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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SU180039: Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Verfahren wegen einer Übertretung des Strassenverkehrsgesetzes entschieden, dass der Beschuldigte schuldig ist und eine Busse von Fr. 150.- zahlen muss. Die Gerichtskosten belaufen sich auf insgesamt Fr. 1'800.00. Der Beschuldigte hat Berufung eingelegt, jedoch wurden alle Rügen als unbegründet abgewiesen. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr beträgt Fr. 1'500.-. Der Beschuldigte muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Die Entscheidung kann beim Bundesgericht angefochten werden.

Urteilsdetails des Kantongerichts SU180039

Kanton:ZH
Fallnummer:SU180039
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SU180039 vom 12.03.2019 (ZH)
Datum:12.03.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Ãœbertretung des Strassenverkehrsgesetzes
Schlagwörter : Beschuldigte; Verfahren; Vorinstanz; Beschuldigten; Geschädigte; Berufung; Urteil; Stadt; Verfahrens; Strasse; Stadtrichteramt; Aufmerksamkeit; Geschädigten; Winterthur; Entscheid; Gericht; Busse; Über; Untersuchung; Umstände; Verfolgung; Befehl; Verkehr; Rüge; Fussgängerstreifen; Kollision; Verhalten
Rechtsnorm:Art. 14 VRV ;Art. 27 SVG ;Art. 398 StPO ;Art. 404 StPO ;Art. 52 StGB ;Art. 53 StGB ;Art. 8 StPO ;Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:106 IV 58; 135 IV 130; 135 IV 27; 138 I 305; 138 IV 13; 139 IV 220; 141 IV 249; 95 IV 26;
Kommentar:
Sutter-Somm, Freiburghaus, Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung ZPO, Zürich, Art. 326 OR ZPO URG, 2010

Entscheid des Kantongerichts SU180039

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SU180039-O/U/jv

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. R. Naef, Präsident, lic. iur. Ch. Prinz und lic. iur. B. Gut sowie der Gerichtsschreiber lic. iur. H. Kistler

Urteil vom 12. März 2019

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X1. substituiert durch Rechtsanwältin lic. iur. X2.

gegen

Stadtrichteramt Winterthur,

Verwaltungsbehörde und Berufungsbeklagte

betreffend Ãœbertretung des Strassenverkehrsgesetzes Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Winterthur,

Einzelgericht, vom 25. Juni 2018 (GC180006)

Strafbefehl:

Der Strafbefehl des Stadtrichteramtes der Stadt Winterthur vom 2. August 2017 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 2/4).

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 19)

  1. Der Beschuldigte A._

    ist schuldig der Ãœbertretung des Strassen-

    verkehrsgesetzes im Sinne von Art. 90 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 14 Abs. 1 VRV, Art. 36 Abs. 2 und Art. 75 Abs. 3 SSV.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Busse von Fr. 150.-.

  3. Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen.

  4. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 1'800.00; die weiteren Kosten betragen: Fr. 150.00 Kosten Strafbefehl

    Fr. 40.00 Fotodokumentation

    Fr. 300.00 nachträgliche Untersuchungskosten Fr. 150.00 Weisungsgebühr

    Fr. 2'440.00 Total

    Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

    Wird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, so reduziert sich die Entscheidgebühr um einen Drittel.

  5. Die Gerichtskosten werden dem Beschuldigten auferlegt. Ãœber diese Kosten stellt die Bezirksgerichtskasse Rechnung.

    Die Kosten des Stadtrichteramtes Winterthur im Betrag von Fr. 640.- (Fr. 150.- Kosten des Strafbefehls, Fr. 40.- Fotodokumentation, Fr. 300.- nachträgliche Untersuchungskosten sowie Fr. 150.- Weisungsgebühr) werden ebenfalls dem

    Beschuldigten auferlegt. Diese Kosten sowie die Busse von Fr. 150.werden durch das Stadtrichteramt Winterthur eingefordert.

