E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SR160003: Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Revisionsverfahren entschieden, dass das Revisionsgesuch des Gesuchstellers abgewiesen wird. Es ging um die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Gesuchstellers zum Zeitpunkt der begangenen Delikte. Die Gutachter kamen zu dem Schluss, dass keine ausreichenden Gründe vorliegen, um einen Freispruch oder eine wesentlich mildere Bestrafung zu rechtfertigen. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Gesuchsteller auferlegt. Der Entscheid kann beim Bundesgericht angefochten werden.

Urteilsdetails des Kantongerichts SR160003

Kanton:ZH
Fallnummer:SR160003
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SR160003 vom 29.11.2016 (ZH)
Datum:29.11.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Revision
Schlagwörter : Gesuch; Gesuchsteller; Gesuchstellers; Gutachten; Urteil; Revision; Diagnose; Tatzeitpunkt; Verfahren; Gutachter; Kanton; Steuerung; Kantons; Gericht; Verteidigung; Steuerungs; Urteils; Schuldfähigkeit; Tatsache; Störung; Symptomatik; Entscheid; Steuerungsfähigkeit; Ärzte; Kammer; Abteilung; Erwachsene; Hinweis; Persönlichkeitsstörung
Rechtsnorm:Art. 135 StPO ;Art. 20 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 410 StPO ;Art. 411 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 59 StGB ;Art. 61 StGB ;Art. 65 StGB ;Art. 80 StGB ;
Referenz BGE:116 IV 353; 122 IV 66; 125 V 351; 130 IV 72; 99 IV 183;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SR160003

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SR160003-O/U/hb

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, und lic. iur. Ruggli, Ersatzoberrichter lic. iur. Wenker sowie der Gerichtsschreiber lic. iur. Berchtold

Beschluss vom 29. November 2016

in Sachen

A. ,

Gesuchsteller

amtlich verteidigt durch Rechtsanwältin lic. iur. X.

gegen

Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich,

Gesuchsgegnerin betreffend Revision

Revisionsgesuch gegen ein Urteil des Obergerichts Kanton Zürich,
  1. Strafkammer, vom 18. November 2013 (SB130294)

    Erwägungen:

    1. Prozessgeschichte
    1. Hintergrund des vorliegenden Verfahrens bilden zunächst die rechtskräftigen Verurteilungen des Beschuldigten einerseits durch Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 8. Abteilung, vom 22. März 2013 wegen mehrfachen Diebstahls, mehrfachen Hausfriedensbruchs, mehrfacher Sachbeschädigung, Drohung, Widerhandlung gegen das Waffengesetz und Tätlichkeiten (Urk. 8/86) sowie andererseits durch Urteil des Obergerichts Zürich, I. Strafkammer, vom 18. November 2013 wegen versuchter schwerer Körperverletzung, versuchter einfacher Körperverletzung und Tätlichkeiten (Urk. 8/106). Mit letzterem Verdikt war der Beschuldigte mit insgesamt 4 Jahren und 9 Monaten Freiheitsstrafe sowie mit Fr. 600.- Busse bestraft worden (Urk. 8/106 S. 66).

    2. Mit Eingabe an die Abteilung Strafvollzug des Amtes für Justizvollzug des Kantons Zürich beantragte die amtliche Verteidigerin den Vollzug dieser Strafe in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (nachfolgend: PUK) gemäss Art. 80 StGB sowie die nachträgliche Änderung der Sanktion in eine stationäre Behandlung gemäss Art. 61 StGB (Massnahme für junge Erwachsene), allenfalls Art. 59 StGB (Behandlung von psychischen Störungen). Weiter wurde beantragt, zu diesem Zweck eine Begutachtung bei einem Sachverständigen wie Prof. Dr. med. B. von der PUK zu veranlassen (Urk. 30/3 [Beizugsakten DA150019]).

  1. Mit Eingabe vom 3. Februar 2016 samt Beilagen liess der Gesuchsteller neben diversen prozessualen Anträgen folgende Revisionsbegehren stellen, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden (Urk. 1 und Urk. 2/1-16):

    1. In Gutheissung der Revision sei das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 18.11.13 Ziff. 1 lit. a und Ziff. 2, 4, 5, 7 des Dispositivs (S. 66) des Urteils aufzuheben und der Gesuchsteller sei vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB freizusprechen.

    1. Es sei Ziff. 2 des Dispositivs des angefochtenen Urteils in dem Sinne aufzuheben, dass eine Freiheitsstrafe von einem Jahr angeordnet und aufgeschoben wird zu Gunsten einer stationären und/oder ambulanten Massnahme.

    2. Subeventualiter sei die Sache in Bezug auf die Ziff. 1 lit. a, Ziff. 2, 4, 5 der Erkenntnisse (S. 66) zur Neubeurteilung und zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    3. Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie des vorinstanzlichen Verfahrens seien auf die Gerichtskasse zu nehmen, eventualiter dem Gesuchsteller höchstens zu einem Viertel aufzuerlegen und es sei dem Gesuchsteller für alle Verfahrensstufen eine angemessene Entschädigung des Kantons Zürich zuzusprechen.

    1. Die Akten der genannten Verfahren der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sowie des Bezirksgerichts Zürich, 8. Abteilung, wurden im vorliegenden Verfahren mit Präsidialverfügung vom 4. März 2016 formell beigezogen. Mit nämlicher Verfügung wurde zudem der Gesuchsgegnerin Frist zur Stellungnahme zum Gesuch des Gesuchstellers um Erteilung der aufschiebenden Wirkung angesetzt (Urk. 6). Nachdem sich die Gesuchsgegnerin nicht verlauten liess, wurde dem Revisionsgesuch mit Beschluss vom 21. März 2016 die aufschiebende Wirkung erteilt und es wurde dieses der Gesuchsgegnerin sowie dem Privatkläger und der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich zur freigestellten Stellungnahme zugestellt (Urk. 9). Letztere erklärten am 29. März 2016 Verzicht auf Stellungnahme (Urk. 11 und Urk. 17).

