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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:UE120110
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UE120110 vom 29.10.2012 (ZH)
Datum:29.10.2012
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Nichtanhandnahme
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdegegner; Beschwerdeführer; Staatsanwaltschaft; Fahrzeug; Recht; Recht; Kündigung; Obergericht; Sachen; Nichtanhandnahme; Gericht; Verfahren; Kantons; Winterthur; Unterland; Sachentziehung; Unentgeltliche; Rechtsmittel; Irrtum; Retentionsrecht; Winterthur/Unterland; Verfahren; Beschwerdeführers; Vertrag; Beschwerdegegners; Erheblichen; Kündigungsfrist; Vermeidbar
Rechtsnorm: Art. 141 StGB ; Art. 2 StPO ; Art. 21 StGB ; Art. 266f OR ; Art. 310 OR ; Art. 310 StPO ; Art. 324 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 5 BV ; Art. 8 StPO ; Art. 895 ZGB ;
Referenz BGE:122 IV 322; 137 IV 219; 138 IV 86;
Kommentar zugewiesen:
Philippe Weissenberger, Basler Kommentar, Strafrecht II, Art. 141 StGB, 2007
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Philippe Weissenberger; Philippe Weissenberger;
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UE120110-O/U/bee

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. K. Balmer, Präsident, lic. iur. W. Meyer, Ersatzoberrichter lic. iur. A. Schärer sowie der Gerichtsschreiber

Dr. iur. S. Christen

Beschluss vom 29. Oktober 2012

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

  1. B. ,
  2. Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,

Beschwerdegegner

betreffend Nichtanhandnahme

Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland vom 16. April 2012, A-5/2011/7121

Erwägungen:

I.
  1. A. (Geschäftsführer der C. , A. , vormals: C1. ) erstattete am 11. Januar 2012 Strafanzeige bei der Kantonspolizei Zürich gegen

    B. wegen Sachentziehung etc. Die C1. habe B. ein Fahrzeug überlassen, welches dieser nach Kündigung des Vertrags nicht zurückgegeben habe (Urk. 5/1).

    Am 16. April 2012 nahm die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland eine Strafuntersuchung nicht anhand (Urk. 4).

  2. A. führt Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich (Urk. 2 und Urk. 8). Er beantragt die Aufhebung der Nichtanhandnahmeverfügung. Die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, eine Strafuntersuchung gegen B. zu führen. Sie habe zu prüfen, wie weit sich B. wegen Sachentziehung etc. schuldig gemacht habe. Mit Erhebung der Beschwerde stellt A. ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.

    Die Staatsanwaltschaft hat sich zur Beschwerde vernehmen lassen (Urk. 12). Sie beantragt die Abweisung der Beschwerde. B. hat sich nicht vernehmen lassen.

  3. Mit Verfügung vom 5. September 2012 hat das Obergericht das Gesuch von A. um unentgeltliche Prozessführung und unentgeltliche Rechtsverbeistän- dung abgewiesen. Gleichzeitig setzte es A. und B. eine Frist von 10 Tagen, um zur Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen (Urk. 18). Davon haben A. und B. keinen Gebrauch gemacht. Gegen die Verfügung des Obergerichts vom 5. September 2012 wurde - soweit ersichtlich - kein Rechtsmittel erhoben.

II.

1. Die Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten (Art. 310 Abs. 2, Art. 322 Abs. 2 und Art. 393 ff. StPO).

2.

    1. Gemäss Art. 310 StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme, sobald aufgrund der Strafanzeige oder des Polizeirapports feststeht, dass: a) die fraglichen Straftatbestände oder die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind; b) Verfahrenshindernisse bestehen; c) aus den in Art. 8 StPO genannten Gründen auf eine Strafverfolgung zu verzichten ist (Abs. 1). Im Übrigen richtet sich das Verfahren nach den Bestimmungen über die Verfahrenseinstellung

      (Abs. 2).

      Bei der Frage, ob ein Strafverfahren über eine Nichtanhandnahme oder eine (definitive) Verfahrenseinstellung durch die Strafverfolgungsbehörde erledigt werden kann, gilt im schweizerischen Strafprozessrecht der Grundsatz in dubio pro duriore. Dieser Grundsatz fliesst aus dem Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV und Art. 2 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 309 Abs. 1, Art. 319 Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1 StPO; BGE 138 IV 86 E. 4.2). Er bedeutet, dass eine Nichtanhandnahme oder Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit bzw. offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden darf. Bei der Beurteilung dieser Frage verfügen die Staatsanwaltschaft und das Obergericht über einen gewissen Spielraum. Hingegen ist das Verfahren an die Hand zu nehmen bzw. Anklage zu erheben (sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt), wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch (BGE 138 IV 86 E. 4.1.1; BGE 137 IV 219 E. 7.1-7.2 S. 226 f.; je mit

      Hinweisen). Falls sich die Wahrscheinlichkeiten eines Freispruchs oder einer Verurteilung in etwa die Waage halten, drängt sich in der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, ebenfalls eine Anklageerhebung auf (BGE 138 IV 86 E. 4.1.2 mit Hinweis; Urteil 1B_253/2012 vom 19. Juli 2012 E. 2.1).

