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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SR190023: Obergericht des Kantons Zürich

Ein Gesuchsteller hat gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Uster Revision wegen fahrlässiger Körperverletzung eingereicht. Das Urteil verurteilte den Gesuchsteller zu einer Freiheitsstrafe, Geldstrafe und Busse. Der Gesuchsteller beantragt die Aufhebung des Urteils und einen Freispruch. Das Gericht entscheidet, dass das Revisionsgesuch rechtsmissbräuchlich ist und tritt nicht darauf ein. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Gesuchsteller auferlegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts SR190023

Kanton:ZH
Fallnummer:SR190023
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SR190023 vom 20.11.2019 (ZH)
Datum:20.11.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Fahrlässige Körperverletzung
Schlagwörter : Revision; Urteil; Gesuch; Gesuchsteller; Verfahren; Rechtsmittel; Revisionsverfahren; Revisionsgesuch; Verfahren; Bundesgericht; Beschuldigte; Berufung; Urteil; Sinne; Akten; Vorinstanz; Entscheid; Person; Befehl; Gericht; Tatsache; Sachen; Uster; Freiheits; Zustellung; Bezirksgericht; äftig
Rechtsnorm:Art. 125 StGB ;Art. 130 StPO ;Art. 132 StPO ;Art. 3 VRV ;Art. 31 SVG ;Art. 329 StPO ;Art. 379 StPO ;Art. 410 StPO ;Art. 412 StPO ;Art. 413 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 51 SVG ;Art. 59 StGB ;Art. 82 StPO ;Art. 90 SVG ;Art. 92 SVG ;
Referenz BGE:127 I 133; 130 IV 72; 145 IV 197;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SR190023

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SR190023-O/U/cwo

Mitwirkend: Die Oberrichter lic. iur. R. Naef, Präsident, lic. iur. M. Langmeier und lic. iur. Ch. Prinz sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. S. Maurer

Beschluss vom 20. November 2019

in Sachen

  1. ,

    Gesuchsteller

    gegen

    Staatsanwaltschaft See/Oberland,

    Gesuchsgegnerin

    betreffend fahrlässige Körperverletzung

    Revision gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Uster, Einzelgericht, vom 15. Juli 2019 (GG190014)

    Erwägungen:

    1. Prozessgeschichte
  1. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Uster vom 15. Juli 2019 wurde der Gesuchsteller wegen fahrlässiger Körperverletzung (Schikanestopp) im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB, vorsätzlichen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 92 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 51 Abs. 2 SVG (Führerflucht; einfacher Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV sowie Vergehens gegen das BG über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung im Sinne von Art. 105 AVIG schuldig gesprochen und mit einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten, einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 60.sowie einer Busse von Fr. 100.bestraft. Der Vollzug der Freiheitsund der Geldstrafe wurde aufgeschoben und die Probezeit auf 4 Jahre festgesetzt. Ferner wurde festgestellt, dass der Beschuldigte dem Privatkläger gegenüber dem Grundsatz nach schadenersatzpflichtig ist. Das Genugtuungsbegehren wurde auf den Zivilweg verwiesen. Schliesslich wurden die Kosten dem Beschuldigten auferlegt (Urk. 4/50 S. 3 f.). Gegen dieses Urteil meldete keine Partei Berufung an (vgl. Urk. 4/51). Es erwuchs in Rechtskraft.

  2. Mit Eingabe vom 15. Oktober 2019 stellte der Gesuchsteller ein Revisionsgesuch gegen dieses Strafurteil und beantragt zumindest sinngemäss (er spricht von Neubeurteilung) - dessen Aufhebung und damit einen Freispruch (Urk. 1). Die Akten der Vorinstanz wurden beigezogen (Urk. 4/1-52). Ein (weiterer) Schriftenwechsel drängt sich nicht auf (vgl. hinten II.).

  3. Der Gesuchsteller beantragt, das Verfahren zu sistieren (Urk. 1). Gemäss Art. 329 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 379 StPO ist ein Verfahren bloss zu sistieren, wenn sich im Verfahren ergibt, dass ein Urteil zurzeit nicht ergehen kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es ist nicht ersichtlich, weshalb das Revisionsgesuch des Gesuchstellers im jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden kann. Das vorliegende Revisionsverfahren ist demzufolge nicht zu sistieren.

  4. Der Beschuldigte bittet um Akteneinsicht und die Zustellung einer Kopie des Protokolls der Hauptverhandlung sowie eine schriftliche Begründung des Urteils (Urk. 1).

    1. Die Vorinstanz war, da sie das Urteil mündlich begründete und keine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren, keine Verwahrung, keine Behandlung nach Art. 59 Abs. 3 StGB keinen Freiheitsentzug von mehr als zwei Jahren aussprach, nicht gehalten, das Urteil schriftlich zu begründen (Art. 82 Abs. 1 StPO). In diesen Fällen wird den Parteien nachträglich bloss ein begründetes Urteil zugestellt, wenn eine Partei dies innert 10 Tagen nach Zustellung des Urteilsdispositivs verlangt eine Partei ein Rechtsmittel ergreift bzw. Berufung einlegt (Art. 82 Abs. 2 lit. a und b StPO; STOHNER, in: BSK StPO, 2. Aufl. 2014, N 7 zu Art. 82). Innert Frist wurde weder ein begründetes Urteil verlangt noch Berufung angemeldet. Die Vorinstanz ist bzw. war daher nicht gehalten, das Urteil schriftlich zu begründen.

