Zusammenfassung des Urteils UE110064: Obergericht des Kantons Zürich
In dem vorliegenden Fall ging es um eine Beschwerde gegen die Ablehnung der unentgeltlichen Rechtspflege für einen Kläger in einem Scheidungsverfahren. Die Rechtsvertreterin des Klägers stellte ein Wiederherstellungsgesuch für die versäumte Frist, was jedoch abgelehnt wurde, da sie die Gerichtspost nicht sorgfältig genug behandelt hatte. Die Beschwerde des Klägers wurde als verspätet betrachtet, weshalb die zweitinstanzlichen Gerichtskosten ihm auferlegt wurden. Das Obergericht des Kantons Zürich entschied, dass die unentgeltliche Rechtspflege für das zweitinstanzliche Verfahren nicht gewährt wird, und legte dem Kläger die zweitinstanzlichen Gerichtskosten von CHF 800.- auf. Der Entscheid kann beim Schweizerischen Bundesgericht angefochten werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UE110064 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 30.01.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Einstellung der Untersuchung |
Schlagwörter : | Beschwerdegegner; Lastwagen; Kreisel; Fahrrad; Fahrradfahrer; Unfall; Spiegel; Staatsanwaltschaft; Verkehr; Aussage; Fahrzeug; Lastwagens; Beschwerdegegners; Blick; Sorgfalt; Einstellung; Untersuchung; Lastwagenfahrer; Aussagen; Richtung; Gericht; Meter; Recht; Geschwindigkeit; Sekunden |
Rechtsnorm: | Art. 26 SVG ;Art. 308 StPO ;Art. 317 StPO ;Art. 320 StPO ;Art. 34 SVG ;Art. 39 SVG ;Art. 42 VRV ;Art. 428 StPO ;Art. 432 StPO ;Art. 436 StPO ; |
Referenz BGE: | 127 IV 34; 97 IV 34; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UE110064-O/U/bee
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. K. Balmer, Präsident, und lic. iur. W. Meyer, Ersatzoberrichter lic. iur. R. Schmid sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. K. Schlegel
Beschluss vom 30. Januar 2012
in Sachen
Beschwerdeführer
vertreten durch Fürsprecher X.
gegen
1 vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.
betreffend Einstellung der Untersuchung
Erwägungen:
Am 7. April 2009, zirka um 16.20 Uhr, kam es in C. im sogenannten
-Kreisel zu einem Verkehrsunfall, als B. (Beschwerdegegner 1) mit seinem Lastwagen , ZH , im Begriffe war, den Kreisel in die D. strasse zu verlassen. Der Fahrradfahrer A. (Beschwerdeführer), welcher ebenfalls im Kreisel unterwegs war, wurde vom vordersten rechten Rad des Lastwagens überfahren. Er erlitt eine Tetraparese (gemäss Austrittbericht des Schweizerischen Paraplegiker Zentrums vom 2. September 2009 in Remission). Aufgrund eines als Folge der Reanimation eingetretenen hypoxischen Hirnschadens leidet er überdies unter leichten neuropsychologischen Defiziten (Urk. 3/4 und Urk. 3/5). Die Staatsanwaltschaft See/Oberland eröffnete von Amtes wegen eine Strafuntersuchung gegen den Beschwerdegegner 1 wegen fahrlässiger Körperverletzung
(Unt.-Akten Urk. 6). Am 29. März 2011 stellte sie die Untersuchung mangels Vorliegens eines Straftatbestandes gestützt auf Art. 319 Abs. 1 lit. b und Art. 320 StPO ein (Urk. 8 S. 7).
Mit Eingabe vom 8. April 2011 liess der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung erheben und deren Aufhebung beantragen. Die Sache sei zur Anklageerhebung eventuell nach ergänztem Sachverhalt an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. Eventualiter sei die Strafsache zwecks Verurteilung des Beschwerdegegners 1 wegen fahrlässiger Körperverletzung an das zuständige Gericht zu überweisen. Zudem liess der Beschwerdeführer zwei Beweisanträge stellen. Er beantragte die Einvernahme von E. und die Vermessung der Aussenspiegel des am Unfall beteiligten Lastwagens, insbesondere des Towispick-Spiegels (Urk. 2 S. 2 und S. 12).
