Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SF210014 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 15.06.2022 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 1B_439/2022 |
Leitsatz/Stichwort: | Ausstandsbegehren |
Zusammenfassung : | Das Ausstandsbegehren des Gesuchstellers gegen den Gesuchsgegner wurde abgewiesen, da keine Anzeichen für Befangenheit vorlagen. Die Verfahrenskosten in Höhe von CHF 800 werden dem Gesuchsteller auferlegt. Der Richter, der den Beschluss gefasst hat, ist der Oberrichter lic. iur. Stiefel. Die Person, die das Ausstandsbegehren gestellt hat, ist männlich. |
Schlagwörter : | Gesuch; Gesuchsteller; Ausstand; Recht; Verfahren; Gesuchsgegner; Gesuchstellers; Verfahrens; Ausstandsbegehren; Eingabe; Vertreter; Befangenheit; Berufung; Bundesgericht; Frist; Person; Ausstandsgr; Verfahren; Vertretung; Rechtsanwalt; Präsidialverfügung; Bundesgerichts; Berufungsverhandlung; Anschein; Ausstandsgesuch; Umstände; Urteil; Privatkläger; ündet |
Rechtsnorm: | Art. 136 StPO ; Art. 137 StPO ; Art. 30 BV ; Art. 4 StPO ; Art. 5 StPO ; Art. 56 StPO ; Art. 58 StPO ; Art. 59 StPO ; Art. 62 StPO ; |
Referenz BGE: | 134 I 20; 139 IV 62; 141 IV 178; 142 III 732; 143 IV 69; 144 I 234; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SF210014-O/U/hb
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Stiefel, Präsident, Oberrichterin lic. iur. Wasser- Keller und Ersatzoberrichter lic. iur. Kessler sowie Gerichtsschreiberin MLaw Brülisauer
Beschluss vom 15. Juni 2022
in Sachen
,
Gesuchsteller
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
gegen
, lic. iur.,
Gesuchsgegner
betreffend Ausstandsbegehren
Erwägungen:
Mit Eingabe vom 18. November 2021, auf der hiesigen Kammer eingegangen am 23. November 2021, teilte Oberrichter lic. iur. B. (nachfolgend Gesuchsgegner) mit, dass im an der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich pendenten Strafverfahren SB180444-O der Privatkläger A. (nachfolgend Gesuchsteller) mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 17. November 2021 ein Ausstandsgesuch gegen ihn stellen liess, welches er zuständigkeitshalber überweise (Urk. 1). Gleichzeitig reichte der Gesuchsgegner seine Stellung- nahme zum Ausstandsbegehren ein (Urk. 2). Dieser waren Eingaben des Rechtsvertreters des Gesuchstellers vom 13. November 2021 und 17. November 2021 beigelegt (Urk. 3/1-2).
Mit Eingabe vom 22. November 2021 (Urk. 4) liess der Gesuchsteller seine
Ausstandsbegehren vom 13. November 2021 bzw. 17. November 2021
(Urk. 5/1-2 [= Urk. 3/1-2]) bei der hiesigen Kammer einreichen und ergänzen. Mit Präsidialverfügung vom 1. Dezember 2021 wurde dem Gesuchsgegner diese Eingabe samt Beilagen zugestellt und Frist zur freigestellten Vernehmlassung angesetzt (Urk. 6). Mit Eingabe vom 6. Dezember 2021 reichte der Gesuchsgegner eine entsprechende Vernehmlassung ein (Urk. 8), wozu sich wiederum der Gesuchsteller innert mehrfach erstreckter Frist mit Eingabe vom 7. Februar 2022 vernehmen liess (Urk. 13). Der Gesuchsgegner verzichtete mit Eingabe vom
22. Februar 2022 auf eine weitere Stellungnahme (Urk. 16). Das Verfahren erweist sich als spruchreif.
Gemäss Art. 59 Abs. 1 lit. c StPO entscheidet das Berufungsgericht ohne weiteres Beweisverfahren und endgültig über ein Ausstandsbegehren, wenn die Beschwerdeinstanz einzelne Mitglieder des Berufungsgerichts betroffen sind. Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich ist folglich für die Beurteilung des Ausstandsbegehrens sachlich zuständig (§ 49 GOG/ZH).
Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat (Art. 58 Abs. 1 StPO). Der Ausstand ist mithin so früh wie möglich, d.h. in den nächsten Tagen nach Kenntnisnahme zu verlangen, wobei die Umstände des Einzelfalls und das Verfahrensstadium zu berücksichtigen sind. Nach der Rechtsprechung gilt ein Ausstandsgesuch, das sechs bis sieben Tage nach Kenntnis des Ausstandsgrundes eingereicht wird, als rechtzeitig; ein Gesuch das erst nach Ablauf von zwei bis drei Wochen gestellt wird, ist demgegenüber verspätet (B OOG, in: Niggli/Heer/ Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Schweizerische Strafprozessordnung / Jugendstrafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 58 StPO N 5, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts [nachfolgend zitiert: BSK StPO- AUTOR]).