    2. Die Staatsanwaltschaft begründet die Nichtanhandnahme damit, dass der Beschwerdegegner 1 sich geweigert habe, die Kündigung des Beschwerdeführers zu akzeptieren. Deshalb habe er das Fahrzeug nicht zurückgegeben. Das sei aber kein Entziehen im Sinne von Art. 141 StGB (Urk. 9/2 S. 2).

    3. Der Beschwerdeführer macht geltend (Urk. 2 und Urk. 8), er sei noch immer nicht im Besitz ihres Fahrzeugs. Er habe dem Beschwerdegegner 1 das Fahrzeug mit Vertrag vom 15. April 2011 vorübergehend zum Gebrauch überlassen. Es sei vereinbart worden, dass der Beschwerdegegner 1 für die laufenden Kosten (Leasinggebühren, Versicherungsbeiträge, Unterhalt) aufkommen sollte. Der Beschwerdeführer habe den Vertrag mit Schreiben vom 24. November 2011 gekün- digt und das Fahrzeug herausverlangt. Der Beschwerdegegner 1 habe sich geweigert und das Fahrzeug weiterhin verwendet, bis der Beschwerdeführer Ende März 2012 die Kontrollschilder durch die Polizei habe einziehen lassen. In der Zwischenzeit sei das Fahrzeug in einer Garage des Beschwerdegegners 1 eingeschlossen worden. Für die Weigerung der Herausgabe des Fahrzeugs gebe es keine rechtliche Grundlage. Eine Sachentziehung begehe, wer sich nach Ablauf der Vertragsdauer rechtswidrig weigere, die Sache bedingungslos zurückzugeben (BGE 122 IV 322).

3.

    1. Der Sachentziehung nach Art. 141 StGB macht sich auf Antrag strafbar, wer dem Berechtigten ohne Aneignungsabsicht eine bewegliche Sache entzieht und ihm dadurch einen erheblichen Nachteil zufügt.

    2. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner 1 das Fahrzeug des Beschwerdeführers zurückhält. Mit Schreiben vom 24. November 2011 setzte der Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner 1 eine Frist von fünf Tagen, um das Fahrzeug zurückzugeben (Urk. 5/6). Der Beschwerdegegner 1 antwortete in einem Schreiben an den Beschwerdeführer (Urk. 5/7), die gesetzliche Kündigungsfrist betrage drei Monate. Er könne die Kündigung deshalb nicht akzeptieren. Er erwarte eine neue schriftliche Kündigung mit Einhaltung der gesetzlichen Frist. Zudem wies er den Vorwurf zurück, dass er dem Beschwerdeführer Geld schulde. Nach seiner Rechnung schulde ihm der Beschwerdeführer noch Fr. 350.--.

    3. Bei der Miete von beweglichen Sachen können die Parteien mit einer Frist von drei Tagen auf einen beliebigen Zeitpunkt kündigen (Art. 266f OR). Wenn vorliegend nicht von einer Miete, sondern von einer Gebrauchsleihe auszugehen wä- re, hätte der Beschwerdeführer das Fahrzeug jederzeit zurückfordern können (Art. 310 OR). Die Kündigung des Beschwerdeführers hielt sich an die Vorschriften. Der Beschwerdegegner 1 irrt sich über die Kündigungsfrist des Obligationenrechts und glaubt sich zur Zurückhaltung des Fahrzeugs infolge mangelhafter Kündigung berechtigt.

Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe (Art. 21 StGB). Die Unkenntnis der gesetzlichen Regelung ist grundsätzlich kein hinreichender Grund für einen Irrtum über die Rechtswidrigkeit des Handelns des Täters (vgl. Urteil 6S. 241/2003 vom 1. Oktober 2003

E. 2.1.2). Die obligationenrechtliche Regelung ist in Bezug auf die Kündigungsfristen bei der Miete oder Leihe von beweglichen Sachen klar. Der Irrtum des Beschwerdegegners 1 wäre zumindest vermeidbar gewesen. Die Begründung der Staatsanwaltschaft, es liege keine Entziehung im Sinne von Art. 141 StGB vor, weil der Beschwerdegegner 1 die Kündigung nicht akzeptiert habe, geht insofern fehl.

4.