    2. Mit Eingabe vom 30. März 2016 stellte die Gesuchsgegnerin bei der hiesigen Kammer einen Antrag auf Anordnung der Sicherheitshaft (Urk. 13), welcher mit Verfügung vom 31. März 2016 zuständigkeitshalber dem Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich weitergeleitet wurde (Urk. 14). Dieses ordnete mit Verfügung vom 1. April 2016 die Sicherheitshaft und deren Vollzug in modifizierter Form in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, Rheinau, an, und übermittelte die Akten dem Berufungsgericht zur richterlichen Prüfung der Sicherheitshaft

      (Urk. 18/2). Nachdem der Gesuchsteller sinngemäss auf die aufschiebende Wirkung des Revisionsgesuchs verzichtet hatte (vgl. Urk. 20), wurde dieser Verzicht mit Präsidialverfügung vom 5. April 2016 vorgemerkt (Urk. 22).

    3. Mit Präsidialverfügung vom 28. April 2016 wurde Rechtsanwältin lic. iur.

      1. als amtliche Verteidigerin bestellt. Das Gesuch des Gesuchstellers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wurde demgegenüber abgewiesen (Urk. 28). Mit Beschluss vom 28. April 2016 liess das Bezirksgericht Zürich,

        8. Abteilung, der hiesigen Kammer schliesslich die Akten seines Verfahrens DA150019 mitsamt dem Gutachten von Prof. Dr. med. B. vom 22. April 2016 (nachfolgend: Gutachten B. ) zukommen und sistierte das dortige Verfahren bis zum Abschluss des vorliegenden Revisionsprozesses (Urk. 31 und Urk. 32).

    4. Am 13. Mai 2016 beschloss die hiesige Kammer, ein ergänzendes Gutachten über das Vorliegen der Schuldfähigkeit des Gesuchstellers im Tatzeitpunkt einzuholen, und es wurde Dr. med. C. zur Gutachterin bestellt. Den Parteien wurde Frist zur Stellungnahme zur Gutachterin sowie zur Stellung von Ergänzungsfragen eingeräumt (Urk. 34). Am 15. Juni 2016 reichte die amtliche Verteidigerin zwei schriftliche Berichte zu den Akten und liess eine Zusatzfrage an die Gutachterin stellen (Urk. 36 und Urk. 37/1-2). Der Gutachtensauftrag wurde am

      16. Juni 2016 erteilt (Urk. 38 und Urk. 39).

    5. Am 25. Juli 2016 erstattete Dr. med. C. ihr Gutachten (Urk. 41; nachfolgend: Gutachten C. ), welches den Parteien mit Präsidialverfügung vom

  1. August 2016 zur Stellungnahme zugestellt wurde (Urk. 45). Der Privatkläger

    liess mit Eingabe seines Vertreters vom 5. August 2016 auf solche verzichten (Urk. 47), während die amtliche Verteidigerin mit Eingabe vom 25. August 2016 samt Beilagen zum Gutachten Stellung nahm (Urk. 48 und Urk. 49/1-3). Im Nachgang reichte die amtliche Verteidigerin am 2. September 2016 weitere Unterlagen zu den Akten (Urk. 50 und Urk. 51/1-3).

  2. Das Verfahren ist spruchreif.

    1. Revision
        1. Die Revision Wiederaufnahme ist ein ausserordentliches Rechtsmittel, welches zur Durchbrechung der Rechtskraft eines Entscheides führt und deshalb nur in engem Rahmen zulässig ist. Entsprechend streng sind die Voraussetzungen (BSK StPO-Heer, N 4 und 9 zu Art. 410 StPO; Niklaus Schmid, Praxiskommentar StPO, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013, N 1 zu Art. 410).

        2. Wer durch ein rechtskräftiges Urteil beschwert ist, kann gemäss Art. 410 Abs. 1 StPO Revision verlangen, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch, eine wesentlich mildere wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen

          (lit. a), wenn der Entscheid mit einem späteren Strafentscheid, der den gleichen Sachverhalt betrifft, in unverträglichem Widerspruch steht (lit. b) wenn sich in einem anderen Strafverfahren erweist, dass durch eine strafbare Handlung auf das Ergebnis des Verfahrens eingewirkt worden ist (lit. c). Bei all diesen Revisionsgründen geht es allein um eine veränderte tatsächliche Grundlage des Urteils, grundsätzlich aber nicht um deren Bewertung und vor allem nicht um die rechtliche Beurteilung (Niklaus Schmid, Handbuch StPO, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013, N 1591).

        3. Revisionsgesuche sind schriftlich und begründet beim Berufungsgericht einzureichen. Im Gesuch sind die angerufenen Revisionsgründe zu bezeichnen und zu belegen (Art. 411 Abs. 1 StPO).

      2. Der Gesuchsteller macht zusammengefasst geltend, sein schlechter psychischer Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Tat sei im angefochtenen Entscheid nicht berücksichtigt worden. Die Vorinstanzen hätten kein Gutachten im Sinne von Art. 20 StGB veranlasst, obschon damals bereits schwerwiegende psychische Störungen vorgelegen hätten, welche zu einem Freispruch zumindest zu einer wesentlich milderen Strafe verbunden mit einer stationären/ambulanten Massnahme geführt hätten (Urk. 1). Der Gesuchsteller beruft sich damit auf den Revisionsgrund neuer Tatsachen Beweismittel im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO.