Soweit erst die Kumulation mehrerer Vorfälle – etwa im Rahmen der beanstandeten Verhandlungsführung eines Richters – Anlass zur Besorgnis der Befangenheit gibt, ist bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit dem Umstand Rech- nung zu tragen, dass der Gesuchsteller nicht vorschnell reagieren kann und gegebenenfalls zunächst zuwarten muss, um das Risiko zu vermeiden, dass sein Gesuch als unbegründet abgewiesen wird. Es muss daher zulässig sein, in Verbindung mit neu entdeckten Umständen auch bereits früher bekannte Tatsachen geltend zu machen, wenn erst eine Gesamtwürdigung aller Umstände zur Bejahung eines Ausstandsgrundes führt, während die isolierte Geltendmachung der früheren Tatsachen die Stellung eines solchen Begehrens nicht hätte rechtfertigen können. Da jedoch Ausstandsgründe von Amtes wegen zu berücksichtigen sind, verwirkt der Gesuchsteller mit einem verspäteten Gesuch lediglich das Recht, die Aufhebung von früheren Amtshandlungen zu verlangen (BSK StPO- BOOG, a.a.O., Art. 58 StPO N 7 f.).
Der Gesuchsteller liess das seiner Ansicht folgend erste Ausstandsbegehren am 13. November 2021 (Urk. 3/1 [= Urk. 5/2; nachfolgend zitiert als Urk. 3/1]) nach mehreren Handlungen der Verfahrensleitung stellen, welche gemäss Ausführungen seines Rechtsvertreters gesamthaft als offenkundig gewordene, feindselige Einstellung zu werten seien und in der gezielten Zerstörung der amtlichen Vertretung des Privatklägers in der Berufungsverhandlung endeten, was unter Art. 56 Bst. f StPO falle (Urk. 3/1 S. 1 f.). Das Spiel habe mit der Entlassung von Rechtsanwalt lic. iur. Y. mittels Präsidialverfügung vom 13. Juli 2021 begonnen und mit der Präsidialverfügung vom 19. Oktober 2021 geendet (Urk. 3/1 S. 18).
Die Eingabe, mit welcher ein Ausstandsbegehren das erste Mal thematisiert wurde, datiert demnach vom 13. November 2021 und erfolgte damit erst dreieinhalb Wochen nach der letzten vom Gesuchsteller beanstandeten Handlung und kurz vor der auf den 22. November 2021 anberaumten Berufungsverhandlung. Es leuchtet nicht ein, weshalb die behauptete Befangenheit des Gesuchsgegners nicht spätestens nach der letzten gerügten Handlung hätte geltend gemacht wer- den können. Nach der eigenen Sachdarstellung des Gesuchstellers ereignete sich zwischen der Präsidialverfügung vom 19. Oktober 2021 und seiner Eingabe vom 13. November 2021 nichts mehr. Eine Erklärung hierfür ist auch den Eingaben des Gesuchstellers nicht zu entnehmen. Es wäre indes am Gesuchsteller gewesen, das Ausstandsbegehren ohne Verzug zu stellen. Die Befangenheitsvorwürfe in der Eingabe vom 13. November 2021 sind für sich alleine gesehen verspätet erfolgt. Darüber hinaus wird vom Gesuchsteller jedoch unter anderem die fehlende Weiterleitung der vorgenannten Eingabe und damit die Behandlung seines – wiederum seiner Darstellung folgend – Ausstandsbegehrens gerügt, was mit Eingabe vom 17. November 2021 ohne Verzug und damit rechtzeitig vorgebracht wurde, weshalb diesbezüglich auf das Ausstandsbegehren einzutreten ist. Im Rahmen von dessen Beurteilung werden auch die einzelnen beanstandeten Handlungen im Sinne einer Gesamtwürdigung zu beleuchten sein.
Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Gericht ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters soll zur für einen korrekten
und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens im Einzelfall beitragen und damit ein gerechtes Urteil ermöglichen (Urteil des Bundesgerichts 1B_671/2021 vom 31. März 2022 E. 3.1). Diese verfassungsbzw. konventionsrechtliche Garantie wird auf Gesetzesebene von Art. 4 StPO übernommen und in Art. 56 StPO konkretisiert (BGE 144 I 234 E. 5.2; 138 I 425 E. 4.2.1). Sie wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit die Gefahr der Voreingenommenheit begründen (Urteil des Bundesgerichts 1B_671/2021 vom 31. März 2022 E. 3.1; BGE 142 III 732
E. 4.2.2; 140 I 326 E. 5.1; 140 I 240 E. 2.2; 137 I 227 E. 2.1 je m.w.H.).
Die Befangenheit ist als innere Einstellung einem Beweis kaum zugänglich. Die Ablehnung einer Person erfordert denn auch nicht den strikten Nachweis, dass diese tatsächlich befangen ist. Es genügt schon die abstrakte Gefahr der Voreingenommenheit. Mithin müssen Umstände vorhanden sein, die den Anschein der Befangenheit Zweifel an der Unvoreingenommenheit zu begrün- den vermögen. Blosse Vermutungen reichen dazu nicht aus. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt Befangenheit einer Gerichtsperson vor, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in ihre Unparteilichkeit zu erwecken. Solche Umstände können entweder in einer bestimmten persönlichen Einstellung zum Verfahrensgegenstand, einem persönlichen Verhalten der betreffenden Person in gewissen äusseren Gegebenheiten, wozu auch funktionelle verfahrensorganisatorische Aspekte gehören, liegen. Wesentlich ist, ob das Verfahren in Bezug auf den konkreten Sachverhalt und die konkret zu entscheidenden Rechtsfragen als offen und nicht vorbestimmt erscheint. Ob der Anschein der Befangenheit vorliegt, beurteilt sich ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden der Verfahrenspartei. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise und durch vernünftige Gründe gerechtfertigt erscheinen (BSK StPO-BOOG, a.a.O., vor Art. 56-60 StPO N 7 ff.; BGE 144 I 234 E. 5.2; 142 III 732; 140 I 240 E. 2.2; 136 I 207 E. 3.1 je m.w.H.).
