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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SU170016: Obergericht des Kantons Zürich

Das Stadtrichteramt Zürich hat Berufung gegen einen Beschuldigten eingelegt, der beschuldigt wurde, Verkehrsregeln verletzt zu haben. Die Vorinstanz sprach den Beschuldigten frei, da sie keine vermeidbare Belästigung durch Lärm feststellen konnte. Das Stadtrichteramt forderte jedoch eine Verurteilung des Beschuldigten wegen vermeidbaren Lärms durch übermässige Beschleunigung seines Fahrzeugs. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte jedoch den Freispruch des Beschuldigten und sprach ihm eine Umtriebsentschädigung von 100 CHF zu.

Urteilsdetails des Kantongerichts SU170016

Kanton:ZH
Fallnummer:SU170016
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SU170016 vom 10.10.2017 (ZH)
Datum:10.10.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Verletzung der Verkehrsregeln
Schlagwörter : Beschuldigte; Berufung; Urteil; Stadt; Beschuldigten; Fahrzeug; Lärm; Stadtrichteramt; Vorinstanz; Entschädigung; Verfahren; Beschleunigung; Sachverhalt; Zeuge; Kanton; Obergericht; Kantons; Gericht; Person; Entscheid; Beweis; Beschleunigungsvorgang; Tatbestand; Motorengeräusch; Bezirksgericht; Strasse; Recht; Verfahrens
Rechtsnorm:Art. 33 VRV ;Art. 398 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 402 StPO ;Art. 404 StPO ;Art. 42 SVG ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 90 SVG ;Art. 91 StPO ;Art. 96 VRV ;
Referenz BGE:136 I 229; 138 I 305; 138 IV 81; 91 IV 86;
Kommentar:
Schmid, Praxis, 2. Auflage, Zürich, Art. 428 StPO, 2013
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SU170016

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SU170016-O/U/cwo

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. R. Naef, Präsident, lic. iur. M. Langmeier und Oberrichterin lic. iur. L. Chitvanni sowie der Gerichtsschreiber lic. iur.

R. Bretscher

Urteil vom 10. Oktober 2017

in Sachen

Stadtrichteramt Zürich, vertreten durch lic. iur. A. ,

Verwaltungsbehörde und Berufungsklägerin

gegen

B. ,

Beschuldigter und Berufungsbeklagter

betreffend

Verletzung der Verkehrsregeln
Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, vom 30. März 2017 (GC170020)

Strafbefehl:

Der Strafbefehl Nr. 2016-039-567 des Stadtrichteramtes der Stadt Zürich vom

4. Juli 2016 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 2).

Urteil der Vorinstanz :

(Urk. 27 S. 13 f.)

Es w ird e rka nnt:

  1. Der Einsprecher ist der Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 42 Abs. 1 SVG und Art. 33 VRV nicht schuldig und wird freigesprochen.

  2. Die Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz.

  3. Allfällige weitere Kosten des gerichtlichen Verfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten des Strafbefehls Nr. 2016-039-567 des Stadtrichteramtes der Stadt Zürich vom 4. Juli 2016 und die nachträglichen Untersuchungssowie Überweisungskosten werden dem Stadtrichteramt Zürich zur Abschreibung überlassen.

  4. Dem Einsprecher wird keine Umtriebsentschädigung zugesprochen.

  5. (Mitteilung)

  6. (Rechtsmittel)

Berufungsanträge:

  1. Des Stadtrichteramtes Zürich: (Urk. 28 S. 1)

    1. Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 30. März 2017 (GC170020) sei vollumfänglich aufzuheben;

    2. Der Beschuldigte und Berufungsbeklagte sei im Sinne des Strafbefehls vom 4. Juli 2016 wegen Verursachens von vermeidbaren Lärms mit einem Personenwagen schuldig zu sprechen und ihm sei eine Busse aufzuerlegen;

    3. Alles unter vollumfänglicher Kostenauflage zulasten des Beschuldigten und Berufungsbeklagten.

  2. Des Beschuldigten: (Urk. 33 S. 2)

    1. Die Anträge der Berufungsklägerin gemäss Berufungserklärung vom

      9. Mai 2017 seien abzuweisen.

    2. Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 30. März 2017 sei zu bestätigen.