        1. Neu sind Tatsachen und Beweismittel, wenn sie dem Gericht zur Zeit der Urteilsfällung nicht zur Kenntnis gelangt sind, das heisst ihm überhaupt nicht in irgend einer Form vorlagen, wenn sie im Zeitpunkt des zu revidierenden Urteils zwar vorhanden waren, vom ursprünglichen Richter in seinem Entscheid aber aus welchen Gründen auch immer - nicht berücksichtigt wurden bzw. nicht berücksichtigt werden konnten, nicht aber dann, wenn der Richter deren Tragweite anders gewürdigt hat (Urteil des Bundesgerichtes 6B_56/2012 vom 7. Mai 2012

          mit Hinweis auf BGE 130 IV 72 E. 1, BGE 122 IV 66 ff. und BGE 116 IV 353

          E. 3a; BGE 99 IV 183 f.; Niklaus Schmid, Handbuch StPO, a.a.O., N 1594). Die Neuheit ist somit ausgeschlossen, wenn sich sinngemäss aus dem Urteil ergibt, dass der fragliche Umstand vom Richter mitberücksichtigt wurde. Zudem fehlt es an der Neuheit, wenn eine im früheren Entscheid diskutierte Beweisfrage mit den bisherigen neuen Beweisen wie Zeugen, Sachverständigen etc. wieder aufgerollt werden soll, ohne dass neue Tatsachen eingeführt werden. Eine bloss andere neue bzw. angeblich bessere Würdigung der bereits im ersten Verfahren bekannten Tatsachen ist grundsätzlich kein Wiederaufnahmegrund. Insbesondere ist es nicht möglich, eine im früheren Entscheid diskutierte Streitfrage, z.B. über das Vorhandensein einer verminderten Schuldfähigkeit, ohne neue Tatsachen

          (z.B. einen bisher nicht erkannten psychischen Zustand) mit der Revision anzu-

          fechten bzw. mit einem Gutachten erneut aufzurollen (Niklaus Schmid, Handbuch StPO, a.a.O., N 1595, u.a. mit Verweis auf das Urteil des Bundesgerichtes 6B_658/2012 vom 2. Mai 2013 E. 1.4.2). Den neuen Tatsachen Beweismitteln muss zudem eine gewisse Erheblichkeit zukommen, um revisionsbegründend zu sein. Dies ist der Fall, wenn sie geeignet sind, die Beweisgrundlage des früheren Urteils so zu erschüttern, dass ein neues Urteil ausgehend von den verän- derten Umständen wesentlich milder ausfallen kann dass ein Teilfreispruch in Betracht fällt. Dabei ist an die Voraussetzung des wesentlich milderen Urteils kein strenger Massstab anzulegen. Möglich ist eine Änderung des früheren Urteils, wenn sie sicher, höchstwahrscheinlich wahrscheinlich ist (Urteil des Bundesgerichtes 6S.452/2004 vom 1. Oktober 2005 E. 2.2. mit Hinweisen).

        2. Generell kommt der gesuchstellenden Partei im Revisionsverfahren eine umfassende Behauptungsund Beweisführungslast zu (BSK StPO-Heer, N 12 zu Art. 410). Es ist jedoch zu unterscheiden zwischen den Anforderungen an den Nachweis der neuen Tatsache respektive des neuen Beweismittels einerseits sowie der Wahrscheinlichkeit der Veränderung der Urteilsgrundlagen, die erforderlich sind, damit eine Revision zugelassen werden kann, andererseits. Während die Anforderungen an den Nachweis der Noven nicht allzu streng sind - diese sind lediglich glaubhaft zu machen -, ist für die Wahrscheinlichkeit der Veränderung der Urteilsgrundlagen vorausgesetzt, dass eine vernünftige Aussicht dafür besteht, dass die einen Schuldspruch tragenden Feststellungen erschüttert werden. Die Herabsetzung der Schwelle auf die Stufe der blossen Möglichkeit würde die Aufhebung der Rechtskraft des früheren Urteils demgegenüber unter allzu einfachen Bedingungen ermöglichen, während es aus den gleichen Gründen nicht angebracht erscheint, in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des früheren Urteils ausreichen zu lassen. Andererseits wäre es auch zu streng zu fordern, es müsse mit Sicherheit grosser Wahrscheinlichkeit mit einer Änderung des früheren Urteils gerechnet werden, damit den Anforderungen der Revision genügt wäre (BSK StPO-Heer, N 4 ff. zu Art. 413 mit Hinweisen).

        3. Im Rahmen des Vollzugs gewonnene Erkenntnisse über den psychischen Zustand einer verurteilten Person, die allerdings in dieser Form bereits im Zeitpunkt des Hauptverfahrens bestanden haben müssen, fallen als Revisionsgrund in Betracht. Die blosse Behauptung, es liege eine Verminderung der Schuldfähigkeit vor, reicht dabei jedoch nicht aus. Der Gesuchsteller ist beweisbelastet (BSK StPO-Heer, Art. 410 N 72). Ein aufgrund vorgebrachter konkreter Anhaltspunkte eingeholtes neues Gutachten kann Anlass zur Wiederaufnahme geben, wenn es neue Tatsachen nachweist darzutun vermag, dass die tatsächlichen Annahmen im früheren Urteil ungenau falsch waren. Dabei kann es sich auch um ein Privatgutachten handeln (BGer 6B_413/2016 vom 2. August 2016 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Privatgutachten haben jedoch nicht den gleichen Stellenwert wie ein Gutachten, das von der Untersuchungsbehörde vom Gericht eingeholt wurde. Nach der konstanten Praxis des Bundesgerichts, welche auch unter der Gel-

      tung der StPO nicht in Frage gestellt wird, sind Privatgutachten bloss Bestandteil der Parteivorbringen. Die Qualität von Beweismitteln kommt ihnen nicht zu. Immerhin können solche Unterlagen dazu dienen, einen Revisionsgrund glaubhaft zu machen (Urteil des Bundesgerichtes 6B_215/2013 vom 27.01.2014 E. 1.2 mit Hinweisen; BSK StPO-Heer, N 64 zu Art. 410).