Die den Ausstand begründenden Tatsachen sind gemäss Art. 58 Abs. 1 StPO glaubhaftzumachen.
Der Gesuchsteller machte in seiner Eingabe vom 22. November 2021 geltend, dass sich – wie sich aus der Präsidialverfügung vom 16. November 2021 ergebe – der Gesuchsgegner geweigert habe, seiner Aufforderung in den Ausstand zu treten, nachzukommen. Dieser habe vielmehr geltend gemacht, es habe sich nicht um ein Ausstandsbegehren gehandelt bzw. auf ein solches habe der Gesuchsteller gar ausdrücklich verzichtet. Diese Behauptung erscheine jedoch angesichts der Formulierung seines Ausstandsbegehrens sowie seinem im Kontext der Schlussbemerkungen nochmaligen Ersuchen, in den Ausstand zu treten, völlig abwegig (Urk. 4 S. 2; vgl. auch Urk. 3/2 [= Urk. 5/1; nachfolgend zitiert als Urk. 3/2] und Urk.13). Im Folgenden zitierte er die fraglichen Textpassagen aus seiner Eingabe vom 13. November 2021, welche wie folgt lauten (Urk. 4 S. 2 f. mit Verweis auf Urk. 3/1 S. 1 f., 31):
Namens und im Auftrag meines Klienten A. (siehe Beilage) stelle ich hiermit den Antrag, dass Sie Ihre Funktion als Verfahrensleiter umgehend niederlegen, infolge Befangenheit, des Anscheins von Befangenheit respektive einer offenkundig geworde- nen, feindseligen Einstellung als Verfahrensführer gegen meinen Klienten, die in der gezielten Zerstörung seiner amtlichen Vertretung in der Berufungsverhandlung endet. Dabei berufe ich mich auf die Garantie des unabhängigen, unvoreingenommenen Richters, wie er in der Verfassung und den internationalen Konventionen garantiert wird (Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK sowie Art .14 Ziff. 1 UNO-Pakt II). Weiter konkretisiert durch Art. 56 Bst. f StPO. Unter anderem geht es um eine in der Prozessleitung unverhohlen zu Tage tretenden feindseligen Einstellung gegenüber meinem Klienten A. […].
Abschliessend ersuche ich den Verfahrensleiter noch einmal, umgehend in den Ausstand zu treten und die Verhandlung vom
22. November 2021 zu verschieben. Wir hoffen, mit einem neuen Verhandlungsleiter dieses Problem der amtlichen Vertretung in konstruktiver Weise lösen zu können.
Der Gesuchsgegner sei lediglich bereit gewesen, die Verdeutlichung vom
17. November 2021 überhaupt als Ausstandsbegehren zu betrachten, welches mittlerweile an die zuständige Stelle weitergereicht worden sei. Die rund einunddreissigseitige Begründung seines Ausstandsbegehrens vom 13. November 2021 sei unter dem Tisch geblieben. Im Umgang mit seinem Ausstandsbegehren sehe er die Befangenheit und die Feindseligkeit des Gesuchsgegners einmal mehr bestätigt, wobei eine Befangenheit auch ohne Weiteres allein gestützt auf die fehlende Weiterleitung seines Ausstandsbegehren vom 13. November 2021 zu bejahen wäre (Urk. 4 S. 3 ff.).
Die soeben zitierte Eingabe des Gesuchstellers vom 22. November 2021 wurde als Ergänzung zu dessen zwei vorgängigen Eingaben vom
13. bzw. 17 November 2021 betreffend Ausstand des Gesuchsgegners
eingereicht (vgl. Urk. 4 S. 1).