Mit Verfügung vom 2. Mai 2011 wurde dem Beschwerdegegner 1 und der Staatsanwaltschaft See/Oberland Frist angesetzt zur freigestellten Stellungnahme (Urk. 10). In der Folge suchte der Beschwerdegegner 1 um Einsicht in die vollständigen Akten nach, weshalb ihm diese mit Verfügung vom 12. Mai 2011 zugestellt und die Frist zur Stellungnahme entsprechend verlängert wurde (Urk. 14). Der Beschwerdegegner 1 liess sich fristgerecht mit Eingabe vom 16. Mai 2011 vernehmen (Urk. 16). Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Vernehmlassung (Urk. 12).
Wegen einer Änderung im Beschäftigungsgrad eines Richters ergeht der Entscheid nicht in der ursprünglich angekündigten Besetzung.
a) Zur Begründung der Einstellung führte die Staatsanwaltschaft im Wesentlichen aus, solange der Lastwagen sich in Bewegung befunden habe, sei es dem Beschwerdeführer nicht erlaubt gewesen, diesen zu überholen. Als er am Kreiseleingang in der Kolonne still gestanden sei, hätten andere Umstände verboten, ihn zu überholen. Der Fahrradfahrer habe nicht abschätzen können, ob er das Überholmanöver beenden könne, bevor sich der Lastwagen wieder in Bewegung setzten würde. Zudem habe es sich um eine unübersichtliche Verzweigung gehandelt. Auch deshalb sei ein rechtsseitiges Vorbeifahren nicht erlaubt gewesen. Weiter habe der Beschwerdeführer nach Vorbeifahrt an der hinteren rechten Ecke des Lastwagens dessen Richtungsblinker nicht mehr sehen und folglich nicht erkennen können, wie dieser weiterzufahren beabsichtigt habe. Das Verhalten des Beschwerdeführers sei folglich mehrfach verkehrsregelwidrig und damit für Verkehrsteilnehmer, die ihn nicht im Gesichtsfeld gehabt hätten, nicht voraussehbar gewesen (Urk. 8 S. 5 f.).
Der Beschwerdeführer liess zusammengefasst vorbringen, gemäss der polizeilich einvernommenen F. habe er mit seinem Fahrrad bereits 50 Meter vor dem Kreisel auf den Lastwagen aufgeschlossen. Der von der Polizei telefonisch befragte E. habe gesehen, wie er und der Lastwagenfahrer gleichzeitig in den Kreisel eingefahren seien. Aus diesen Aussagen resultiere, dass er sowohl genügend Platz als auch Zeit gehabt habe, um rechts am Lastwagen vorbei zu fahren. Zudem hätte der Beschwerdegegner 1 damit rechnen müssen, dass ihm ein Fahrradfahrer in den Raum des toten Winkels fahre, weshalb er den Towispick-Spiegel, welcher den Raum des toten Winkels zeige, hätte konsultieren müssen. Der Beschwerdegegner 1 habe es sowohl beim Anfahren in den Kreisel als auch beim Abbiegen aus dem Kreisel an der notwendigen Aufmerksamkeit bei der Beobachtung des Raumes der vorderen rechten Fahrzeugecke missen lassen (Urk. 2 S. 4 ff.).
Der Beschwerdegegner 1 machte geltend, die Aussagen von F. und E. seien nicht miteinander vereinbar. Würde auf die Aussagen von F. sowie die Tachoscheibenauswertung abgestellt, so hätte es nie zu einem Unfall kommen können. Auch aufgrund der Angaben von E. wäre ein Unfall ausgeschlossen gewesen. Zur Fahrweise des Fahrrades lägen keine beweiskräftigen Aussagen vor. Es habe sich lediglich eine gewisse Unfallzone bestimmen lassen. Folglich könne auch nicht festgestellt werden, was der Lastwagenlenker hätte sehen können müssen und wie er sich hätte verhalten müssen, um den Unfall zu verhindern. Wie der Radfahrer in die Unfallzone gelangt sei, lasse sich weder durch die sich widersprechenden Aussagen noch durch das Verkehrsunfallgutachten beweiskräftig erklären (Urk. 16 S. 3 ff.).
