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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils TB150026: Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Fall entschieden, in dem A. die Statthalterin B. und die Verwaltungsassistentin C. wegen Nötigung, Verletzung fremder Gebietshoheit, Amtsmissbrauchs und Urkundenfälschung angezeigt hatte. Das Obergericht wies die Strafanzeige ab, da keine strafbaren Handlungen der Gesuchsgegnerinnen erkennbar waren. Es wurde entschieden, dass die Staatsanwaltschaft keine Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen die Gesuchsgegnerinnen erhält. Die Kosten des Verfahrens werden nicht erhoben, und es werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.

Urteilsdetails des Kantongerichts TB150026

Kanton:ZH
Fallnummer:TB150026
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid TB150026 vom 07.04.2015 (ZH)
Datum:07.04.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung
Schlagwörter : Vorladung; Ermächtigung; Gesuch; Kantons; Gesuchsgegnerin; Obergericht; Staatsanwaltschaft; Untersuchung; Empfang; Gesuchsteller; Statthalteramt; Anzeige; Verfügung; Verfahren; Bestimmungen; Verfahren; Zeugin; Oberstaatsanwaltschaft; Nichtanhandnahme; Entscheid; Adressaten; Verfahrens; Beilage; Kopie; Meyer; Gesuchsgegnerinnen; Eröffnung; Deutschland; überwies
Rechtsnorm:Art. 110 StGB ;Art. 181 StGB ;Art. 301 StPO ;Art. 302 StGB ;Art. 307 StGB ;Art. 312 StGB ;Art. 317 StGB ;Art. 393 StPO ;
Referenz BGE:137 IV 269;
Kommentar:
Donatsch, Hans, Hansjakob, Lieber, Kommentar StPO, Art. 399 StPO, 2014

Entscheid des Kantongerichts TB150026

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: TB150026-O/U/HON

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, und lic. iur. W. Meyer, Ersatzoberrichter lic. iur. A. Schärer und Gerichtsschreiber Dr. iur.

S. Christen

Beschluss vom 7. April 2015

in Sachen

  1. A. ,
  2. Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, Besondere Untersuchungen,

Gesuchsteller

gegen

1. B. , lic. iur., 2. C. ,

Gesuchsgegnerinnen

betreffend Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung

Erwägungen:

I.
  1. Die Kantonspolizei Zürich verzeigte A. am 24. Oktober 2013 wegen Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit. Er soll am 15. Juli 2013 auf der Hauptstrasse in D. die signalisierte Geschwindigkeit um 9 km/h überschritten haben (Urk. 3/4/1). Das Statthalteramt Bezirk E. bestrafte ihn deshalb am 11. Dezember 2013 mit einem Strafbefehl (Urk. 3/4/2). Dagegen erhob A. Einsprache (Urk. 3/4/4).

  2. Am 24. Oktober 2014 erstattete A. beim Obergericht des Kantons Zürich Strafanzeige gegen die Statthalterin B. und die Verwaltungsassistentin des Statthalteramts C. wegen Nötigung, Verletzung fremder Gebietshoheit, Amtsmissbrauchs und Urkundenfälschung im Amt. Das Statthalteramt habe am

10. Oktober 2014 in der Strafuntersuchung gegen A. die Zeugin F.

vorgeladen. Die Vorladung sei von der Verwaltungsassistentin unterzeichnet gewesen. Diese habe auf direkte Anweisung der Statthalterin gehandelt. Die Vorladung sei an den Wohnsitz der Zeugin in Deutschland geschickt worden und habe Zwangsandrohungen enthalten (Urk. 3/4/46).

Das Obergericht überwies die Strafanzeige der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Urk. 3/1), welche die Sache an die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich überwies.

  1. Mit Verfügung vom 5. Februar 2015 überwies die Staatsanwaltschaft die Akten via die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich an das Obergericht des Kantons Zürich, um über die Erteilung bzw. Nichterteilung der Ermächtigung zur Durchführung einer Strafuntersuchung zu entscheiden (Urk. 2). In der Begrün- dung erwog die Staatsanwaltschaft, es liege nach summarischer Prüfung kein deliktsrelevanter Verdacht vor.

    Der Gesuchsteller 1 hat am 26. Februar 2015 Stellung genommen (Urk. 5).