    3. Es sei festzustellen, dass obengenanntes Urteil entgegen den Erläuterungen in der Berufungserklärung nicht rechtsfehlerhaft sei und nicht Bundesrecht verletze.

    4. Für die dem Berufungsbeklagten entstandenen Umtriebe sei eine angemessene Aufwandentschädigung zu vergüten.

      Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Berufungsklägerin.

      1. Prozessgeschichte
        1. Der Prozessverlauf bis zum erstinstanzlichen Urteil ergibt sich aus dem angefochtenen Entscheid (Urk. 27 S. 3 f.).

        2. Mit Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, vom

        30. März 2017 wurde der Beschuldigte vom Vorwurf der Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 42 Abs. 1 SVG und Art. 33 VRV freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens vor dem Stadtrichteramt

        der Stadt Zürich wurden diesem zur Abschreibung überlassen. Eine Umtriebsentschädigung wurde dem Beschuldigten nicht zugesprochen (Urk. 27 S. 13).

        1. Gegen dieses Urteil meldete das Stadtrichteramt mit Eingabe vom 4. April 2017 innert der zehntägigen Frist von Art. 399 Abs. 1 StPO (vgl. Art. 91 Abs. 4 StPO) Berufung an (Urk. 24). Nachdem das begründete Urteil am 20. April 2017 zugestellt worden war (Urk. 26/1), erstattete das Stadtrichteramt am 9. Mai 2017 (Datum Poststempel: 10. Mai 2017) fristgerecht (Art. 399 Abs. 3 StPO) die Beru-

          fungserklärung (Urk. 28).

        2. Mit Präsidialverfügung vom 16. Mai 2017 wurde dem Beschuldigten eine Frist von 20 Tagen angesetzt, um schriftlich im Doppel zu erklären, ob Anschlussberufung erhoben wird, um begründet ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen (Urk. 31). Am 7. Juni 2017 reichte der Beschuldigte fristgerecht eine Anschlussberufung und damit eine Berufungsantwort ein (Urk. 33). Mit Beschluss vom 14. Juni 2017 ordnete das hiesige Gericht die schriftliche Durchführung des vorliegenden Verfahrens an und setzte dem Stadtrichteramt gleichzeitig Frist an, die Berufungsanträge zu stellen und zu begründen mitzuteilen, ob die Eingabe vom 9. Mai 2017 als vollständige Berufungsbegründung anzusehen sei (Urk. 36). Innert Frist teilte das Stadtrichteramt mit, die Eingabe vom 9. Mai 2017 sei als vollständige Berufungsbegründung anzusehen (Urk. 38). Mit Präsidialverfügung vom 29. Juni 2017 wurde dem Beschuldigten eine zehntägige Frist angesetzt, die Berufungs-antwort einzureichen; die Vorinstanz erhielt dieselbe Frist zur freigestellten Vernehmlassung (Urk. 40). Während der Beschuldigte sich nicht mehr vernehmen liess, verzichtete die Vorinstanz auf eine Vernehmlassung (Urk. 42). Das vorliegende Verfahren erweist sich damit als spruchreif.

      2. Prozessuales
        1. Gemäss Art. 398 Abs. 1 StPO ist die Berufung zulässig gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte, mit denen das Verfahren ganz teilweise abgeschlossen worden ist. Die Berufungsinstanz überprüft den vorinstanzlichen Entscheid