        1. Zunächst ist festzuhalten, dass die Frage der verminderten Schuldfähigkeit des Gesuchstellers zu den Tatzeitpunkten weder im erstinstanzlichen Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 8. Abteilung, vom 22. März 2013 (Urk. 8/86) noch im angefochtenen Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 18. November 2013 (Urk. 8/106) thematisiert respektive geprüft wurde. Im zweitinstanzlichen Erkenntnis wurde vielmehr einzig erwogen, dass Rechtfertigungsund Schuldausschlussgründe weder vom Gesuchsteller geltend gemacht wurden noch ersichtlich seien. Es sei der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass der Gesuchsteller solche angesichts des erstellten Sachverhalts auch nicht mit Erfolg hätte geltend machen können (Urk. 8/106 S. 47). In beiden Verfahren wurde nicht in Betracht gezogen und damit auch nicht bewusst darauf verzichtet, ein Gutachten über den psychischen Gesundheitszustand des Gesuchstellers einzuholen. Im Rahmen der Strafzumessung zur versuchten schweren Körperverletzung gemäss Hauptdossier sowie der Delikte gemäss Nebendossier 5 wurde eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit wiederum verneint, die enthemmende Wirkung des vom Gesuchsteller konsumierten Alkohols jedoch als spürbar respektive merklich entlastend berücksichtigt (Urk. 8/106 S. 55 und 57).

        2. Sämtliche bei den Akten liegenden zeitlich nach dem Urteil vom 18. November 2013 erstellten Gutachten, Berichte Stellungnahmen sind keine neuen Beweismittel im Sinne der obigen Erwägungen. Zur Diskussion stehen jedoch allfällige durch diese Urkunden nachgewiesene neue Tatsachen (vgl. BSK StPOHeer, Art. 410 N 62). Im Gegensatz zur in den verurteilenden Erkenntnissen berücksichtigten Alkoholisierung des Gesuchstellers wäre eine im Tatzeitpunkt bestehende psychische Störung nach dem Gesagten zweifelsohne im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO als neue Tatsache zu qualifizieren, auch wenn sie sich erst durch die nachträglich erstellten Urkunden ergeben würde. Sofern diese neue

      Tatsache zudem zur Annahme führen würde, dass die Schuldfähigkeit des Gesuchstellers im Tatzeitpunkt erheblich eingeschränkt war, wäre sie darüber hinaus

      • in Übereinstimmung mit den Vorbringen des Gesuchstellers (Urk. 1 S. 15 ff.) grundsätzlich geeignet, einen Freispruch eine wesentlich mildere Bestrafung des Beschuldigten (allenfalls in Verbindung mit der Anordnung einer Massnahme) zu bewirken und daher erheblich im Sinne der Revisionsbestimmung. Es ist mithin im Folgenden zu prüfen, ob es dem Gesuchsteller mit den seit dem Entscheid der Berufungskammer erhältlich gemachten Beweismitteln gelingt, eine derart relevante Einschränkung seiner Schuldfähigkeit im Tatzeitpunkt zu beweisen.

        5.1. In Entsprechung des eingangs erwähnten Antrags der amtlichen Verteidigung wurde im parallel zum vorliegenden Verfahren vor dem Bezirksgericht Zürich,

        8. Abteilung, geführten Prozess betreffend nachträgliche Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme (Art. 65 Abs. 1 StGB) bei Prof. Dr. med.

        B. ein Gutachten in Auftrag gegeben (Gutachten B. ). Das Gutachten

        wurde von Prof. Dr. med. B. gemeinsam mit Dr. med. C. erarbeitet und datiert vom 22. April 2016 (Urk. 31).

            1. Das Gutachten B. befasst sich hauptsächlich mit dem heutigen körperlichen und geistigen Zustand des Gesuchstellers sowie den Voraussetzungen einer stationären Massnahme, da dies die zentrale Fragestellung im Verfahren betreffend nachträgliche Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme (Art. 65 Abs. 1 StGB) betrifft. Daneben wird im Gutachten B. jedoch auch der im vorliegenden Revisionsverfahren interessierende Gesundheitszustand des Gesuchstellers zur Zeit der ihm nachgewiesenen Taten analysiert.

            2. Die Gutachter kommen zusammenfassend zu folgenden Erkenntnissen: Beim Gesuchsteller bestehe eine im Erwachsenenalter persistierende Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts(ADHS)-Symptomatik bei einer Vorgeschichte einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (IDC-10: F90.1) in der Kindheit. Diese Symptomatik habe auch zur Zeit der ihm nachgewiesenen Taten bestanden, habe aber sehr wahrscheinlich nicht den Ausprägungsgrad einer schweren psychischen Störung gehabt. Den heutigen Angaben des Gesuchstellers folgend habe möglicherweise auch eine Anpassungsstörung mit vorwiegender Stö-

        rung des Sozialverhaltens (ICD-10: F43.24) bestanden. Diese Diagnose könne aber nicht sicher gestellt werden. Im Zeitpunkt der Delinquenz habe beim Gesuchsteller ein Alkoholmissbrauch bestanden, welcher dessen Angaben folgend möglicherweise das Ausmass einer Alkoholabhängigkeit erreicht habe. Auch diese Diagnose könne nicht sicher gestellt werden. Zur Zeit der Taten habe beim Gesuchsteller weiter eine erheblich gestörte Persönlichkeitsentwicklung mit Hinwendung zum dissozialen Milieu bestanden (Urk. 31 S. 92). Die vom Gesuchsteller begangenen Straftaten stünden primär in Zusammenhang mit seiner bewussten Hinwendung zu einem dissozialen Lebensstil in der damaligen Lebensphase. Als konstellative Faktoren seien ausserdem seine im Erwachsenenalter persistierende ADHS-Symptomatik, sein Alkoholmissbrauch und möglicherweise eine Anpassungsstörung mit überwiegender Störung des Sozialverhaltens bedeutsam (Urk. 31 S. 93).

