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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:UE120290
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UE120290 vom 01.03.2013 (ZH)
Datum:01.03.2013
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Einstellung der Untersuchung
Schlagwörter : Beschwerde; Vergleich; Beschwerdeführer; Vergleichs; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Vergleichsverhandlung; Person; Antrag; Vorladung; Stellende; Antragstellende; Recht; Sinne; Beschuldigte; Winterthur; Unterland; Laden; Winterthur/Unterland; Sodann; Verfahren; Zurückgezogen; Weisungen; Oberstaatsanwaltschaft; Verhandeln; Christen; Stellung; Privatklägerschaft; Unentschuldigt; Kantons
Rechtsnorm: Art. 201 StPO ; Art. 205 StPO ; Art. 316 StPO ; Art. 320 StPO ; Art. 338 StPO ; Art. 428 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UE120290-O/U/br

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, lic. iur. W. Meyer und Ersatzoberrichter lic. iur. A. Schärer sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Gürber

Beschluss vom 1. März 2013

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

  1. B. ,
  2. Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,

Beschwerdegegner

betreffend Einstellung der Untersuchung

Beschwerde gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland vom 14. November 2012, B-4/2012/6560

Erwägungen:

I.
  1. Am 26. Juni 2012 erhob A. Strafanzeige gegen B. wegen Drohung und Tätlichkeiten sowie eventuell Körperverletzung (Urk. 9/1 und Urk. 9/9), begangen am 26. Juni 2012 in C. . Nach durchgeführten polizeilichen Befragungen (Urk. 9/2 und Urk. 9/3) lud die Verfahrensleitung die Parteien auf Mittwoch, 31. Oktober 2012, um 14.00 Uhr zu einer Vergleichsverhandlung vor.

    A. wurde in der Vorladung ausdrücklich auf Art. 316 Abs. 1 StPO hingewiesen, wonach bei unentschuldigtem Ausbleiben der antragstellenden Person der Strafantrag als zurückgezogen gelte (Urk. 9/6/1 S. 2 unten). Nachdem zur anberaumten Vergleichsverhandlung vom 31. Oktober 2012 lediglich eine Rechtsvertreterin von A. erschienen und er selber ohne Entschuldigung ausgeblieben war (Urk. 9/6/6), stellte die Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland mit Verfü- gung vom 14. November 2012 das Verfahren gestützt auf Art. 319 Abs. 1 lit. d und Art. 320 StPO ein (Urk. 5).

  2. Gegen diese Verfügung richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde von A. (nachfolgend Beschwerdeführer) mit den folgenden Anträgen (Urk. 2 S. 2):

    1. Die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 14. November 2012 (B-4/2012/6560) sei aufzuheben.

    1. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland sei anzuweisen, die Untersuchungen gegen B. fortzuführen.

    2. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen.

  3. Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde (Urk. 8), während B. keine Stellungnahme eingereicht hat. In seiner Replik hält der Beschwerdeführer an den gestellten Anträgen fest (Urk. 12). Die Staatsanwaltschaft hat sodann auf eine weitere Stellungnahme verzichtet (Urk. 15).

II.
  1. Der Beschwerdeführer begründet seine Beschwerde im Wesentlichen damit, die Zulässigkeit der Vertretung bei Vergleichsverhandlungen im Sinne von Art. 316 Abs. 1 StPO ergebe sich zwar nicht direkt aus dem Wortlaut der Bestimmung, jedoch aus der ratio legis. Die Vergleichsverhandlung diene der einvernehmlichen Erledigung und nicht der Erhebung von Beweisen im Sinne des 4. Titels der StPO. Folglich seien Zwangsmassnahmen im Sinne des 4. Titels, wie eine Vorladung im technischen Sinne - insbesondere gegen den Antragsteller, der nicht der Strafverfolgung unterliege - nicht zulässig. Art. 316 Abs. 1 StPO meine denn auch, wie Abs. 2 derselben Bestimmung, dass die Parteien einzuladen seien. Dementsprechend werde in den Weisungen der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich klar und richtig festgehalten, dass es zulässig sei, mit der Parteivertretung zu verhandeln Schliesslich verkenne die Staatsanwaltschaft, dass er fälschlicherweise als Beschuldigter zur Vergleichsverhandlung eingeladen worden sei; diese fehlerhafte und unzulässige Vorladung vermöge den Gehalt von Art. 316 Abs. 1 StPO nicht einzuengen (Urk. 2 S. 4 f.).

  2. Die Staatsanwaltschaft hält in ihrer Stellungnahme zur Beschwerde an ihrer Auffassung, wonach die antragstellende Person persönlich an der Vergleichsverhandlung teilzunehmen habe, fest. Sodann treffe zu, dass der Beschwerdeführer in der Vorladung fälschlicherweise als Beschuldigter bezeichnet worden sei, doch wäre es überspitzt formalistisch, daraus eine Ungültigkeit der Vorladung abzuleiten, zumal ja der Beschwerdeführer am 29. Oktober 2012 sein Erscheinen telefonisch noch zugesagt habe (Urk. 8 S. 1 f.).