          bezüglich sämtlicher Tat-, Rechts- und Ermessensfragen üblicherweise frei (Art. 398 Abs. 2 und 3 StPO). Bildeten jedoch ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so schränkt Art. 398 Abs. 4 StPO die Kognition der Berufungsinstanz ein. In diesen Fällen wird das angefochtene Urteil lediglich dahingehend überprüft, ob es rechtsfehlerhaft ist ob eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz gegeben ist. Relevant sind dabei klare Versehen bei der Sachverhaltsermittlung wie namentlich Irrtümer offensichtliche Diskrepanzen zur Aktenund Beweislage. Weiter in Betracht kommen insbesondere Fälle, in denen die Sachverhaltsfeststellung auf einer Verletzung von Bundesrecht, in erster Linie von Verfahrensvorschriften der StPO selbst, beruht. Gesamthaft gesehen dürften regelmässig Konstellationen relevant sein, die als willkürliche Sachverhaltserstellung zu qualifizieren sind (vgl. SCHMID, StPO Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 398 N 12f.; BSK StPO-EUGSTER, 2. Aufl. 2014, Art. 398 N 3a). Willkür bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung Würdigung ebenfalls vertretbar gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 138 I 305 E. 4.3 mit Hinweisen). Eine vertretbare Beweiswürdigung ist daher auch dann noch nicht willkürlich, wenn die Berufungsinstanz anstelle des Vorderrichters allenfalls anders entschieden hätte. Es ist somit zu überprüfen, ob das vorinstanzliche Urteil im Bereich der zulässigen Kognition Fehler aufweist.

        2. Die urteilende Instanz muss sich nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen. Vielmehr kann sich das Gericht auf die seiner Auffassung nach wesentlichen und massgeblichen Vorbringen der Parteien beschränken (BGE 138 IV 81 E. 2.2; BGE 136 I 229 E. 5.2).

        3. Der Beschuldigte hat in seiner Anschlussberufung ein Video von Lamborghini-Fahrern am C. -platz zur Beweisabnahme beantragt (Urk. 33

          S. 10 und Urk. 35/3). Es handelt sich dabei um einen neuen Beweis, welcher im Berufungsverfahren nicht mehr vorgebracht werden kann, wenn wie hier ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens bildeten (Art. 398 Abs. 4 Satz 2 StPO). Demzufolge ist der vom Beschuldigten offerierte Beweis nicht abzunehmen.

        4. Das Stadtrichteramt beschränkt seine Berufung nicht und beantragt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 30. März 2016 vollumfänglich aufzuheben sei (Urk. 46). Damit bildet das ganze vorinstanzliche Urteil Berufungsgegenstand, weshalb kein Punkt des vorinstanzlichen Urteils in Rechtskraft erwachsen ist (Art. 402 StPO; Art. 404 Abs. 1 StPO).

      3. Materielles
          1. Dem Beschuldigten wird im Strafbefehl des Stadtrichteramtes der Stadt Zürich vom 4. Juli 2017 vorgeworfen, am 10. Mai 2016, um 22:45 Uhr, an der D. -Strasse ... in Zürich mit dem Personenwagen Lamborghini Gallardo ZH

            ... von der E. -Strasse herkommend in Richtung F. -platz sein Fahrzeug übermässig auf eine hohe Tourenzahl beschleunigt zu haben, wodurch er unnötigen Lärm verursacht habe (Urk. 2).

          2. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich gewisse Teile sowohl der schriftlichen Berufungsbegründung des Stadtrichteramtes (Urk. 28) als auch Teile der Anschlussberufung des Beschuldigten (Urk. 33) damit begnügen, die Sachverhaltserstellung der ersten Instanz an sich zu kritisieren und dieser ihre eigenen Beweiswürdigungen entgegenzustellen, ohne darzulegen, inwiefern die erste Instanz eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts und willkürliche Beweiswürdigung vorgenommen hat. Im Wesentlichen rügt das Stadtrichteramt nur, das angefochtene Urteil des Bezirksgerichts Zürich sei rechtsfehlerhaft, indem es Bundesrecht verletze durch die unrichtige Anwendung von Art. 42 Abs. 1 SVG und Art. 33 VRV in Anwendung von Art. 90 Abs. 1 SVG und Art. 96 VRV (Urk. 28 S. 1). Eine unrichtige Feststellung des Sachverhaltes wird nicht explizit gerügt. Zwar sind nicht die gleich strengen Anforderungen an die Begründungsdichte wie für die bundesgerichtliche Willkürrüge zu stellen, da eine eigenständige Auslegung und sachlogische Nuancierung von StPO und BGG angesichts der un-

        terschiedlichen Funktion und Hierarchiestufe der Gerichte erforderlich ist. Nichtsdestotrotz ist aber von den Parteien zumindest im Grundsatz darzutun, weshalb die Vorinstanz in Willkür verfallen ist (Urteil des Bundesgerichts 6B_362/2012 vom 29. Oktober 2012 E. 6.2.; Urteil des Bundesgerichts 6B_152/2017 vom