            1. Nicht gestellt und daher auch nicht beantwortet wird im Gutachten B. die zur Beurteilung der Schuldfähigkeit des Gesuchstellers im Tatzeitpunkt entscheidende Frage nach seiner Einsichtsund Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung. Aus diesem Grund wurde von der erkennenden Kammer eine ergänzende Begutachtung in Auftrag gegeben. Aufgrund der starken Auslastung Prof. Dr. med. B. s wurde im Einverständnis mit den Parteien - Dr. med. C. mit der Ausfertigung des Ergänzungsgutachtens beauftragt (Urk. 26; Urk. 38+39).

            2. Dr. med. C. hält in ihrem Gutachten vom 25. Juli 2016 (Gutachten C. ) in Übereinstimmung mit Prof. Dr. med. B. (Urk. 31 S. 87) zunächst zusammenfassend fest, dass der Schweregrad der im Deliktzeitraum vorgelegenen psychischen Störungen und das Ausmass etwaig vorhandener psychopathologischer Auffälligkeiten heute kaum mehr sachgerecht zu rekonstruieren seien. Es gebe keine eindeutigen, objektiven Hinweise auf schwerwiegende,

        forensisch-psychiatrisch relevante psychopathologische Beeinträchtigungen, welche für eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit sprächen. Bezüglich des Delikts vom 14. November 2010 (HD) könnte gestützt auf die heutigen subjektiven Schilderungen des Gesuchstellers im Rahmen der Begutachtung neben dem vorbestehenden ADHS von einer emotionalen Labilisierung im Deliktsvorfeld sowie von einer akuten Alkoholisierung im Rahmen eines süchtigen Alkoholkonsums ausgegangen werden, welche die Handlungsspielräume des Gesuchstellers eingeschränkt haben könnten. Aufgrund der auch bei dieser Hypothese gegebenen Einbindung der Gewaltdelinquenz des Gesuchstellers in seine damalige Aggressionsbejahung und dissoziale Verhaltensbereitschaft wäre gemäss Gutachterin dann von einer zwar forensisch-psychiatrisch relevanten, innerhalb dieses Spektrums aber nur leichten Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auszugehen. Für die Delikte vom 7./8. September 2010 (ND 3 und 4) und

        1. November 2010 (ND 5) gebe es keine Hinweise auf eine Einschränkung der

          Steuerungsfähigkeit zu den jeweiligen Deliktszeitpunkten (Urk. 41 S. 36).

            1. Der Richter weicht bei Gerichtsgutachten nach der Praxis nicht ohne zwingende Gründe von der Einschätzung des medizinischen Experten ab, dessen Aufgabe es ist, seine Fachkenntnisse der Gerichtsbarkeit zur Verfügung zu stellen, um einen bestimmten Sachverhalt medizinisch zu erfassen. Ein Abweichen ist zulässig, wenn die Glaubwürdigkeit des Gutachtens durch die Umstände ernsthaft erschüttert ist. Ein Grund zum Abweichen kann vorliegen, wenn die Gerichtsexpertise widersprüchlich ist wenn ein vom Gericht eingeholtes Obergutachten in überzeugender Weise zu anderen Schlussfolgerungen gelangt. Eine abweichende Beurteilung kann ferner gerechtfertigt sein, wenn gegensätzliche Meinungsäusserungen anderer Fachexperten dem Richter als triftig genug erscheinen, die Schlüssigkeit des Gerichtsgutachtens in Frage zu stellen, sei es, dass er die Überprüfung durch einen Oberexperten für angezeigt hält, sei es, dass er ohne Oberexpertise vom Ergebnis des Gerichtsgutachtens abweichende Schlussfolgerungen zieht (Urteile des Bundesgerichtes 6B_649/2011 vom 26. März 2012 E. 1.2. und 6B_215/2013 vom 27. Januar 2014; BGE 125 V 351

              E. 3.b.aa. je mit Hinweisen).

            2. Die amtliche Verteidigung kritisiert die Feststellungen der Gutachter in verschiedener Hinsicht. Sie stützt sich dabei vorwiegend auf von ihr erhältlich gemachte Berichte von Dr. med. D. und PD Dr. E. von der PUK

          (Urk. 2/5; Urk. 49/1; Urk. 49/2; Urk. 51/1 [entspricht bis auf das Datum Urk. 49/2]; Urk. 51/2) sowie von PD Dr. med. F. (Urk. 2/9; Urk. 2/12; Urk. 2/14;

          Urk. 49/3), welche den Gesuchsteller im Rahmen des Vollzuges behandelten. Bei den Berichten handelt es sich wie auch der Gesuchsteller ausführen lässt