  3. In seiner Replik hält der Beschwerdeführer erneut dafür, die Weisungen der Oberstaatsanwaltschaft hielten klar fest, dass es zulässig sei, mit der Parteivertretung zu verhandeln. Die Staatsanwaltschaft äussere sich dazu nicht (Urk. 12 S. 1 Ziff. 1). Die Staatsanwaltschaft verkenne sodann, dass die Vorladung gemäss Art. 316 StPO nicht die Vorladung von Art. 201 StPO und damit nicht eine Zwangsmassnahme im Sinne von Art. 196 ff. StPO meine. Folglich unterscheide die

Staatsanwaltschaft nicht zwischen den disziplinarischen Folgen der Nichtbeachtung von Vorladungen im Sinne von Art. 205 Abs. 4 StPO und der Rechtsfolge wegen unentschuldigten Nichterscheinens zur Vergleichsverhandlung im Sinne von Art. 316 StPO (Urk. 12 S. 2 Ziff. 2). Der Beschwerdeführer räumt sodann ein, dass ihm selbstverständlich klar gewesen sei, dass er entgegen der Bezeichnung in der Vorladung nicht die beschuldigte Person sei. Der blosse Hinweis in der Beschwerde auf die falsche Vorladung habe denn auch nicht deren Ungültigkeit oder Unbeachtlichkeit begründen wollen (Urk. 12 S. 2 Ziff. 3).

III.
  1. Vorweg ist festzuhalten, dass die fehlerhafte Bezeichnung des Beschwerdeführers in der Vorladung als Beschuldigter ohne Auswirkungen bleibt. Dass es sich dabei um ein blosses Versehen gehandelt hat, war objektiv erkennbar und wurde vom Beschwerdeführer auch so erkannt.

  2. Gemäss Art. 316 Abs. 1 StPO kann die Staatsanwaltschaft - soweit Antragsdelikte Gegenstand des Verfahrens sind - die antragstellende und die beschuldigte Person zu einer Vergleichsverhandlung vorladen; bleibt die antragstellende Person aus, so gilt der Strafantrag als zurückgezogen.

    Für die Strafantrag stellende Person besteht damit nach dem klaren und insoweit nicht auslegungsbedürftigen Wortlaut des Gesetzes eine faktische Erschei- nungspflicht (Martin Bürgisser, in Tag/Hauri, Schweizerisches Strafprozessrecht, Ausgewählte Aspekte aus Zürcher Sicht, Dike 2010, S. 104).

    1. Soweit der Beschwerdeführer die Bestimmung von Art. 316 Abs. 1 StPO in Bezug auf die Frage, ob sich der Antragsteller bei solchen Vergleichsverhandlungen vertreten lassen könne, für auslegungsbedürftig hält (Urk. 2 S. 4 Ziff. 6.2 und Urk. 12 S. 1 Ziff. 1), ist Folgendes festzuhalten: Keiner der von ihm zitierten Autoren stellt die für die antragstellende Person in Art. 316 Abs.1 statuierte Erscheinungspflicht auch bloss sinngemäss in Frage, und keiner der angeführten Autoren äussert sich zur Möglichkeit bzw. zur Zulässigkeit einer (echten) Stellvertretung

      der antragstellenden Person bei der Vergleichsverhandlung. Insbesondere die vom Beschwerdeführer mehrfach zur Stützung seiner Auffassung zitierte Dissertation von Stefan Christen (Anwesenheitsrecht im schweizerischen Strafprozessrecht mit einem Exkurs zur Vorladung, Diss. Zürich, 2010) befasst sich nur gerade mit der 'Vorladung' der beschuldigten Person zur Vergleichsverhandlung. Dabei fordert der Autor eine Präzisierung des in Art. 316 Abs. 1 StPO verwendeten Begriffs der 'Vorladung', weil an der Vergleichsverhandlung nicht über Schuld oder Unschuld entschieden werde, weshalb die beschuldigte Person zur Teilnahme an der Verhandlung nicht verpflichtet sei; fehle eine solche Pflicht, dürfe sie nicht mittels Zwangsmassnahmen zur Teilnahme gezwungen werden. Das unentschuldigte Ausbleiben auf eine Vorladung hätte für die beschuldigte Person die in Art. 205 Abs. 3 [recte Abs. 4] StPO erwähnten Folgen, weshalb die beschuldigte Person im Sinne von Art. 316 Abs. 1 StPO nicht vorzuladen, sondern einzuladen sei (Stefan Christen, a.a.O., S. 198). Diese Auffassung von Christen mag aus dogmatischer Sicht zutreffend sein, sie lässt jedoch - abgesehen davon, dass es sich nur um Äusserungen zur Stellung des Beschuldigten handelt - ausser Betracht, dass die Anwendung von Art. 205 Abs. 4 StPO im Rahmen der Bestimmungen zur Vergleichsverhandlung bereits durch das Gesetz selber ausgeschlossen wird, weil eben die Säumnisfolgen in Art. 316 StPO eine spezielle Regelung erfahren. So bestimmt Art. 316 Abs. 1 StPO für die antragstellende Person, dass ihre Säumnis als Rückzug des Strafantrages gilt, und Abs. 4 der gleichen Bestimmung schreibt der Staatsanwaltschaft vor, dass bei Ausbleiben der beschuldigten Person von der Vergleichsverhandlung die Untersuchung unverzüglich an die Hand zu nehmen ist.

