Zusammenfassung des Urteils SU160037: Obergericht des Kantons Zürich
Der Beschuldigte wurde der einfachen Verkehrsregelverletzung schuldig gesprochen und mit einer Busse von Fr. 140.- bestraft. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens wurden ihm auferlegt. Der Beschuldigte hatte Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts Dielsdorf eingelegt, wurde jedoch im Berufungsverfahren vollständig unterlegen. Die Gerichtskosten belaufen sich auf Fr. 1'000.-. Der Beschuldigte muss die Busse zahlen, andernfalls droht ihm eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen. Das Urteil wurde vom Obergericht des Kantons Zürich gefällt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SU160037 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 01.11.2016 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_1350/2016 |
Leitsatz/Stichwort: | Einfache Verletzung der Verkehrsregeln |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Fussgängerstreifen; Berufung; Beschuldigten; Polizei; Vorinstanz; Meter; Polizeibeamte; Urteil; Polizeibeamten; Statthalteramt; Fahrschüler; Bezirk; Strasse; Fotos; Dielsdorf; Fahrschülerin; Sachverhalt; Busse; Metern; Entscheid; Verfahren; -Strasse; Aussagen; Sekunden |
Rechtsnorm: | Art. 33 SVG ;Art. 398 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 6 VRV ; |
Referenz BGE: | 136 I 229; 138 I 305; 138 IV 81; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SU160037-O/U/cwo
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. R. Naef, Präsident, lic. iur. S. Volken und lic. iur. Ch. Prinz sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur.
S. Kümin Grell
Urteil vom 1. November 2016
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
gegen
Verwaltungsbehörde und Berufungsbeklagte
betreffend
Strafverfügung:
Der Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Dielsdorf vom 5. Januar 2016 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 3/18).
Urteil der Vorinstanz :
(Urk. 15 S. 16 ff.)
Der Beschuldigte ist schuldig der einfachen Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 1 und Art. 100 Ziff. 3 SVG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 1 und 2 SVG
sowie Art. 6 Abs. 1 VRV.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Busse von Fr. 140.-.
Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf Fr. 1'200.-.
Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Der Beschuldigte hat an das Statthalteramt des Bezirkes Dielsdorf nebst der Busse von Fr. 140.- die Kosten des Strafbefehls vom 5. Januar 2016 im Betrag von Fr. 531.85 sowie die nachträglichen Gebühren des Statthalteramtes des Bezirkes Dielsdorf von Fr. 100.zu bezahlen.
(Mitteilungen)
(Rechtsmittel)
Berufungsanträge:
Des Beschuldigten (Urk. 16 sinngemäss):
Freispruch von Schuld und Strafe
Des Statthalteramtes Bezirk Dielsdorf (Urk. 20):
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.
Erwägungen:
Der Prozessverlauf bis zum erstinstanzlichen Urteil ergibt sich aus dem angefochtenen Entscheid (Urk. 15 S. 2 f.).
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Dielsdorf, Einzelgericht, vom 1. März 2016 wurde der Beschuldigte der einfachen Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 1 und Art. 100 Ziff. 3 SVG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 1 und 2 SVG sowie Art. 6 Abs. 1 VRV schuldig gesprochen und mit einer Busse von Fr. 140.bestraft, wobei die Kosten mit einer Entscheidgebühr von Fr. 1'200.- dem Beschuldigten auferlegt wurden (Urk. 15 S. 16 f.).
Gegen dieses Urteil meldete der Beschuldigte mit Eingabe vom 9. Mai 2016 innert der zehntägigen Frist von Art. 399 Abs. 1 StPO Berufung an (Urk. 14). Nachdem dem Beschuldigten das begründete Urteil am 29. April 2016 zugestellt worden war (Urk. 31), erstattete er am 14. Mai 2016 (Datum Poststempel 18. Mai 2016) fristgerecht die Berufungserklärung (Urk. 16).