          (Urk. 1 S. 12) - um Parteibehauptungen, wobei den Berichten der Vollzugsanstalt durchaus eine im Vergleich mit Privatgutachten erhöhte Aussagekraft attestiert werden kann, insbesondere da die Verfasser mit der direkten Betreuung des Gesuchstellers betraut waren. Relativiert wird dies durch den Umstand, dass der Gesuchsteller im interessierenden Deliktszeitraum und während mehrere Jahren danach nicht in ärztlicher Behandlung war. Die Verfasser der bei den Akten liegenden Berichte/Zeugnisse betreuten den Gesuchsteller ab Mitte des Jahres 2015 und damit erst ab rund fünf Jahren nach der Begehung der nachgewiesenen Taten. Die Berichte respektive Zeugnisse der behandelnden Ärzte befassen sich denn auch weitgehend mit dem aktuellen Gesundheitszustand des Gesuchstellers und ergingen hauptsächlich im Hinblick auf die Abklärung der zukünftigen geeigneten Behandlungsform bzw. Massnahme. Wie von der amtlichen Verteidigung anerkannt, in beiden Gutachten betont und auch von PD Dr. E. bemerkt wurde (Urk. 48 S. 11; Urk. 49/2 S. 3; vgl. vorstehende Erw. 5.3.2.), ist es extrem schwierig, ohne im Besitz von zeitnahen Arztunterlagen zum Tatzeitpunkt zu sein, rückblickend auf einen Zeitraum von über fünf Jahren die psychopathologische Verfassung eines Patienten zu beurteilen (Urk. 49/2 S. 3). Diese Schwierigkeit gilt es im Folgenden nicht ausser Acht zu lassen.

              1. Dass die bei den Akten liegenden Gutachten B. und C. widersprüchlich seien, wird von der amtlichen Verteidigung nicht vorgebracht und ist auch nicht ersichtlich. Auch hält die amtliche Verteidigung zunächst fest, dass sich die Gutachterin und PD Dr. E. dahingehend einig sind, dass die Einsichtsfähigkeit des Gesuchstellers bei sämtlichen Taten nicht eingeschränkt gewesen sei (Urk. 48 S. 11; Urk. 49/2 S. 3). Die gegenteilige Ansicht findet sich auch im Bericht von PD Dr. F. nicht. Von der amtlichen Verteidigung wird jedoch konkret kritisiert, dass Dr. med. C. einerseits aufgrund des Vorliegens einer ADHS-Störung im Erwachsenenalter nebst einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens keine separate Diagnose einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (Borderlinestörung) gestellt habe und

                andererseits in ihrer Diagnose nicht auf die von den behandelnden Ärzten festgestellte posttraumatische Belastungsstörung eingegangen sei.

              2. Die amtliche Verteidigung stützt sich bei ihrer Kritik auf die genannten Berichte der behandelnden Ärzte, die beim Gesuchsteller abweichend zu den Gutachtern eine Borderline-Störung sowie eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierten. Zumindest den Berichten von PD Dr. E. kann darüber hinaus entnommen werden, dass es diese Diagnose plausibel erscheinen lasse, dass beim Gesuchsteller zum Tatzeitpunkt am 14. November 2010 eine mittelschwere Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit bestanden habe (Urk. 49/2

                S. 5). PD Dr. F. stellt gar schwerwiegende Auswirkungen der Diagnose auf die Steuerungsfähigkeit fest (Urk. 49/3 S. 2), wobei er sich jedoch nicht explizit auf den Tatzeitpunkt bezieht. Beide bezeichnen es sodann zwar als richtig, dass es eine Komorbidität zwischen der Borderlineund der ADHS-Symptomatik gebe.

                Dies berechtige jedoch keineswegs, eine Diagnose einfach fallen zu lassen

                (Urk. 49/3 S. 2 f.).

              3. Die Gutachter setzten sich bei der Verfassung des Gutachtens bereits eingehend mit der Kritik respektive der Gegenmeinung der behandelnden Ärzte betreffend das Verhältnis der Symptomatik einerseits von ADHS im Erwachsenenalter und andererseits einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ auseinander (Urk. 41 S. 29 ff.). Dr. med. C. stellt sich auf den Standpunkt, dass sich die betreffenden Symptome einer im Erwachsenenalter persistierenden ADHS-Symptomatik mit denjenigen einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10: F60.30) decken würden. Vor diesem Hintergrund verzichte sie auf die Diagnose einer eigenständigen emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ. Es wird mit der Überschneidung der Symptome nachvollziehbar begründet, warum neben der ADHSDiagnose auf die solche einer eigenständigen emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ verzichtet wurde. Die gegenteilige Ansicht

                Dr. med. F. s sei schwer nachvollziehbar (Urk. 41 S. 29). Auch im Gutachten B. wird ausgeführt, dass zwischen den beiden Krankheitsbildern weitreichende konzeptuelle Überlappungen bestünden. Die damals bestehende, aus

                Sicht der behandelnden Psychiater für die Diagnose einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ qualifizierende Symptomatik sei aus Sicht der Gutachter als eine durch die psychosoziale Belastung hervorgerufene Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion (ICD-10: F43.21) zu interpretieren. Diese akzentuiere die ADHS-Symptomatik im Erwachsenenalter. Wie schwer diese Symptomatik im Tatzeitpunkt gewesen sei, sei mit Abstand von nahezu sechs Jahren jedoch kaum sachgerecht zu rekonstruieren, zumal der Gesuchsteller in den Jahren 2008 bis 2014 nicht in psychiatrischer Behandlung gewesen sei und keine fachlichen Informationen über seinen damaligen psychopathologischen Gesundheitszustand vorlägen (Urk. 31 S. 81 f.).