        20. April 2017 E. 1.1.). Sofern sich die Vorbringen der Parteien in rein appellatorischer Kritik am erstinstanzlichen Urteil erschöpfen, ist nicht weiter auf diese einzugehen (Urteil 6B_696/2011 des Bundesgerichts vom 6. März 2012 E. 4.2.).

            1. Die Vorinstanz kam im Wesentlichen zum Schluss, aufgrund des Untersuchungsergebnisses stehe fest, dass es im Zusammenhang mit dem Beschleunigungsvorgang zu beträchtlichem Motorenlärm gekommen sei, weshalb das Tatbestandselement des Lärms ohne Weiteres zu bejahen sei. Fraglich sei, ob dieser Lärm vom Beschuldigten vermeidbar gewesen sei. Unbestritten handle es sich beim gefahrenen Lamborghini Gallardo um ein Fahrzeug, welches sehr stark motorisiert sei und bereits bei einer regulären und nicht übermässig sportlichen Fahrweise sehr laut sei. Dass ein solches Fahrzeug auf Schweizer Strassen zugelassen sei, dürfe dem Beschuldigten nicht zum Nachteil gereichen. Lärmverstärkend würden sich die baulichen Verhältnisse in der Umgebung auswirken. Gründe für eine absichtliche übermässige Beschleunigung seien keine ersichtlich. Ebenfalls sei zu beachten, dass während der Fahrt das Automatikgetriebe eingeschaltet gewesen sei, was sich beweismässig nicht widerlegen lasse. Die Einflussmöglichkeit des Beschuldigten auf die Tourenzahl sowie den Schaltvorgang und damit auf die Lautstärke der Motorengeräusche seien somit beschränkt. Selbst wenn man davon ausginge, dass sich infolge des Beschleunigungsvorgangs Knallgeräusche ereignet hätten, sei noch nicht schlüssig dargetan, dass diese auf die Fahrweise des Beschuldigten zurückzuführen gewesen wären. Dies insbesondere auch deshalb, weil sich die Beschreibung des Lärms lediglich auf die zwar nicht unglaubhaften jedoch subjektiven Wahrnehmungen des Zeugen stützen würden, die keiner objektiven Überprüfung zugänglich seien. Letztlich sei fraglich, ob bei diesem Fahrzeugtyp selbst von einem versierten und zurückhaltenden Fahrer erhebliche Lärmimmissionen bei Beschleunigungsvorgängen überhaupt vermieden werden könnten. Es lasse sich daher nicht mit der erforderlichen Gewissheit sagen, dass es sich bei den Motorengeräuschen um vermeid-

              baren Lärm gehandelt habe. Der objektive Tatbestand von Art. 42 Abs. 1 SVG sei somit nicht erfüllt (Urk. 27 S. 10 f.).

            2. Das Stadtrichteramt führt zusammengefasst aus, die Vorinstanz habe zutreffend festgehalten, dass es aufgrund des Beschleunigungsvorganges zu beträchtlichem Motorenlärm gekommen, weshalb das Tatbestandselement des Lärms ohne Weiteres zu bejahen sei. Nicht einig seien sie hingegen im Punkt der Vermeidbarkeit, welches Tatbestandselement die Vorinstanz als nicht erfüllt erachte. Es sei unbestritten, dass es sich beim vom Beschuldigten benutzten Fahrzeug, einem Lamborghini Gallardo, um ein leistungsstarkes Fahrzeug mit einer erheblichen Motorisierung handle, dessen Motorengeräusch im Vergleich zu anderen Personenwagen offenkundig erhöht sei. Es sei in diesem Zusammenhang auf einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich betreffend einen vergleichbaren Fall mit einem leistungsstarken Sportwagen zu verweisen, in welchem das Obergericht erwogen habe, die vermeidbare Belästigung liege nicht im Motorengeräusch an sich, sondern in der unsachgemässen Fahrzeugbedienung, die den Lärm verursacht habe.