Mit Präsidialverfügung vom 3. Juni 2016 wurde dem Statthalteramt Bezirk Dielsdorf (im Folgenden: Statthalteramt) eine Kopie der Berufungserklärung zugestellt und eine Frist von zwanzig Tagen angesetzt, um schriftlich im Doppel zu erklären, ob Anschlussberufung erhoben wird, um begründet ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen (Urk. 18). Nachdem das Statthalteramt mit Eingabe vom 13. Juni 2016 mitgeteilt hatte, auf eine Anschlussberufung zu verzichten, und auf den vorinstanzlichen Entscheid verwies (Urk. 20), ordnete die zuständige I. Strafkammer des Berufungsgerichts mit Beschluss vom 28. Juni 2016 die schriftliche Durchführung des vorliegenden Verfahrens an und setzte dem Beschuldigten gleichzeitig Frist, die Berufungsanträge zu stellen und zu begründen mitzuteilen, ob die Eingabe vom 14. Mai 2016 als vollständige Berufungsbegründung anzusehen sei (Urk. 22). Innert Frist teilte der Beschuldigte mit Eingabe vom 6. Juli 2016 mit, dass seine Eingabe vom 14. Mai 2016 als vollständige Berufungsbegründung anzusehen sei (Urk. 24). Mit Verfügung vom
7. Juli 2016 wurde die Berufungsbegründung dem Statthalteramt sowie der Vorinstanz zugestellt und Frist zur Einreichung der Berufungsantwort bzw. zur freigestellten Vernehmlassung angesetzt (Urk. 26). Die Vorinstanz verzichtete auf Vernehmlassung (Urk. 28). Seitens des Statthalteramts ging keine Berufungsantwort ein, womit von einem Verzicht auszugehen und aufgrund der Akten zu entscheiden ist. Das vorliegende Verfahren erweist sich heute als spruchreif.
1.1. Gemäss Art. 398 Abs. 1 StPO ist die Berufung zulässig gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte, mit denen das Verfahren ganz teilweise abgeschlossen worden ist. Die Berufungsinstanz überprüft den vorinstanzlichen Entscheid bezüglich sämtlicher Tat-, Rechts- und Ermessensfragen üblicherweise frei (Art. 398 Abs. 2 und 3 StPO). Bildeten jedoch ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so schränkt Art. 398 Abs. 4 StPO die Kognition der Berufungsinstanz ein. In diesen Fällen wird das angefochtene Urteil lediglich dahingehend überprüft, ob es rechtsfehlerhaft ist ob eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz gegeben ist. Relevant sind dabei klare Versehen bei der Sachverhaltsermittlung wie namentlich Irrtümer offensichtliche Diskrepanzen zur Aktenund Beweislage. Weiter in Betracht kommen insbesondere Fälle, in denen die Sachverhaltsfeststellung auf einer Verletzung von Bundesrecht, in erster Linie von Verfahrensvorschriften der StPO selbst, beruht. Gesamthaft gesehen dürften regelmässig Konstellationen relevant sein, die als willkürliche Sachverhaltserstellung zu qualifizieren sind (vgl. S CHMID, StPO Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 398 N 12f.; BSK StPO-EUGSTER, 2. Aufl. 2014, Art. 398 N 3a). Willkür bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung Würdigung ebenfalls vertretbar gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 138 I 305 E. 4.3 mit Hinweisen). Eine vertretbare Beweiswürdigung ist daher auch dann noch nicht willkürlich, wenn die Berufungsinstanz anstelle des Vorderrichters allenfalls anders entschieden hätte.
Zu erwähnen ist schliesslich, dass neue Behauptungen und Beweise im Berufungsverfahren nicht mehr vorgebracht werden können, wenn wie hier ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens bildeten (Art. 398 Abs. 4 Satz 2 StPO). Das Obergericht hat somit zu überprüfen, ob die vom Beschuldigten vorgebrachten Beanstandungen von der Überprüfungsbefugnis gemäss Art. 398 Abs. 4 StPO gedeckt sind.