    1. Ob der Beschwerdegegner 1 das Fahrzeug zurückhielt, weil er gegenüber dem Beschwerdeführer sinngemäss ein Retentionsrecht geltend machen wollte, hat die Staatsanwaltschaft nicht geprüft. Der Beschwerdegegner 1 hat in seinem Schreiben vom 10. Oktober [recte: Dezember] 2011 an den Beschwerdeführer nicht ausdrücklich erwähnt, er halte das Fahrzeug zur Ausübung eines Retentionsrechts zurück (vgl. Urk. 5/7). Indessen geht aus diesem Schreiben hervor, dass der Beschwerdegegner 1 offenbar der Auffassung war, er habe gegenüber dem Beschwerdeführer eine Forderung von Fr. 7'700.-- für Anschlusskosten. Aus einem weiteren Schreiben vom 26. Oktober 2011 an das Friedensrichteramt

      1. (Urk. 9/8) geht zudem hervor, dass der Beschwerdegegner 1 die Auffassung vertritt, es seien zwei Taxifahrzeuge von A. an der Zentrale der

      2. -Taxi (des Beschwerdegegners 1) angeschlossen, weshalb monatliche Kosten von Fr. 1'200.-- entstanden seien, die A. nicht bezahlt habe.

    2. Sachentziehung im Sinne von Art. 141 StGB ist ein Vorsatzdelikt. Dabei muss sich der Vorsatz insbesondere auch auf den erheblichen Nachteil erstrecken (vgl. Philippe Weissenberger, in: Niggli/Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht II, 2. Auflage, Basel 2007, N. 26 zu Art. 141 StGB).

    3. Unter den gegebenen Umständen ist kein Hinweis ersichtlich, dass der Beschwerdegegner 1 dem Beschwerdeführer (eventual-)vorsätzlich einen erheblichen Nachteil zufügen wollte. Vielmehr ist der Beschwerdegegner 1 offenbar der Auffassung, er habe Forderungen gegenüber dem Beschwerdeführer. Dazu äussert sich der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht. Ob dem Beschwerdegegner 1 ein Retentionsrecht nach Art. 895 ZGB zusteht, ist nicht einfach zu beantworten. Es hängt namentlich davon ab, ob der Beschwerdegegner 1 eine Forderung gegenüber dem Beschwerdeführer hat. Zwischen den Parteien ist dies offenbar umstritten. Sodann wäre zu klären, ob es sich um ein bürgerliches oder kaufmännisches Retentionsrecht handelt (vgl. Art. 895 Abs. 1 und Abs. 2 ZGB). Unter diesen Umständen wäre auch ein Irrtum des Beschwerdegegners 1 über sein angebliches Retentionsrecht kaum vermeidbar gewesen. Es gibt derzeit keine Hinweise, wie dem Beschwerdegegner 1 der subjektive Tatbestand in Bezug auf die Zufügung eines erheblichen Nachteils nachgewiesen werden könnte. Es ist deshalb nicht massgebend, wenn sich der Beschwerdegegner 1 in einem vermeidbaren Irrtum über die Kündigungsfristen befand. Die Staatsanwaltschaft hat im Ergebnis das Verfahren zu Recht nicht anhand genommen. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet.

5. Die Beschwerde ist abzuweisen. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Prozessführung und unentgeltliche Rechtsverbeiständung hat das Obergericht am 5. September 2012 abgewiesen (Urk. 18). Dagegen hat der Beschwerdeführer - soweit ersichtlich - kein Rechtsmittel erhoben. Infolge Unterliegens hat der Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Angesichts der Bedeutung und (mittelgradigen) Schwierigkeit des Falls und des Zeitaufwands ist die Gerichtsgebühr auf Fr. 800.-- festzusetzen (vgl. § 2 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 der Gebührenverordnung des Obergerichts des Kantons Zürich vom 8. September 2010, LS ZH 211.11). Der Beschwerdegegner 1 hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäussert. Mangels erheblicher Aufwendungen ist ihm keine Entschädigung zuzusprechen (Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 430 Abs. 1 lit. c StPO).

Es wird beschlossen:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 800.-- festgesetzt und dem Beschwerdefüh- rer auferlegt.

  3. Schriftliche Mitteilung an:

    • Rechtsanwalt lic. iur. X. , zweifach, für sich und den Beschwerdeführer, per Gerichtsurkunde

    • den Beschwerdegegner 1, per Gerichtsurkunde

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, ad A-5/2012/620, gegen Empfangsbestätigung

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittelverfahren an:

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, ad A-5/2012/620, unter Rücksendung der eingereichten Akten (Urk. 5), gegen Empfangsbestä- tigung

  4. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Ersten öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen. Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 29. Oktober 2012

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Präsident:

lic. iur. K. Balmer

Gerichtsschreiber:

Dr. iur. S. Christen

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