In der Eingabe vom 13. November 2021 machte der Vertreter des Gesuchstellers im Wesentlichen geltend, dass der Gesuchsgegner mit Verfügung vom 13. Juli 2021 zu Unrecht Rechtsanwalt lic. iur. Y. als unentgeltlichen Vertreter des Gesuchstellers entlassen, und bestimmt habe, dass er selbst das gesamte Verfahren – entgegen seinem aus- drücklich bekundeten Willen und geltend gemachten gesundheitlichen Gründen, die ihm eine Führung des gesamten Mandats verunmöglichen würden – zu führen hätte, anstatt ihn als zusätzlichen erbetenen pro bono Vertreter zuzulassen, wie es beantragt gewesen sei. Er habe das Mandat, wie erwogen, aus gesundheitlichen Gründen bzw. um eine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht zu vermeiden, in der Folge niederlegen müssen, woraufhin der Gesuchsgegner dem Gesuchsteller mehrfach faktische Dreitagesfristen angesetzt habe, letztmalig und nicht erstreckbar, um einen Vertreter zu bestimmen, versehen mit der Androhung, dass im Säumnisfall von einem Verzicht auf eine amtliche Vertretung auszugehen sei. Dies sei im Wissen darum geschehen, dass diesen Verfügungen aus objektiven Gründen nicht entsprochen werden könne. Im Übrigen seien
die gestellten Beweisanträge allesamt mit der Begründung abgelehnt worden, dass die Beweislage klar sei. Auch bei einem erneuten Stellen der Anträge anlässlich der Berufungsverhandlung sei kein anderes Ergebnis zu erwarten. Schliesslich habe der Gesuchsgegner von den zurückgezogenen Berufungen gegen die vor Vorinstanz freigesprochenen beschuldigten Personen Infanger und Bachmann nicht unverzüglich Vormerk genommen, sondern das Verfahren gegen diese erst nach zwei Jahren abgeschrieben und diesen trotz Kenntnis von deren Rückzug weiterhin die Rechte von Verfahrensparteien zugesprochen (vgl. Urk. 3/1, insb. S. 25 ff.).
Mit Eingabe vom 17. November 2021 rügte der Vertreter des Gesuchstellers erstmals, dass das seiner Ansicht folgend mit Eingabe vom
13. November 2021 gestellte Ausstandsbegehren nicht weitergeleitet worden sei, ersuchte um Wiedererwägung dieses Entscheides und teilte mit, dass gegen den Gesuchsgegner ein Strafverfahren wegen Amtsmissbrauch und Nötigung in die Wege geleitet worden sei. Im Übrigen hätte ihn der Gesuchsgegner mit Präsidialverfügung vom 16. November 2021 wider besseres Wissens erneut zum Vertreter des Gesuchstellers – natürlich pro bono – ernannt, obwohl aus seiner vorgängigen Eingabe klar hervorgegangen sei, dass es sich dabei um eine kleine Hilfestellung und nicht um eine Vertretung des Gesuchstellers für das gesamte Verfahren gehandelt habe, was wiederum ein Ausstandsbegehren rechtfertige. Zudem sei die Redezeit an der Berufungsverhandlung für die Vertretung des Gesuchstellers auf zwei Stunden beschränkt worden, ohne vorher anzufragen, welcher Zeitbedarf überhaupt bestehe. Schliesslich führte er wiederum durch den Gesuchsgegner verursachte massive Verfahrensmängel an, welche dessen Befangenheit begründen würden (vgl. Urk. 3/2).
3.3. Die weitere Eingabe des Gesuchstellers vom 7. Februar 2022 enthält keine entscheidrelevanten Vorbringen, welche über seine bereits dargelegten Depositionen hinausgehen würden (vgl. Urk. 13).
Der Gesuchsgegner hielt im Rahmen der Überweisung des Ausstandsbegehrens an die II. Strafkammer des Obergerichts Zürich fest, dass der Gesuchsteller mit Eingabe vom 17. November 2021 (ausdrücklich) ein Ausstandsgesuch gegen seine Person stellen liess. In der Eingabe des Gesuchstellers vom 13. November 2021 seien zwar Ausstandsgründe geltend gemacht worden, allerdings sei auch über zwei Seiten lamentiert worden, dass ein formell gestelltes Ausstandsgesuch bei der für dessen Beurteilung zuständigen II. Strafkammer des Obergerichts Zürich ohnehin chancenlos wäre. Sodann habe der Gesuchsteller angekündigt, dass im Falle, sollte er sein Amt als Verfahrensleiter nicht niederlegen, anlässlich der Berufungsverhandlung ein begründetes Ausstandsgesuch gestellt werde. Vor diesem Hintergrund sei die Eingabe vom 13. November 2021 (noch) nicht als formelles Ausstandsgesuch betrachtet worden, was den Parteien postwendend mitgeteilt worden sei (Urk. 1).
In seiner Stellungnahme vom 18. November 2021 brachte der Gesuchsgegner im Weiteren zusammengefasst vor, dass die Begründung des Ausstandsgesuchs des Gesuchstellers aktenwidrig und unsinnig sei. Nachdem der Vertreter des Gesuchstellers nach seiner gesundheitlichen Genesung neben dem (damaligen) unentgeltlichen Privatklägervertreter Rechtsanwalt lic. iur. Y. in vollem Umfang und pro bono als zweiter Privatklägervertreter aufgetreten sei, sei Rechtsanwalt lic. iur. Y. als unentgeltlicher Privatklägervertreter entlassen worden, da die gesetzlichen Voraussetzungen von Art. 136 StPO nicht mehr gegeben gewesen seien. Gegen diesen Entscheid sei durch den Gesuchsteller kein Rechtsmittel ergriffen worden. Die Anordnung einer mindestens teilweise aus der Staatskasse abzugeltenden Mehrfachvertretung, wie sie der Vertreter des Gesuchstellers anstrebe, widerspreche Gesetz und Rechtsprechung und sei auszuschliessen. Dem Gesuchsteller seien durch wiederholte Anfragen sämtliche zulässigen Optionen gelassen worden (Vertretung durch einen unentgeltlichen Rechtsbeistand seiner Wahl o- der die erbetene Vertretung durch eine mehrere Personen seiner
Wahl). Es sei sodann notorisch, dass der Vertreter des Gesuchstellers Amtspersonen mit Ausstandsgesuchen Strafanzeigen eindecke, um dadurch Einfluss auf die Verfahrensleitung und den Verfahrensgang auszuüben, was nicht dazu führen könne, dass diesem missliebige Amtspersonen aus deren Tätigkeit gedrängt die Durchführung von Prozesshandlungen verhindert würden. Die Ausstandsgesuche und die Strafanzeige hätten schliesslich in concreto keinerlei Einfluss auf seine neutrale Haltung gegenüber allen Prozessparteien (Urk. 2; so auch die Stellung- nahme vom 6. Dezember 2021 [Urk. 8]).