Wie nachfolgend unter Ziff. III./3.1. noch zu zeigen sein wird, sind nicht alle vom Beschuldigten vorgebrachten Behauptungen von der Überprüfungsbefugnis gemäss Art. 398 Abs. 4 StPO gedeckt. Im nicht von der genannten Befugnis umfassten Umfang kann auf die Einwendungen nicht eingegangen werden. Vorliegend ist festzustellen, ob das vorinstanzliche Urteil im Bereich der zulässigen Kognition Fehler aufweist.
Die urteilende Instanz muss sich nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen. Vielmehr kann sich das Gericht auf die seiner Auffassung nach wesentlichen und massgeblichen Vorbringen der Parteien beschränken (BGE 138 IV 81 E. 2.2; BGE 136 I 229 E. 5.2).
Der Beschuldigte beschränkt seine Berufung nicht und beantragt sinngemäss einen Freispruch (Urk. 16; Urk. 24). Damit bildet das ganze vorinstanzliche Urteil Berufungsgegenstand und ist mithin in keinem Punkt in Rechtskraft erwachsen.
Dem Beschuldigten wird im Strafbefehl des Statthalteramts Bezirk Dielsdorf vom 5. Januar 2016 zusammengefasst vorgeworfen, am 18. August 2015 um
ca. 15.25 Uhr auf der B. -Strasse in C.
mit seiner Fahrschülerin unterwegs gewesen zu sein, wobei diese das Auto gelenkt habe. Auf der Höhe des Fussgängerstreifens der B. -Strasse hätten sie einem Kind mit Kindergartenleuchtstreifen, das den Fussgängerstreifen habe überqueren wollen, den Vortritt nicht gewährt, indem sie ohne die Geschwindigkeit angemessen zu reduzieren gar anzuhalten weiterhin mit ca. 45-50 km/h am wartenden Kind vorbeigefahren seien. Der Beschuldigte habe dabei pflichtwidrig nicht in die Fahrweise seiner Fahrschülerin eingegriffen (Urk. 3/18).
Der Beschuldigte anerkennt den ihm vorliegend zur Last gelegten Sachverhalt insofern, als er am 18. August 2015 um ca. 15.25 Uhr auf der B. -
Strasse in C.
mit seiner Fahrschülerin auf einer Lernfahrt unterwegs war,
wobei diese das Auto lenkte (Urk. 9 S. 3). Er bestreitet jedoch den Vorwurf, dass seine Fahrschülerin auf der Höhe des Fussgängerstreifens der B. -Strasse
an einem Kind, das den Fussgängerstreifen habe überqueren wollen, ohne die Geschwindigkeit angemessen zu reduzieren vorbeigefahren sei, und er dabei als verantwortlicher Fahrlehrer pflichtwidrig nicht in die Fahrweise seiner Fahrschülerin eingegriffen habe (Urk. 9 S. 4 f.; Urk. 16 sinngemäss).
Zur Begründung seiner Berufung führt der Beschuldigte aus, die Vorinstanz sei seiner Forderung nach einer Ortsbesichtigung nicht nachgekommen. Vielmehr habe der vorinstanzliche Richter erklärt, dass er keine Zweifel an den Aussagen der Polizeibeamten habe und er andernfalls seinen Laden gleich schliessen könne. Darin sei zu erkennen, dass der besagte Richter keinerlei Interesse an der Wahrheitsfindung habe. Durch seine Haltung zeige dieser eine Voreingenommenheit, insbesondere gegenüber ausländischen Bürgern, welche der Rechtsprechung des Gerichts wesensfremd sein müsse. Der Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten halte nicht stand, wenn der Bezirksrichter keine Zweifel zulasse (Urk. 16 S. 1).
