiven Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Tiere gleichgesetzt werden kann. Das verursachte Unrecht wiegt in solchen Fällen gleich schwer wie jenes der aktiven Schädigung.
Fahrlässig handelt der Täter, wenn er die schädliche Folge seines Verhaltens nicht bedacht und berücksichtigt hat, d.h. die Sorgfalt nicht beachtet hat, zu der er nach den konkreten Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet gewesen wäre (Art. 12 Abs. 3). Die Sorgfaltspflicht lässt sich in erster Linie aus besonderen generell-abstrakten Normen aus den konkreten Umständen sowie den persönlichen Verhältnissen des Handelnden ableiten (Donatsch Andreas/Tag Brigitte, Strafrecht I, Verbrechenslehre, 9. Aufl., Zürich 2013, S. 347 f.).
Auch hier lässt sich die Handlungspflicht des Beschwerdegegners 1 wieder aus § 22 Jagdverordnung ableiten. Die Pflichtwidrigkeit des Beschwerdegegners 1 kann darin gesehen werden, dass er nicht rechtzeitig an der Unfallstelle erschienen ist, wie es seine Aufgabe gewesen wäre. Es kann hier offen bleiben, ob der Beschwerdegegner 1 diese Verspätung nicht sogar vorsätzlich zumindest eventualvorsätzlich begangen hatte - die definitive Einschätzung des subjektiven Tatbestandes obliegt dem Sachrichter. Jedenfalls muss ihm vorgeworfen werden, dass er, nachdem er vom Polizeibeamten telefonisch über seinen Einsatz
unterrichtet wurde und offenbar in diesem Zeitpunkt wach war und die Meldung erfasst hatte, danach nicht dafür besorgt war, sich in wachem Zustand zu halten. Gemäss BGE 68 IV 20 hat jemand, der sich beispielsweise an einen pünktlichen Dienstund Arbeitsantritt zu halten hat, und dessen Zuspätkommen schwere Folgen nach sich ziehen kann, vermehrt Vorkehrungen gegen das Verschlafen zu treffen. Dieser verschuldete Ausschluss der Handlungsfähigkeit beim Unterlassungsdelikt (sog. omissio libera in causa) müsste vorliegend um so mehr zu Geltung kommen, als der Beschwerdegegner 1 nicht wie im zitierten BGE verschlafen hatte, sondern nach Entgegennahme des Anrufs wieder eingeschlafen sein will. Sein Verhalten kann somit im Kontext der verletzten Norm (Art. 26 Abs. 1 lit. a. TSchG) als sorgfaltspflichtwidrig betrachtet werden.
Zu erwähnen bleibt noch, dass im vorliegenden Fall Anhaltspunkte bestehen, dass für den Beschwerdegegner 1 der tatbestandsmässige Erfolg und Kausalverlauf in groben Zügen voraussehbar gewesen ist und dass der Erfolg (Leidenszeit aufgrund der Verspätung) bei pflichtgemässem Verhalten vermeidbar gewesen wäre.
Falls man die Variante in Betracht zieht, der Beschwerdegegner 1 sei davon ausgegangen, das verletzte Reh lebe nicht mehr und er habe sich deshalb erst mit grosser Verspätung zur Unfallstelle begeben, so ist dazu zu bemerken, dass ein solcher Irrtum sofern er vom Beschwerdegegner 1 überhaupt glaubhaft gemacht werden kann - unter Anwendung von Art. 13 Abs. 2 StGB wohl ebenfalls eine Bestrafung nach Art. 26 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 TSchG nach sich ziehen würde, da auch ein solcher Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht (Nachfragen) hätte vermieden werden können.
Die Pflichtwidrigkeit des Beschwerdegegners 1 liegt aber nach Ansicht der hiesigen Kammer weniger in einem möglichen Irrtum über den gesundheitlichen Zustand des Rehs als vielmehr in seinem Versäumen dafür zu sorgen, dass er seinen gesetzlichen Verpflichtungen als Jagdpächter des Jagdreviers C. nachkommen kann, beispielsweise durch Sicherstellung einer Stellvertretung und sofortiges entsprechendes Aufgebot im Verhinderungsfall.
