E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SF230007
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SF230007 vom 22.08.2023 (ZH)
Datum:22.08.2023
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_1106/2023
Leitsatz/Stichwort:Ausstandsbegehren
Zusammenfassung : Die Ordinance der Cour de Justice vom 21. November 2018 betrifft einen Scheidungsfall zwischen Frau A und Herrn B. Das Gerichtsurteil vom 26. Januar 2017 verurteilte Frau A zur Zahlung von 878'775 Franken an Herrn B sowie zur Rückzahlung einer Hypothekarschuld. Frau A legte Berufung ein und forderte 2'231'493 Franken von Herrn B. Es wurden vorläufige Massnahmen beantragt, um einen Geldbetrag zu sichern. Das Gericht entschied, dass die vorläufigen Massnahmen gerechtfertigt sind und ordnete an, dass Herr B den Betrag von 2'231'493 Franken vorläufig blockieren muss.
Schlagwörter : Gesuchsteller; Gesuchsgegner; Ausstand; Gesuchstellers; Verfahren; Obergericht; Ausstandsbegehren; Verfahrens; Urteil; Kantons; Stellung; Berufungsverhandlung; Bundesgericht; Kammer; Stellungnahme; Person; Verteidigung; Richter; Umstände; Oberrichter; Äusserung; Bemerkung; Urteilsberatung; Ausstandsgesuch; Gesuchsgegners; Obergerichts
Rechtsnorm:Art. 30 BV ; Art. 58 StPO ; Art. 60 StPO ;
Referenz BGE:141 IV 178;
Kommentar:
-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SF230007-O/U/cwo

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Ch. Prinz, Präsident, lic. iur. S. Volken und Ersatzoberrichter lic. iur. R. Amsler sowie die Gerichtsschreiberin MLaw N. Hunziker

Beschluss vom 22. August 2023

in Sachen

A. ,

Gesuchsteller

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.

gegen

Obergericht des Kantons Zürich,

Gesuchsgegner

betreffend Ausstandsbegehren

Erwägungen:

I.

Mit Eingabe vom 7. Juni 2023 reichte der Gesuchsteller bei der Verfahrensleitung des Verfahrens SB... ein Ausstandsbegehren gegen den Gesuchsgegner (Oberrichter lic. iur. B. , Verfahrensleiter des betreffenden Verfahrens und

...[Position am Obergericht]) ein (Urk. 2). Nachdem der Gesuchsgegner zum Ausstandsgesuch des Gesuchstellers mit Schreiben vom 8. Juni 2023 Stellung genommen hatte (Urk. 3), wurde das Ausstandsgesuch sodann zusammen mit einer Kopie des Protokolls der Berufungsverhandlung des Verfahrens SB... (Urk. 4) sowie mit einer weiteren Stellungnahme des Gesuchsgegners vom 16. Juni 2023 (Urk. 5) praxisgemäss der hiesigen Kammer zur Behandlung überwiesen (Urk. 1). Mit präsidialVerfügung vom 3. Juli 2023 wurde dem Gesuchsteller eine Kopie der Stellungnahme des Gesuchsgegners vom 16. Juni 2023 zugestellt und ihm Frist zur freigestellten Vernehmlassung angesetzt (Urk. 6). Mit Eingabe vom 17. Juli 2023 verzichtete der Gesuchsteller auf eine Stellungnahme (Urk. 8). Damit ist der Schriftenwechsel abgeschlossen und das Verfahren spruchreif.

II.

1. Gemäss Art. 59 Abs. 1 lit. c StPO entscheidet das Berufungsgericht ohne weiteres Beweisverfahren und endgültig über ein Ausstandsbegehren, wenn die Beschwerdeinstanz einzelne Mitglieder des Berufungsgerichts betroffen sind. Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich ist folglich für die Beurteilung des Ausstandsbegehrens sachlich zuständig ( 49 GOG/ZH). Keine Rolle spielt es, dass das Verfahren bei der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich abgeschlossen ist und es keine weiteren Amtshandlungen gibt, bezüglich welcher der Gesuchsgegner in den Ausstand treten könnte, zumal es auch darum geht, ob die von ihm vorgenommenen Amtshandlungen gültig sind nicht (Art. 60 Abs. 1 StPO; Urteil BGer 1B_480/2016 vom 17. Februar 2017, E. 4.2).

    1. Zusammengefasst brachte der Gesuchsteller zur Begründung des Ausstandsgesuchs vor, der Gesuchsgegner habe in der Berufungsverhandlung bei der Befragung zur Person unter Bezugnahme auf den Wohnsitz des

      Gesuchstellers in C.

      bemerkt, dass es von ihm (Gesuchsteller) aus nicht

      weit sei für eine Beschwerde ans Bundesgericht. Diese äusserung deute darauf hin, dass es dem Gesuchsgegner an der nötigen Unbefangenheit in der noch zu verhandelnden Sache gemangelt habe. Der Gesuchsgegner habe letztlich mit dieser Bemerkung das Urteil bereits vorweggenommen. Die Mändliche UrteilsEröffnung habe dann auch die Vermutung aufkommen lassen, dass den Argumenten der Verteidigung in der (kurzen) Urteilsberatung nicht die nötige Beachtung geschenkt worden sei (Urk. 2).