  6. (Mitteilungen)

  7. (Rechtsmittel)

Berufungsanträge:

  1. Des Beschuldigten (Urk. 29):

    1. In Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sei der Berufungskläger freizusprechen,

    2. eventualiter sei das Verfahren einzustellen,

    3. subeventualiter sei das Verfahren an die Untersuchungsbehörde zurückzuweisen,

    4. unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse für beide Instanzen,

    5. subsubeventualiter sei von Strafe Umgang zu nehmen und seien die Kosten des Berufungsverfahrens auf die Staatskasse zu nehmen und für dieses eine Prozessentschädigung zuzusprechen.

  2. Des Stadtrichteramtes Winterthur (34) :

Keine Anträge.

Erwägungen:

I. Verfahrensgang
  1. Stadtrichteramtliches und vorinstanzliches Verfahren

    1. Mit Strafbefehl vom 2. August 2017 des Stadtrichteramtes der Stadt Winterthur wurde der Beschuldigte wegen einfacher Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG), Art. 14 Abs. 1 der Verkehrsregelverordnung (VRV), Art. 36 Abs. 2 und Art. 75 Abs. 3 der Signalisationsverordnung (SSV) unter Kostenauflage zu einer Busse von Fr. 150.verurteilt, wogegen der Beschuldigte mit Eingabe vom 4. August 2017 innert Frist Einsprache erhob (Urk. 2/4 und 2/6).

    2. In der Folge wurden die Zeugin B.

      (fortan Geschädigte) sowie der

      (nunmehr durch den Rechtsanwalt X1. vertretene, Urk. 2/10) Beschuldigte einvernommen und betreffend den letzteren diverse Auskünfte bei verschiedenen Ämtern eingeholt. Mit Schreiben vom 22. Januar 2018 wies das Stadtrichteramt den mündlich gestellten Antrag des Beschuldigten auf Verfahrenseinstellung ab und informierte über den Abschluss der Untersuchung. Es setzte dem Beschuldigten eine Frist von 10 Tagen, um die Akten einzusehen, Beweisanträge zu stellen und zu erklären, ob er an der Einsprache festhalte (Urk. 2/25 ff.).

    3. Der Beschuldigte liess mit Schreiben vom 24. Januar 2018 unter Verzicht auf Beweisanträge mitteilen, dass er an der Einsprache festhalte, woraufhin das Stadtrichteramt die Akten am 29. Januar 2018 zur Beurteilung der Sache an das Bezirksgericht Winterthur überwies (Urk. 1 und Urk. 2/28).

    4. Nach Durchführung der Hauptverhandlung vom 3. Mai 2018 verurteilte das Einzelgericht des Bezirksgerichtes Winterthur den Beschuldigten mit Urteil vom

25. Juni 2018 in Bestätigung des Strafbefehls vom 2. August 2017 wegen Übertretung des Strassenverkehrsgesetzes im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 14 Abs. 1 VRV, Art. 36 Abs. 2 und Art. 75

Abs. 3 SSV zu einer Busse von Fr. 150.- unter Auflage der Kosten (Urk. 10; Prot. I S. 6 ff.).

2. Berufungsverfahren

Mit Schreiben vom 9. Juli 2018 meldete der Beschuldigte fristgemäss Berufung an (Urk. 11 f.). Nach Ausfertigung und Zustellung des begründeten Urteils reichte der Beschuldigte am 5. November 2018 innert Frist die Berufungserklärung ein (Urk. 15 f.; Urk. 21). Das Stadtrichteramt Winterthur verzichtete auf die Erhebung einer Anschlussberufung (Urk. 25). Mit Datum vom 3. Dezember 2018 beschloss die erkennende Kammer die Durchführung des schriftlichen Verfahrens und setzte dem Beschuldigten Frist zur Einreichung der abschliessenden Berufungsanträge und -begründung an (Urk. 27), welche Eingabe der Beschuldigte fristgerecht erstattete (Urk. 29). Das Stadtrichteramt sowie die Vorinstanz verzichteten auf die Einreichung einer Berufungsantwort (Urk. 34 und Urk. 36).

