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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SU120051: Obergericht des Kantons Zürich

Die Beschwerdeführerin A. wurde aufgrund einer psychischen Störung in die psychiatrische Klinik B. eingewiesen, nachdem sie selbstgefährdendes Verhalten zeigte und eine Reise plante. Das Einzelgericht wies das Begehren der Beschwerdeführerin um Entlassung aus der Klinik ab. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte die Unterbringung, da weiterhin Anzeichen für Rückfallgefahr und Selbstgefährdung vorlagen. Die Beschwerde wurde abgewiesen, die Gerichtskosten von CHF 500 wurden der Beschwerdeführerin auferlegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts SU120051

Kanton:ZH
Fallnummer:SU120051
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SU120051 vom 02.04.2013 (ZH)
Datum:02.04.2013
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:einfache Verletzung der Verkehrsregeln
Schlagwörter : Beschuldigte; Berufung; Verfahren; Statthalter; Statthalteramt; Verteidiger; Beschuldigten; Verfahren; Urteil; Entschädigung; Vorinstanz; Prozessentschädigung; Verteidigung; Befehl; Person; Gericht; Verfahrens; Entscheid; Beizug; Anwalt; Übertretung; Anwalts; Bülach; Untersuchung; Verteidigers; Hinsicht; Recht; Gerichtskasse; AnwGebV
Rechtsnorm:Art. 103 StGB ;Art. 130 StPO ;Art. 34 SVG ;Art. 354 StGB ;Art. 381 StPO ;Art. 398 StPO ;Art. 403 StPO ;Art. 404 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 430 StPO ;Art. 436 StPO ;Art. 44 SVG ;Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:110 Ia 156; 138 IV 197;
Kommentar:
Seiler, von Werdt, Güngerich, Hand, 1. Auflage, Art. 107 BGG, 2007

Entscheid des Kantongerichts SU120051

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SU120051-O/U/eh

Mitwirkend: die Oberrichter Dr. F. Bollinger, Präsident, lic. iur. Ch. Prinz und Ersatzoberrichter lic. iur. E. Leuenberger sowie der Gerichtsschreiber lic. iur. M. Hauser

Urteil vom 2. April 2013

in Sachen

Statthalteramt Bezirk Bülach,

Verwaltungsbehörde und Berufungsklägerin

gegen

A. ,

Beschuldigte und Berufungsbeklagte verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

betreffend

einfache Verletzung der Verkehrsregeln
Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Bülach, Einzelgericht, vom 19. Juni 2012 (GC120018)

Strafverfügung:

Der Strafbefehl des Statthalteramtes Bülach vom 19. Januar 2012 (Urk. 2/25) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz

(Urk. 19)

Es wird erkannt:

  1. Die Beschuldigte ist nicht schuldig und wird freigesprochen.

  2. Die Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz. Die übrigen Kosten werden auf die Gerichtskasse genommen.

  3. Der Beschuldigten wird eine Prozessentschädigung von Fr. 4'855.70 für anwaltliche Verteidigung aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  4. (Mitteilungen)

  5. (Rechtsmittelbelehrung)

Berufungsanträge:

  1. Des Statthalteramtes: (Urk. 30 S. 1)

    Aufhebung des Dispositivs Ziff. 4 (recte: Ziff. 3) des Urteils des Bezirksgerichtes Bülach vom 19. Juni 2012, eventualiter Ansetzung einer angemessenen Prozessentschädigung im Rahmen von maximal Fr. 300.-.

  2. Der Beschuldigten: (Urk. 36 S. 2)

    1. Die Berufung der Berufungsklägerin sei vollumfänglich abzuweisen.

    2. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen, letztere zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu Lasten der Berufungsklägerin bzw. Staatskasse.

      Erwägungen:

      1. Verfahrensgang

        1. Mit Verfügung Nr. ST.2011.4027 des Stadthalteramtes Bülach vom

        16. Juni 2011 wurde die Beschuldigte wegen ungenügender Rücksichtnahme auf nachfolgende Fahrzeuge beim Fahrstreifenwechsel mit einer Busse von Fr. 350.bestraft. Weiter wurden der Beschuldigten die Spruchgebühr von Fr. 300.sowie Auslagen von Fr. 60.auferlegt (Urk. 2/2). Gegen diese Verfügung liess die Beschuldigte am 20. Juni 2011 fristgerecht das Begehren um gerichtliche Beurteilung stellen (Urk. 2/3).