    2. Diesem Entscheid ist jedoch eine Kopie des Protokolls der erstinstanzlichen Hauptverhandlung beizulegen.

    3. Die beigezogenen Akten des Bezirksgerichtes Uster werden diesem nach Abschluss des vorliegenden Verfahrens retourniert. Der Gesuchsteller ist daher gehalten, sich an das Bezirksgericht Uster zu wenden, sollte er an seinem Begehren um Akteneinsicht festhalten wollen.

  1. Revision
    1. Die Revision Wiederaufnahme ist ein ausserordentliches Rechtsmittel, welches es erlaubt, rechtskräftig erledigte Strafverfahren wieder aufzunehmen und den Fall so wieder neu zu beurteilen. Sie ist deshalb nur in engem Rahmen zulässig. Entsprechend streng sind die Voraussetzungen einer Revision (HEER, in: BSK StPO, a.a.O., N 4 und 9 zu Art. 410; SCHMID/JOSITSCH, Praxiskommentar StPO, 3. Aufl. 2017, N 1 zu Art. 410). Die Revisionsgründe sind in Art. 410 Abs. 1 und 2 StPO abschliessend genannt.

      Wer durch ein rechtskräftiges Urteil beschwert ist, kann gemäss Art. 410 Abs. 1 StPO die Revision verlangen, wenn:

      • neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch, eine wesentlich mildere wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen (lit. a)

      • der Entscheid mit einem späteren Strafentscheid, der den gleichen Sachverhalt betrifft, in unverträglichem Widerspruch steht (lit. b)

      • sich in einem anderen Strafverfahren erweist, dass durch eine strafbare Handlung auf das Ergebnis des Verfahrens eingewirkt worden ist (lit. c)

      Darüber hinaus kann nach Art. 410 Abs. 2 StPO unter bestimmten Voraussetzungen Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verlangt werden (HEER, a.a.O., N 14 und 34 ff. zu Art. 410 StPO; SCHMID/JOSITSCH, a.a.O., Art. 410 N 12 ff.).

    2. Der Gesuchsteller führt zur Begründung seines Revisionsgesuches sinngemäss an, es sei der Sachverhalt unvollständig unrichtig festgestellt worden. Zudem seien nicht alle Beweismittel geprüft worden. Schliesslich würden Rechtsverletzungen vorliegen, es seien schwerwiegende Fehler im Verfahren gemacht und die Zeugenaussagen nicht richtig gewürdigt worden, weshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen sei (Urk. 1). Der Beschuldigte führt somit keinen Revisionsgrund gemäss Art. 410 StPO an, sondern möchte offensichtlich, dass das Urteil vom 15. Juli 2019 nochmals überprüft wird.

    3. Das Revisionsverfahren dient jedoch nicht dazu, rechtskräftige Entscheide erneut infrage zu stellen gesetzliche Vorschriften über die Rechtsmittelfristen bzw. die Zulässigkeit von neuen Tatsachen im Rechtsmittelverfahren zu umgehen (Urteil des Bundesgerichtes 6B_505/2017 vom 15. Februar 2018 E. 1.1 mit Verweis auf BGE 130 IV 72 E. 2.2 und BGE 127 I 133 E. 6; je mit Hinweisen). Vielmehr hielt das Bundesgericht in BGE 145 IV 197 Folgendes fest (E. 1.1):

      Ein Gesuch um Revision eines Strafbefehls muss als missbräuchlich qualifiziert werden, wenn es sich auf Tatsachen stützt, die der verurteilten Person von Anfang an bekannt waren, die sie ohne schützenswerten Grund verschwieg und die sie in einem ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können, welches auf Einsprache hin eingeleitet worden wäre. Demgegenüber kann die Revision eines Strafbefehls in Betracht kommen wegen wichtiger Tatsachen Beweismittel, die die verurteilte Person im Zeitpunkt, als der Strafbefehl erging, nicht kannte die schon damals geltend zu machen für ihn unmöglich waren keine Veranlassung bestand (BGE 130 IV 72 E. 2.3 S. 75 f.). Rechtsmissbrauch ist nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob unter den gegebenen Umständen das Revisionsgesuch dazu dient, den ordentlichen Rechtsweg zu umgehen (vgl. BGE 130 IV 72 E. 2.2 S. 74 und E. 2.4 S. 76).

      Diese Erwägungen gelten nicht nur für Revisionsgesuche gegen Strafbefehle, sondern auch für erstinstanzliche Urteile. Ein Revisionsverfahren dient nämlich nicht dazu, eine falsche Beweiswürdigung des urteilenden Gerichts zu korrigieren (Urteil des Bundesgerichtes 6B_729/2016 vom 23. Dezember 2016 E. 1.4 mit Verweis auf BGE 130 IV 72 E. 2.2).