  1. Berufungsgründe und -umfang
    1. Gemäss Art. 398 Abs. 1 StPO ist die Berufung zulässig gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte, mit denen das Verfahren ganz teilweise abgeschlossen worden ist. Die Berufungsinstanz überprüft den vorinstanzlichen Entscheid bezüglich sämtlicher Tat-, Rechtsund Ermessensfragen üblicherweise frei (Art. 398 Abs. 2 und 3 StPO). Bildeten jedoch ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so schränkt Art. 398 Abs. 4 StPO die Kognition der Berufungsinstanz ein. In diesen Fällen wird das angefochtene Urteil lediglich dahingehend überprüft, ob es rechtsfehlerhaft ist ob eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz gegeben ist. Relevant sind dabei klare Versehen bei der Sachverhaltsermittlung wie namentlich Irrtümer offensichtliche Diskrepanzen zur Aktenund Beweislage. Weiter in Betracht kommen insbesondere Fälle, in denen die Sachverhaltsfeststellung auf einer Verletzung von Bundesrecht, in erster Linie von Verfahrensvorschriften der StPO selbst, beruht. Gesamthaft gesehen dürften regelmässig Konstellationen relevant sein, die als willkürliche

      Sachverhaltserstellung zu qualifizieren sind (vgl. SCHMID/JOSITSCH, StPO Praxiskommentar, 3. Aufl. 2017, Art. 398 N 12f.; BSK StPO-EUGSTER, 2. Aufl. 2014, Art. 398 N 3a). Willkür bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung Würdigung ebenfalls vertretbar gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 138 I 305 E. 4.3 mit Hinweisen). Eine vertretbare Beweiswürdigung ist daher auch dann noch nicht willkürlich, wenn die Berufungsinstanz anstelle des Vorderrichters allenfalls anders entschieden hätte.

    2. Nachdem der Beschuldigte einen Freispruch beantragt, hat das gesamte vorinstanzliche Urteil als angefochten zu gelten und ist im Rahmen der oben erläuterten Kognition zu überprüfen (Art. 404 Abs. 1 StPO).

    Die urteilende Instanz muss sich dabei nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen. Vielmehr kann sich das Gericht auf die seiner Auffassung nach wesentlichen und massgeblichen Vorbringen der Parteien beschränken (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1. mit Hinweisen).

  2. Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheids
  1. Mangelnde Aufmerksamkeit

    1. Der Beschuldigte beantragt, das Urteil der Vorinstanz sei aufzuheben und er sei vollumfänglich freizusprechen, da der Entscheid offensichtlich unhaltbar sei und mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehe. Die Geschädigte sei rechtskräftig gebüsst worden, weil sie neben dem Fussgängerstreifen quer über die Hauptstrasse gefahren sei, trotz signalisiertem Verbot und Bodenmarkierung. Was der Geschädigten im Strafbefehl belastend gegenüber dem Beschuldigten vorgeworfen werde, sei in diesem Verfahren zu seinen Gunsten zu würdigen. Die Vorinstanz habe nicht in Berücksichtigung gezogen, dass die Geschädigte bei schwierigen Lichtverhältnissen aus ungewohnter und verbotener Fahrtrichtung gekommen sei und das Manöver nur kurze Zeit gedauert habe.

      Unter diesen Umständen sei ihm für die von der Geschädigten gefahrene Fahrtrichtung eine geringere Aufmerksamkeit zuzubilligen gewesen. Er habe seinen Blick in erster Linie nach links auf den vortrittsberechtigten Verkehr sowie auf den Fussgängerstreifen zu richten gehabt.