              4. Diese überzeugenden gutachterlichen Ausführungen sind entgegen der Auffassung der amtlichen Verteidigung im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es kann auf sie verwiesen werden. Hinzu kommt, dass die Bedeutung der widersprüchlichen Meinungen zu relativieren ist, soweit die von Seiten der amtlichen Verteidigung und der behandelnden Ärzte geäusserte Kritik an den gutachterlichen Feststellungen die Frage der Kategorisierung der beim Gesuchsteller bestehenden Symptome betrifft: Es ist den Gutachten und den Berichten zufolge zwar ersichtlich, dass betreffend des Verhältnisses der ADHSzur Borderline Symptomatik in der psychiatrischen Lehre Uneinigkeiten bestehen, doch bringt es

                Dr. med. C. auf den Punkt, wenn sie ausführt, dass sich die gutachterliche Einschätzung und jene der behandelnden Ärzte nicht zwingend widersprächen, jedoch unterschiedliche psychiatrische Sichtweisen repräsentierten (Urk. 41

                S. 29). Auch PD Dr. E. anerkennt, dass die von Dr. med. C. zitierte

                Konzeption des ADHS im Erwachsenenalter eine Unterscheidung zur BorderlinePersönlichkeitsstörung schwierig mache und sich die beiden Einschätzungen nicht zwingend widersprächen (Urk. 49/2 S. 3). Augenfällig ist in diesem Zusammenhang die bereits erwähnte von PD Dr. E. verwendete vorsichtige Formulierung, eine mittelschwere Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Gesuchstellers im Tatzeitpunkt erscheine plausibel (Urk. 49/2 S. 5). Angesichts der von PD Dr. F. im Befund vom 13. Februar 2014 noch geäusserten Unsicherheit darüber, ob beim Gesuchsteller auch aufgrund dessen jungen Alters eine

                emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10: F60.30)

                zu diagnostizieren sei (Urk. 2/9 S. 4), erscheint die deutliche Bejahung dieser Diagnose im jüngsten Zeugnis (Urk. 49/3) zudem nicht darauf hinzudeuten, dass diese Diagnose rückblickend auf den Tatzeitpunkt ebenfalls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zutreffend ist, sondern allenfalls auf eine vonstattengehende Aggravation der entsprechenden Symptomatik. Eine zuverlässige Diagnose für den Tatzeitpunkt, welche an den gutachterlichen Feststellungen zweifeln liessen, vermögen die Ausführungen von PD Dr. F. auch deshalb nicht zu liefern. Hinzu kommt, dass gemäss plastischem Hinweis von Prof. Dr. med. B. , wonach in der forensisch-psychiatrischen Begutachtungspraxis, anders als in der stark vom subjektiven Leidensdruck und Behandlungsbedürfnis geprägten Sichtweise der Allgemeinpsychiatrie, primär von der psychischen Gesundheit des Betroffenen ausgegangen und nach konkreten Hinweisen für eine krankheitswertige Störung gesucht werde (Urk. 31 S. 81 f.), die bestehenden Abweichungen in den Diagnosen zusätzlich erklärbar werden, ohne dass eine für unzuverlässig erachtet werden müsste.

              5. Darüber hinaus erscheint zentral, dass gemäss Dr. med. C. die kategoriale Zuordnung des klinischen Syndroms zu einer ADHS des Erwachsenenalters einer Persönlichkeitsstörung primär keine Aussage über den Schweregrad der psychiatrischen Störung beinhaltet. Auch ein ADHS im Erwachsenenalter könne durchaus mit einer schweren psychopathologischen Beeinträchtigung des Betroffenen einhergehen, während es umgekehrt auch leicht ausgeprägte Persönlichkeitsstörungen gebe (Urk. 41 S. 29 f.). Entgegen der Kritik der behandelnden Ärzte, welche die unterschiedlichen Einschätzungen für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Patienten für relevant erachten (Urk. 49/2 S. 3;

                Urk. 49 S. 2), stellt Dr. med. C. damit klar, dass ihre Beurteilung der Einsichtsund Steuerungsfähigkeit des Gesuchstellers zu den Tatzeitpunkten nicht von der Zuordnung der Symptomatik zu einzelnen psychischen Störungsbildern (quasi der Etikette) vorgegeben ist, sondern sie diese vielmehr von der konkreten Ausprägung der Symptome abhängig machte, was aus dem weiteren Gutachten auch hervorgeht. Die kritisierte Kategorisierung der festgestellten Symptome mag daher zwar durchaus dogmatische Relevanz aufweisen und für entsprechende Meinungsverschiedenheiten in der Lehre sorgen (vgl. dazu die Bemerkungen von PD Dr. E. in Urk. 49/2 S. 2). Für die Beurteilung der Einsichtsund Steuerungsfähigkeit des Gesuchstellers im Tatzeitpunkt durch Dr. med.

                C. kam ihr im vorliegenden Fall jedoch keine entscheidende Bedeutung zu. Auch aus diesem Grund vermag die diesbezügliche Kritik der amtlichen Verteidigung keine erheblichen Bedenken an der Zuverlässigkeit der gutachterlichen Feststellungen zu begründen.

              6. Was den Einfluss des Vorlebens des Gesuchstellers auf die Diagnose betrifft, gilt Ähnliches: Zunächst ist festzuhalten, dass wie auch die amtliche Verteidigerin feststellte (Urk. 48 S. 7) - die Gutachter durchaus auf das Vorleben und die Lebensumstände des Gesuchstellers in der Kindheit eingingen. Im Gutachten B. , auf welchem das Gutachten C. aufbaut, wurde schliesslich explizit auf die von den behandelnden Ärzten gestellte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung eingegangen und nachvollziehbar begründet, warum die Einschätzung gutachterlicherseits nicht geteilt werde (Urk. 31 S. 84). Der Verzicht auf eine eigenständige klinische Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung ist auch angesichts der vorstehend erläuterten Unsicherheiten der Begutachtung und den unterschiedlichen Begutachtungsmethoden (vgl. vorstehende Erw. 6.2. und 6.3.4.) - nicht zu beanstanden.