        2. Nach Durchführung der ergänzenden Untersuchung, insbesondere der Einvernahme des am Verkehrsunfall beteiligten B. (Urk. 2/15) und der Beschuldigten (Urk. 2/22), erliess das Statthalteramt am 19. Januar 2012 einen neuen Strafbefehl, womit die Beschuldigte wiederum wegen unvorsichtigem Fahrstreifenwechsel mit einer Busse von Fr. 350.bestraft wurde. Zudem wurden der Beschuldigten die Spruchgebühr von Fr. 300.- und Auslagen von Fr. 393.auferlegt (Urk. 2/25). Gegen diese Verfügung liess die Beschuldigte am

        23. Januar 2012 fristgerecht Einsprache erheben (Urk. 2/26).

        1. Nachdem die Beschuldigte innert der ihr angesetzten Frist die Einsprache nicht zurückzog (Urk. 2/27 und Urk. 2/28), hielt das Statthalteramt mit Schreiben vom 19. März 2012 am Strafbefehl vom 19. Januar 2012 fest und überwies die Akten dem Bezirksgericht Bülach (Urk. 1).

        2. Das Bezirksgerichts Bülach, Einzelgericht (nachstehend: Vorinstanz), sprach die Beschuldigte mit vorstehend wiedergegebenem Urteil vom 19. Juni 2012 vollumfänglich frei. Die Verfahrenskosten wurden auf die Staatskasse genommen. Zudem wurde der Beschuldigten eine Prozessentschädigung von Fr. 4'855.70 für die anwaltliche Verteidigung aus der Gerichtskasse zugesprochen (Urk. 12). Dagegen meldete das Statthalteramt rechtzeitig Berufung an (Urk. 14) und reichte nach Zustellung des begründeten Urteils (Urk. 16 = 19) fristgerecht beim Obergericht die Berufungserklärung ein (Urk. 20).

        3. Mit Präsidialverfügung der hiesigen Kammer vom 21. August 2012 wurde der Beschuldigten eine Kopie der Berufungserklärung zugestellt und Frist angesetzt, um Anschlussberufung zu erheben um begründet ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen (Prot. II S. 2 = Urk. 23). Mit Eingabe vom

        11. September 2012 liess die Beschuldigte beantragen, dass auf die Berufung nicht einzutreten, eventualiter diese abzuweisen sei (Urk. 25). Mit Präsidialverfügung vom 18. September 2012 wurde dem Statthalteramt Frist angesetzt, um zum Nichteintretensantrag der Beschuldigten Stellung zu nehmen (Prot. II

        S. 3 = Urk. 28). Mit Eingabe vom 28. September 2012 reichte das Statthalteramt die entsprechende Stellungnahme ein und begründete gleichzeitig die Berufung (Urk. 30). Mit Beschluss vom 3. Oktober 2012 wurde die schriftliche Durchführung des vorliegenden Verfahrens angeordnet, der Beschuldigten eine Kopie der Berufungsbegründung zugestellt und Frist angesetzt, um die Berufungsantwort einzureichen. Zudem wurde der Vorinstanz Frist zur freigestellten Vernehmlassung eingeräumt (Prot. II S. 4 = Urk. 32). Mit Schreiben vom 11. Oktober 2012 verzichtete die Vorinstanz auf eine Vernehmlassung (Urk. 34). Die Beschuldigte liess am 22. Oktober 2012 die Berufungsantwort einreichen (Urk. 36).

        6. Das vorliegende Verfahren erweist sich damit als spruchreif.

      2. Prozessuales
  1. Kognition

    1. Gemäss Art. 398 Abs. 1 StPO ist die Berufung zulässig gegen Urteile, mit denen das Verfahren ganz teilweise abgeschlossen wurde. Im Rahmen einer Berufung überprüft das Obergericht den vorinstanzlichen Entscheid üblicherweise frei bezüglich sämtlicher Tat-, Rechtsund Ermessensfragen (Art. 398 Abs. 3 StPO). Bildeten jedoch ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so schränkt Art. 398 Abs. 4 Satz 1 StPO die Kognition der Berufungsinstanz ein. In diesen Fällen darf das angefochtene Urteil lediglich dahingehend überprüft werden, ob es rechtsfehlerhaft ist, d.h. ob eine Rechtsverletzung durch die Vorinstanz vorliegt, ob eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz gegeben ist.