a) Gemäss Art. 308 Abs. 1 StPO besteht der Zweck der Untersuchung darin, den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht soweit abzuklären, dass das Vorverfahren abgeschlossen werden kann. Bei der Verfolgung dieses Zwecks steht der Staatsanwaltschaft ein gewisser Ermessensspielraum zu. Insbesondere hat sie diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die zur Klärung des Falles Wesentliches beizutragen vermögen. Sie ist aber nicht verpflichtet, alle erdenklichen Ermittlungshandlungen vorzunehmen. Nach Beendigung des Untersuchungsverfahrens entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob ein Strafbefehl erlassen, Anklage zu erheben das Verfahren einzustellen sei (Art. 317 StPO). Laut
Art. 319 Abs. 1 lit. b StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die vollständige oder
teilweise Einstellung des Verfahrens, wenn das inkriminierte Verhalten, selbst wenn es nachgewiesen wäre, nicht den objektiven subjektiven Tatbestand einer Strafnorm erfüllt. Da Untersuchungsbehörden jedoch nicht dazu berufen sind, über Recht und Unrecht zu befinden, dürfen sie nicht allzu rasch, gestützt auf eigene Bedenken, zu einer Einstellung schreiten. Bei Ermessensfragen und
vor allem bei nicht durch die Literatur Rechtsprechung klar gelösten Streitfragen ist nach dem Grundsatz in dubio pro duriore Anklage zu erheben. Gleich verhält es sich, wenn Auslegungsoder Wertungsfragen zu beurteilen sind. Solche Fragen sind vom Strafrichter zu entscheiden (BGE 1B_253/2011 vom 13. Juli 2011 E. 2.1 mit Hinweisen; Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2009, Art. 319 N 6; Landshut in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 308 N 1 ff., Art. 319 N 19 f.).
Vorliegend wurde eine Untersuchung wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet. Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die Tat darauf zurückzuführen ist, dass der Täter die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht darauf nicht Rücksicht genommen hat. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beobachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist. Die Annahme der Fahrlässigkeit setzt die Verletzung einer Sorgfaltspflicht voraus. Sorgfaltswidrig ist eine Handlungsweise dann, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung des Opfers hätte erkennen können und müssen. Für die Beantwortung dieser Frage gilt der Massstab der Adäquanz. Danach muss sein Verhalten geeignet sein, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen mindestens zu begünstigen. Zu beurteilen ist also die Frage, ob der Beschwerdegegner 1 pflichtwidrig unvorsichtig handelte und der Erfolg - die Verletzung des Beschwerdeführers sich als Auswirkung gerade der durch den Sorgfaltsmangel geschaffenen Gefahr darstellte (Jenny in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Strafrecht I, 2. Aufl., Basel 2007, Art. 12
N 69).
Welche Sorgfaltspflichten der Beschwerdegegner 1 einzuhalten hatte, ergibt sich aus den Bestimmungen des Strassenverkehrsrechts. Zentral ist die Frage, ob er anlässlich seines Abbiegemanövers den auf dem Fahrrad herannahenden Beschwerdeführer hätte sehen und entsprechend reagieren können. Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand zu halten (Art. 36
Abs. 1 SVG). Zudem hat, wer seine Fahrtrichtung ändern will, auf den Gegenverkehr und auf die ihm nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen (Art. 34 Abs. 3 SVG). Art. 39 Abs. 1 SVG schreibt überdies vor, dass jede Richtungsänderung mit dem Richtungsanzeiger rechtzeitig bekanntzugeben ist. Als Grundregel ist schliesslich der sich aus Art. 26 SVG ergebende Vertrauensgrundsatz zu beachten.
a) Gemäss eigener Aussage fuhr der Beschwerdegegner 1 im Stop and Go-Modus auf den Kreisel zu. Er sei sich nicht sicher, ob er vor dem Kreisel angehalten habe langsam zugefahren sei. Er habe auf den sich im Kreisel befindlichen und von links kommenden Verkehr geachtet. Die von ihm beabsichtigte Richtungsänderung habe er mittels Richtungsblinker angezeigt. Darauf sei er ganz langsam, langsamer als Schritttempo, angefahren. Als er abgebogen sei, habe er in den oberen rechten Seitenspiegel - den Normalspiegel geschaut und keinen Fahrradfahrer erblicken können. Er sei nicht abgelenkt worden (Urk. 6/6
S. 1 ff.).
Der Beschwerdeführer vermochte sich nicht an das Unfallgeschehen zu erinnern. Er habe eine Erinnerungslücke, welche sich auf den gesamten Unfalltag erstrecke. Seine Erinnerung habe erst wieder eingesetzt, als er aus dem künstlichen Koma aufgewacht sei (Urk. 6/1 S. 10).
