E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SU180047: Obergericht des Kantons Zürich

Der Beschuldigte A. wurde als Halter eines Fahrzeugs für die Verletzung der Verkehrsregeln verantwortlich gemacht und zur Zahlung einer Busse von Fr. 120.- verpflichtet. Es wurde keine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 810.- wurden dem Beschuldigten auferlegt. Die Berufung des Beschuldigten wurde abgelehnt, und die Kosten des Berufungsverfahrens wurden ihm auferlegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts SU180047

Kanton:ZH
Fallnummer:SU180047
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SU180047 vom 21.05.2019 (ZH)
Datum:21.05.2019
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_722/2019
Leitsatz/Stichwort:Verletzung der Verkehrsregeln
Schlagwörter : Beschuldigte; Halter; Fahrzeug; Verfahren; Urteil; Beschuldigten; Recht; Berufung; Verteidigung; Vorinstanz; Bundesgericht; Busse; Ordnungsbusse; Verfahren; Halterhaftung; Entscheid; Verkehr; Befehl; Regelung; Person; Verfahrens; Fahrzeughalter; Statthalteramt; Bundesgerichtes; Fahrzeugs; Verletzung
Rechtsnorm:Art. 1 OBG ;Art. 102 StGB ;Art. 105 StGB ;Art. 106 StGB ;Art. 11 OBG ;Art. 27 SVG ;Art. 398 StPO ;Art. 402 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 437 StPO ;Art. 6 EMRK ;Art. 6 OBG ;Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Donatsch, Flachsmann, Hug, Weder, Kommentar StGB, Art. 106 Abs. 3; Art. 106 StGB, 2010

Entscheid des Kantongerichts SU180047

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SU180047-O/U/hb

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, und lic. iur. Ruggli, Oberrichterin lic. iur. Schärer sowie die Gerichtsschreiberin MLaw Höchli

Urteil vom 21. Mai 2019

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

verteidigt durch Rechtsanwältin Dr. iur. X.

gegen

Statthalteramt Bezirk Uster, Untersuchungsbehörde und Berufungsbeklagte

betreffend Verletzung der Verkehrsregeln

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Uster, Einzelgericht in Strafsachen, vom 1. Oktober 2018 (GC180008)

Strafbefehl:

Der Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Uster vom 21. Dezember 2017 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 9).

Urteil der Vorinstanz:

  1. Der Beschuldigte, A. , ist als Halter des Fahrzeugs mit dem Kontrollschild WT (D) im Sinne von Art. 6 Abs. 5 OBG verantwortlich für die einfache Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 4a Abs. 1 lit. d VRV und Art. 22 Abs. 1 SSV.

  2. Der Beschuldigte, A. , wird verpflichtet, eine Busse von Fr. 120.zu bezahlen.

    Es wird keine Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen.

  3. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf Fr. 810.-.

  4. Die weiteren Kosten betragen:

  5. Die Entscheidgebühr und die weiteren Kosten werden dem Beschuldigten auferlegt.

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 42 S. 2, schriftlich)

    1. Es sei der Beschuldigte und Berufungskläger in vollständiger Aufhebung des Urteils Geschäfts-Nr. GC180008 vom 1. Oktober 2018 des

      Bezirksgerichtes Uster, Einzelgericht in Strafsachen, von Schuld und Strafe freizusprechen, und seine Verpflichtung zur Bezahlung einer Ordnungsbusse sei aufzuheben;

    2. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zuzüglich Mehrwertsteuer zu Lasten der Staatskasse.

  2. Des Stadtrichteramtes: (Urk. 39, schriftlich)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.

    -----------------------------------------------------

    Erwägungen:

    I.
    1. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Uster, Einzelgericht in Strafsachen, vom

  1. Oktober 2018 wurde festgestellt, dass der Beschuldigte als Halter des Fahrzeugs mit dem Kontrollschild WT ... ... (D) im Sinne von Art. 6 Abs. 5 OBG verantwortlich sei für die einfache Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 4a Abs. 1 lit. d VRV und Art. 22 Abs. 1 SSV. Gleichzeitig wurde er verpflichtet, eine Busse von Fr. 120.zu bezahlen. Ausserdem wurde über die Kostenfolgen entschieden (Urk. 33 S. 11).