    2. Sodann können gemäss Art. 398 Abs. 4 Satz 2 StPO neue Behauptungen und Beweise im Berufungsverfahren nicht mehr vorgebracht werden, wenn wie hier ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens bildeten. Die Berufungsinstanz entscheidet aufgrund der bereits vor erster Instanz vorgebrachten Behauptungen und der bestehenden Beweisgrundlage. Hat die erste Instanz Beweise willkürlich nicht abgenommen, kann die Berufungsinstanz den Entscheid nur aufheben und muss den Fall zur Beweisabnahme und einer neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückweisen (BSK StPO - Eugster, a.a.O., Art. 398 N 3).

  2. Legitimation

    1. Die Beschuldigte lässt geltend machen, dass das Statthalteramt nicht legitimiert sei, die vorliegende Berufung betreffend die Entschädigungsfolge zu erheben, weshalb darauf nicht einzutreten sei. Da ihr gemäss vorinstanzlichem Urteil aus der Gerichtskasse eine Prozessentschädigung bezahlt werde, mangle es an der erforderlichen Beschwer des Statthalteramts (Urk. 25 S. 3; Urk. 36 S. 3).

    2. Das Statthalteramt führte hierzu lediglich aus, dass die Strafprozessordnung zur Anfechtung von Entschädigungsentscheiden kein besonderes Rechtsmittel vorsehe, wenn allein dieser Punkt angefochten werde. Es sei damit das für den Hauptpunkt vorgesehene Rechtsmittel zu ergreifen. Das Staathalteramt sei als Partei zur Berufung Beschwerde legitimiert (Urk. 30 S. 1).

    3. Im Kanton Zürich sind im Übertretungsstrafrecht die jeweiligen Übertretungsstrafbehörden, mithin das Statthalteramt bzw. das Stadtrichteramt, die im betreffenden Fall entschieden haben, berechtigt, vor den kantonalen Instanzen ein Rechtsmittel zu erheben (Art. 381 Abs. 3 StPO i.V.m. § 91 GOG). Die Legitimation bezieht sich dabei auf sämtliche Punkte des entsprechenden Entscheids mit Ausnahme des Zivilpunkts (Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich 2009, Art. 381 N 2). Die Übertretungsstrafbehörden sind somit legitimiert, einen erstinstanzlichen Entscheid nicht nur hinsichtlich des Schuldoder Strafpunkt anzufechten, sondern auch nur in Bezug auf die zugesprochene Entschädigung an die beschuldigte Person gemäss Art. 429 StPO (vgl. BSK StPO - Wehrenberg/Bernhard, a.a.O., Art. 429 N 33).

    4. Das Statthalteramt ist vorliegend, da es den fraglichen Strafbefehl vom

19. Januar 2012 erliess, legitimiert, das angefochtene Urteil der Vorinstanz insgesamt nur in gewissen Punkten, mithin auch wie vorliegend - nur in Bezug auf die Entschädigungsfolge, anzufechten. Auf die vorliegende Berufung ist damit einzutreten (Art. 403 StPO).

3. Umfang der Berufung

Das Statthalteramt beschränkt die Berufung nur auf die Frage der Entschädigungsfolge (Dispositiv-Ziffer 3). Hinsichtlich des Freispruchs (Dispositiv-Ziffer 1) und der Kostenregelung (Dispositiv-Ziffer 2) blieb das vorinstanzliche Urteil unangefochten. Es ist insoweit in Rechtskraft erwachsen (Art. 404 Abs. 1 StPO), was vorab mittels Beschluss festzustellen ist.