Aus den vorstehenden Erwägungen erhellt, dass der Gesuchsteller sein Ausstandsbegehren auf Art. 56 lit. f StPO stützt. Ein anderer Ausstandsgrund wird vom Gesuchsteller nicht geltend gemacht (vgl. Urk. 3/1 S. 2; Urk. 3/2 S. 2; Urk. 4 S. 2 f.).
Gemäss Art. 56 lit. f StPO hat eine in einer Strafbehörde tätige Person in den Ausstand zu treten, wenn sie aus anderen als jenen in Art. 56 lit. a-e StPO genannten Gründen befangen sein könnte. Befangenheit einer Gerichtsperson liegt dabei vor, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in ihre Unparteilichkeit zu erwecken, z.B. aufgrund persönlicher Nähe aufgrund ei- ner eigentlichen Feindschaft mit einer Partei deren Rechtsbeistand. Dabei ist
wie erwogen – nicht das subjektive Empfinden einer Partei massgebend; vielmehr muss das Misstrauen als objektiv begründet erscheinen. Entscheidend ist, wie ein unbefangener und vernünftiger Dritter in der Lage des Verfahrensbeteiligten die Situation einschätzen würde. Hauptkriterium ist dabei, ob der Ausgang des Verfahrens bei objektiver Betrachtung noch als offen erscheint nicht (BSK StPO-BOOG, a.a.O., Art. 56 StPO N 38 ff.; BGE 141 IV 178 E. 3.2.1 m.w.H.).
Was den Ausstandsgrund der Feindschaft betrifft, so muss eine solche auf Seiten der in der Strafbehörde tätigen Person vorhanden sein. Ob die Partei deren Rechtsvertreter derartige Gefühle hegt, ist ohne Bedeutung. Abneigung kommt als Ausstandsgrund aber nur in Frage, wenn sie ausgeprägt ist, d.h. wenn erhebliche persönliche Spannungen ein tiefes, schwerwiegendes Zerwürfnis vorliegt. Dabei müssen objektive Gründe auf eine gewisse Intensität der Bezie-
hung hindeuten. Entscheidend ist auch hier, ob die Offenheit des Verfahrens in Frage gestellt ist und die Person zur unvoreingenommenen Untersuchung Beurteilung noch fähig ist (BSK StPO-BOOG, a.a.O., Art. 56 StPO N 39).
Weiter ist zu bemerken, dass sich aus Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK keine Garantie fehlerfreien richterlichen Handelns ableiten lässt. Ein Rückschluss aus Verfahrensfehlern auf mangelnde Objektivität zulasten der einen anderen Partei ist an sich nicht zulässig, denn Verfahrensfehler kommen auf allen Ebenen der Justiz vor, und es ist nicht Sache des Ausstandsrichters, die Verfahrensführung in der Art einer Aufsichtsbehörde zu überprüfen. Ein Ausstandsgrund liegt nicht darin, wenn der Richter einen für die Partei ungünstigen Entscheid erlässt, in rechtlicher Hinsicht eine dieser nicht genehme Ansicht vertritt, in seinem Aufgabenbereich Verfahrensoder Ermessensfehler begeht, ja selbst willkürliche Prozesshandlungen trifft. Es darf allein daraus nicht gefolgert werden, dass es dem entsprechenden Funktionsträger an Objektivität fehlt (K ELLER, in: Do- natsch/Lieber/Summers/Wohlers [Hrsg.], StPO Kommentar, 3. Aufl., Zürich 2020, Art. 56 StPO N 40 ff. [nachfolgend zitiert SK StPO-AUTOR]; vgl. auch BSK StPO- BOOG, a.a.O., Art. 56 StPO N 59). Ein aus materiellen prozessualen Rechtsfehlern abgeleiteter Ausstandsgrund ist nur wesentlich, wenn die Rechtsfehler besonders krass sind wiederholt auftreten, sodass sie einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken. Andernfalls begründen sie keinen hinreichenden Anschein der Befangenheit. Gegen beanstandete Verfahrenshandlungen sind im Übrigen primär die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auszuschöpfen (Urteile des Bun- desgerichts 1B_671/2021 vom 31. März 2022 E. 3.1; 1B_497/2021 vom 24. Feb-
ruar 2022 E. 3.1.2; 1B_227/2021 vom 17. August 2021 E. 2.1; je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 143 IV 69 E. 3.2). Im blossen Umstand, dass eine Partei des Strafverfahrens in dessen Verlaufe eine Strafanzeige gegen ein Mitglied einer Strafbehörde einreicht, liegt kein Ausstandsgrund. Denn andernfalls könnte die Partei missliebige Mitglieder einer Strafbehörde allein durch Einreichen einer Strafanzeige aus dem Verfahren hinausdrängen (Urteil des Bundesgerichts 1B_671/2021 vom 31. März 2022 E. 3.1; vgl. auch BGE 134 I 20 E. 4.3.2; Urteil des Bundesgerichts 1B_368/2021 vom 22. September 2021 E. 2.1 mit Hinweisen).