              1. Die weitere Kritik der amtlichen Verteidigerin an den Gutachten besteht darin, die Ausführungen in den Berichten von Dr. med. D. , PD Dr. F. respektive PD Dr. E. zu rezitieren und als plausibler nachvollziehbarer als die gutachterlichen Feststellungen zu bezeichnen. Zusätzliche konkrete Umstände, welche die Gutachter ausser Acht gelassen hätten, werden nicht angeführt und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist darauf hinzuweisen respektive zu wiederholen, dass die Kindheit des Gesuchstellers, die erlittene Messerattacke, die Krebserkrankung der Mutter und die Alkoholund Aggressionsproblematik von den Gutachtern differenziert in ihre Diagnosen miteinbezogen wurden, die Gutachter dabei jedoch teilweise zu anderen Schlussfolgerungen als die behandelnden Ärzte gelangten. Soweit diese lediglich ihre eigene Interpretation respektive Diagnose darlegen, reicht diese Kritik nicht aus, um die grundsätzlich ausführlich und nachvollziehbar begründeten gutachterlichen Ausführungen in Zweifel

                zu ziehen. Es ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass das Gutachten C.

      • wie teilweise auch das Gutachten B. gerade zum Zweck eingeholt wurde, die vom Gesuchsteller insbesondere durch die Einreichung der Berichte von Dr. med. F. geweckten Zweifel an seiner Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt von unabhängiger Seite abzuklären. Den schlüssigen Folgerungen nun wiederum die Stellungnahmen der behandelnden Ärzte entgegenzuhalten, käme einem Zirkelschluss gleich.

          1. Zusammenfassend ist kein Grund ersichtlich, den Diagnosen der behandelnden Ärzten grösseres Gewicht beizumessen als denjenigen der Gutachter. Bei der wie erwähnt sehr schwierigen rückblickenden Beurteilung der Schuldfähigkeit des Gesuchstellers im Tatzeitpunkt ist daher auf das zu diesem Zweck eingeholte Gutachten C. abzustellen.

        1. Mit Dr. med. C. kann nun klarerweise nicht davon ausgegangen werden, dass bezüglich eines Deliktes eine Einschränkung Aufhebung der Einsichtsfähigkeit des Gesuchstellers bestanden hätte. Selbiges gilt für die Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Gesuchstellers im Zeitpunkt der Begehung der Delikte vom 7./8. September 2010 (ND 3 und 4) und 7. November 2010 (ND 5). Bezüglich des Delikts vom 14. November 2010 (HD) könnte einzig gestützt auf die subjektiven Schilderungen des Gesuchstellers im Rahmen der Begutachtung auf eine höchstens leichte Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Gesuchstellers geschlossen werden. Aufgrund der von der Gutachterin ge- äusserten Zweifel selbst am Bestehen einer leichtgradigen Verminderung der Steuerungsfähigkeit erscheint jedoch auch dies nicht als ausreichend wahrscheinlich, um revisionsbegründend zu wirken.

        2. Selbst wenn jedoch die von der Gutachterin zumindest für möglich erachtete Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Gesuchstellers im Zeitpunkt der Deliktsbegehung am 14. November 2010 für ausreichend glaubhaft erachtet würde, wäre dies nach dem Gesagten zwar eine im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO neue Tatsache. Da es sich dabei den gutachterlichen Feststellungen folgend jedoch höchstens um eine leichte Einschränkung der Steuerungsfähigkeit gehandelt haben könnte, welche entsprechend zur Annahme einer höchstens leichten

          Verminderung der Schuldfähigkeit führen würde, wäre diese folglich nicht geeignet, einen Freispruch eine wesentlich mildere Bestrafung des Gesuchstellers zu bewirken. Damit würde es der allfälligen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit an der Erheblichkeit im Sinne der Revisionsbestimmung fehlen.

        3. Dass im Tatzeitpunkt eine weitergehende Einschränkung der Schuldfähigkeit bestanden hätte, wodurch die Schuldsprüche tragenden Feststellungen erschüttert würden, kann nach den gutachterlichen Feststellungen vernünftigerweise nicht angenommen werden.

        4. Das Revisionsbegehren des Gesuchstellers ist daher abzuweisen.

      1. Der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass in diesem Verfahren nicht über den aktuellen Gesundheitszustand des Gesuchstellers zu befinden war. Zu entscheiden, ob die momentane gesundheitliche Verfassung des Gesuchstellers den Vollzug der Freiheitsstrafe zulässt und/oder diese in eine Massnahme umzuwandeln ist, ist Gegenstand des laufenden Verfahrens des Bezirksgerichts Zürich.

    2. Kosten und Entschädigung

Ausgangsgemäss sind die Kosten des Revisionsverfahrens dem Gesuchsteller aufzuerlegen (Art. 428 StPO). Die Kosten der amtlichen Verteidigung sind auf die Gerichtskasse zu nehmen, unter Vorbehalt der Rückzahlungspflicht des Gesuchstellers gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.

Es wird beschlossen:

  1. Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 1'000.- ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 6'360.10 Gutachten

    Fr. 13'454.60 amtliche Verteidigung

  3. Die Kosten des Revisionsverfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Gesuchsteller auferlegt.

    Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Gesuchstellers bleibt vorbehalten.

  4. Schriftliche Mitteilung an

    • die amtliche Verteidigerin im Doppel für sich und den Gesuchsteller

    • die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (im Doppel)

    • den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste

      sowie nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist resp. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste

    • die Vorinstanz (Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, SB130294)

    • das Bezirksgericht Zürich, 8. Abteilung (ins Verfahren DA150019), unter Rücksendung der beigezogenen Akten

  5. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung

des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Zürich, 29. November 2016

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. Spiess

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. Berchtold

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.