    2. Nichts für seinen Standpunkt abzuleiten vermag der Beschwerdeführer sodann aus dem Hinweis auf den in ZStrR 129 - 2011 publizierten Aufsatz von Stefan Christen (Zum Anwesenheitsrecht der Privatklägerschaft im schweizerischen Strafprozessrecht): Die dortigen Ausführungen beziehen sich einzig auf die Rechte und/oder Pflichten der Privatklägerschaft bei der erstinstanzlichen Hauptverhandlung, und die dafür massgeblichen gesetzlichen Bestimmungen lassen sich mit Art. 316 Abs. 1 StPO nicht vergleichen. Es kann in diesem Zusammenhang insbesondere auf Art. 338 Abs. 3 StPO verwiesen werden, wo das Gesetz der

      nicht persönlich zur Hauptverhandlung erschienen Privatklägerschaft ausdrücklich erlaubt, sich vertreten zu lassen oder schriftliche Anträge zu stellen. Etwas Entsprechendes sieht das Gesetz bei der Vergleichsverhandlung eben gerade nicht vor.

    3. Auch den Weisungen der Oberstaatsanwaltschaft für das Vorverfahren (www.staatsanwaltschaften.zh.ch >> Strafverfahren >> Erlasse SVE >> WOSTA) lässt sich - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - nichts entnehmen, das gegen eine persönliche Erscheinungspflicht der antragstellenden Person spricht: In den Vorbemerkungen zum Vergleich (Ziff. 12.9.1) ist folgendes vermerkt:

      Der Abschluss eines Vergleichs erfordert in der Regel eine Gegenüberstellung der geschädigten und der beschuldigten Person. ( ) Die Staatsanwaltschaft kann - wenn erforderlich auch mehrmals - beide Parteien getrennt anhören, um eine Einigung anzustreben. Zulässig ist auch mit den Parteivertretern und - vertreterinnen zu verhandeln.

      Wie der zuletzt zitierte Satz zu verstehen ist, nämlich als zusätzliche Möglichkeit des zum persönlichen Erscheinen verpflichteten Antragsstellers sich bei der Vergleichsverhandlung von einer Parteivertretung begleiten zu lassen (mit welcher der Staatsanwalt [nach der Meinung der Oberstaatsanwaltschaft] zulässigerweise auch verhandeln darf), ergibt sich aus den nachfolgenden Anweisungen unter Ziff.

      12.9.2. Unmissverständlich und im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Gesetzestext wird dort Folgendes gesagt:

      Erscheint die antragstellende Person (Privatklägerschaft) unentschuldigt nicht zur Vergleichsverhandlung, gilt ihr Strafantrag als zurückgezogen, womit das Strafverfahren einzustellen ist. Die antragstellende Person muss in der Vorladung auf diese Folge ausdrücklich aufmerksam gemacht werden.

      In Übereinstimmung mit diesen Weisungen hat die Staatsanwaltschaft den Beschwerdeführer zur Vergleichsverhandlung vom 31. Oktober 2012 persönlich vorgeladen, und sie hat es ihm freigestellt, ob er mit oder ohne Rechtsbeistand

      erscheine (Urk. 9/6/1 S. 1). Unter dem Titel 'Bemerkungen' wurde der Beschwerdeführer sodann ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Strafantrag als zurückgezogen gilt, falls er nicht zur Verhandlung erscheine (Urk. 9/6/1 S. 2 oben). Nachdem der Beschwerdeführer der Vergleichsverhandlung ohne Entschuldigung ferngebelieben ist, hat die Staatsanwaltschaft nach dem vorstehend Gesagten und dem Gesetz entsprechend zu Recht Rückzug des Strafantrages angenommen und folgerichtig das Strafverfahren eingestellt.

  3. Die Beschwerde ist abzuweisen. Der Beschwerdeführer unterliegt. Er hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Angesichts der Bedeutung und Schwierigkeit des Falls sowie des Zeitaufwands ist die Gerichtsgebühr auf Fr. 1'000.-- festzusetzen (§ 17 Abs. 2 i.V.m. § 8 und § 2 GebV OG). Entschädigungen sind keine zuzusprechen.

Es wird beschlossen:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 1'000.-- festgesetzt und dem Beschwerdeführer auferlegt.

  3. Es werden keine Entschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • Rechtsanwalt lic. iur. X. , zweifach, für sich und den Beschwerdeführer, per Gerichtsurkunde

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, ad B-4/2012/6560, gegen Empfangsbestätigung

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel an:

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, ad B-4/2012/6560, unter Rücksendung der eingereichten Akten (Urk. 9), gegen Empfangsbestä- tigung

  5. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen. Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 1. März 2013

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Präsident:

lic. iur. Th. Meyer

Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Gürber

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