  2. Gegen dieses mündlich eröffnete Urteil liess der Beschuldigte mit Eingabe vom 5. Oktober 2018 rechtzeitig Berufung anmelden (Urk. 30; Prot. I S. 6 ff.). Das begründete Urteil wurde der Verteidigung am 19. Dezember 2018 zugestellt

(Urk. 32). Mit Eingabe vom 20. Dezember 2018 reichte diese fristwahrend die Berufungserklärung ein (Urk. 34). Mit Präsidialverfügung vom 8. Januar 2019 wurde dem Statthalteramt eine Kopie der Berufungserklärung zugestellt und Frist zur Anschlussberufung für einen Nichteintretensantrag angesetzt (Urk. 36). Dieser Frist kam das Statthalteramt mit Eingabe vom 21. Januar 2019 nach und erklärte, dass auf eine Stellungnahme verzichtet und die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils beantragt werde (Urk. 39). Mit Beschluss vom 31. Januar 2019 wurde das schriftliche Verfahren angeordnet und dem Beschuldigten Frist angesetzt, um die Berufungsanträge zu stellen und zu begründen (Urk. 40). Dieser Frist kam die Verteidigung mit Eingabe vom 11. Februar 2019 nach (Urk. 42). Anschliessend wurde dem Statthalteramt mit Präsidialverfügung vom 13. Februar 2019 Frist zur Einreichung einer Berufungsantwort angesetzt. Die Vorinstanz erhielt Gelegenheit zur freigestellten Vernehmlassung (Urk. 45), wobei sie auf eine solche verzichtete (Urk. 48). Auch das Statthalteramt erklärte mit Eingabe vom

  1. Februar 2019, auf eine Berufungsantwort zu verzichten (Urk. 47). Damit erweist sich das Verfahren als spruchreif.

    II.
    1. Gemäss Art. 402 StPO in Verbindung mit Art. 437 StPO wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils im Umfang der Anfechtung gehemmt. Da das erstinstanzliche Urteil durch den Beschuldigten vollumfänglich angefochten wird (Urk. 34 S. 2), erwächst keine Dispositivziffer in Rechtskraft.

    2. Bilden wie im vorliegenden Fall ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so kann mit der Berufung nur geltend gemacht werden, das Urteil sei rechtsfehlerhaft die Feststellung des Sachverhalts sei offensichtlich unrichtig beruhe auf einer Rechtsverletzung. Neue Behauptungen und Beweise können nicht vorgebracht werden (Art. 398 Abs. 4 StPO).

III.
  1. Mit Strafbefehl vom 21. Dezember 2017 wurde der Beschuldigte als Halter des Personenwagens mit dem Kontrollschild WT-... ... wegen Überschreitens einer allgemeinen, fahrzeugbedingten signalisierten Höchstgeschwindigkeit

    nach Abzug der technisch bedingten Sicherheitsmarge auf Autobahnen um 11 - 15 km/h, begangen am 25. März 2017, 17.30 Uhr, in B. auf der Autobahn A53 in Fahrtrichtung C. , zur Bezahlung einer Ordnungsbusse von Fr. 120.verpflichtet (Urk. 9).