      Ferner betrage die Durchschnittsgeschwindigkeit einer Fahrradfahrerin 15 bis 20 km/h. Bei der Angabe der Geschädigten, sie sei mit rund 5 km/h unterwegs gewesen, handle es sich um eine sehr tiefe Schätzung. Zutreffender sei, von einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 10 km/h auszugehen. Diese Geschwindigkeit zugrunde gelegt, sei die Geschädigte etwa 2 Sekunden auf der Strasse unterwegs gewesen. Es gehe nicht an, nachträglich überhöhte Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Beschuldigten zu stellen. Weder könne von einem Fahrfehler noch von einem Tunnelblick des Beschuldigten die Rede sein. Niemand könne gleichzeitig links, rechts und geradeaus schauen, und von geradeaus habe der Beschuldigte prioritär keine Gefahr erwarten müssen (Urk. 29 S. 3 ff.).

      Der Beschuldigte rügt die vorinstanzliche Beweiswürdigung. Einerseits habe sie relevante Umstände gar nicht berücksichtigt. Andererseits habe sie Umstände falsch gewürdigt bzw. nachträglich überhöhte Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Beschuldigten gestellt, welchem für die von der Geschädigten befahrenen Fahrtrichtung geringere Aufmerksamkeit zuzubilligen gewesen sei.

    2. Die Vorinstanz hielt fest, dass der Beschuldigte vom Privatareal der C. nach rechts in die St. Gallerstrasse Richtung St. Gallen eingebogen sei.

      Bei der Ausfahrt der C.

      befinde sich das Signal Kein Vortritt. An dieser

      Stelle, mit Trottoir, Fahrradweg und Strasse, seien sämtliche anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Beschuldigten vortrittsberechtigt gewesen. In dieser Situation hätte der Fahrzeugführer seine Aufmerksamkeit von soweit links, dass er von der Stadt herkommende Vortrittsberechtigte hätte visuell erfassen können, über den Bereich vor dem Fahrzeug bis nach rechts seiner Fahrtrichtung zu richten gehabt. Selbst wenn der Beschuldigte nicht damit habe rechnen müssen, dass eine Fahrradfahrerin die Strasse verbotenerweise neben dem, aber parallel zum Fussgängerstreifen quere, habe dieses Manöver in seinem

      Hauptblickfeld in Richtung Fussgängerstreifen und im direkten Gefahrenbereich vor seinem Fahrzeug gelegen. Demzufolge hätte der Beschuldigte die Aufmerksamkeit stetig aufrecht erhalten, die ganze Strasse überblicken und die Geschädigte welche auf dem Fahrrad mit eingeschaltetem Licht unterwegs gewesen sei frühzeitig erblicken müssen. Dass es zum Zeitpunkt der Kollision geregnet habe, hemme die pflichtgemässe Aufmerksamkeit nicht, sondern führe im Gegenteil dazu, dass vom Beschuldigten ein höheres Mass an Aufmerksamkeit habe verlangt werden können. Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass der Beschuldigte die Geschädigte aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit sorgfaltspflichtwidrig übersehen habe, weshalb es zur Kollision gekommen sei (Urk. 19 S. 7).

    3. Die Vorinstanz kommt nach Würdigung des (auch gemäss ihrer Meinung nach teilweise verbotenen) Verhaltens der Geschädigten und jenem des Beschuldigten sowie der damaligen Witterungsund Strassenverhältnisse zum Schluss, dass der Beschuldigte die gesamte Strasse hätte überblicken und somit die Geschädigte, welche sich in seinem Hauptblickfeld in Richtung Fussgängerstreifen und im direkten Gefahrenbereich vor seinem Fahrzeug befunden habe, hätte frühzeitig erblicken müssen. Für diesen Bereich habe dem Beschuldigten sicherlich keine geringere Aufmerksamkeit zugebilligt werden können (Urk. 19

      S. 7). Dieser Schluss beruht auf der Würdigung der relevanten Umstände, insbesondere auch des teilweise verbotenen Verhaltens der Geschädigten und der schlechten Lichtbzw. Witterungsverhältnisse. Das verbotene Verhalten der Geschädigten lag im Übrigen entgegen der Ansicht der Verteidigung - nicht darin, dass sie trotz signalisiertem Verbot und Bodenmarkierung neben dem Fussgängerstreifen quer über die Hauptstrasse fuhr. Vielmehr missachtete sie

      das Signal Einfahrt verboten als sie auf das Privatareal der C.