  2. Nach § 148 Satz 1 GOG hat das Obergericht über die Eröffnung Nichtanhandnahme einer Strafuntersuchung gegen Beamte zu befinden. Dabei handelt es sich um ein Ermächtigungsverfahren. Zweck dieser Ermächtigung ist, Staatsbedienstete vor mutwilliger Strafverfolgung zu schützen. Das Strafverfahren ist erst durchzuführen, wenn eine Behörde ihre Zustimmung erteilt hat. Alsdann obliegt der förmliche Entscheid über die Eröffnung einer Strafuntersuchung die Nichtanhandnahme der Staatsanwaltschaft. Das Obergericht amtet als blosse Ermächtigungsbehörde, wobei sie nicht über die Frage zu entscheiden hat, ob eine Strafuntersuchung gegen Beamte im Sinne von Art. 110 Abs. 3 StGB tatsächlich zu eröffnen ist. Es ist aufgrund einer eher summarischen, ausschliesslich strafrechtliche Aspekte berücksichtigenden Prüfung zu beurteilen, ob eine Ermächtigung zu erteilen ist (vgl. BGE 137 IV 269 E. 2.3 ff.).

5.

    1. Das Statthalteramt hat F. am 10. Oktober 2014 eine Vorladung an eine Adresse in Konstanz (Deutschland) geschickt (Urk. 3/4/43). Die Vorladung ist von der Gesuchsgegnerin 2 unterzeichnet. In der Vorladung wird ausgeführt,

      F. werde als Zeugin zur Einvernahme vorgeladen und müsse persönlich erscheinen. Es werden Datum und Ort des Erscheinens angegeben sowie gegen wen sich die Strafuntersuchung richtet. Sodann wird angegeben, dass die Gesuchsgegnerin 1 die Verfahrenshandlungen vornehmen werde. Nach bzw. unterhalb der Unterschrift wird darauf hingewiesen, dass die Vorladung mitzubringen sei. Falls ein Dolmetscher benötigt werde, solle dies mitgeteilt werden. Schliesslich erfolgt der Hinweis, dass die beiliegenden Seiten F. auf die gesetzlichen Bestimmungen hinwiesen.

      Die beiliegenden Seiten enthalten einen Auszug aus dem Schweizerischen Strafgesetzbuch. Abgedruckt sind die Art. 303, Art. 304, Art. 305 Abs. 1 und Art. 307 Abs. 1 StGB. Sie enthalten sodann einen Auszug aus der Schweizerischen Strafprozessordnung. Abgedruckt sind die Art. 127 Abs. 1, Abs. 4 und Abs. 5, Art. 147,

      Art. 162, Art. 163, Art. 168 - Art. 177, Art. 205 und Art. 393 StPO (Urk. 3/4/43).

    2. Die Vorladung ist eine Verfügung. Verfügungen sind grundsätzlich individuell und konkret. Sie richten sich an einen bestimmten Adressaten und regeln einen

bestimmten Einzelfall. Als Vorladung ist vorliegend einzig die erste Seite von

Urk. 3/4/43 zu betrachten. Auf den der Vorladung beiliegenden Seiten werden gesetzliche Bestimmungen abgedruckt. Gesetzliche Bestimmungen sind grundsätzlich generell und abstrakt. Sie regeln eine unbestimmte Vielzahl von Fällen und richten sich an einen unbestimmten Kreis von Adressaten. Abgedruckte gesetzliche Bestimmungen sind keine Verfügung, da sie nicht individuell-konkret sind. Sie können höchstens der allgemeinen (generell-abstrakten) Information des Adressaten dienen. Ob und wie sie anwendbar sind, ist in der Vorladung (Verfügung) nicht umschrieben. In der Vorladung wird keine Gesetzesbestimmung erwähnt. Das blosse Mitschicken von Gesetzbestimmungen ist grundsätzlich nicht verboten. Damit wird kein Zwang angewandt. Die Gesetzbestimmungen bestehen auch dann, wenn sie nicht mitgeschickt werden. Ob sie anwendbar sind nicht, hängt grundsätzlich nicht von der Kenntnis des Adressaten ab. In der Vorladung selbst hat das Statthalteramt der Zeugin keine Nachteile für den Fall der Nichtbefolgung der Vorladung angedroht.

6.

    1. Soweit in der Strafanzeige vorgebracht wird, in der Vorladung würden rechtswidrig Zwangsmassnahmen angedroht (Urk. 3/2), weshalb der Tatbestand der Nötigung (Art. 181 StGB) erfüllt sei, ist der Vorwurf nach dem Gesagten unzutreffend.