III. Angefochtene Prozessentschädigung
  1. Ausführungen der Parteien

    1. Das Statthalteramt macht geltend, dass die gemäss vorinstanzlichem Urteil der Beschuldigten zugesprochene Prozessentschädigung von Fr. 4'855.70 unangemessen und völlig haltlos sei. Ein Anspruch auf eine Entschädigung für die frei gewählte Verteidigung bestehe nur dann, wenn der Beizug eines Verteidigers sowie der von diesem betriebene Aufwand angemessen sei. Im vorliegenden Fall sei es um eine Übertretung und somit um einen leichten Vorhalt gegangen. Der Beschuldigten sei eine einfache Verkehrsregelverletzung vorgeworfen und es sei ihr eine Busse von Fr. 350.auferlegt worden. Die Strafuntersuchung sei weder rechtlich noch bezüglich des Sachverhaltes schwierig gewesen. Auch in psychischer Hinsicht sei das Strafverfahren, zumindest aus objektiver Sicht betrachtet, nicht besonders belastend gewesen (Urk. 30 S. 2).

    2. Die Beschuldigte lässt demgegenüber ausführen, der Beizug eines Anwalts sei notwendig und angemessen gewesen, da erst dieser die Beschuldigte dahingehend beraten habe, dass der Strafbefehl falsch gewesen sei. Entsprechend habe der Anwalt empfohlen, dass der Strafbefehl habe angefochten werden sollen. Zudem handle es sich bei der Beschuldigten um eine Staatsangehörige von , welcher das hiesige Rechtssystem nicht geläufig sei. Bereits aus diesem Grunde und zu ihrer Sicherheit habe sie sich einen Rechtsvertreter genommen. Schliesslich gehe der Statthalter davon aus, dass es sich beim angefochtenen Strafbefehl nur um eine Bagatelle handele. Er vergesse aber dabei die Reflexwirkung eines solchen Strafbefehls in Bezug auf allfällige Administrativmassnahmen und haftpflichtrechtliche Folgen (Urk. 36).

    3. Auf weitere Vorbringen der Parteien wird soweit für die Entscheidfindung erforderlich in den nachfolgenden Erwägungen einzugehen sein.

  2. Rechtliches

    1. Wird die beschuldigte Person ganz teilweise freigesprochen wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO). Die Entschädigung für die Ausübung der Verfahrensrecht ist somit nicht umfassend. Sie wird nur gewährt für angemessene Aufwendungen. Zu den unter diesem Titel zu entschädigenden Aufwendungen der beschuldigten Person gehören primär die Kosten der frei gewählten Verteidigung. Angemessen im Sinne der zitierten Norm sind die Verteidigerkosten dann, wenn die Verbeiständung angesichts der tatsächlichen rechtlichen Komplexität des Falls notwendig und der Arbeitsaufwand und somit das Honorar des Anwalts gerechtfertigt waren (BGE 138 IV 197 E. 2.3.1, mit weiteren Hinweisen; Entscheid des Bundesgerichts 1B_536/2012 vom 9. Januar 2013, E. 2.1; Schmid, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich 2009, N1810).

    2. Der Anspruch aus Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO ist von der notwendigen und der amtlichen Verteidigung abzugrenzen. Ein Anspruch auf Entschädigung für

      Verteidigungskosten im Falle einer Verfahrenseinstellung eines Freispruchs gestützt auf Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO besteht nicht nur in den Fällen der notwendigen Verteidigung im Sinne von Art. 130 StPO in den Fällen, in denen bei Mittellosigkeit der beschuldigten Person gestützt auf Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO eine amtliche Verteidigung hätte angeordnet werden müssen, weil dies zur Wahrung der Interessen der beschuldigten Person geboten gewesen wäre. Der Beizug eines Wahlverteidigers kann sich mit anderen Worten als angemessene Ausübung der Verfahrensrechte erweisen, auch wenn er nicht als geradezu geboten erscheint (BGE 138 IV 197 E. 2.3.3).