Zu seiner Forderung nach einer Ortsbegehung bringt der Beschuldigte im Wesentlichen vor, es befinde sich dort weit und breit kein Schulhaus, so dass er nicht wie dies seitens der Statthalterin behauptet worden sei - unbedingt mit Kindern habe rechnen müssen. Zudem hätten die Polizeibeamten, welche ihm und seiner Fahrschülerin am besagten Tag gefolgt seien, zum entscheidenden Zeitpunkt nicht bis zum Fussgängerstreifen sehen können. Gemäss seiner Berechnung hätten sich die Polizeibeamten, welche das Kind bereits 10 Sekunden vor dem Passieren des Fussgängerstreifens durch das Lernfahrzeug gesehen haben wollten, rund 150 Meter hinter dem Lernfahrzeug befunden, wenn von einem Tempo von 50 km/h ausgegangen würde. Hinzuzurechnen sei ein Sicherheitsabstand von ca. 2 Sekunden bei einer Geschwindigkeit von 45-50 km/h resp. 25-30 Meter, womit sich das Polizeiauto 170-180 Meter vor dem Fussgängerstreifen befunden habe, als das Lernfahrzeug den Fussgängerstreifen passiert habe. Auf den von ihm bereits beim Bezirksgericht Dielsdorf eingereichten Fotos sei zu erkennen, dass der besagte Fussgängerstreifen hinter einer Kurve liege und nicht einmal aus einer Entfernung von hundert Metern zu erkennen sei (Urk. 16 S. 2).
Bei den zuletzt vorgebrachten Berechnungen betreffend die mutmassliche Distanz der Polizeibeamten zum Fussgängerstreifen im relevanten Zeitpunkt und den Folgerungen, dass die Polizisten aufgrund der errechneten Distanz und einer angeblichen Kurve den Vorfall nicht hätten erkennen können, stellt sich vorerst die Frage, ob es sich dabei um neue Behauptungen im Sinne von Art. 398 Abs. 4 Satz 2 StPO handelt. Der Beschuldigte reichte anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung Fotos ein, auf welchen der Abschnitt der B. -Strasse vor dem besagten Fussgängerstreifen aus verschiedenen Perspektiven ersichtlich ist, und erklärte, die Polizeibeamten hätten den Fussgängerstreifen, an dem das Kind angeblich gewartet habe, nicht sehen können (Prot. I S. 8). Im Schlusswort erklärte er, es habe sich nach dem Weg-Zeit-Gesetz nicht so zugetragen haben können, wie es die Polizisten geschildert hätten (Prot. I S. 9). Nähere Ausführungen dazu, weshalb er die Fotos aus einer derart weiten Entfernung vom Fussgängerstreifen gemacht hat weshalb er davon ausgeht, dass die Polizisten den Fussgängerstreifen nicht sehen konnten, machte er nicht. Aus den eingereichten Fotos geht überdies nicht zwingend hervor, was der Beschuldigte damit beweisen wollte. Die besagten Behauptungen des Beschuldigten sind aufgrund dessen wohl eher als neue Vorbingen im Sinne von Art. 398 Abs. 4 Satz 2 StPO zu werten, wenn auch die Frage, ob auf die besagten Behauptungen des Beschuldigten eingegangen werden kann wie noch zu zeigen sein wird für den Ausgang des Verfahrens nicht entscheidend ist.
Seine Rüge, die Vorinstanz habe aufgrund von Voreingenommenheit und entgegen dem Grundsatz der Objektivität seinem Antrag betreffend Ortsbegehung
keinerlei Bedeutung zugemessen, ist sinngemäss dahingehend zu verstehen, dass sein Antrag in antizipierter Beweiswürdigung willkürlich abgewiesen worden sei. Diese Frage wird nachfolgend im Rahmen der Überprüfung der Sachverhaltserstellung durch die Vorinstanz zu behandeln sein.
Die Vorinstanz fasste den Inhalt des Polizeirapports vom 7. September
2015, die Zeugenaussagen der Polizeibeamten D.