              Wie der Zeuge G.

              detailliert und logisch ausgeführt habe, so das

              Stadtrichteramt weiter, sei der Beschuldigte zunächst normal angefahren und habe den Wagen dann während 3 bis 4 Sekunden massiv beschleunigt. Dabei habe er den erforderlichen Schaltvorgang unterlassen und stattdessen die Tourenzahl derart nach oben schiessen lassen, dass es aufgrund von Fehlzündungen zu mehreren kurz aufeinanderfolgenden Knallgeräuschen gekommen sei. Der Zeuge führe weiter aus, es sei hier bewusst massiv beschleunigt worden. Vor diesem Hintergrund lasse sich entgegen der Vorinstanz wohl kaum ins Feld führen, es habe sich um ganz normalen Motorenlärm gehandelt, welcher unumgänglich bei der sachgemässen Bedienung des Fahrzeugs entstehe und der auch nicht vermeidbar gewesen wäre. Nicht nachvollziehbar erscheine daher, dass das Bezirksgericht Zürich bei der Urteilsfällung nicht folgerichtig auf die Aussagen des Zeugen abstellte, sondern diese wider Erwarten hinter die Vorbringen des Beschuldigten zurückstellte (Urk. 28 S. 2 f.).

            3. Der Beschuldigte führt seinerseits zusammengefasst aus, keine der in Art. 33 lit. b und c VRV aufgeführten Umschreibungen würden auf den vorliegenden Sachverhalt zutreffen. Zudem teile er die Auffassung der Vorinstanz nicht, dass das Tatbestandselement des Lärms gegeben sei. Man müsse zwischen Lärm und laut differenzieren, wobei er hierzu weitere Ausführungen folgen liess. Weiter macht der Beschuldigte geltend, die Motorengeräusche des Fahrzeugs seien seines Erachtens nicht nur erhöht, sondern im Vergleich zu einem Durchschnitts-Personenwagen deutlich erhöht. Der vom Stadtrichteramt erwähnte Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich sei mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar (anderes Fahrzeug, andere Tageszeit und Örtlichkeit).

        Zu den Aussagen des Zeugen G.

        führte der Beschuldigte aus, diese könnten nicht zutreffen. Der von ihm gefahrene Lamborghini beschleunige von 0 auf 100 km/h in ca. 3.4 Sekunden, weshalb der Beschuldigte würde man den Schilderungen des Zeugen folgen mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h am

        H.

        [Ortsangabe] vorbeigefahren wäre. Er sei jedoch nur ca. 50 km/h gefahren (Urk. 33 S. 3 f. und 9).

          1. Die Feststellungen der Vorinstanz im Zusammenhang mit dem Sachverhalt sind nicht zu beanstanden. So werden in den vorinstanzlichen Erwägungen sowohl die Aussagen des Beschuldigten als auch diejenigen des Zeugen G. zutreffend wiedergegeben und aus diesen die richtigen Schlüsse gezogen. Beim vom Beschuldigten gefahrenen Lamborghini Gallardo handelt es sich um ein Fahrzeug mit beachtlicher Motorisierung, welches nur schon bei defensiver Fahrweise mehr Lärmimmissionen verursacht als ein Durchschnitts-Personenwagen. Berücksichtigt man nun weiter, dass der Beschuldigte zu später Stunde es herrschte dementsprechend ansonsten ein geringes Lärmaufkommen - und in einer Strasse, welche von mehrstöckigen Gebäuden gesäumt ist, unterwegs war, so ist verständlich, dass der Beschleunigungsvorgang und die damit einhergehenden Lärmimmissionen deutlich wahrgenommen werden konnten und als Lärm empfunden wurden.