  2. Der Beschuldigte stellt weder in Abrede, dass der Personenwagen mit dem Kennzeichen WT-... ... am 25. März 2017 zum Zeitpunkt der Radarkontrolle zu schnell fuhr noch dass es sich bei ihm um den Halter jenes Fahrzeugs handelt (Urk. 11 S. 2 f.; Urk. 25 S. 2 ff.; Urk. 42 S. 7). Seinen Vorbringen, dass er das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt nicht gelenkt habe und ihm nicht bekannt sei, um wen es sich beim Lenker gehandelt habe, wurde mit dem Strafbefehl insofern Rechnung getragen, als ihm die eigentliche Begehung der Verkehrsregelverletzung auch nicht zum Vorwurf gemacht wurde. Der im Strafbefehl aufgeführte Sachverhalt ist somit unbestritten. Zwar lässt der Beschuldigte in seiner Berufungsbegründung geltend machen, der Sachverhalt sei durch die Vorinstanz fehlerhaft festgestellt worden. Dass die Vorinstanz den Sachverhalt dahingehend als erstellt erachtet hätte, dass der Beschuldigte als Lenker des geblitzten Fahrzeuges zu büssen wäre, wie es der Rüge des Beschuldigten entsprechen würde (Urk. 42 S. 3 f.), ist aus dem vorinstanzlichen Urteil jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr wies die Vorinstanz gerade darauf hin, dass es sich beim Beschuldigten um den Halter des geblitzten Personenwagens handelte. Dass er das Fahrzeug zum Zeitpunkt, als es geblitzt wurde, auch gelenkt haben soll, hält ihm die Vorinstanz an keiner Stelle vor. Hinsichtlich ihrer Schlussfolgerung, dass der Sachverhalt rechtsgenügend erstellt sei (Urk. 33 S. 5), verfiel die Vorinstanz somit nicht in Willkür.

  3. Im Wesentlichen lässt der Beschuldigte jedoch beanstanden, dass seine Verpflichtung zur Zahlung einer Busse alleine aufgrund seiner Haltereigenschaft gestützt auf Art. 6 OBG verschiedene rechtsstaatliche Garantien verletze. So würden das Recht auf Schweigen, die Unschuldsvermutung, der Grundsatz des nemo tenetur, der Anspruch auf rechtliches Gehör, die Rechtsweggarantie, das Recht auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht, das Recht auf eine öffentliche Urteilsverkündung und das Recht auf Überprüfung durch ein höheres

Gericht missachtet (Urk. 42 S. 4). Insbesondere lässt er beanstanden, dass einem Fahrzeughalter durch die Regelung gemäss Art. 6 Abs. 3 OBG zwar in Aussicht gestellt werde, dass ihm das ordentliche Strafverfahren offen stehe, diese Möglichkeit jedoch nur in der Theorie bestehe, da die Verfahrensgarantien, welche im ordentlichen Verfahren eigentlich gelten müssten, durch die Regelung in Art. 6 Abs. 5 OBG sogleich wieder verletzt würden (Urk. 42 S. 4 ff.). So würden die Rechte des Fahrzeughalters im ordentlichen Verfahren dadurch verletzt, dass

Art. 6 Abs. 5 OBG vorsehe, dass der Halter die Busse dennoch zahlen müsse, wenn er nicht dartun könne, dass das Fahrzeug gegen seinen Willen benutzt worden sei und er dies trotz entsprechender Sorgfalt nicht habe verhindern kön- nen. Da eine Verurteilung des Halters alleine auf dem Schweigen zur Person des verantwortlichen Fahrers beruhe, würden das Schweigerecht sowie die Selbstbelastungsfreiheit verletzt, welche zum Kernbereich des Rechts auf ein faires Verfahren gemäss Art. 6 EMRK gehören würden (Urk. 42 S. 4 ff.). In seinem Fall sei es so, dass er sich am Verfahren beteiligt und in keiner Art und Weise auf seine Mitwirkung verzichtet habe. Dass er auf der Fotodokumentation nicht erkennen könne, wer das Fahrzeug im Begehungszeitpunkt gelenkt habe, könne ihm nicht angelastet werden. Da er die Lenkerschaft nicht kenne, sei es ihm auch nicht möglich, seiner Auskunftspflicht nachzukommen. Die Vorinstanz habe ihm diesen Umstand aber dennoch angelastet und durch die Anwendung der Halterhaftung im ordentlichen Verfahren in der Bundesverfassung und in der Strafprozessordnung verankerte rechtsstaatliche Garantien sowie Art. 6 EMRK verletzt (Urk. 42