und E. sowie die
Aussagen des Beschuldigten anlässlich der Einvernahme des Statthalteramts und der Hauptverhandlung vom 1. März 2016 grundsätzlich korrekt zusammen und erwog, dass die genannten Polizeibeamten gemäss deren Schilderungen dem Beschuldigten in ihrem Patrouillenfahrzeug in einem konstanten Abstand und mit einer Geschwindigkeit von 45 bis 50 km/h gefolgt seien und den Vorgang somit gezielt hätten beobachten können. Insbesondere weil sich die Patrouillentätigkeit auf die Aktion Rad steht, Kind geht bezogen habe, erscheine es umso glaubhafter, dass die beiden Polizeibeamten genau beobachtet hätten, wie das Kindergartenkind den Fussgängerstreifen habe überqueren wollen, das Fahrzeug des Beschuldigten jedoch nicht angehalten habe und ungebremst am vortrittsberechtigten Kind vorbeigefahren sei. Die Zeugen hätten unumwunden eingeräumt, nicht in Metern angeben zu können, wie weit das Fahrzeug des Beschuldigten vom Fussgängerstreifen entfernt gewesen sei, als sie bemerkt hätten, dass das Kind den Fussgängerstreifen habe überqueren wollen. Der damals als Lenker fahrende Polizeibeamte E.
habe glaubhaft ausgeführt, dass selbst er und sein Kollege
D.
hätten erkennen können, dass der Kindergärtler den Fussgängerstreifen
habe überqueren wollen. Die Aussagen der Zeugen D.
und E.
erschienen als verlässlicher und glaubhafter, weil unbefangener und objektiver, im Gegensatz zu jenen des Beschuldigten, welche angesichts dessen eigenen Interesses am Ausgang des Verfahrens mit entsprechender Vorsicht zu würdigen seien. Der Beschuldigte, der mindestens einmal eingeräumt habe, das Kind am Fussgängerstreifen wahrgenommen zu haben, habe zusammen mit seiner Fahrschülerin die Situation offenbar anders eingeschätzt als die Polizeibeamten im nachfolgenden Fahrzeug. Die Vorinstanz erachtete den vorliegend relevanten Sachverhalt schliesslich als erstellt, mit der nachvollziehbaren Begründung, dass
die Einschätzung durch die Polizisten als glaubhafter erscheine und letztlich überzeuge (Urk. 15 S. 10 f.).
Worauf die Vorinstanz bei ihrer Sachverhaltserstellung nicht einging, sind die durch den Beschuldigten anlässlich der Hauptverhandlung beigebrachten Fotos vom Ort des Vorfalls (Prot. I S. 8; Urk. 8/1-3) und die damit verbundenen Vorbringen desselben, die Polizeibeamten hätten den Fussgängerstreifen, an dem das Kind gewartet haben soll, nicht sehen können. Die Vorinstanz behandelte unter Ziffer II. (Prozessuales) einzig die ebenfalls in diesem Zusammenhang beantragte Durchführung eines Augenscheins. Mit Verweis auf den Polizeirapport inklusive Fotos, die Aussagen des Beschuldigten sowie die Aussagen der Polizeibeamten D.
und E.
und mit der Begründung, es sei davon auszugehen, dass die Durchführung eines Augenscheins nicht geeignet sei, das Urteil in bedeutender Form zu beeinflussen, wies die Vorinstanz den Beweisantrag des Beschuldigten ab (Urk. 15 S. 3). Es ist somit nachfolgend zu prüfen, ob die Vorinstanz willkürlich Beweise nicht abgenommen und den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt hat.
Auf den anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung eingereichten Fotos des Beschuldigten ist die B. -Strasse in Richtung des vorliegend relevanten Fussgängerstreifens abgebildet. Die ersten beiden Fotos wurden ca. 160 Meter vor dem Fussgängerstreifen aufgenommen, einmal vom linken und einmal vom rechten Trottoir aus (Urk. 8/1-2; vgl. Satellitenbild inkl. Verkleinerungsmassstab auf www.google.ch/maps). Das dritte Foto wurde auf der Höhe B. -Strasse vom rechten Trottoir aus ca. 100 Meter vor dem Fussgängerstreifen gemacht (Urk. 8/3; vgl. Satellitenbild inkl. Verkleinerungsmassstab auf www.google.ch/maps) .