    3. Die Frage der Angemessenheit, d.h. ob der Beizug eines frei gewählten Verteidigers gerechtfertigt war, ist im Einzelfall auf Grund der konkreten Schwere der Anschuldigung in persönlicher und sachlicher Hinsicht zu beurteilen. Mithin ist beim Vorwurf eines Verbrechens der Beizug eines Rechtsvertreters offenkundig immer geboten und der Aufwand dafür bei Freispruch Einstellung der Untersuchung - unter dem Vorbehalt von Art. 430 StPO zu entschädigen. Bei Untersuchungen wegen Vergehen dürfte nur bei reinen Bagatelldelikten auf einen sachlich und persönlich leichten Fall, der den Beizug eines Anwalts nicht rechtfertigt, geschlossen werden können. Demgegenüber ist bei Übertretungen die Vergütung der Anwaltskosten deutlich eingeschränkt. Wird aber eine Übertretung aufgrund einer Einsprache gegen den Strafbefehl durch ein Gericht beurteilt, so ist regelmässig der Beizug eines Verteidigers gerechtfertigt (Schmid, a.a.O., N 1810; Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich 2010, Art. 429 N 4).

    4. Die Beurteilung, ob ein Verteidigerbeizug gerechtfertigt war, darf nicht ex post, d.h. im Zeitpunkt der Verfahrenserledigung gezogen werden. Die Angemessenheit der Einschaltung eines rechtskundigen Vertreters muss im Zeitpunkt der Auftragserteilung an den Verteidiger beurteilt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das materielle Strafrecht und das Strafprozessrecht komplex sind und insbesondere für Personen, die das Prozessieren nicht gewohnt sind, eine Belastung und grosse Herausforderung darstellen. Wer sich selbst verteidigt, dürfte deshalb gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung prinzipiell schlechter gestellt sein. Dies gilt grundsätzlich unabhängig von der Schwere des Deliktsvorwurfs. Folglich kann der Beizug eines Verteidigers bereits in Nachachtung des Anspruchs auf Waffengleichheit mit den Strafverfolgungsbehörden als geboten erscheinen. Auch bei blossen Übertretungen darf deshalb nicht generell davon ausgegangen werden, dass die beschuldigte Person ihre Verteidigerkosten als Ausfluss einer Art von Sozialpflichtigkeit selber zu tragen hat. Weiter ist zu beachten, dass zu Beginn eines Strafverfahrens gegebenenfalls nur schwer abgeschätzt werden kann, ob im weitern Verfahren Komplikationen entstehen werden. So kann der Beizug eines Verteidigers bereits in einem frühen Verfahrensstadium notwendig sein, um möglichst früh im Verfahren mit einer wirksamen Verteidigung beginnen zu können. Schliesslich sind beim Entscheid über die Angemessenheit des Beizugs eines Anwalts neben der Schwere des Tatvorwurfs und der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität des Falls auch die Dauer des Verfahrens und dessen Auswirkungen auf die persönlichen und beruflichen Verhältnisse der beschuldigten Person zu berücksichtigen (BGE 138 IV 197 E. 2.3.5; Entscheid des Bundesgerichts 1B_536/2012 vom 9. Januar 2013, E. 2.2; BGE 110 Ia 156 E. 1c; BSK StPO - Wehrenberg/Bernhard, a.a.O., Art. 429 N 14)

  3. Angemessenheit des Verteidigerbeizugs

    1. Im vorliegenden Strafverfahren wurde die Beschuldigte vom Statthalteramt wegen einfacher Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG mit einer Busse von Fr. 350.bestraft. Dieser Tatbestand ist zwar lediglich als Übertretung zu qualifizieren (vgl. Art. 103 StGB) und weist damit grundsätzlich Bagatellcharakter auf. Der Umstand allein, dass es sich um eine Übertretung handelt, kann aber wie vorstehend dargelegt gerade nicht generell zur Bejahung einer unangemessenen Ausübung von Verfahrensrechten führen.

    2. In tatsächlicher Hinsicht umfasst der Vorwurf einen einzelnen, unkomplizierten Sachverhalt. So steht ausschliesslich der inkriminierte Fahrspurwechsel der Beschuldigten zur Diskussion. Dieser Sachverhalt weist aber in rechtlicher Hinsicht insofern Schwierigkeiten auf, da die der Beschuldigten vorgeworfenen Verkehrsregelverletzungen (Art. 34 Abs. 3 SVG; Art. 44 Abs. 1 SVG) allgemein umschrieben und dementsprechend auslegungsbedürftig sind. Für eine um

      fassende rechtliche Beurteilung ist damit auch die jeweilige Rechtsprechung zu berücksichtigen, was von einem juristischen Laien nicht uneingeschränkt verlangt werden kann. Sodann stellen sich dahingehend beweisrechtliche Schwierigkeiten, da zur Erstellung des massgeblichen Sachverhalts keine objektiven Beweismittel zur Verfügung stehen, sich das Statthalteramt hauptsächlich auf die Aussagen der weiteren am Unfall beteiligten Person stützte und diese Sachdarstellung von der Beschuldigten bestritten wird.