      fuhr

      (Urk. 5). Eine Schuldkompensation kennt das Strafrecht aber ohnehin nicht und die Verletzung von Verkehrsregeln durch die Geschädigte hätte den Beschuldigten nur entlasten können, wenn seine eigene Fahrweise einwandfrei gewesen wäre und wenn das Verhalten der Geschädigten derart ausserhalb der normalen Erfahrung gelegen hätte, dass vernünftigerweise nicht damit gerechnet werden musste, was vorliegend klarerweise nicht der Fall war (BGE 106 IV 58

      E. 1 mit Hinweisen). Damit ist die Frage der Strafbarkeit des Verhaltens der Geschädigten mit Blick auf jene des Beschuldigten nicht relevant. Die Vorinstanz hat sich aber auf Seite 7 ihres Urteils auch hiermit auseinandergesetzt. Ihr kann somit nicht der Vorwurf gemacht werden, sie hätte relevante Umstände nicht in die Würdigung miteinbezogen. Die diesbezügliche Rüge des Beschuldigten erweist sich entsprechend als unbegründet.

      Was die Rüge anbelangt, die Vorinstanz habe Umstände falsch gewürdigt bzw. nachträglich überhöhte Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Beschuldigten gestellt, ist vorab festzuhalten, dass die Ausführungen der Verteidigung in der Berufungsantwort zur Geschwindigkeit der Geschädigten in vorliegendem Verfahren nach Art. 398 Abs. 4 StPO nicht mehr zu hören sind (vgl. Urk. 29 S. 5). Damit beschränkt sich die Rüge darauf, dass dem Beschuldigten für den von der Geschädigten befahrenen Bereich eine geringere Aufmerksamkeit zuzubilligen gewesen sei. Die Vorinstanz erwog allerdings wie gesehen unter Würdigung der relevanten Umstände zutreffend, dass der Beschuldigte als nicht Vortrittsberechtigter die ganze Strasse hätte überblicken müssen. Diese Erwägung ist angesichts der diversen Gefahrenquellen an besagtem Ort, namentlich dem von beiden Seiten kommenden motorisierten Verkehr, dem parallel zur Hauptstrasse verlaufenden Radweg, dem in unmittelbarer Nähe liegenden Fussgängerstreifen und auch der gegenüber liegenden Einfahrt, sowie der schlechten Lichtverhältnisse nicht zu beanstanden. Sie steht weder im Widerspruch zur tatsächlichen Situation noch führt sie zu einem offensichtlich unhaltbaren Entscheid. Die Rüge des Beschuldigten erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.

  2. Einstellung / Rückweisung des Verfahrens

    1. Der Beschuldigte beantragt eventualiter, das Verfahren sei einzustellen bzw. subeventualiter, das Verfahren sei an die Untersuchungsbehörde zurückzuweisen (Urk. 29 S. 2). Die Voraussetzungen zur Einstellung des Verfahrens seien bereits in der Untersuchung vorhanden gewesen. Die Geschädigte sei gebüsst worden, habe ihr Fehlverhalten und den Strafbefehl anerkannt sowie auf die Strafverfolgung des Beschuldigten verzichtet. Verschulden und Tatfolgen

      seien äusserst gering und die Voraussetzungen für eine bedingte Strafe seien erfüllt. Auch das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung sei als gering einzustufen. Das Stadtrichteramt habe den Fall allerdings nicht eingestellt, sondern an die Vorinstanz überwiesen (Urk. 29 S. 6).