In der Eingabe des Gesuchstellers vom 13. November 2021 wird der Antrag gestellt, der Gesuchsgegner habe seine Funktion als Verfahrensleiter infolge Befangenheit umgehend niederzulegen bzw. in den Ausstand zu treten, und die anberaumte Berufungsverhandlung sei zu verschieben (Urk. 3/1 S. 1, 31; vgl. ausführlich vorstehend Erw. III.3.1.). Mit dem Gesuchsgegner ist indes zu bemerken, dass sich der Gesuchsteller in derselben Eingabe über zwei Seiten hinweg zu den fehlenden Erfolgsaussichten seines Ausstandsbegehrens äusserte (a.a.O. S. 30 f.) und das Folgende festhielt (a.a.O. S. 28): Sollte der Verfahrensleiter gleichwohl, völlig unbeeindruckt von der nationalen wie auch internatio- nalen Rechtslage das Verfahren weiterführen wollen, was nicht zuletzt auch aus prozessökonomischen Gründen völlig unsinnig wäre, so wäre wohl ein weiteres, diesmal vor Schranken zu begründendes Ausstandsbegehren eine unausweichliche Konsequenz einer sorgfältigen Mandatsführung. Diese Bemerkungen irritieren, da nicht die Verfahrensleitung selbst über ein förmlich gestelltes Ausstandsbegehren entscheiden kann (vgl. Art. 59 StPO und vorstehend Erw. II.1.), was dem Vertreter des Gesuchstellers von Berufswegen bekannt ist, und erklärt die Haltung des Gesuchsgegners, die kurz vor der Berufungsverhandlung eingegangene Eingabe des Gesuchstellers nicht als Ausstandsbegehren zu qualifizieren. Selbst wenn eine Auslegung der Eingabe des Gesuchstellers vom
November 2021 den Schluss nahelegt, dass es sich bereits bei dieser um ein förmliches, weiterzuleitendes Ausstandsbegehren gehandelt haben könnte, kann daraus nicht gefolgert werden, dass es dem Gesuchsgegner an Objektivität fehlt. Denn selbst wenn von einem Verfahrensoder Ermessensfehler ausgegangen würde, wäre darin unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände kein besonders krasser Rechtsfehler zu erblicken, der einen hinreichenden Anschein der Befangenheit begründen würde. Die kurz darauffolgende Eingabe des Gesuchstellers vom 17. November 2021 (Urk. 3/2) wurde denn auch als Ausstandsbegehren der hiesigen Kammer zur Beurteilung überwiesen (Urk. 1).
Weitere einzelne Verfahrenshandlungen bestimmte Vorkommnisse, welche zu einem tiefen, schwerwiegenden Zerwürfnis mit dem Gesuchsgegner geführt haben sollen, sind nicht ersichtlich. Gleiches gilt für besonders krasse wiederholt auftretende Rechtsfehler.