S. 6). Weiter macht die Verteidigung geltend, dass das Bundesgericht die Halterhaftung der Unternehmen für Geschäftsfahrzeuge im Entscheid 6B_252/2017 vom 20. Juni 2018 mit dem Hinweis auf das Legalitätsprinzip aufgehoben habe. Dieser Grundsatz sei auch in diesem Verfahren anzuwenden (Urk. 42 S. 6). Der Beschuldigte beantragt aus diesen Gründen einen Freispruch und rügt das vorinstanzliche Urteil somit in rechtlicher Hinsicht (Urk. 42 S. 4 ff.). Bezüglich der von der Vorinstanz vorgenommenen rechtlichen Würdigung ist die Kognition des Berufungsgerichts nicht wie bei der Feststellung des Sachverhaltes eingeschränkt, sondern frei (Hug/Scheidegger in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Auflage 2014, N 23 zu Art. 398).

Diese ist somit aufgrund der Vorbringen des Beschuldigten einer Überprüfung zu unterziehen.

4.1 Seit dem 1. Januar 2014 gelten für Widerhandlungen im Strassenverkehr im Bereich des Ordnungsbussenverfahrens neue Vorschriften über die Halterhaftung. Gemäss Art. 6 Abs. 1 OBG wird die Busse in Fällen, in denen der Täter der Widerhandlung nicht bekannt ist, dem im Fahrzeugausweis eingetragenen Fahrzeughalter auferlegt. Bezahlt der Halter die Busse nicht fristgerecht, wird das ordentliche Strafverfahren eingeleitet (Art. 6 Abs. 3 OBG). Nennt der Halter den verantwortlichen Fahrzeugführer, wird das Verfahren gegen diesen eingeleitet (Art. 6 Abs. 4 OBG). Kann mit verhältnismässigem Aufwand nicht festgestellt werden, wer der Fahrzeugführer ist, so ist die Busse vom Halter zu bezahlen, es sei denn, er mache im ordentlichen Strafverfahren glaubhaft, dass das Fahrzeug gegen seinen Willen benutzt wurde und er dies trotz entsprechender Sorgfalt nicht verhindern konnte (Art. 6 Abs. 5 OBG). Seit der Revision des Ordnungsbussengesetzes muss damit nicht mehr ausschliesslich die Person bestraft werden, welche die Widerhandlung begangen hat. Vielmehr kann der Fahrzeughalter bestraft werden, falls der Täter der Polizei nicht bekannt ist. Dies trifft häufig zu bei automatischen Verkehrskontrollen ohne Anhalteposten (Geschwindigkeit, Rotlicht) und Widerhandlungen im ruhenden Verkehr (Botschaft zu Via sicura vom

20. Oktober 2010, BBl 2010 8447, 8486).

      1. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wies das Bundesgericht bereits mehrfach darauf hin, dass die Unschuldsvermutung und die daraus abgeleiteten Rechte anders als der Grundsatz des fairen Verfahrens nicht absolut gelten würden. Entsprechend stelle auch nicht jede Einwirkung zur Durchsetzung einer Informationspflicht eine Verletzung der Unschuldsvermutung dar (Urteil des Bundesgerichtes 6B_252/2017 vom 20. Juni 2018 E. 1.2.2; Urteil des Bundesgerichtes 6B_439/2010 vom 29. Juni 2010 E. 5.3). Gestützt auf diesen Grundsatz der nicht absoluten Geltung der Unschuldsvermutung gelangte das Bundesgericht auch schon mehrfach zum Schluss, dass die Regelung der Halterhaftung gemäss Art. 6 OBG die in Art. 6 EMRK festgesetzten Verfahrensgarantien nicht verletze (Urteil