    2. Der Gesuchsgegner bestätigte in seinen Stellungnahmen, die vom Gesuchsteller kritisierte äusserung in der Berufungsverhandlung getätigt zu haben. Im Wesentlichen machte er geltend, wie man daraus den Schluss ziehen könne, er sei voreingenommmen und schon vor der Verhandlung auf einen Schuldspruch festgelegt gewesen, es hätte nur schon ein diesbezüglicher Anschein bestanden, könne er nicht nachvollziehen. Die diesbezügliche Verdächtigung des Gesuchstellers lasse bloss auf fehlenden Humor seinerseits schliessen. Schliesslich gab der Gesuchsgegner die gewissenhafte Erklärung ab, gegenüber dem Gesuchsteller in keiner Weise voreingenommen zu sein und er sich, wenn die Sache nicht bereits erledigt wäre, ohne weiteres imstande sähe, diesbezüglich weiterhin als unbefangener Richter zu amten (Urk. 3 und 5).

  1. Aus den vorstehenden Erwägungen erhellt, dass der Gesuchsteller sein Ausstandsbegehren sinngemäss auf Art. 56 lit. f StPO stätzt. Gemäss Art. 56 lit. f StPO hat eine in einer StrafBehörde tätige Person in den Ausstand zu treten, wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft Feindschaft mit einer Partei deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Generalklausel, welche alle Ausstands- Gründe erfasst, die in Art. 56 lit. a-e StPO nicht ausDrücklich vorgesehen sind. Sie entspricht Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Danach hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen

    und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Gemäss stündiger Rechtsprechung ist Voreingenommenheit und Befangenheit anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Solche Umstände können namentlich in einem bestimmten Verhalten des Richters begründet sein. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung ist nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Wesentlich ist, ob das Verfahren in Bezug auf den konkreten Sachverhalt und die konkret zu entscheidenden Rechtsfragen als offen und nicht vorbestimmt erscheint (BGE 141 IV 178 E. 3.2.1 mit Hinweisen).

    Die den Ausstand begründenden Tatsachen sind gemäss Art. 58 Abs. 1 StPO glaubhaft zu machen.

  2. Der Gesuchsgegner hat die vom Gesuchsteller kritisierte äusserung in der Berufungsverhandlung unstrittig getätigt. Dem Verhandlungsprotokoll lässt sich entnehmen, dass der Gesuchsteller seinen gegenwürtigen Wohnsitz in C. bestätigt habe, woraufhin der Gesuchsgegner scherzhaft angefügt habe, dass der Gesuchsteller es somit nicht weit hätte, falls er später vor Bundesgericht würde gehen wollen (Urk. 4 S. 8). Dabei handelt es sich um eine wohl humorvoll gemeinte, wenn auch mit der vorliegend kritisierten Bemerkung jedoch offensichtlich einzig unglückliche Bemerkung bei der überPrüfung der Personalien des Gesuchstellers. Entgegen der Ansicht des Gesuchsgegners in seiner Stellungnahme zum Ausstandsbegehren ist in einer Berufungsverhandlung weder vom Beschuldigten noch seiner Verteidigung Humor zu verlangen schon gar nicht auf deren Kosten. Der Gesuchsgegner bezog sich auf die örtliche Nähe zwischen dem Wohnsitz des Gesuchstellers und dem Bundesgericht als Rechtsmittelinstanz. Daraus kann indessen nichts hinsichtlich einer Meinung des Gesuchsgegegners zur Sach- und Rechtslage abgeleitet werden. Geschweige denn, kann gestützt auf diese Bemerkung zur Person des Gesuchstellers

    angenommen werden, der Gesuchsgegner hätte sich hinsichtlich der materiellen Fragen bereits endgültig festgelegt gehabt. Die beanstandete äusserung ist daher nicht geeignet, den Gesuchsgegner als voreingenommen bzw. befangen erscheinen zu lassen.

    Es sind schliesslich auch keine anderen Umstände vorhanden, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Das Vorbringen des Gesuchstellers, wonach den Argumenten seiner Verteidigung in der (kurzen) Urteilsberatung nicht die nötige Beachtung geschenkt worden sei, verfängt nicht. Die Urteilsberatung dauerte immerhin 50 Minuten (Urk. 4 S. 20). Zudem erfolgt das Aktenstudium in der Regel im Rahmen der Vorbereitung der Berufungsverhandlung. Es bestehen folglich keine Anhaltspunkte, dass die Vorbringen des Gesuchstellers bzw. dessen Verteidigung nicht ausreichend in die Urteilsberatung eingeflossen wären.

  3. Zusammenfassend ergeben sich keinerlei Anzeichen dafür, dass Oberrichter lic. iur. B. als voreingenommen betrachtet werden könnte. Das Ausstands-

begehren des Gesuchstellers gegen Oberrichter lic. iur. B. abzuweisen.

III.

ist demzufolge

Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 600 festzusetzen. Ausgangsgemäss sind die Kosten des vorliegenden Verfahrens dem Gesuchsteller aufzuerlegen (Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StPO).

Es wird beschlossen:

  1. Das Ausstandsbegehren des Gesuchstellers wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 600 festgesetzt.

  3. Die Kosten dieses Verfahrens werden dem Gesuchsteller auferlegt.

  4. Schriftliche Mitteilung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Gesuchstellers

    • den Gesuchsgegner

      sowie nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist resp. Erledigung Allfälliger Rechtsmittel an

    • die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich, unter Rücksendung der Akten SB....

  5. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebe- nen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 22.August 2023

Der Präsident:

lic. iur. Ch. Prinz

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw N. Hunziker

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.