Mit Präsidialverfügung vom 13. Juli 2021 wurde Rechtsanwalt lic. iur. Y. als unentgeltlicher Vertreter des Gesuchstellers mit der Begründung entlassen, der Gesuchsteller werde durch Rechtsanwalt Dr. iur. X. erbeten vertreten (Urk. 265 in SB180444-O). Letzterer
hat zu jenem Zeitpunkt mit seinem Verhalten denn auch mindestens den Anschein einer umfassenden Vertretung erweckt (vgl. Urk. 246 Urk. 248 in SB180444-O), auch wenn er sich selbst auf den Standpunkt stellt, klar zum Ausdruck gebracht zu haben, dass dies nicht der Fall und
gegen seinen ausdrücklichen Willen gewesen sei. Der Entscheid mochte sodann aus Sicht des (neu bestimmten) erbetenen Vertreters des Gesuchstellers zwar als ungünstig erscheinen, begründet aber keinen Rechtsfehler. Denn einer unentgeltlich verbeiständeten Privatklägerschaft ist es jederzeit gestattet, einen privaten Rechtsbeistand zu bestellen, doch ist in diesem Fall die amtliche Verbeiständung zu beenden, wobei die Kosten der privaten Verbeiständung nicht auf den Staat überwälzt werden können (SK StPO-VIKTOR, a.a.O., Art. 137 StPO N 1 mit Verweis auf Urteil des Bundesgerichts 6B_390/2018 vom 25. Juli 2018
E. 8.1). Für die Überprüfung der Verfügung stand dem Gesuchsteller im Übrigen die Beschwerde ans Bundesgericht offen (vgl. Urk. 265 in SB180444-O). Ein Rechtsmittel ergriff der Gesuchsteller indes nicht. Wenn er als Begründung hierfür die drohende Verjährung vorbringt (vgl. Urk. 3/1 S. 9), kann dem nicht gefolgt werden, da die Frist für die Verfolgungsverjährung mit dem erstinstanzlichen Urteil trotz freisprechendem Entscheid unterbrochen wurde (vgl. BGE 139 IV 62 E. 1.5.7). Ähnliches gilt, wenn der Vertreter des Gesuchstellers moniert, dass mit Präsidialverfügung vom 16. November 2021 entgegen seinem ausdrücklich kundgegebenen Willen erneut festgestellt worden sei, dass er als Vertreter des Gesuchstellers amte (vgl. Urk. 307 in SB180444-O). Diese Feststellung wurde gestützt auf dessen Verhalten und Auftreten getroffen – unter anderem verfasste er ein einunddreissigseitiges Ausstandsbegehren namens des Gesuchstellers (vgl. Urk. 3/1) – und basiert auf einer vom Gesuchsteller an diesen ausgestellten Vollmacht mit dem Betreff Strafverfahren (Urk. 305 in SB180444-O), was die Feststellung des Gesuchsgegners in der Präsidialverfügung vom 16. November 2021 min- destens erklärbar erscheinen lässt. Es ist sodann, wie erwogen, nicht Sache des Ausstandsrichters, die Verfahrensführung in der Art einer Aufsichtsbehörde zu überprüfen.
Das Vorbringen des Vertreters des Gesuchstellers, wonach der Gesuchsgegner dem Gesuchsteller mehrfach zu kurze Fristen angesetzt habe, um einen Vertreter zu bestimmen, erweist sich ebenfalls als unbegründet. Nachdem der Vertreter des Gesuchstellers das Mandat im Juli 2021 niedergelegt hatte (vgl. Urk. 267 in SB180444-O), wurde dem Gesuchsteller jeweils mit Präsidialverfügung vom 3. September 2021,
September 2021 sowie 28. September 2021 eine nicht erstreckbare Frist von 5 Tagen angesetzt, um sich zur Frage der Bestellung eines unentgeltlichen Privatklägervertreters bzw. zu dessen Person zu äussern, und unter anderem zu erklären, ob er die Bestellung von Rechtsanwalt lic. iur. Y. als unentgeltlichen Privatklägervertreter wünsche (vgl. Urk. 279; Urk. 284; Urk. 288 in SB180444-O). Bei der Ansetzung einer richterlichen Frist bestimmt der Richter die Länge der Frist im Einzelfall (SCHMID/JOSITSCH, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2017, Vor Art. 89-94 StPO N 3), mithin handelt es sich um einen Ermessensentscheid der Verfahrensleitung, welche auch dem Beschleunigungsgebot verpflichtet ist (Art. 5 StPO). Vor dem Hintergrund, dass der dem Ausstandsverfahren zugrundeliegende Strafprozess seit nunmehr zwölf Jahren bzw. alleine das Berufungsverfahren seit über dreieinhalb Jahren hängig ist und die Vertretungsfrage des Gesuchstellers mehrfach Thema war und insgesamt zu einer ungebührlichen Verzögerung des Verfahrens führte bzw. führt, sind die nicht erstreckbaren Fristen zwar knapp bemessen, in strafprozessua-
ler Sicht indes nicht zu beanstanden. Namentlich wurde der Gesuchsteller bei der ersten Fristansetzung lediglich aufgefordert, zu erklären, ob er weiterhin einen unentgeltlichen Rechtsvertreter wünsche und gegebe- nenfalls einen Vorschlag zu dessen Person zu machen. In der zweiten Frist sollte er erklären, ob er Rechtsanwalt lic. iur. Y. als Vertretung wünsche. Beide Erklärungen sind ohne Weiteres auch innerhalb einer kurzen Frist abzugeben. Sodann wurde der Gesuchsteller, wie dargelegt, drei Mal mit einer Frist von fünf Tagen aufgefordert, sich zur Frage seiner unentgeltlichen Rechtsvertretung zu äussern, weshalb dem Gesuchsteller insgesamt durchaus genügend Zeit zur Verfügung stand, sich dazu mitzuteilen bzw. einen neuen Vertreter zu benennen.
Ebenfalls nichts zu Gunsten seines Ausstandsbegehrens ableiten kann der Gesuchsteller aus dem Umstand, dass für die Berufungsverhandlung eine Redezeitbeschränkung von zwei Stunden bestimmt wurde (Urk. 307 in SB180444-O). Das Bundesgericht erachtet eine zeitliche Beschränkung der Redezeit für zulässig. Das Recht, die Redezeit der Parteien zu beschränken, fliesst aus der richterlichen Prozessleitung gemäss Art. 62 StPO und ist dem rechtlichen Gehör untergeordnet (Urteil des Bundesgerichts 6B_1273/2019 vom 11. März 2020 E. 3.3.3). Eine Redezeit an der Berufungsverhandlung von zwei Stunden zur Begrün- dung der Berufung erscheint angemessen und lässt – für sich genommen – objektiv auch nicht auf das Vorliegen einer Abneigung Feindschaft des Gesuchsgegners gegenüber dem Gesuchsteller dessen Vertreter schliessen.