    2. In der Strafanzeige wird der Vorwurf der Verletzung fremder Gebietshoheit (Art. 299 Ziff. 1 StGB) erhoben. Das unmittelbare Zusenden von Vorladungen nach Deutschland ist auf dem Postweg erlaubt (vgl. Art. 52 SDÜ sowie die dazugehörige Erklärung der Schweiz). Eine unerlaubte Vornahme einer Amtshandlung auf fremdem Staatsgebiet liegt nach dem Gesagten nicht vor. Im Übrigen ist das Obergericht zur Erteilung der Ermächtigung für dieses Delikt nicht zuständig. Vielmehr obliegt dies dem Bundesrat (vgl. Art. 302 StGB). Auf das Gesuch um Ermächtigung ist insofern nicht einzutreten.

    3. Inwiefern die Gesuchsgegnerinnen ihre Amtsgewalt missbraucht (Art. 312 StGB) und eine Urkundenfälschung im Amt (Art. 317 StGB) vorgenommen haben sollen, wie in der Strafanzeige behauptet, ist nach dem Gesagten nicht ersichtlich.

    4. Im Übrigen ist der Gesuchsteller 1 mit seinen Vorbringen (insb. Urk. 5) nicht zu hören. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Gesuchsteller 1 durch die angeblichen Delikte unmittelbar betroffen bzw. geschädigt sein soll. In seine Grundrechte wurde durch die Vorladung nicht eingegriffen. Er ist ausschliesslich Anzeigeerstat- ter. Ist die anzeigende Person durch die Tat nicht geschädigt und nicht Privatklägerin, stehen ihr keine Verfahrensrechte zu ausser dem Anspruch, auf Anfrage darüber orientiert zu werden, ob ein Strafverfahren eingeleitet und wie es erledigt wird (Art. 301 Abs. 2 und 3 StPO; vgl. dazu Urteil 1C_344/2012 vom 31. Oktober 2012 E. 2.1; vgl. auch Urteil 6B_299/2013 vom 26. August 2013 E. 1.1).

7. Zusammenfassend bestehen aufgrund der derzeitigen Aktenlage keine Anhaltspunkte, wonach sich die Gesuchsgegnerinnen strafbar gemacht haben könnten. Die Ermächtigungen sind nicht zu erteilen, soweit auf die Ermächtigungsgesuche einzutreten ist.

Das Ermächtigungsverfahren ist ein Verwaltungsverfahren, das nicht der Strafprozessordnung untersteht. Das Verfahren ist kostenlos. Gemäss § 17 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.

Es wird beschlossen:

  1. Der Staatsanwaltschaft wird die Ermächtigung zum Entscheid über die Untersuchungseröffnung bzw. die Nichtanhandnahme des Verfahrens gegen die Gesuchsgegnerin 1 ni cht erteilt, soweit auf das Ermächtigungsgesuch eingetreten wird.

  2. Der Staatsanwaltschaft wird die Ermächtigung zum Entscheid über die Untersuchungseröffnung bzw. die Nichtanhandnahme des Verfahrens gegen die Gesuchsgegnerin 2 ni cht erteilt, soweit auf das Ermächtigungsgesuch eingetreten wird.

  3. Es werden keine Kosten erhoben.

  4. Es werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.

  5. Schriftliche Mitteilung an:

    • den Gesuchsteller 1, per Gerichtsurkunde

    • die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, unter Beilage einer Kopie von Urk. 5, ad VAR A-3/2014/10004156, gegen Empfangsbestätigung

    • die Gesuchsgegnerin 1, unter Beilage einer Kopie von Urk. 5, persönlich/vertraulich gegen Empfangsschein

    • die Gesuchsgegnerin 2, unter Beilage einer Kopie von Urk. 5, persönlich/vertraulich gegen Empfangsschein

    • die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, unter Beilage einer Kopie von Urk. 5, ad VARK/2015/4156, gegen Empfangsbestätigung

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel an:

    • die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich ad VARK/2015/4156, unter Rücksendung der eingereichten Akten (Urk. 3), gegen Empfangsbestätigung

  6. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Ersten öffentlich-rechtlic he n Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen. Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 7. April 2015

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Präsident:

lic. iur. Th. Meyer

Gerichtsschreiber:

Dr. iur. S. Christen

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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