Es liegen keine Rechtfertigungsoder Schuldausschlussgründe vor, weshalb vorliegend Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschwerdegegner 1 den Tatbestand von Art. 26 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 TSchG in der Variante des Misshandelns durch Unterlassung erfüllt hat. Die definitive rechtliche Würdigung obliegt dem Sachrichter.
Die Vernachlässigung von Tieren gemäss Art. 6 Abs. 1 TSchG ist ein echtes Unterlassungsdelikt. Das tatbestandsmässige Verhalten liegt in der Nichtvornahme einer nach Art. 6 Abs. 1 TSchG gebotenen Handlung (Bolliger Gieri/Richner Michelle/Rüttimann Andreas, a.a.O. S. 114). Das Bundesgericht hält dazu im Entscheid vom 30. Januar 2012 (6B_653/2011, E.3.2.) fest, der Begriff des Vernachlässigens im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG ergebe sich indirekt aus Art. 6 Abs. 1 TSchG. Diese Norm verpflicht jenen, der ein Tier hält betreut, es angemessen zu nähren, zu pflegen und ihm die für sein Wohlergehen notwendige Beschäftigung und Bewegungsfreiheit sowie soweit nötig Unterkunft zu gewähren. Wer diese gesetzlich vorgeschriebenen Handlungen nicht vornehme, vernachlässige das Tier im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG (Urteil 6B_660/2010 vom 8. Februar 2011 E. 1.2.1). Damit stellt sich das Bundesgericht auf den Standpunkt bei der Tatbestandsvariante des Vernachlässigens handle es sich um ein Erfolgsdelikt. Im Entscheid 6B_635/2012 vom 14. März 2013 wird sodann explizit festgehalten, dass entgegen der in der Literatur vertretenen Lehrmeinung (Bolliger Gieri/Richner Michelle/Rüttimann Andreas, a.a.O., S. 114 f.) Tierquälerei durch Vernachlässigung im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG nicht ein abstraktes Gefährdungsdelikt sei, sondern wie bereits unter altem Recht ein Erfolgsdelikt (E.3.2.2.).
Das Bundesgericht argumentiert im Entscheid 6B_653/2011 weiter, eine arge bzw. starke Vernachlässigung des Tieres, wie dies in Art. 264 aStGB bzw. Art. 27 Abs. 1 lit. a aTSchG noch verlangt wurde, sei seit Inkrafttreten von Art. 26 Abs. 1 lit. a des revidierten Tierschutzgesetzes vom 16. Dezember 2005 keine Tatbestandsvoraussetzung mehr. Diese Rechtsprechung hat auch nach der Revision des TSchG vom 15. Juni 2012, bei der nicht der Tatbestand an sich geändert wurde, sondern ausschliesslich das Strafmass angepasst und verschärft wurde,
Bestand, wie dem Entscheid 6B_635/2012 entnommen werden kann (E.3.2.1). Die Leiden Schmerzen des kranken Tieres bräuchten nicht besonders stark zu sein. Ob der Tatbestand der Vernachlässigung im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG erfüllt sei, beurteile sich bei der unterlassenen Pflege eines kranken Tieres in erster Linie nach dem Krankheitsbild (6B_653/2011, E. 3.3.).
Damit dem Beschwerdegegner 1 möglicherweise einen Vorwurf im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG in der Variante des Vernachlässigens gemacht werden kann, muss zunächst seine Rechtsposition in Verhältnis zum verletzten Reh geklärt werden. Art. 6 Abs. 1 TSchG richtet sich an den Adressatenkreis der Halter und Betreuer von Tieren.