Die von der Polizei als Auskunftsperson einvernommene F. erklärte, sie habe sich zu Fuss zirka 50 Meter vom Kreisel entfernt befunden, als der Lastwagen und im selben Moment der Fahrradfahrer sie gekreuzt hätten. Der Fahrradfahrer habe beabsichtigt, den Lastwagenfahrer zu überholen. Der Fahrradfahrer habe am Lastwagen vorbei gedrückt (Urk. 6/10 S. 1 ff.). Der ebenfalls von der Polizei einvernommene G. meinte, er habe den Lastwagen beim Kreisel stehen sehen. Ein Fahrrad sei dann an der wartenden Kolonne entlang Richtung Kreisel gefahren und rechts hinter dem Lastwagen verschwunden. Darauf sei der Lastwagen angefahren (Urk. 6/7 S. 1 ff.). Der von der Polizei telefonisch befragte E. führte aus, im Rückspiegel seines Fahrzeugs gesehen zu haben, wie der Lastwagen und der Fahrradfahrer gleichzeitig in den Kreisel eingefahren seien (Urk. 6/1 S. 11). Der von der Polizei ebenfalls telefonisch befragte
H. meinte, ungefähr 100 Meter hinter dem Lastwagen gefahren zu sein, als ihn ein Fahrradfahrer mit normaler Geschwindigkeit überholt habe. Auf dem Gepäckträger des Fahrrades habe sich eine Umhängetasche befunden, deren Bän- del auf der linken Seite bis zur Pedale hinunter gehangen sei (Urk. 6/1 S. 11 f.).
Laut dem Gutachten des Forensischen Instituts Zürich (Urk. 6/14/15) habe die Auswertung des digitalen Fahrtenschreibers ergeben, dass sich der Lastwagen bei seinem letzten Halt vor dem Unfall mit der linken Frontecke nach und mit der rechten Frontecke vor den Haifischzähnen befunden habe (S. 16). Anschliessend habe der Lastwagen beschleunigt und im Kreisel eine maximale Geschwindigkeit von 15 km/h erreicht. Der Erstkontakt zwischen dem Lastwagenfahrer und dem Fahrradfahrer habe 6.6 bis 7.7 Meter vor der Endlage des Lastwagens stattgefunden, wobei dieser mit einer Geschwindigkeit von zirka 13 km/h unterwegs gewesen sei. Der räumlich-zeitliche Fahrtverlauf des Fahrrades lasse sich nicht eruieren (S. 11). Was die Wahrnehmungsmöglichkeiten des Lastwagenfahrers anbelange, so daure jede vollständige Blickkaskade über die vier beifahrerseitigen Spiegelpositionen (Eckspiegel, Rampenspiegel, Seitenspiegel und Weitwinkelspiegel) mindestens 1.5 bis 2 Sekunden. Vom Losfahren des Lastwagens bis zum Erstkontakt seien zirka 6 Sekunden verstrichen. In dieser Zeit sei der Blick in einen zwei Spiegel realistisch, wobei sich ein Lastwagenfahrer im Fahrbetrieb primär auf die Rückspiegel und auf den Eckoder Rampenspiegel konzentriere. Die Aussage des Beschwerdegegners 1, er habe den Fahrradlenker vor der Kollision nicht wahrgenommen, sei nachvollziehbar (S. 13 f.). Grundsätzlich hätte der Beschwerdegegner 1 die Kollision durch Anhalten vermeiden kön- nen. Allerdings könne nicht gesagt werden, ob er im konkreten Fall die drohende Kollisionsgefahr (rechtzeitig) hätte erkennen können (S. 15).