            Ebenfalls nicht willkürlich ist der Schluss der Vorinstanz, dass es zu keiner übermässigen Beschleunigung durch den Beschuldigten gekommen ist. Wie die

            Vorinstanz zutreffend festhält, schildert der Zeuge G.

            die Ereignisse am

            Abend des 10. Mai 2016 zwar grundsätzlich plausibel, nachvollziehbar und detailreich. Doch gerade im eigentlichen Kern - dem Beschleunigungsvorgang vermögen dann die Aussagen des Zeugen nicht zu überzeugen. Zu Recht weist der Beschuldigte darauf hin, dass wenn er tatsächlich während 3 bis 4 Sekunden mit dem Fahrzeug massiv beschleunigt hätte, er eine deutlich höhere Endgeschwindigkeit als die an der betreffenden Örtlichkeit erlaubten 50 km/h erreicht hätte, insbesondere wenn der Beschuldigte wie der Zeuge schildert - den Beschleunigungsvorgang nicht aus dem Stillstand vornahm, sondern sich das Auto bereits in Bewegung befand (vgl. Urk. 8 S. 1 f. Frage 4). Aus den Akten ergeben sich aber keine Anhaltspunkte, dass der Beschuldigte schneller als die erlaubten 50 km/h gefahren wäre. Die Vorinstanz ist deshalb nicht in Willkür verfallen, wenn

            sie für ihre Entscheidfindung nicht auf die Aussagen des Zeugen G.

            abstellt, und in der Folge davon ausging, dass der Beschuldigte sein Fahrzeug nicht übermässig beschleunigt hatte.

          2. Gemäss Art. 42 Abs. 1 SVG hat der Fahrzeugführer jede vermeidbare Belästigung von Strassenbenützern und Anwohnern, namentlich durch Lärm, Staub, Rauch und Geruch, zu unterlassen und das Erschrecken von Tieren möglichst zu vermeiden. Diese Norm wird konkretisiert durch Art. 33 VRV, wonach Fahrzeugführer, namentlich in Wohnund Erholungsgebieten und nachts, keinen vermeidbaren Lärm erzeugen dürfen. Untersagt sind nach Art. 33 lit. b und c VRV hohe Drehzahlen des Motors im Leerlauf beim Fahren in niedrigen Gängen sowie ein zu schnelles Beschleunigen des Fahrzeugs, namentlich beim Anfahren. Verboten sind nicht generell alle Belästigungen durch Lärm, Staub, etc., sondern nur jene, die der Fahrzeuglenker vermeiden könnte. Wann eine Handlung vermeidbar ist, kann nicht immer klar beantwortet werden, hängt diese Qualifikation doch einerseits von der individuellen Kondition und Einschätzung des Fahrzeugführers ab, andererseits aber auch von der konkreten Situation. Grundsätzlich sind alle Handlungen zu unterlassen, für die aus objektiver Sicht keine zwingende Notwendigkeit besteht (BSK SVG-H AGENSTEIN, Art. 42 N 6 f.). Somit liegt die vermeidbare Belästigung nicht im Motorengeräusch an sich, sondern in der unsachgemässen Fahrzeugbedienung, welche den Lärm verursachte. Keine Belästigung

            liegt demnach bei verkehrsbedingtem Verhalten vor (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich SU080050 vom 4. März 2009 E. IV.; Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band III, Bern 1995, Rz. 2519; vgl. auch BGE 91 IV 86 E. 3.).

          3. Dem soeben erwähnten und vom Stadtrichteramt in der Berufungsbegrün- dung angeführten Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 4. März 2009 lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach der damalige Appellant nach einer Linkskurve sehr stark beschleunigt hat, so dass ein unnötig grosser Lärm entstanden ist, wobei die starke Beschleunigung nicht verkehrsbedingt war. Die Belästigung war deshalb im konkreten Fall vermeidbar (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich SU080050 vom 4. März 2009 E. IV.). Der hier zu beurteilende Fall liegt aber gerade in diesem Punkt anders: Mit der Vorinstanz ist zwar davon auszugehen, dass es aufgrund des Beschleunigungsvorganges des Fahrzeuges auf ca. 40 km/h respektive ca. 50 km/h (Urk. 9 S. 2; Urk. 33 S. 4) auf der Höhe der D. -Strasse ... zu einer Emission sehr lauter Motorengeräusche gekommen ist. Anders als im betreffenden Urteil des Obergerichts hat der Beschuldigte allerdings keinen unnötigen Beschleunigungsvorgang ausgeführt, sondern es ist vielmehr von einem normalen Beschleunigen auszugehen.