Die Polizeibeamten erklärten im Zeugenstand, bei einer Geschwindigkeit von
45 bis 50 km/h mit einem Abstand zum Fahrzeug des Beschuldigten von 3 bis 4 Sekunden resp. von sicher 25 Metern hinter diesem hergefahren zu sein (Urk. 3/15 S. 8, Urk. 3/16 S. 7). Beide gaben an, sich vor dem relevanten Vorfall gegenseitig gefragt zu haben, ob das Fahrzeug des Beschuldigten nicht zu zügig unterwegs sei resp. ob dieses beim Fussgängerstreifen nicht anhalte, wobei
die Dauer des Gesprächs vom Zeugen E. auf 3 Sekunden und vom Zeugen D. auf 5 bis 10 Sekunden geschätzt wurde (Urk. 3/15 S. 5 und 8, Urk. 3/16 S. 7).
Aufgrund dieser Aussagen ist zunächst davon auszugehen, dass sich die Polizeibeamten im Zeitpunkt, als das Lernfahrzeug den Fussgängerstreifen passierte, höchstens 50 Meter (Abstand von 3 bis 4 Sekunden bei einem Tempo von 50 km/h), nach der üblichen halben Tacho-Regel möglicherweise auch nur 25 Meter, vor dem Fussgängerstreifen befanden. Dass die besagte Konversation zwischen den Polizisten 3 Sekunden resp. über eine Strecke von 37,5 Meter bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h - dauerte, scheint angesichts des geschilderten Inhalts nicht abwegig. Die Polizeibeamten müssten das Kind somit bereits aus einer Entfernung von mindestens 63 Metern gesehen haben können. Mit den Fotos, welche der Beschuldigte aus einer Entfernung von 160 Metern respektive von 100 Metern aufgenommen hat, ist nicht belegt, dass die Polizeibeamten das Kind und kurz darauf das an diesem vorbeifahrende Lernfahrzeug nicht hätten sehen können. Bezüglich des aus einer Distanz von 100 Metern aufgenommenen Fotos ergibt sich zudem aus Sicht des Fotografen auf dem rechten Trottoir ein ganz anderer Blickwinkel auf den Fussgängerstreifen, als aus jener der beiden auf der Strasse fahrenden Polizisten, insbesondere des Fahrers. Auf dem Satellitenbild dieses Strassenabschnitts ist denn auch ersichtlich, dass die B. -Strasse auf den letzten hundert Metern vor dem besagten Fussgängerstreifen nicht derart gebogen ist, dass eine Sicht von der Strasse aus auf den hundert Meter weit entfernten Fussgängerstreifen nicht möglich wäre.
Die Vorinstanz hatte somit und aufgrund der spärlichen Ausführungen des Beschuldigten anlässlich der Hauptverhandlung hierzu keinen Anlass, die eingereichten Fotos in die Begründung einzubeziehen; sie erachtete diese offensichtlich und richtigerweise nicht als relevant. Die dem Polizeirapport angehängten und seitens der Polizei erstellten Fotos zeigen überdies eine überschaubare B. -Strasse und den besagten Fussgängerstreifen in einer Entfernung von 40 respektive 50 Metern (Urk. 3/1 S. 4; vgl. Satellitenbild inkl. Verkleinerungsmassstab auf www.google.ch/maps). Gestützt darauf konnte die Vorinstanz bereits ohne weiteres davon ausgehen, dass die Polizeibeamten, welche sich im
entscheidenden Zeitpunkt wie zuvor dargelegt höchstens 50 Meter vor dem Fussgängerstreifen befanden, zumindest sehen konnten, wie das Fahrzeug des Beschuldigten ungebremst am wartenden Kind vorbeifuhr.
Aufgrund der klaren Ausgangslage sowie angesichts der realistischen Aussagen der Zeugen ist auch der vorinstanzliche Entscheid, den Beweisantrag betreffend Durchführung eines Augenscheins abzulehnen, nachvollziehbar und keineswegs abwegig.
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass der Beschuldigte mit seinen Vorbringen keine Willkür in der Beweiswürdigung aufzuzeigen vermag. Die vorinstanzliche Schlussfolgerung, wonach der Sachverhalt gemäss Strafbefehl als erstellt zu betrachten sei (Urk. 15 S. 10 f.), ist folglich nicht zu beanstanden. Der Sachverhalt ist somit entsprechend zu übernehmen.