      Diese habe sich unter Bezugnahme auf BGE 139 IV 220 und BGE 135 IV 130 auf den Standpunkt gestellt, dass eine Verfahrenseinstellung im Stadium des gerichtlichen Verfahrens nicht mehr möglich sei. Dabei verkenne sie einerseits, dass eine Verfahrenseinstellung auch im gerichtlichen Verfahrensstadium noch möglich sei, sofern die Voraussetzungen hierzu bereits in der Untersuchung erfüllt gewesen seien. Der Schluss der Vorinstanz sei damit falsch und unhaltbar. Andererseits hätte die Vorinstanz, wenn sie der Meinung gewesen sei, sie könne das Verfahren selbst nicht einstellen, das Verfahren an die Untersuchungsbehörde zurückweisen können. Mit diesem Eventualantrag habe sich die Vorinstanz in Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht auseinandergesetzt. Das Verfahren sei folglich eventualiter einzustellen subeventualiter zurückzuweisen (29 S. 6 f.).

    2. Die Vorinstanz führte hierzu aus, dass die Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörde, die für die Straftat verantwortlichen Personen zu verfolgen und zu bestrafen, bei Offizialdelikten von einer allfälligen Desinteresse-Erklärung grundsätzlich unberührt bleibe. Das Gericht stelle das Verfahren ein, wenn ein Urteil definitiv nicht ergehen könne, was z.B. der Fall sei bei unüberwindbaren Verfahrenshindernissen definitivem Fehlen von Prozessvoraussetzungen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bilde das Opportunitätsprinzip im Sinne von Art. 8 StPO keine Grundlage für die Einstellung des Verfahrens nach Anklageerhebung in den Anwendungsfällen von Art. 52 bis 54 StGB. Das Gericht habe vielmehr über die Anklage zu entscheiden und könne im Falle eines Schuldspruches von einer Bestrafung absehen (Urk. 19 S. 8 mit Hinweisen). Es erwog, dass eine Einstellung aufgrund der Desinteresse-Erklärung im gerichtlichen Verfahren nicht mehr geboten sei und des Weiteren weder unüberwindbare Verfahrenshindernisse vorliegen noch Prozessvoraussetzungen

      fehlen würden. Es kam folglich zum Schluss, dass das Verfahren nicht einzustellen sei (Urk. 19 S. 8 f.).

    3. Der Beschuldigte rügt die Rechtsfehlerhaftigkeit des vorinstanzlichen Entscheids bzw. die falsche Anwendung von Art. 8 StPO, welcher Artikel unter anderem auf Art. 52 ff. StGB verweist. Die Vorinstanz habe das Verfahren nicht eingestellt bzw. nicht an die Untersuchungsbehörde zurückgewiesen, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre.

      Art. 8 Abs. 1 StPO sieht vor, dass die Staatsanwaltschaft und Gerichte von der Strafverfolgung absehen, wenn das Bundesrecht es vorsieht, namentlich unter den Voraussetzungen der Artikel 52, 53 und 54 StGB. In welcher Form von der Strafverfolgung nach Anklageerhebung, d.h. im gerichtlichen Verfahren, abzusehen ist, ist umstritten. Während ein Teil der Lehre dafür hält, dass auch im gerichtlichen Verfahren eine Einstellung zu ergehen hat, ist ein anderer Teil der Lehre und das Bundesgericht der Auffassung, dass nach Anklageerhebung bei Anwendung des Opportunitätsprinzips ein Schuldspruch unter Absehen von der Strafe zu erfolgen hat (vgl. S CHMID/JOSITSCH, StPO Praxiskommentar, 3. Aufl. 2017, Art. 8 N 13; BSK StPO I-FIOLKA/RIEDO, Art. 8 N 102 ff.; BSK StGB I-RIKLIN,

      vor Art. 52-55 N 27; BGE 135 IV 27 E. 2.3 S. 31; BGE 139 IV 220 E. 3.4.7

      S. 227). Wenn sich die Vorinstanz in ihrer Auffassung der zwar kritisierten, aber bestätigten bundesgerichtlichen Rechtsprechung anschliesst, kann diese nicht als rechtsfehlerhaft gelten. Auch diese Rüge des Beschuldigten erweist sich demzufolge als unbegründet.