Bezüglich des genauen Unfallhergangs bleiben viele Fragen ungeklärt. Keine der polizeilich befragten Personen hat den Unfallhergang beobachtet. Der Beschwerdegegner 1 hat den Fahrradfahrer nicht gesehen. Der Beschwerdeführer selber vermag sich nicht an das Geschehen zu erinnern. Auch das Gutachten konnte nicht alle offenen Fragen klären. So blieb insbesondere offen, mit welcher Geschwindigkeit der Fahrradfahrer unterwegs war. Auch wo der Beschwerdefüh-
rer den Lastwagen zu überholen begann, konnte nicht eindeutig festgestellt werden. F. meinte, er habe zirka 50 Meter vor dem Kreisel zum Überholen angesetzt. Ob er den Lastwagenfahrer tatsächlich überholte, konnte sie jedoch nicht sagen. Die Aussagen von G. und E. gehen dahin, dass der Beschwerdeführer den Beschwerdegegner 1 bei der Einfahrt in den Kreisel zu überholen beabsichtigte. Die Glaubhaftigkeit dieser voneinander abweichenden Aussagen ist in gleichem Masse gegeben, hat doch keine dieser Personen ein Interesse am Verfahrensausgang. Dies hat zu Folge, dass nicht gesagt werden kann, wann und wo der Beschwerdeführer zum Überholen des Lastwagens ansetzte. Die Frage, ob der Beschwerdegegner 1 hätte in der Lage sein müssen, den Beschwerdeführer zu sehen, hängt in nicht unwesentlichem Masse davon ab, wie schnell sich dieser dem Lastwagen näherte. Dies ist aber nicht bekannt. Ob der Beschwerdeführer sich mit seinem Fahrrad beim Erstkontakt mit dem Lastwagen beziehungsweise unmittelbar davor aus der Sicht des Beschwerdegegners 1 im toten Winkel befand, ist nicht erstellt. Wie sich aus dem Gutachten ergibt
(Urk. 6/14/15 S. 10 und Beilage 9) sind drei Berührungskonfigurationen zum Zeit-
punkt des Erstkontaktes denkbar. Bezüglich des Unfallhergangs bekannt ist einzig, dass der Beschwerdegegner 1 den Lastwagen bei den Haifischzähnen an der Kreiseleinfahrt anhielt und es anschliessend im Kreisel, 6.6 bis 7.7 Meter vor der Endlage des Lastwagens (zirka sechs Sekunden nach dem Anfahren), zur ersten Berührung mit dem Fahrradfahrer kam. Der Lastwagen fuhr dabei mit einer Geschwindigkeit von 13 km/h.
a) Radfahrern ist es gemäss Art. 42 Abs. 3 VRV erlaubt, rechts neben einer Motorfahrzeugkolonne vorbeizufahren, wenn genügend freier Raum vorhanden ist. Aus diesem Grund musste der Beschwerdegegner 1 grundsätzlich damit rechnen, auf der rechten Seite von einem Fahrradfahrer überholt zu werden. Dies war für ihn vorhersehbar. Als er sich im Kreisel befand, musste er sogleich das Abbiegemanöver einleiten, wollte er doch den Kreisel bei der ersten Abzweigung verlassen. Dabei musste er sich durch geeignete Vorkehren nach rückwärts vergewissern, ob er das Manöver gefahrlos durchführen konnte. Dies galt für ihn als Lastwagenführer besonders, schuf er doch beim Abbiegen nach Links eine Verkehrslage, bei welcher er mit der Möglichkeit zu rechnen hatte, dass ein nachfol-
gendes Fahrzeug rechts zum Überholen vorstossen würde. Deshalb ist der Führer verpflichtet, alle Vorsicht anzuwenden, um allfälligen Gefahren zu begegnen, die sich aus der von ihm selber geschaffenen Verkehrslage ergeben können. Er wird deshalb erst dann nach rechts abbiegen dürfen, wenn er durch zureichende Vorkehren die Gewissheit hat, dass er dabei nicht mit einem nachfolgenden Fahrzeug zusammenstossen wird (BGE 97 IV 34). Dies ergibt sich aus dem Vertrauensgrundsatz von Art. 26 Abs. 1 SVG. Ob der Fahrzeuglenker seinen Sorgfaltspflichten im Sinne dieser allgemein formulierten Anforderungen nachgekommen ist, lässt sich aber nicht losgelöst von der konkreten