            Ob der Beschuldigte hierbei mit eingeschaltetem Automatikgetriebe gefahren ist manuell geschaltet hat, spielt dann letztlich keine Rolle. Zwar ist dem Stadtrichteramt beizupflichten, dass die Getriebeart keinesfalls ein starkes, übertriebenes Beschleunigen und damit einhergehend die Verursachung von unnötigen und übermässigen Motorengeräuschen verunmöglicht. Die Wahl der Getriebeeinstellung kann genauso wenig als Rechtfertigung für übermässigen Motorenlärm dienen wie die Motorisierung des Fahrzeuges an sich. Wie die Vorinstanz richtigerweise ausführte, darf dem Beschuldigten nicht zum Nachteil gereichen, dass sich der Gesetzgeber dazu entschlossen hat, ein derart lautes Fahrzeug auf Schweizer Strassen zuzulassen (Urk. 27 S. 11). Entscheidend ist vielmehr, ob der Lenker das Fahrzeug unnötig stark beschleunigt und so vermeidbaren Lärm generiert.

          4. Aufgrund des Gesagten ist die Berufung abzuweisen und der vorinstanzliche Freispruch zu bestätigen.

          5. Das Stadtrichteramt führt in ihrer Berufungserklärung aus, es sei zumindest von einer fahrlässigen Tatbegehung auszugehen (Urk. 28 S. 4). Eine Verurteilung wegen einer fahrlässigen Tatbegehung ist aus zweierlei Gründen nicht möglich: Einerseits müsste für die Bejahung des Tatbestandes ebenfalls das Tatbestandselement des vermeidbaren Lärms gegeben sein, was nicht der Fall ist. Andererseits wäre aber selbst bei Vorliegen des betreffenden Tatbestandselementes aufgrund des Anklagegrundsatzes in der Anklageschrift ist lediglich eine vorsätzliche Begehung umschrieben eine Verurteilung nicht möglich (vgl. L ANDSHUT/BOSSHARD, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, StPO Komm., Art. 325 N 21; BSK StPO-HEIMGARTNER/NIGGLI, Art. 325 N 39).

      4. Kostenund Entschädigungsfolgen
    1. Ausgangsgemäss ist das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 2 und 3) zu bestätigen (Art. 426 Abs. 1 StPO). Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Unterliegt die Untersuchungsbehörde, trägt der verfahrensführende Kanton die Kosten (Schmid, StPO Praxiskommentar, 2. Auflage, Zürich/St. Gallen 2013, Art. 428 N 3), weshalb die Kosten des Berufungsverfahrens ausser Ansatz fallen.

    2. Der Beschuldigte beantragt in seiner Anschlussberufung, es sei ihm für die entstandenen Umtriebe eine angemessene Aufwandentschädigung zu vergüten. Zwar habe er anlässlich seines Plädoyers an der Hauptverhandlung am Bezirksgericht Zürich auf eine Entschädigung verzichtet. Aufgrund des Berufungsverfahrens, welches seiner Ansicht nach vermeidbar gewesen wäre, beantrage er nun eine angemessene Aufwandentschädigung für das gesamte Verfahren. Für das erstinstanzliche Verfahren sei ihm ein Aufwand von insgesamt 23.5 Stunden

      vor der Vorinstanz umriss er seinen Aufwand noch mit etwa acht Stunden

      (Prot. I S. 9) entstanden. Für das Verfassen der Anschlussberufung veranschlagte er 7.5 Stunden (Urk. 33 S. 11).