      Was den Vorwurf anbelangt, die Vorinstanz habe den subeventualiter gestellten Antrag, das Verfahren zur Einstellung an die Untersuchungsbehörde zurückzuweisen, nicht behandelt, ist festzuhalten, dass die Vorinstanz in Anwendung von Art. 8 Abs. 1 StPO unter anderem gestützt auf Art. 52 f. StGB geprüft hat, ob von einer Bestrafung abzusehen ist (hierzu sogleich). Art. 8 StPO richtet sich ausdrücklich an Staatsanwaltschaft und Gerichte. Die Vorinstanz hat somit ihrer vertretbaren Rechtsauffassung folgend das Verfahren nicht eingestellt zur Einstellung zurückgewiesen, sondern konsequenterweise die Strafbefreiung des

      Beschuldigten geprüft. Der Entscheid der Vorinstanz erweist sich somit auch unter diesem Titel als rechtskonform.

  3. Strafbefreiung

    1. Subsubeventualiter beantragt der Beschuldigte, es sei gestützt auf Art. 52 und 53 StGB sowie Art. 100 Ziffer 1 SVG von einer Bestrafung abzusehen, da weder ein privates noch ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehe (Urk. 29 S. 7 f.). In der vorliegenden Konstellation, wenn der Kollisionsbeteiligte seine Schuld einsehe und auf Strafverfolgung des Kollisionsbeteiligten verzichte, könne ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nur bestehen, wenn das Anlass gebende und zu beurteilende Fahrverhalten im Quervergleich nicht als leichter Fall gelten könne, was aber nicht der Fall sei. Auch hier seien die Erwägungen der Vorinstanz nicht richtig und das Ergebnis unhaltbar, weshalb von einer Bestrafung Umgang zu nehmen sei (Urk. 29 S. 2 und S. 8).

    2. Die Vorinstanz hielt diesbezüglich unter Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung fest, dass gemäss Art. 52 StGB von einer Bestrafung abzusehen sei, wenn kumulativ Schuld und Tatfolgen geringfügig seien. Gemäss Bundesgericht komme eine Strafbefreiung nur in Frage, wenn keinerlei Strafbedürfnis bestehe, wobei das Bundesgericht auch auf generalpräventive Überlegungen abstelle (Urk. 19 S. 9 mit Hinweis auf BGE 135 IV 130 E. 5.3.2 f. sowie BGE 138 IV 13 E. 9). Sie kommt zum Schluss, dass gerade im Bereich des Strassenverkehrsgesetzes aus generalpräventiven Überlegungen nicht auf eine Bestrafung verzichtet werden könne. Gleiches gelte für die Anwendung von Art. 53 StGB, welche Voraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt seien (Urk. 19 S. 9).

    3. Der Beschuldigte stützt sich im Berufungsverfahren neu auch auf Art. 100 Ziffer 1 SVG, was ihm insofern erlaubt ist, als er die Rechtsfehlerhaftigkeit des vorinstanzlichen Entscheids rügt. Eine solche vermag der Beschuldigte aber weder gestützt auf Art. 52 Art. 53 StGB noch gestützt auf den neu geltend gemachten Art. 100 Ziffer 1 SVG darzulegen.