        des Bundesgerichtes 6B_252/2017 vom 20. Juni 2018 E. 1.4; Urteil des Bundesgerichtes 6B_439/2010 vom 29. Juni 2010 E. 5.3, 5.6). Diese Schlussfolgerung rührt daher, dass sich für Halter und Lenker von Motorfahrzeugen aus ihrer Akzeptanz der Strassenverkehrsgesetzgebung sowie der Fahrberechtigung gewisse Obliegenheiten ergeben würden. Darunter würden neben Verhaltenspflichten vielfältige Auskunftspflichten gegenüber den Behörden fallen. Weigere sich der Halter Lenker, könne er dazu nicht gezwungen werden. Er müsse aber trotzdem die Konsequenzen tragen. Verzichte ein Betroffener auf jegliche Mitwirkung, begebe er sich der Möglichkeit, auf das Verfahren einzuwirken und seine Interessen aktiv wahrzunehmen. Dies könne aber die Behörden nicht an ihrer gesetzlichen Aufgabe hindern, den Sachverhalt abzuklären und gesetzmässig in einem fairen Verfahren zu entscheiden. Zu prüfen sei dann insoweit nur noch, ob sie wirksame Verteidigungsmöglichkeiten gewährt und das Beweismaterial gesetzmässig verwendet hätten (Urteil des Bundesgerichtes 6B_252/2017 vom 20. Juni 2018 E. 1.4; Urteil 6B_439/2010 vom 29. Juni 2010 E. 5.3, 5.6). Diese Rechtsprechung bezieht sich gerade auf die im ordentlichen Verfahren geltenden Verfahrensgarantien und erachtet diese auch bei einer Anwendung der Halterhaftung gemäss Art. 6 Abs. 5 OBG im ordentlichen Verfahren als gewahrt. Die Kritik der Verteidigung, wonach die Verfahrensgarantien, welche im ordentlichen Verfahren eigentlich gelten müssten, durch die Regelung in Art. 6 Abs. 5 OBG verletzt würden, erweist sich somit als unbegründet.

      2. Die Verteidigung anerkennt in ihrer Berufungsbegründung, dass der EGMR die Halterhaftung in einem Fall aus den Niederlanden geschützt habe (Falk gegen Niederlande, Urteil des EGMR vom 19. Oktober 2004; Nr. 66273/01). Auch räumte sie ein, dass die damals überprüfte gesetzliche Regelung der Halterhaftung aus den Niederlanden fast wortwörtlich der Halterhaftung im OBG entspreche. Den einzigen Unterschied zwischen den beiden Regelungen macht sie darin aus, dass der gebüsste Halter in der Schweiz das ordentliche Verfahren gemäss der Strafprozessordnung wählen könne (Urk. 42 S. 4). Inwiefern dieser Unterschied in den gesetzlichen Regelungen zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Konformität der Halterhaftung gemäss OBG mit den Voraussetzungen eines fairen Verfahrens führen sollte, vermag die Verteidigung jedoch nicht darzulegen. So wies denn auch das Bundesgericht bereits darauf hin, dass die schweizerische Regelung mit dieser Wahlmöglichkeit mit Blick auf die Wahrung elementarer Verfahrensrechte der beschuldigten Person gar über die niederländische Regelung hinausgehen würde, weshalb eine Verletzung von Art. 6 EMRK umso weniger vorliege (Urteil des Bundesgerichtes 6B_252/2017 vom 20. Juni 2018

        E. 1.3.1).

      3. hr Vorbringen, dass der Umstand, dass die Rechte der Fahrzeughalter im ordentlichen Verfahren aufgrund der Regelung gemäss Art. 6 Abs. 5 OBG eingeschränkt würden und dies Art. 6 EMRK verletze, stützt die Verteidigung weiter auf die Erwägungen des EGMR im Entscheid Krumpholz gegen Österreich (Urteil des EGMR vom 18. März 2010 Nr. 13201/05). So habe der EGMR festgehalten, dass die Halterhaftung den Bestimmungen der EMRK zuwiderlaufe, wenn die Verurteilung des Halters alleine auf dessen Schweigen zur Person des verantwortlichen Fahrers beruhe (Urk. 42 S. 6). In diesem zitierten Entscheid erblickte der EGMR jedoch einen Verstoss gegen die Unschuldsvermutung gerade nicht darin, dass ein Schuldspruch ergangen wäre, weil ein als Fahrzeughalter registrierter Beschuldigter den tatsächlichen Fahrzeuglenker nicht hätte nennen können wollen, sondern darin, dass das gerügte Gericht alleine aus der Haltereigenschaft des Beschuldigten auf dessen Fahrereigenschaft in einem bestimmten Zeitpunkt geschlossen hatte (Krumpholz gegen Österreich, Urteil des EGMR vom 18. März 2010 Nr. 13201/05; vgl. Urteil des Bundesgerichtes 6B_252/2017 vom 20. Juni 2018 E. 1.3.2). Da dem Beschuldigten im vorliegenden Fall aber gerade nicht angelastet wird, dass er das geblitzte Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt gelenkt haben soll, vermag auch dieses Vorbringen der Verteidigung keine Unvereinbarkeit der Halterhaftung gemäss OBG mit geltenden Verfahrensgarantien zu begründen.