Das Bundesgericht hat sich im Entscheid vom 8. Februar 2011 (6B_660/2010, E.1.2.2. f.) eingehend mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Demnach ist Halter eines Tieres, wer die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Tier in eigenem Interesse und nicht nur ganz vorübergehend ausübt. Es müsse eine tatsächliche Beziehung zum Tier bestehen, die ihm die Möglichkeit gebe, über dessen Betreuung, Pflege, Verwendung, Beaufsichtigung, usw. zu entscheiden. Diese Herrschaftsbeziehung dürfe nicht ausschliesslich in fremdem Interesse und nach Weisungen eines anderen ausgeübt werden und die Herrschaft dürfe nicht nur ganz vorübergehender Natur sein. Demgegenüber gelte als Betreuer, wer in einem tatsächlichen Sinn übernommen habe, für das Tier zu sorgen es zu beaufsichtigen. Im Gegensatz zum Halter könne die Beziehung des Betreuers auch kurzfristiger Natur, in fremdem Interesse weisungsgebunden sein. Als Betreuer fielen beispielsweise Finder, Verwahrer, Angestellte Familienangehörige des Halters in Betracht (Feuerstein Nicola, Bundesamt für Veterinärwesen, Unser Tierschutzgesetz kurz kommentiert, 1997, S. 13; Goetschel Antoine F., Kommentar zum Eidgenössischen Tierschutzgesetz, 1986, S. 39 f.; Hirt Almuth/Maisack Christoph/Moritz Johanna, Tierschutzgesetz, 2007, S. 105). Der Begriff des Betreuers bilde einen Auffangtatbestand für jene Fälle, in denen eine Person zwar nicht Halter sei, aber dennoch eine solche tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf das Tier habe, so dass ihr zwangsläufig die Funktionen für die angemessene Sorge des Tieres nach Art. 6 Abs. 1 TSchG zukomme (Hirt Almuth/Maisack Christoph/Moritz Johanna, a.a.O., S. 105 f.) [ ]. Die in der Tierschutzverordnung konkretisierten Pflichten, welche insbesondere hinsichtlich der (Kranken)pflege in den Grundzügen bereits in Art. 6 Abs. 1 TSchG enthalten seien, träfen auch den Betreuer eines Tieres. [ ] Der Kreis derjenigen, welche für das Wohlergehen eines Tieres zu sorgen hätten, sei unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 TSchG weit auszulegen und erstrecke sich auch auf den Betreuer.
Aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und den Verpflichtungen die den Beschwerdegegner 1 aufgrund seines Status' als Jagdpächter aus § 22 Jagdverordnung treffen, ist rechtlich nicht von vornherein auszuschliessen, dass er als Betreuer des verletzten Rehs im Sinne von Art. 6 Abs. 1 TSchG gelten kann. Namentlich das Unterlassen ungerechtfertigte Hinauszögern eines nach § 22 der Jagdverordnung gebotenen Fangschusses dürfte sich als Vernachlässigung im Sinne des TSchG qualifizieren lassen.
Die Staatsanwaltschaft argumentiert in ihrer Einstellungsverfügung, bei dieser relativ kurzen zeitlichen Dauer sei zu Gunsten des Beschwerdegegners 1 nicht davon auszugehen, dass bereits von einer Vernachlässigung im Sinne der Tierquälerei nach Art. 26 Abs. 1 TSchG gesprochen werden könne. Dazu ist festzuhalten, dass nach Ansicht der hiesigen Kammer keine Mindestdauer gefordert werden muss. Ein in der Literatur angefügtes Praxisbeispiel der Vernachlässigung stellt das Zurücklassen von Tieren in an der Sonne geparkten anderweitig grosser Hitze ausgesetzten Autos Anhängern dar (vgl. Bolliger Gieri/Richner Michelle/Rüttimann Andreas, a.a.O., S. 116). Dieses Beispiel macht deutlich, dass beim Vernachlässigen auch relativ kurze Zeitspannen von wenigen Stunden tatbestandsmässig sein können. Das Bundesgericht stützt diese Haltung in dem Sinne, dass es wie oben zitiert keine starke Vernachlässigung fordert, woraus auch Rückschlüsse auf die Dauer gezogen werden können. Setzt man als Massstab das Krankheitsbild wie vom Bundesgericht postiert, so kann im vorliegenden Fall bei einem Reh mit gebrochenem Hinterlauf wohl davon ausgegangen werden, dass diese Verletzung eine genügend grosse Intensität eines Krankheitsbildes aufweist, welche eine nötige Pflege durch den verantwortlichen Betreuer erfordert; beim Wildtier ist dies unter Umständen der Fangschuss gemäss
§ 22 der Jagdverordnung. Sodann muss auch eine strafrechtlich relevante Vernachlässigung im Sinne von Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG, mit einer Missachtung der Würde des Tieres einhergehen. Dazu wurde bereits bei der Prüfung des Misshandlungstatbestandes Stellung genommen. Weiterungen dazu erübrigen sich deshalb.