      3.3 Die Beschuldigte zog erst einen Verteidiger bei, nachdem das Statthalteramt aufgrund der ersten polizeilichen Ermittlung zum Schluss kam, sie habe sich einer einfachen Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG schuldig gemacht und sei deswegen zu büssen. Um sich gegen eine Verurteilung zur Wehr zu setzen blieb der Beschuldigten keine andere Möglichkeit, als Einsprache zu erheben, ansonsten der Strafbefehl zum rechtskräftigen Urteil geworden wäre (vgl. Art. 354 Abs. 3 StGB). Damit war für die Beschuldigte im Zeitpunkt der Einsprache nicht absehbar, dass das Statthalteramt im Anschluss an die ergänzende Untersuchung, insbesondere nach ihrer Einvernahme und der Zeugenbefragung, das Strafverfahren einstellen würde, nachdem es ihre Strafbarkeit im Strafbefehl bereits bejaht hatte. Entsprechend musste sie damit rechnen, dass das Statthalterat am Strafbefehl festhalten und das Hauptverfahren beim erstinstanzlichen Gericht durchgeführt wird.

        1. Sodann ist mit dem Verteidiger zu berücksichtigen, dass das gegen die Beschuldigte geführte Strafverfahren nicht nur zur Ausfällung einer Busse hätte führen können, sondern auch weitere Folgen insbesondere haftpflichtund versicherungsrechtlicher Natur hätte nach sich ziehen und auch bei allfälligen Administrativmassnahmen hätte berücksichtigt werden können.

        2. Aus den dargelegten Gründen hatte die Beschuldigte, nachdem das Statthalteramt gegen sie einen Strafbefehl erlassen hatte, objektiv begründeten Anlass, für das weitere Strafverfahren einen frei gewählten Verteidiger beizuziehen. Der Beizug des erbetenen Verteidigers war somit im Zeitpunkt der Mandatierung gerechtfertigt.

  4. Festsetzung des Honorars

    1. War der Beizug eines Verteidigers gerechtfertigt, sind die daraus entstandenen Kosten nach der Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 (AnwGebV, LS 215.3) zu vergüten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verteidigung in ihrem Umfang den Verhältnissen entsprechen muss. Die Bemühungen des Anwalts müssen sachbezogen und angemessen sein und in einem vernünftigen Verhältnis zur Wichtigkeit der Sache stehen (vgl. Schmid, a.a.O., N 1811).

    2. Der Verteidiger machte vor Vorinstanz gemäss seiner detaillierten Honorarnote vom 19. Juni 2012 für das Untersuchungsverfahren und das erstinstanzliche Verfahren eine Entschädigung von insgesamt Fr. 6'527.50 geltend, bestehend aus einem Zeitaufwand von 22.19 Stunden zu Fr. 250.sowie Barauslagen von Fr. 496.50 und Mehrwertsteuer (Urk. 11/5).

      1. Die Vorinstanz sprach der Beschuldigten eine Prozessentschädigung von pauschal Fr. 4'000.-, zuzüglich Barauslagen von rund Fr. 496.sowie Mehrwertsteuer von Fr. 359.70, mithin insgesamt Fr. 4'855.70 zu (Urk. 19 S. 13).

      2. Das Statthalteramt beantragt im vorliegenden Verfahren, der Beschuldigten sei eventualiter eine angemessene Prozessentschädigung im Rahmen von maximal Fr. 300.zuzusprechen (Urk. 30). Die Beschuldigte hat die von der Vorinstanz zugesprochene reduzierte Prozessentschädigung nicht beanstandet (vgl. Urk. 36).

      3. Nachstehend ist damit zu prüfen, ob die von der Vorinstanz zugesprochene Prozessentschädigung angemessen zu reduzieren ist.