      Der Beschuldigte hätte die von ihm im vorliegenden Revisionsverfahren vorgebrachten Einwendungen gegen das vorinstanzliche Urteil ohne Weiteres im Rahmen eines ordentlichen Rechtsmittelverfahrens gegen das Urteil vom 15. Juli 2019 vorbringen können respektive müssen. Auf dem ihm abgegebenen Urteilsdispositiv (vgl. Prot. I S. 23) war explizit aufgeführt, dass gegen dieses eine Berufung innerhalb von 10 Tagen ab Zustellung angemeldet werden könne (Urk. 4/50

      S. 4). Der Gesuchsteller hätte sich demnach mittels Berufung gegen das vorinstanzliche Urteil wenden müssen. Indem der Gesuchsteller erst im vorliegenden Revisionsverfahren die Aufhebung seiner rechtskräftigen Verurteilung erreichen will, erscheint sein Gesuch als Mittel, den ordentlichen Rechtsmittelweg zu umgehen. Nachdem es der Gesuchsteller selbstverschuldet versäumt hat, die Frist zur Anmeldung einer Berufung einzuhalten, und eine Revision nicht dazu da ist, verpasste Rechtsmittelmöglichkeiten zu ersetzen, muss sein Gesuch als rechtsmissbräuchlich qualifiziert werden.

    4. Das Revisionsverfahren gemäss StPO gliedert sich grundsätzlich in zwei Phasen, nämlich eine Vorprüfung (Art. 412 Abs. 1 und 2 StPO) sowie eine materielle Prüfung der geltend gemachten Revisionsgründe (Art. 412 Abs. 3 und 4 sowie Art. 413 StPO). Gemäss Art. 412 Abs. 2 StPO tritt das Gericht auf das Revisionsgesuch nicht ein, wenn es offensichtlich unzulässig unbegründet ist es mit den gleichen Vorbringen schon früher gestellt und abgelehnt wurde. Das vorliegende Revisionsgesuch ist wie soeben dargelegt rechtsmissbräuchlich und damit offensichtlich unbegründet. In Anwendung von Art. 412 Abs. 2 StPO ist auf dieses somit nicht einzutreten.

    5. Der Gesuchsteller macht schliesslich zumindest sinngemäss geltend, er hätte bereits im Strafverfahren, das zum angefochtenen Strafbefehl führte, verteidigt werden müssen (Urk. 1). Die Tatsache, dass ein Verurteilter keinen Verteidiger zur Seite hatte, wird nicht als Revisionsgrund anerkannt (HEER, a.a.O., N 54 zu Art. 410 mit Verweis auf das Urteil des Bundesgerichtes 6B_186/2011 vom 10. Juni 2011 E. 2.6). Auch diesbezüglich ist damit auf das Revisionsgesuch des Gesuchstellers in Anwendung von Art. 412 Abs. 2 StPO nicht einzutreten.

  2. Kosten
  1. Gemäss Art. 428 StPO tragen die Parteien die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens. Ausgangsgemäss sind die Kosten des Revisionsverfahrens mit einer Gerichtsgebühr von Fr. 600.- dem unterliegenden Gesuchsteller aufzuerlegen.

  2. Soweit der Gesuchsteller den Antrag stellt, ihm sei für das (vorliegende) Revisionsverfahren ein amtlicher Verteidiger zu bestellen (Urk. 1), ist darauf hinzuweisen, dass kein Fall notwendiger Verteidigung im Sinne von Art. 130 StPO vorliegt. Zu prüfen ist, ob dem Gesuchsteller eine amtliche Verteidigung gemäss Art. 132 StPO beizugeben ist. Auch hier ist gerade bei Rechtsmittelverfahren - nebst der Bedürftigkeit der betreffenden Person zu prüfen, welche Aussichten das Rechtsmittel hat (RUCKSTUHL, in: BSK StPO, a.a.O., N 10 zu Art. 132). Das vorliegende Begehren war offensichtlich unzulässig bzw. unbegründet, mithin aus-

sichtslos, weshalb der Antrag auf Bestellung eines amtlichen Verteidigers abzuweisen ist.

Es wird beschlossen:

  1. Auf das Revisionsgesuch des Gesuchstellers vom 15. Oktober 2019 wird nicht eingetreten.

  2. Das Gesuch um Bestellung eines amtlichen Verteidigers wird abgewiesen.

  3. Die Gerichtsgebühr für das Revisionsverfahren wird auf Fr. 600.festgesetzt.

  4. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Gesuchsteller auferlegt.

  5. Schriftliche Mitteilung an

    • den Beschuldigten (unter Beilage einer Kopie des erstinstanzlichen Hauptverhandlungsprotokolls)

    • die Staatsanwaltschaft See/Oberland

    • den Privatkläger

      sowie nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist resp. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz (unter Rücksendung der beigezogenen Akten [Urk. 4/1-52]).

  6. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 20. November 2019

Der Präsident:

lic. iur. R. Naef

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. S. Maurer

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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