Konstellation beurteilen. Gemäss dem Bundesgericht ist es richtig, dass der Massstab für die Sorgfalt, welche Lastwagenlenker aufzubringen haben, angesichts des von ihren Fahrzeugen ausgehenden Gefährdungspotentials hoch anzusetzen ist. Doch müsse ein vernünftiges, das heisst die anderen Verkehrsteilnehmer nicht behinderndes Fahren im Verkehr noch möglich sein. Dabei sei zu beachten, dass nicht verlangt werden könne, dass im Strassenverkehr jedermann zu jeder Zeit ein Höchstmass an Aufmerksamkeit und Umsicht erbringe. Dem Fahrzeuglenker müsse es in der konkreten Situation möglich sein, den ihm auferlegten Pflichten auch tatsächlich nachzukommen. Die Sorgfaltsanforderungen dürften deshalb bei völlig normalen Fahrmanövern nicht derart hochgeschraubt werden, dass sie im Einzelfall nicht mehr erfüllt werden könnten, beziehungsweise, dass die Erfüllung der einen Pflicht notwendig die Verletzung einer gleichzeitig ebenfalls zu beachtenden anderen Pflicht bedeute (BGE 127 IV 34 E. 3.a.bb).
Der Beschwerdegegner 1 musste seine Aufmerksamkeit zuerst nach links auf allfällige vortrittsberechtigte Fahrzeuge im Kreisel richten, denen er Vortritt zu gewähren hatte und die er in ihrer Fahrt nicht behindern durfte. Anschliessend musste er seinen Blick in Richtung Kreiselausfahrt auf allfällige vortrittsberechtigte Fussgänger auf dem Zebrastreifen ausgangs Kreisel richten. Der Beschwerdegegner 1 hat zu dieser Situation befragt, ausgesagt, nach links auf den sich bereits im Kreisel befindlichen Verkehr geschaut zu haben. Darauf sei er ganz langsam, noch nicht einmal Schritttempo, angefahren. Als er abgebogen sei, habe er in den rechten oberen Seitenspiegel, den Normalspiegel, geschaut und keinen Fahrradlenker erkennen können (Urk. 6/6 S. 1 f.). Der Beschwerdegegner 1 war
sich also der Gefahr eines plötzlich auftauchenden Fahrradfahrers bewusst und trug dieser durch einen Kontrollblick in den Seitenspiegel gehörig Rechnung. Gänzlich unbekannt ist mit welcher Geschwindigkeit der Beschwerdeführer unterwegs war. Es lässt sich daher auch nicht eruieren, wie viel Zeit der Beschwerdegegner 1 gehabt hätte, um den Beschwerdeführer zu erkennen. Gemäss dem Gutachten verstrichen vom Losfahren des Lastwagens bis zum Erstkontakt mit dem Fahrradfahrer zirka sechs Sekunden. In dieser Zeit sei der Blick in einen o- der zwei Spiegel realistisch (Urk. 6/14/15 S. 13 f.). Es war dem Beschwerdegegner 1 folglich aus zeitlichen Gründen gar nicht möglich, alle der ihm zur Verfügung stehenden Spiegel zu konsultieren. Wie viel Zeit ihm überdies konkret zur Verfügung stand, um den Fahrradfahrer zu erkennen und zu reagieren, muss offen bleiben, da die Fahrgeschwindigkeit des Beschwerdeführers nicht bekannt ist und folglich auch nicht festgestellt werden konnte, wann dieser ins Blickfeld des Beschwerdegegners 1 kam. Lässt sich diese Zeit nicht bestimmen und waren in der dem Beschwerdegegner 1 maximal zur Verfügung stehenden Zeit von sechs Sekunden nur der Blick in einen bis zwei Spiegel realistisch, konnte von ihm nicht verlangt werden, dass er alle Spiegel hätte konsultieren sollen. Der Blick in den Towispick-Spiegel wäre überdies nur hilfreich gewesen, wenn sich der Beschwerdeführer mit seinem Fahrrad aus Sicht des Beschwerdegegners 1 im toten Winkel befunden hätte. Dies liess sich jedoch nicht feststellen. Unbekannt ist auch, ob der Beschwerdegegner 1 den Beschwerdeführer auf seiner Fahrt zum Kreisel überholte und er daher hätte damit rechnen müssen, dass dieser sich auf der Strasse befindet.