    3. Die Vorinstanz schloss, dass sich der Aufwand für den Beschuldigten in Grenzen gehalten und sich noch in dem vom Bürger im Umgang mit Behörden zu gewärtigenden Rahmen bewegt habe, weshalb dem Beschuldigten keine Entschädigung zuzusprechen sei.

    4. Gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO hat die beschuldigte Person Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für die Ausübung ihrer Verfahrensrechte, wenn sie ganz teilweise freigesprochen wird. Ob die beschuldigte Person einen Anspruch auf Entschädigung hat, wird von Amtes wegen geprüft (Art. 429 Abs. 2 StPO). Auf den Entschädigungsansprüch kann aber verzichtet werden. Eine Entschädigung kann dann auch in einem späteren Verfahrensschritt nicht mehr geltend gemacht werden (BSK StPO-W EHRENBERG/FRANK, Art. 429 N 31b). Die Strafbehörde kann die Entschädigung überdies nach Art. 430 Abs. 1 lit. c StPO herabsetzen gänzlich verweigern, wenn die Aufwendungen der beschuldigten Person geringfügig sind. Eine Person muss das Risiko einer gegen sie geführten materiell ungerechtfertigten Strafverfolgung bis zu einem gewissen Grade auf sich nehmen. Daher ist nicht für jeden geringfügigen Nachteil eine Entschädigung zu leisten. Die Entschädigungspflicht setzt vielmehr eine gewisse objektive Schwere der Untersuchungshandlungen und einen dadurch bedingten erheblichen Nachteil voraus (Urteil des Bundesgerichts 6B_808/2011 vom 24. Mai 2012 E. 3.2.).

    5. Wie der Beschuldigte selber ausführt, verzichtete er vor der Vorinstanz auf eine Entschädigung (Urk. 33 S. 11; Prot. I S. 9). Eine Geltendmachung vor der Berufungsinstanz ist demgemäss nicht mehr statthaft. Für das erstinstanzliche Verfahren ist dem Beschuldigten keine Entschädigung zuzusprechen und das erstinstanzliche Entschädigungsdispositiv folglich zu bestätigen.

    6. Was das Berufungsverfahren angeht, so fällt ins Gewicht, dass das vorliegende Verfahren schriftlich durchgeführt wurde und der Fall keine besonderen Schwierigkeiten aufweist. Weiter ist zu bemerken, dass sich weite Teile der An-

schlussberufung auf die Schilderung der eigenen Sichtweise bezüglich des sich zugetragenen Sachverhalts beziehen, was aber wie bereits erwähnt - nicht mehr Thema des vorliegenden Verfahrens bilden kann. Dieser Aufwand erweist sich weitgehend als unnötig und ist nicht durch den Staat zu entschädigen. Zu beachten gilt es aber, dass der Beschuldigte sich wohl auch durch die umfangreiche Berufungserklärung des Stadtrichteramtes - dazu bemüssigt fühlte, ebenfalls eine entsprechend umfangreiche Berufungsantwort zu tätigen. Unter Berücksichtigung, dass der Beschuldigte über keine juristische Ausbildung verfügt und er mit seinem Antrag auf Zusprechung einer Entschädigung für das ganze Verfahren teilweise unterliegt, ist ihm für das Berufungsverfahren eine Umtriebsentschädigung in der Höhe von Fr. 100.aus der Gerichtskasse zuzusprechen.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist der Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 42 Abs. 1 SVG und Art. 33 VRV nicht schuldig und wird freigesprochen.

  2. Das erstinstanzliche Kostenund Entschädigungsdispositiv (Ziff. 2, 3 und 4) wird bestätigt.

  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen ausser Ansatz.

  4. Dem Beschuldigten wird für das Berufungsverfahren eine Umtriebsentschädigung von Fr. 100.aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  5. Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an

    • den Beschuldigten

    • das Stadtrichteramt der Stadt Zürich

    • die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben gemäss

      § 54 Abs. 1 PolG.

  6. Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 10. Oktober 2017

Der Präsident:

lic. iur. R. Naef

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. R. Bretscher

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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