      So erwog die Vorinstanz zutreffend, dass das Verhalten des Täters nach Art. 52 StGB auch im Bereich der Bagatelldelikte im Quervergleich zu anderen, unter dieselben Gesetzesbestimmungen fallenden Taten als insgesamt unerheblich erscheinen müsse. Mit anderen Worten lässt die Begehung eines Bagatelldelikts die Schuld nicht automatisch als geringfügig erscheinen. Die Strafbefreiung muss sich sodann sowohl unter spezialals auch unter generalpräventiven Gesichtspunkten rechtfertigen lassen (PK StGB-T RECHSEL/KELLER 2018, Art. 52 N 2). In der Lehre wird denn auch verschiedentlich darauf hingewiesen, dass der Anwendungsbereich von Art. 52 StGB, wie im Übrigen auch von Art. 100 Ziffer 1 Abs. 2 SVG, nicht gross ist (BSK StGB I-RIKLIN, Art. 52 N 28). Die Ausführungen der Vorinstanz sind daher nicht zu beanstanden. Offensichtlich stuft sie den Fall im Quervergleich nicht als unerheblich ein, woran angesichts der konkreten Kollision mit Verletzungsfolgen bei der Geschädigten nichts auszusetzen ist. Die Bezugnahme auf generalpräventive Überlegungen ist sodann auch in Anwendung von Art. 52 StGB gestattet und führt nicht zur Rechtsfehlerhaftigkeit des Urteils. Die Rüge des Beschuldigten erweist sich als unbegründet.

      Ebenfalls nicht zu beanstanden ist der Schluss der Vorinstanz, dass auch der Anwendung von Art. 53 StGB generalpräventive Gründe entgegenstünden. Bei Verfehlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz Kollisionsfolgen besteht ganz offensichtlich ein nicht geringes Interesse der Öffentlichkeit an der Strafverfolgung. Zudem ist anzumerken, dass der Beschuldigte auch nicht vorgebracht hat, ob und in welcher Weise Wiedergutmachung geleistet wurde. Die Anwendung von Art. 53 StGB kommt somit nicht in Frage, weshalb auch diese Rüge des Beschuldigten unbegründet ist.

      Was schliesslich die (im Berufungsverfahren neu beantragte) Strafbefreiung gestützt auf Art. 100 Ziffer 1 Abs. 2 SVG anbelangt, ist auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung hinzuwiesen, wonach Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften vor allem wegen der Gefahren, denen andere Verkehrsteilnehmer dadurch ausgesetzt sind, mit Strenge zu ahnden sind. Setzt der Täter sich bewusst über solche Vorschriften hinweg, so kann daher von einem besonders leichten Fall nur die Rede sein, wenn er gute Gründe hatte, von den Vorschriften

      abzuweichen, und wenn er zudem nach den gegebenen Umständen die Gewissheit haben konnte, durch sein verkehrswidriges Verhalten niemanden gefährden zu können (BGE 95 IV 26 E. 1c S. 26 f. mit Hinweisen). Solche Umstände bringt der Beschuldigte nicht vor und sind angesichts der tatsächlichen Kollision mit Verletzungsfolgen auch nicht ersichtlich. Somit kann vorliegend auch gestützt auf Art. 100 Ziffer 1 Abs. 2 SVG keine Strafbefreiung ergehen.

      Die Vorinstanz hat demnach korrekterweise nicht von einer Strafe abgesehen.

  4. Fazit

Sämtliche vom Beschuldigten vorgebrachten Rügen erweisen sich als unbegründet. Weitere Einwände, insbesondere solche gegen die Strafzumessung bzw. die von der Vorinstanz ausgefällte Sanktion, hat der Beschuldigte nicht vorgerbacht. Die diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz erweisen sich denn auch als zutreffend und die ausgesprochene Busse von Fr. 150.erscheint dem Verschulden angemessen. Das vorinstanzliche Urteil ist somit vollumfänglich zu bestätigen.

Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr ist auf Fr. 1'500.festzusetzen und eine Prozessentschädigung ist bei diesem Verfahrensausgang nicht auszurichten.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig der Ãœbertretung des Strassenverkehrsgesetzes im Sinne von Art. 90 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 14 Abs. 1 VRV, Art. 36 Abs. 2 und Art. 75 Abs. 3 SSV.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Busse von Fr. 150.-.

  3. Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen.

  4. Das erstinstanzliche Kostenund Entschädigungsdispositiv (Ziffer 4 und 5) wird bestätigt.

  5. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 1'500.-.

  6. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  7. Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • das Stadtrichteramt Winterthur

    • die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

  8. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 12. März 2019

Der Präsident:

lic. iur. R. Naef

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. H. Kistler

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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