Hinsichtlich der weiteren Vorbringen des Vertreters des Gesuchstellers, dass die gestellten Beweisanträge allesamt abgelehnt worden seien sowie dass der Gesuchsgegner von den beiden Berufungsrückzügen zugunsten der Beschuldigten 1 und 2 nicht unverzüglich Vormerk genommen und diesen zu Unrecht Parteistellung eingeräumt habe, ist vorab auf den Beschluss der hiesigen Kammer vom 3. März 2020 im Rahmen eines früheren Ausstandsverfahrens in rubrizierter Sache zu
verweisen (Geschäftsnummer SF190010-O), in welchem diese Fragen bereits behandelt wurden. Insbesondere wurde darin mit Verweis auf die einschlägige bundesgerichtliche Rechtsprechung festgehalten, dass ein Abschreibungsbeschluss lediglich deklaratorischen Charakter habe, die erfolgten Zustellungen an die Beschuldigten 1 und 2 nach Eingang des Rückzugs rechtens waren und bei objektiver Betrachtung keine Gegebenheiten vorlagen, die den Anschein der Befangenheit die Gefahr der Voreingenommenheit des Gesuchsgegners zu begründen vermochten, auch nicht hinsichtlich der abgelehnten Beweisanträge. Dieser Beschluss wurde vom Gesuchsteller nicht angefochten. Ergänzend ist zu bemerken, dass mit Beschluss vom 19. Oktober 2021 das Verfahren betreffend die Beschuldigten 1 und 2 formell als durch Rückzug erledigt abgeschrieben wurde (Urk. 296 in SB180444-O), und zwischenzeitlich we- der dem Beschuldigten 1 noch der Beschuldigten 2 Parteirechte gewährt worden sind, namentlich auch keine Zustellungen mehr an diese erfolgten. Das Ausstandsbegehren erweist sich damit auch in dieser Hinsicht als unbegründet.
Schliesslich hatten die erwogenen Verfahrenshandlungen rein prozessuale Anordnungen zum Gegenstand, mithin äusserte sich der Gesuchsgegner in keinster Weise zur Sache bzw. zum materiellen Inhalt der Berufung des Gesuchstellers, und es ergibt sich – auch in der Summe aller Verfahrenshandlungen und Vorkommnisse – bei objektiver Betrachtung nicht der Anschein, dass sich der Gesuchsgegner in einem Mass festgelegt hat, dass das Berufungsverfahren nicht mehr offen erscheint. Eine besonders schwere wiederholte Verletzung der Richterpflichten durch den Gesuchsgegner zulasten des Gesuchstellers, welche einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommt, und woraus auf dessen Voreingenommenheit zu schliessen wäre, ist nach dem Erwoge- nen nicht ersichtlich. Auch liegen keine objektiven Gründe für die An- nahme des Vorliegens einer Abneigung Feindschaft des Gesuchsgegners gegenüber dem Gesuchsteller dessen Vertreter vor, welche zudem die Intensität erheblicher persönlicher Spannungen eines tiefen, schwerwiegenden Zerwürfnisses aufweisen müssten, um den Anschein einer Befangenheit Zweifel an der Unvoreingenommenheit erwecken zu können. Namentlich liegt auch im Umstand, dass der Gesuchsteller gegen den Gesuchsgegner eine Strafanzeige stellen liess (Urk. 3/2 S. 3; Urk. 309 und Urk. 311 in SB180444-O), gemäss dargelegter bundesgerichtlicher Rechtsprechung kein Ausstandsgrund begründet, und Anzeichen dafür, dass sich der Gesuchsgegner in seinem Handeln von rassistischen Motiven leiten liess, sind – entgegen den Andeutungen des Vertreters des Gesuchstellers (vgl. Urk. 3/1 S. 28 f.; Urk. 13 S. 18 ff.)
in keiner Form ersichtlich.
Die Ausführungen des Gesuchstellers vermögen demzufolge keinen Befangenheitsgrund im Sinne von Art. 56 lit. f StPO zu begründen.
6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich keine Anzeichen dafür ergeben, dass der Gesuchsgegner im Berufungsverfahren SB180444-O als befangen zu betrachten wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesuchsgegner fähig ist, im Berufungsverfahren unabhängig und unvoreingenommen zu entscheiden. Das Ausstandsbegehren gegen den Gesuchsgegner ist demnach abzuweisen.
Ausgangsgemäss sind die Verfahrenskosten dem Gesuchsteller aufzuerlegen (Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StPO).
Es wird beschlossen:
Das Ausstandsbegehren des Gesuchstellers gegen den Gesuchsgegner wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 800.– festgesetzt.
Die Kosten werden dem Gesuchsteller auferlegt.
Schriftliche Mitteilung an
Rechtsanwalt Dr. iur. X. (im Doppel für sich und zuhanden des Gesuchstellers)
den Gesuchsgegner
sowie nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist resp. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Ersten öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 15. Juni 2022
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Stiefel
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw Brülisauer
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