      4. Eine gegenteilige Beurteilung vermag schliesslich auch der Hinweis der Verteidigung auf das zu beachtende Legalitätsprinzip nicht herbeizuführen (Urk. 42 S. 6). Zwar trifft es zu, dass das Bundesgericht eine Fahrzeughalterhaftung gestützt auf Art. 6 Abs. 5 OGB im von der Verteidigung zitierten Entscheid mit Verweis auf das Legalitätsprinzip verneinte. Dabei bezog sich aber die geübte

        Rüge der Unvereinbarkeit mit dem Legalitätsprinzip nicht auf die Regelung der Halterhaftung gemäss Art. 6 OBG an sich, sondern darauf, dass diese eine Verantwortlichkeit von Unternehmen für Übertretungsbussen nicht ausdrücklich vorsehe. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Bestimmungen über die Verantwortlichkeit des Unternehmens gemäss Art. 102 StGB nur für Verbrechen und Vergehen gelten und bei Übertretungen nicht anwendbar sind (Art. 105 Abs. 1 StGB). Weiter wurde erwogen, dass juristische Personen nach gefestigter bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht deliktsfähig seien, sofern nicht ein Bundesgesetz kantonales Recht dies ausdrücklich vorsehe. Da in Art. 6 OBG gerade keine solche Regelung enthalten sei, komme daher eine Verurteilung juristischer Personen für Übertretungen im Bereich des OBG nicht in Frage (Urteil des Bundesgerichtes 6B_252/2017 vom 20. Juni 2018 E. 3.2). Da es sich im vorliegenden Fall beim Beschuldigten als Halter des geblitzten Fahrzeuges aber um eine natürliche Person und nicht um ein Unternehmen handelt, würde seiner Verpflichtung zur Zahlung einer Busse im Sinne von Art. 6 Abs. 5 OBG somit auch das Legalitätsprinzip nicht entgegenstehen.

      5. Zusammengefasst ist es demnach grundsätzlich mit den geltenden Verfahrensgrundsätzen vereinbar, den Halter eines Fahrzeugs im Sinne von

Art. 6 Abs. 5 OGB zu verpflichten, eine Busse zu bezahlen, sofern wirksame Verteidigungsmöglichkeiten gewährt und das Beweismaterial gesetzmässig verwendet wurden. Es bleibt somit zu prüfen, ob die entsprechenden Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

    1. Die Vorinstanz wies bereits in zutreffender Weise darauf hin, dass der Beschuldigte als Halter des Personenwagens mit dem Kontrollschild WT ... ... (D) die Ordnungsbusse nicht fristgerecht bezahlt, keine Person, die das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt gelenkt hätte, genannt und auch nicht geltend gemacht habe, dass das Fahrzeug gegen seinen Willen benutzt worden wäre (Urk. 33

      S. 7). Ausserdem erwog die Vorinstanz auch zu Recht, dass angesichts der Angaben des Beschuldigten und insbesondere aufgrund seines Wohnsitzes im Ausland die Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeuglenkers für die Schweizer Behörden mit einem unverhältnismässigen Aufwand verbunden wären. Vor diesem

      Hintergrund sind die Voraussetzungen von Art. 6 OBG, um den Beschuldigten als Halter des in Frage stehenden Fahrzeugs zu verpflichten, die Busse für die damit begangene Verkehrsregelverletzung zu bezahlen, zu bejahen. In Anbetracht dessen, dass dem Beschuldigten im Laufe des Verfahrens auch mehrfach das relevante Radarbild gezeigt wurde und er mehrmals die Gelegenheit erhielt, zur Frage, wer das geblitzte Fahrzeug zu jenem Zeitpunkt gelenkt habe, Stellung zu nehmen (Urk. 8.5; Urk. 8.9: Urk. 11 S. 3; Urk. 25 S. 3), erweisen sich auch die Erfordernisse der Wahrung wirksamer Verteidigungsmöglichkeiten und der gesetzmässigen Verwendung von Beweismaterial als erfüllt.