Die Nichtvornahme der gebotenen Handlung ergibt sich aus dem Tatbestand selber und wäre vorliegend wohl in der unterlassenen Pflege (i.c. durch das unterlassene Erlösen des verletzten Tieres in einem Zeitraum von über zwei Stunden) zu betrachten. Dass der Beschwerdegegner 1 dazu in der Lage gewesen wäre (Tatmacht); wurde bereits in der Variante des Misshandelns beurteilt. Folglich besteht der Verdacht, er habe mit seinem Verhalten die ihm aus Art. 6 Abs. 1 TSchG obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen im Umgang mit dem angefahrenen Reh verletzt.
Werden mehrere Tiere vernachlässigt, ist gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung von einer Tatmehrheit auszugehen (vgl. Urteile 6B_1096/2010 vom 7. Juli 2011; 6B_660/2010 vom 8. Februar 2011; 6B_711/2009 vom 26. Februar 2010). Somit ist das Argument der Staatsanwaltschaft, es sei in die rechtliche Würdigung miteinzubeziehen, dass nicht mehrere Tiere betroffen gewesen seien, für die Erfüllung des Tatbestandes von Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG nicht relevant (vgl. Urk. 3/1 S. 2).
Bereits bei der Prüfung der Tatbestandsvariante des Misshandelns wurde ein vorsätzliches eventualvorsätzliches Handeln des Beschwerdegegners 1 zugunsten einer Fahrlässigkeitshandlung nicht weiter geprüft. Davon ist auch bei der Variante des Vernachlässigens auszugehen. Die Sorgfaltspflichtverletzung, die dem Beschwerdegegner 1 vorgeworfen werden kann, ist ebenfalls in beiden Tatbestandsvarianten von Art. 26 Abs. 1 TSchG deckungsgleich, weshalb hier keine Weiterungen zu machen sind und auf die entsprechenden Erwägungen bei der Misshandlungsvariante zu verweisen ist. Gleiches gilt für allfällige Rechtfertigungsoder Schuldausschlussgründe. Es bestehen deshalb vorliegend Anhaltspunkte, dass der Beschwerdegegner 1 den Tatbestand von Art. 26 Abs. 1 lit. a
i.V.m. Abs. 2 TSchG in der Variante des Vernachlässigens erfüllt hat. Die definitive rechtliche Würdigung obliegt dem Sachrichter.
Sowohl die Beschwerdeführerin als auch der Beschwerdegegner 1 äussern sich in ihren Eingaben zur Frage der Strafzumessung (Urk. 2 und Urk. 3/3). Diese Frage ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, sondern obliegt dem Sachrichter. Demzufolge ist vorliegend auch nicht weiter auf die Frage der Strafzumessung einzugehen.
Bei dieser Ausgangslage erscheint eine Einstellung des Verfahrens jedenfalls nicht als gerechtfertigt. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und es sind die Akten zur Weiterführung des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.
Die Regelung der Kostenund Entschädigungsfolgen hat im Endentscheid zu erfolgen (Art. 421 Abs. 1 StPO).
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist zuhanden der das Strafverfahren abschliessenden Strafbehörde in Beachtung der Bemessungskriterien von § 2 Abs. 1 lit. b-d GebV OG (Bedeutung des Falls, Zeitaufwand des Gerichts, Schwierigkeit des Falls) und gestützt auf § 17 Abs. 1 GebV OG auf Fr. 1'200.-festzusetzen.
Es wird beschlossen:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und es wird die Sache zur Fortsetzung der Strafuntersuchung im Sinne der Erwägungen an die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat zurückgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 1'200.-festgesetzt.
Die Regelung der Kostenund Entschädigungsfolgen wird dem Endentscheid vorbehalten.
Schriftliche Mitteilung an:
die Beschwerdeführerin (per Empfangsbestätigung)
den Beschwerdegegner 1 (per Gerichtsurkunde)
die Staatsanwaltschaft See/Oberland, ad B-6/2013/2259, unter gleichzeitiger Rücksendung der Akten (Urk. 8), gegen Empfangsbestätigung.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Ersten öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne
14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 5. Mai 2014
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Präsident:
lic. iur. Th. Meyer
Gerichtsschreiberin:
Dr. B. Stump Wendt
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