Der Beschuldigte hat sich weder vor Vorinstanz noch im Berufungsverfahren explizit zur rechtlichen Würdigung geäussert (vgl. Prot. I S. 8 f.; Urk. 9, Urk. 16). In seiner Berufungsbegründung gab er jedoch wie auch schon anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung (Urk. 9 S. 6) seinem Unverständnis darüber Ausdruck, dass Fahrlehrer und Fahrschüler je für die Tat belangt würden, obwohl es sich nur um ein Vergehen handle (Urk. 16 S. 2).
Möchte der Beschuldigte damit geltend machen, er sei für das Handeln seiner Fahrschülerin nicht verantwortlich, so ist mit der Vorinstanz auf Art. 100 Ziff. 3 Satz 1 SVG hinzuweisen, wonach für strafbare Handlungen auf Lernfahrten der Begleiter verantwortlich ist, wenn er die Pflichten verletzt hat, die ihm als Folge der Übernahme der Begleitung oblagen. Indem es der Beschuldigte mithin als Fahrlehrer unterlassen hat, das strafbare Verhalten seiner Fahrschülerin zu verhindern, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, ist er neben der Fahrschülerin verantwortlich (vgl. Giger, Komm. SVG, Art. 100 N 19). Im Übrigen gibt es im Strafrecht keine Schuldkompensation.
Die rechtliche Würdigung wurde von der Vorinstanz denn auch korrekt vorgenommen (Urk. 15 S. 11 ff.), weshalb der Beschuldigte der einfachen Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 1 und Art. 100 Ziff. 3 SVG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 1 und 2 SVG sowie Art. 6 Abs. 1 VRV schuldig zu sprechen ist.
In Bezug auf den Strafrahmen, die Grundsätze der Strafzumessung sowie die Subsumption kann auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden (Urk. 15 S. 14). Die Vorinstanz hat den Beschuldigten mit einer Busse von Fr. 140.bestraft (Urk. 15 S. 17). Der Beschuldigte äusserte sich hierzu einzig insofern, als laut Bussenkatalog für ein Vergehen gemäss Vorwurf der Polizei Fr. 140.vorgesehen seien, er aber nicht verstehe, weshalb Fahrlehrer und Fahrschüler je Fr. 140.bezahlen müssten (Urk. 16 S. 2). Diese Frage wurde bereits vorstehend unter Ziff. IV./1. beantwortet. Überdies sind die strafrechtlichen Folgen für das Verhalten der Fahrschülerin vorliegend nicht von Belang. Wesentlich ist, dass der Beschuldigte sich im erwähnten Sinne schuldig gemacht hat und hierfür zur Rechenschaft zu ziehen ist. Die von der Vorinstanz auferlegte Busse von Fr. 140.erscheint im vorliegenden Fall als angemessen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist das vorinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 4, 5 und 6) zu bestätigen (Art. 426 Abs. 1 StPO).
Im Berufungsverfahren werden die Kosten nach Obsiegen und Unterliegen auferlegt (Art. 428 Abs. 1 StPO). Mit dem heutigen Urteil unterliegt der Beschuldigte mit seiner Berufung vollständig. Die Kosten des Berufungsverfahrens mit einer Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.sind daher dem Beschuldigten aufzuerlegen. Von der Zusprechung einer Parteientschädigung ist ausgangsgemäss abzusehen (Art. 429 Abs. 1 StPO e contrario).
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
ist schuldig der einfachen Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 1 und Art. 100 Ziff. 3 SVG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 1 und 2 SVG sowie Art. 6 Abs. 1 VRV.
Der Beschuldigte wird mit einer Busse von Fr. 140.bestraft.
Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen.
Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 4, 5 und 6) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 1'000.-.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an
den Beschuldigten
das Statthalteramt Bezirk Dielsdorf
die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an die Vorinstanz.
Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Zürich, 1. November 2016
Der Präsident:
lic. iur. R. Naef
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. S. Kümin Grell
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