    2. Die Verpflichtung des Fahrzeughalters, eine Ordnungsbusse für eine Verkehrsregelverletzung zu bezahlen, welche mit seinem Fahrzeug begangen wurde, kommt einem Schuldspruch des Fahrzeughalters wegen einer mit einem auf seinen Namen eingetragenen Fahrzeug begangenen Verkehrsregelverletzung sodann keinesfalls gleich. Aus diesem Grund stehen einer Verpflichtung des Beschuldigten zur Zahlung einer Busse gestützt auf Art. 6 Abs. 5 OBG auch die Erwägungen im Entscheid des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 2. Mai 2017 (SU160069) nicht entgegen. Entsprechendes machte die Verteidigung noch vor Vorinstanz geltend (Urk. 26 S. 2). Da es in jenem Entscheid aber lediglich nicht als zulässig erachtet wurde, dass jemand alleine gestützt auf seine Eigenschaft als Halter eines von einer Verkehrsüberwachungsanlage erfassten Fahrzeugs der damit begangenen Verkehrswiderhandlung erstinstanzlich für schuldig befunden wurde (Entscheid des Obergerichtes des Kantons Zürich SU160069 vom 2. Mai 2017 E. 4.3), kann aus dieser Schlussfolgerung nichts zugunsten des Beschuldigten abgeleitet werden.

5. Der Beschuldigte ist somit als Halter des Fahrzeugs mit dem Kontrollschild WT ... ... (D) im Sinne von Art. 6 Abs. 5 OBG für die einfache Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 4a Abs. 1 lit. d VRV und Art. 22 Abs. 1 SSV verantwortlich zu erklären.

IV.
    1. Im angefochtenen Urteil wurde bereits aufgezeigt, dass das Ordnungsbussengesetz von der Anwendung der Strafzumessungsgrundsätze des Strafgesetzbuches dispensiere und für alle schuldhaft handelnden Täter dieselben Bussen und Vollzugsmodalitäten unbesehen von ihrem Vorleben und den persönlichen Verhältnissen vorsehe (Art. 1 Abs. 3 OBG). Weiter wurde darauf hingewiesen, dass in Art. 11 Abs. 1 OBG vorgesehen sei, dass eine Ordnungsbusse auch im ordentlichen Strafverfahren ausgefällt werden könne, wobei aus dem Gesetz nicht hervorgehe, wann eine Ordnungsbusse im ordentlichen Verfahren zulässig gar geboten sei. Mit zutreffender Begründung gelangte die Vorinstanz in dieser Hinsicht zum Schluss, dass im vorliegenden Fall auch im ordentlichen Verfahren eine Ordnungsbusse auszufällen sei. So könnte das Verschulden nach

      Art. 106 Abs. 3 StGB gar nicht bewertet und eine ordentliche Busse gar nicht festgesetzt werden, wenn wie vorliegend - der Fahrzeughalter lediglich kraft seiner Haltereigenschaft gebüsst werde. Weiter erwog die Vorinstanz in überzeugender Weise, dass auch die Formulierung in Art. 6 Abs. 5 OBG dafür spreche, dass die im vorangehenden Ordnungsbussenverfahren festgesetzte Ordnungsbusse aufzuerlegen sei und im ordentlichen Verfahren nicht eine erneute Bussenfestsetzung zu erfolgen habe. So sei in jener Bestimmung vorgesehen, dass der Halter die und nicht eine Busse zu bezahlen habe (Urk. 33 S. 8 f.).

    2. Der Beschuldigte ist somit auch im ordentlichen Verfahren zu verpflichten, die im Ordnungsbussenverfahren festgesetzte Ordnungsbusse von Fr. 120.zu bezahlen.