Insgesamt betrachtet bleibt der Unfallhergang in entscheidenden Punkten unklar. Diese Lücken lassen sich auch nicht mit den vom Beschwerdeführer beantragten Beweismitteln schliessen. Der von ihm als Zeuge angerufene E. hat den Unfall nicht beobachtet. Er konnte in der telefonisch durchgeführten polizeilichen Befragung lediglich sagen, dass er den Beschwerdeführer und den Beschwerdegegner 1 gleichzeitig habe in den Kreisel einfahren sehen (Urk. 6/1
S. 11). Es ist daher nicht davon auszugehen, dass seine Zeugeneinvernahme den Unfall aufklärende Erkenntnisse bringen würde. Die beantragte Vermessung der Spiegel mag über die Sichtverhältnisse des Beschwerdegegners 1 etwas aussagen. Es sei nochmals erwähnt, dass gemäss Gutachten in den sechs Sekunden zwischen Anfahren des Lastwagenfahrers bei den Haifischzähnen am Kreiseleingang bis zur ersten Berührung mit dem Fahrradfahrer der Blick in einen bis zwei Spiegel realistisch war. Da es dem Beschwerdegegner 1 mangels Zeit gar nicht möglich war, alle der am Lastwagen rechtsseitig angebrachten Spiegel zu beachten, vermag auch eine Vermessung der Spiegel nicht zur Klärung der Unfallumstände und dessen Vermeidbarkeit beizutragen. Die Beweisanträge sind folglich nicht begründet.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass aufgrund der vorliegenden Sachlage nicht mit einem verurteilenden Erkenntnis eines Gerichts hinsichtlich des gegenüber dem Beschwerdegegner 1 erhobenen Deliktsvorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung gerechnet werden kann. Auch wenn im Strassenverkehr der besonderen Schutzbedürftigkeit von schwächeren Verkehrsteilnehmern Rechnung zu tragen ist, kann dies nicht dazu führen, dass im Einzelfall auf den Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung verzichtet werden kann (BGE 127 IV 34
3.c.bb). Aufgrund der Ergebnisse der Strafuntersuchung erscheint eine solche
nicht wahrscheinlich. Die Einstellung der Untersuchung erweist sich als gerechtfertigt, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.
Ausgangsgemäss hat der mit seiner Beschwerde unterliegende Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu bezahlen (Art. 428 Abs. 1 StPO).
Der Beschwerdegegner 1 liess sich im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertreten. Der Beschwerdeführer ist daher zu verpflichten, dem Beschwerdegegner 1 für die Aufwendungen seines erbetenen Verteidigers im Beschwerdeverfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 2'400.- (zuzüglich 8% MwSt.), mithin
Fr. 2'592.-, zu bezahlen (Art. 436 Abs. 1 StPO in Verbindung mit Art. 432 Abs. 1 StPO per analogiam sowie § 19 AnwGebV).
Es wird beschlossen:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 1'200.festgesetzt und dem Beschwerdeführer auferlegt.
Der Beschwerdeführer wird verpflichtet, dem Beschwerdegegner 1 eine Prozessentschädigung von Fr. 2'592.zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an:
den Vertreter des Beschwerdeführers im Doppel für sich und zuhanden des Beschwerdeführers (gegen Gerichtsurkunde)
den Vertreter des Beschwerdegegners 1 im Doppel für sich und zuhanden des Beschwerdegegners 1 (gegen Gerichtsurkunde)
die Staatsanwaltschaft See/Oberland (gegen Empfangsschein) sowie - nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel - unter Rücksendung der beigezogenen Akten.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der
Ersten öffentlich-rechtlic he n Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne
14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen
richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 30. Januar 2012
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Der Präsident:
lic. iur. K. Balmer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. K. Schlegel
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.