    1. Gemäss Praxis ist bei der Festsetzung des Honorars des Verteidigers bei so genannten einfachen Standardverfahren von den in der Anwaltsgebühren verordnung angeführten Ansätzen auszugehen. Die Anwaltsgebührenverordnung ist jedoch so auszulegen, dass die Kosten der Verteidigung zumindest weitestgehend gedeckt sind. In Verfahren, die nicht zu den einfachen Standardfällen gezählt werden können, ist gestützt auf eine sachgerechte Auslegung der

      Anwaltsgebührenverordnung von der Honorarabrechnung des Verteidigers auszugehen. Diese ist auf ihre Angemessenheit hin zu prüfen (vgl. ZR 111 [2012] Nr. 16 E. 2.1.3 mit Hinweisen).

      1. Ob es sich um ein so genanntes einfaches Standardverfahren handelt, beurteilt sich nach den folgenden Kriterien: Aktenumfang, Anzahl der angeklagten Delikte, Komplexität und Schwierigkeit des Falles (sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht) sowie Bedeutung des Verfahrens für die betroffene Person.

      2. In Würdigung der gesamten Umstände handelte es sich beim vorliegenden Verfahren sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht um kein besonders schwieriges und aufwändiges Verfahren, sondern um ein einfaches Standardverfahren im Sinne der oben aufgeführten Rechtsprechung. Deshalb ist bei der Bemessung der Entschädigung für den Verteidiger von den in der Anwaltsgebührenverordnung angeführten Ansätzen auszugehen.

    1. Gemäss § 1 Abs. 2 AnwGebV setzt sich die Entschädigung aus der Gebühr und den notwendigen Auslagen zusammen. Die Gebühr für die Führung eines Strafprozesses (einschliesslich Vorbereitung des Parteivortrages und Teilnahme an der Hauptverhandlung) beträgt im Bereich der Zuständigkeit des Einzel gerichtes in der Regel Fr. 600.bis Fr. 8'000.- (§ 17 Abs. 1 lit. a AnwGebV). Innerhalb dieses Rahmens wird die Grundgebühr nach den besonderen Umstän- den, namentlich nach Art und Umfang der Bemühungen und Schwierigkeiten des Falles, bemessen (vgl. § 2 AnwGebV). Im Vorverfahren bemisst sich die Gebühr nach dem notwendigen Zeitaufwand der Vertretung (§ 16 Abs. 1 AnwGebV). Die Gebühr beträgt in der Regel Fr. 150.bis 350.pro Stunde (§ 3 AnwGebV). Sodann sind die notwendigen Auslagen, wie namentlich bezahlte Gerichtskosten, Reisespesen, Porti, Kosten für Telekommunikation und Fotokopien, zu entschädigen (§ 22 Abs. 1 AnwGebV).

    2. Für das Vorverfahren, mithin das gesamte Verfahren vor dem Statthalteramt, machte der Verteidiger gemäss seiner Honorarrechnung einen Zeitaufwand von 14.15 Stunden geltend. Hierzu ist zu beachten, dass die vorliegenden Untersuchungsakten keineswegs umfangreich sind. Unter der Berücksichtigung, dass in der ergänzenden Untersuchung die Beschuldigte sowie die weitere am Unfall beteiligte Person als Zeuge einvernommen wurden, erscheint der geltend gemachte Zeitaufwand noch angemessen.

      1. Bei der Bemessung des Stundenansatzes ist die schwere des Falles zu berücksichtigen. In tatsächlicher Hinsicht handelte es sich wie vorstehend dargelegt lediglich um einen einzelnen, unkomplizierten Sachverhalt. Für die Beweiswürdigung waren hauptsächlich die Aussagen der beiden am Unfall beteiligten Personen massgeblich, die es zu würdigen galt. In rechtlicher Hinsicht wies der Sachverhalt wie bereits dargelegt - nur insofern Schwierigkeiten auf, als dass die der Beschuldigten vorgeworfenen Verkehrsregelverletzungen allgemein umschrieben und dementsprechend auslegungsbedürftig sind. Unter Würdigung aller Umstände rechtfertigt sich damit ein Stundenansatz von Fr. 200.-.