2. Wie bereits die Vorinstanz zurecht festhielt, ist die Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe im Rahmen des Ordnungsbussenverfahrens ausgeschlossen (Urk. 33 S. 9; Entscheid des Obergerichtes des Kantons Zürich SU160069 vom

2. Mai 2017 E. 5.2). Eine solche ist daher nicht auszusprechen.

V.
    1. Mit dem angefochtenen Entscheid wurden dem Beschuldigten die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie diejenigen des Vorverfahrens (Gebühren des Vorverfahrens von Fr. 250.- und nachträgliche Gebühr des Vorverfahrens von Fr. 300.-) auferlegt (Urk. 33 S. 9 ff.). Die Berufung des Beschuldigten richtet sich auch gegen diesen Kostenentscheid. Insbesondere liess er vorbringen, dass die von der Vorinstanz erwähnten weiteren Amtshandlungen, welche gemäss deren Erwägungen zu den Mehrkosten des zweiten Strafbefehls vom 21. Dezember 2017 geführt hätten, lediglich durch den fehlerhaften ersten Strafbefehl verursacht worden seien und dem Beschuldigten daher nicht anzulasten seien (Urk. 33

      S. 10; Urk. 42 S. 7).

    2. Im ersten Strafbefehl vom 12. September 2017, mit welchem der Beschuldigte noch als Lenker gebüsst wurde, setzte das Statthalteramt eine Gebühr von Fr. 170.fest (Urk. 6). Der zweite Strafbefehl, welcher denjenigen vom

      12. September 2017 ersetzte, datiert vom 21. Dezember 2017. Mit diesem wurde der Beschuldigte als Fahrzeughalter zur Bezahlung einer Ordnungsbusse verpflichtet und es wurde anstelle der Gebühr von Fr. 170.eine solche von

      Fr. 250.festgesetzt (Urk. 9). Die Vorinstanz wies bereits daraufhin, dass zwischen dem Ergehen der beiden Strafbefehle insbesondere eine rege Korrespondenz zwischen der Verteidigung und dem Statthalteramt stattfand (Urk. 33 S. 10). Diese Korrespondenz enthält unter anderem zwei Sistierungsgesuche der Verteidigung vom 29. September 2017 und vom 27. November 2017. Diese beiden Gesuche wurden damit begründet, dass der Entscheid in einem beim Bundesgericht pendenten Fall abzuwarten sei, in welchem die Anwendbarkeit der Halterhaftung im ordentlichen Verfahren gerügt werde (Urk. 8.4; Urk. 8.5). Da somit insbesondere das Stellen dieser beiden Sistierungsgesuche nicht darauf zurückzuführen ist, dass der Beschuldigte mit dem ersten Strafbefehl noch als Lenker gebüsst wurde, erweist sich die Erhöhung der Strafbefehlsgebühr auf Fr. 250.aufgrund des Mehraufwands als gerechtfertigt. Die erstinstanzliche Kostenfestsetzung ist somit nicht zu beanstanden.

    3. Ausgangsgemäss ist damit das vorinstanzliche Kostendispositiv (Dispositivziffern 3 - 5) zu bestätigen (Art. 426 Abs. 1 StPO).

2. Da der Beschuldigte im Berufungsverfahren mit seinen Anträgen unterliegt, sind ihm die Kosten dieses Verfahrens aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO).

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. ist als Halter des Fahrzeugs mit dem Kontrollschild WT ... ... (D) im Sinne von Art. 6 Abs. 5 OBG verantwortlich für die einfache Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 4a Abs. 1 lit. d VRV und Art. 22 Abs. 1 SSV.

  2. Der Beschuldigte wird verpflichtet, eine Busse von Fr. 120.zu bezahlen.

    Es wird keine Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen.

  3. Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Dispositivziffern 3 bis 5) wird bestätigt.

  4. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 1'000.-.

  5. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  6. Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an

    • die erbetene Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • das Statthalteramt Bezirk Uster

    • die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz.

  7. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 21. Mai 2019

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. Spiess

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw Höchli

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.