      2. Somit resultiert ein Betrag von Fr. 2'830.- (14.15 Stunden x Fr. 200.-) für das gesamte Untersuchungsverfahren.

    1. Wie vorstehend erwähnt, ist einer beschuldigten Person für das Unter suchungsund erstinstanzliche Verfahren eine Pauschalentschädigung zuzusprechen. Angesichts der konkreten Bedeutung und Schwierigkeit des vorliegenden Falles sowie im Hinblick auf die durch den erbetenen Verteidiger getätigten Bemühungen erscheint für das erstinstanzliche Verfahren, innerhalb des weiten Rahmens von Fr. 600.bis Fr. 8'000.-, eine Grundgebühr von Fr. 1'500.angemessen.

    2. Der Verteidiger macht Barauslagen von insgesamt Fr. 496.50 geltend. Zu berücksichtigen bleibt allerdings, dass Kopien nicht mit Fr. 1.-, sondern lediglich mit Fr. 0.50 pro Stück zu entschädigen sind. Sodann sind die Fahrspesen nicht mit Fr. 1.-, sondern nur mit Fr. 0.70 pro Fahrkilometer zu vergüten. Für die Kopien wäre damit ein Betrag von Fr. 110.50 (221 Kopien x Fr. 0.50) statt Fr. 221.- und für die Fahrspesen Fr. 165.20 (236 km x Fr. 0.70) statt Fr. 236.zuzusprechen (vgl. hierzu den Leitfaden amtliche Mandate, Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, S. 47). Entsprechend wäre eine Kürzung von Fr. 181.30 (Fr. 110.50 + Fr. 70.80) vorzunehmen.

      Im Übrigen sind die geltend gemachten Barauslagen ausgewiesen und in ihrer Höhe nicht zu beanstanden. Damit wäre dem Verteidiger insgesamt Fr. 315.20 als Barauslagen zuzusprechen.

    3. Nach dem Gesagten würde sich die Entschädigung für den erbetenen Verteidiger der Beschuldigten wie folgt zusammen setzen:

      Barauslagen Fr. 315.20

      Zwischentotal Fr. 4'645.20

      8% Mehrwertsteuer Fr. 371.60

      Total Fr. 5'016.80

    4. Damit erscheint die Berufung unbegründet und ist deshalb abzuweisen. Da nur das Statthalteramt Berufung erhob, ist die von der Vorinstanz zugesprochene Prozessentschädigung an die Beschuldigte für die frei gewählte Verteidigung im Umfang von Fr. 4'855.70 zu bestätigen.

IV. Kostenund Entschädigungsfolge im Berufungsverfahren
  1. Im Berufungsverfahren erfolgt die Kostenverlegung nach Obsiegen und Unterliegen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Ausgangsgemäss - das Statthalteramt unterliegt im vorliegenden Verfahren sind die Kosten des Berufungsverfahrens auf die Staatskasse zu nehmen.

  2. Für das Berufungsverfahren ist der Beschuldigten für die anwaltliche Vertretung eine Prozessentschädigung von Fr. 800.aus der Gerichtskasse zuzusprechen (Art. 436 StPO i.V.m. Art. 429 StPO; § 18 und sinngemäss § 19 Abs. 2

i.V.m. § 9 und § 4 AnwGebV).

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Bülach, Einzelgericht, vom 19. Juni 2012, wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

    1. Die Beschuldigte ist nicht schuldig und wird freigesprochen.

    2. Die Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz. Die übrigen Kosten werden auf die Gerichtskasse genommen.

    3. ( )

    1. (Mitteilungen)

    2. (Rechtsmittelbelehrung)

  2. Schriftliche Mitteilung mit dem nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Die Berufung wird abgewiesen.

  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.

  3. Der Beschuldigten wird für das Untersuchungsund erstinstanzliche Verfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 4'855.70 und für das Berufungsverfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 800.für anwaltliche Verteidigung aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten

    • das Statthalteramt Bülach

    • die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

  1. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

    Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

    Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

    Obergericht des Kantons Zürich

    1. Strafkammer Zürich, 2. April 2013

Der Präsident:

Dr. F. Bollinger

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. M. Hauser

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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